Konventionalisierung: Die Schattenseite des Biobooms
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- Nikolas Gärtner
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1 Konventionalisierung: Die Schattenseite des Biobooms Thomas Lindenthal und Ruth Bartel-Kratochvil sowie Ika Darnhofer und Werner Zollitsch BIO AUSTRIA Bauerntage auf Schloss Puchberg 28. Jänner Überblick Was ist die Konventionalisierung? Anzeichen für Konventionalisierung - Pflanzenbau - Tierhaltung - Betriebe und Verbände - Verarbeitung und Vermarktung Lösungsