Psychologische Erstbetreuung von Asylsuchenden verschiedener Altersgruppen Konzepte und Erfahrungen aus Hessen
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- Kornelius Lichtenberg
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1 Psychologische Erstbetreuung von Asylsuchenden verschiedener Altersgruppen Konzepte und Erfahrungen aus Hessen Dr. Dr. Ricarda Nater-Mewes Fachbereich Psychologie, Universität Marburg, Deutschland
2 Psychische Gesundheit von Asylsuchenden In einer Meta-Analyse mit Geflüchteten oder von Konflikten Betroffene hatten je 31% eine Depression und/ oder Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (Steel et al., 2009) PTBS- Prävalenz bei ca. 23%, Depression bei ca. 31% bei einer Studie in Zürich (van Heeren et al., 2012, bei 86 Asylsuchenden) Geflüchtete Kinder und Jugendliche in Flüchtlingscamps: 24-87% PTBS (Selbstbericht; Review von Vossoughi et al., 2016) Einfluss der elterlichen Erfahrungen auf die Kinder, z.b. Folter als schwerwiegendes Ereignis (Review von Fazel et al., 2012 zu geflüchteten Kindern & Jugendlichen in high-income countries )
3 Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit Unter anderem: die Anzahl erlebter Traumata (Dosis-Wirkungs-Effekt), die Art der Traumata (Foltererfahrungen, Vergewaltigung, Zeuge des Tods eines Familienmitglieds), Probleme im Asylland, soziale Unterstützung (Familie im Asylland; Peers), Religiosität, Akkulturation (i.s. von Integration nach Berry), Bildung?, Hoffnung auf eine bessere Zukunft. (z.b. Birman & Tran, 2008; Review von Johnson & Thompson, 2008; Review von Fazel et al., 2012; Sleijpen et al., 2016; Steel et al., 1999, 2006, 2009; Laban et al., 2004; Vossoughi et al., 2016)
4 Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit Ein langer Asylprozess und unsicherer Aufenthaltsstatus kann die psychische Gesundheit längerfristig verschlechtern mehr Angststörungen (ausser PTBS), Depressionen und somatoforme Störungen (z.b. Laban et al. bei 194 irakischen Asylsuchende in den Niederlanden, 2004; Steel et al. bei 241 Arabisch sprechenden Flüchtlingen in Sydney, 2006; van Heeren et al., 2012)
5 Hintergrund Asylsuchende bilden eine Hochrisikogruppe für psychische Störungen Psychische Versorgung von Geflüchteten ist rar 32 psychosoziale Behandlungszentren: Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e. V. (BAfF) In Hessen: 3 Einrichtungen in Frankfurt am Main Landkreise Marburg-Biedenkopf und weitere Umgebung keine Angebote
6 Offene Fragen Wie ist die psychische Gesundheit und ihr Verlauf über die Zeit bei in Hessen ankommenden Asylsuchenden? Wie kann diese Gruppe in Bezug auf psychische Probleme und deren Behandlung gezielt unterstützt werden?
7 Initiative a. Psychische Belastungen & Ressourcen bei Asylbewerber- Innen untersuchen b. Aufbau eines Informations- & Beratungsangebots c. Therapieplätze einrichten; Kompetenznetz im Kreis MR- Biedenkopf
8 2016: ca. 35% der Geflüchteten < 18 J; 2015: ca UMF (3% aller Anträge; mehr ) Migrationsbericht, 2014, BAMF
9 a. Psychische Belastungen und Ressourcen untersuchen Naturalistische Längsschnittstudie über das 1. Jahr des Aufenthaltes in Deutschland (02/ /2015) Sprachgruppen: Arabisch, Persisch (Farsi), Kurdisch (Kurmanci), Englisch Erhebung: PC-gestützte Fragebogenuntersuchung MultiCASI Klinisches Interview mit Dolmetscherunterstützung Rückmeldung falls Diagnosekriterien erfüllt Erfassung von Haarcortisol als biologisches Korrelat
10 141 Asylsuchende (38 davon 2x) aus Iran, Afghanistan, Syrien, Somalia, Eritrea. 67% Männer; 32 ± 8 Jahre alt (19-55 Jahre) 51% haben Kinder (bis zu 8); bei 65% davon sind die Kinder mit in Deutschland
11 Ergebnisse Traumatische Erfahrungen (selbst erlebt oder Zeuge geworden) in % 57 > > > >
12 Punkt-Prävalenz und Persistenz Baseline (%) 5 Monate später (% von baseline) etwas > Depression PTBS
13 Gute Differenzierbarkeit in der geringen und hohen Kategorie für PTBS und Majore Depression
14 Ergebnisse Schutz- & Risikofaktoren bei Depression Prädiktoren B ß (stand.) t P (Konstante) 23,302 4,163,000 Selbstwirksamkeitserwartung -,278 -,318-2,309,024 soziale Unterstützung -,279 -,280-2,501,015 Fatalistische Kontrollüberzeugung,217,120,915,364 Externale Kontrollüberzeugung,157,128 1,031,307 Internale Kontrollüberzeugung -,058 -,042 -,326,745 Alter,147,154 1,485,143 Kraft des Glaubens -,480 -,070 -,657,514 Wichtigkeit des Glaubens -,594 -,068 -,626,534 Anmerkung. R² =.36 (p <.05), N = 90, B = unstandardisierte Regressionskoeffizienten, ß(stand.) = standardisierte Regressionskoeffizienten
15 Zwischen-Fazit zu Projektteil a Die untersuchten Geflüchteten waren um ein Vielfaches stärker mit psychischen Symptomen/ Störungen belastet als die deutsche Allgemeinbevölkerung. Screening funktioniert und ist sinnvoll. Soziale Unterstützung und Selbstwirksamkeitserwartung sind wichtige Schutzfaktoren für die psychische Gesundheit. Das Thema könnte besonders belastete Asylsuchende verstärkt zum Mitmachen motiviert haben.
16 Initiative a. Psychische Belastungen & Ressourcen bei Asylbewerber- Innen untersuchen b. Aufbau eines Informations- & Beratungsangebots c. Therapieplätze einrichten; Kompetenznetz im Kreis MR- Biedenkopf
17 b. Ein Informationsangebot aufbauen Gesundheits-Teegarten Durchführung und Evaluation psychoedukativer Gruppen am Beginn des Aufenthaltes in Deutschland Inhalte: Was sind normale Symptome nach traumatischen Erlebnissen? Welche Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten habe ich? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es in Deutschland? Wie kann ich diese in Anspruch nehmen?
18 2 Termine à ca. 90 Minuten Demir, Reich & Mewes (2016). Beratung nach Flucht und Migration. Verlag WeltTrends
19 Erste Evaluation bei 31 Asylsuchenden Demir S., Reich H., Mewes R. Psychotherapeutenjournal 2/2016
20 Initiative a. Psychische Belastungen & Ressourcen bei Asylbewerber- Innen untersuchen b. Aufbau eines Informations- & Beratungsangebots c. Therapieplätze einrichten; Kompetenznetz im Kreis MR- Biedenkopf
21 c. Therapieplätze; Kompetenznetz Schulung von Psychologischen PsychotherapeutInnen in Ausbildung an der Psychotherapie-Ambulanz Marburg (PAM e.v.; Leitung Prof. Rief) Schwerpunkt Traumabehandlung, kognitive Verhaltenstherapie und Narrative Expositionstherapie Psychotherapie-Ambulanz für Kinder und Jugendliche (KJ- PAM; Frau Prof. Christiansen) behandelt Minderjährige Leitfaden für Beantragung bei Niedergelassenen
22 Weitere Aktivitäten Wie können Flüchtlinge mit psychischen Krankheiten unterstützt werden? Eine Informationsveranstaltung für in der Flüchtlingshilfe tätige Personen
23 Ablauf des heutigen Abends 1. Evaluation 2. Welche psychischen Krankheiten sind bei Asylbewerbern häufig? 3. Welche kulturellen Unterschiede gibt es? 4. Was ist Psychotherapie? 5. Was können Sie tun? 6. Abschlussevaluation 7. Ihre Fragen
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26 Fazit 1. Die meisten Asylsuchenden mit den von uns untersuchten Muttersprachen sind psychisch (stark) belastet 2. Die Unterbringungs- und Aufnahmemodalitäten sowie soziale Faktoren beeinflussen die psychische Gesundheit 3. Erste niedrigschwellige Angebote könnten mit einer Edukationsgruppe wie dem vorgestellten Gesundheits- Teegarten gemacht werden 4. Psychoedukation für Ehrenamtliche und Lehrpersonal im Geflüchtetenbereich ist wichtig
27 Team Dr. Dr. Ricarda Nater-Mewes Projektleitung Dipl.-Psych. Hanna Reich wiss. Mitarbeiterin Hilfskräfte & Diplomandinnen Serfiraz Demir Miriam Modalal Luisa Schäfer Negin Shahosseini Feline Seele Jana Prochowski Psychotherapie-Ambulanz Marburg Prof. Winfried Rief Dr. Kerstin Kühl
28 Kooperationspartner Fachbereich Psychologie AG Sozialpsychologie und Methodenlehre AG Klinische Biopsychologie Kompetenznetzwerk Ausländerbeirat Marburg Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werkes Oberhessen Refugee Law Clinic Gießen FATRA Frankfurter Arbeitskreis Trauma & Asyl Orientbrücke Marburg e.v. Vitos Klinik Marburg/ Gießen Hessischer Flüchtlingsrat Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie am weißen Stein Bzfo & zfm Flüchtlingsberatung der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau Netzwerk Traumatherapie Mittelhessen Verhaltenstherapeutische Ambulanz Gießen Landkreis Gießen
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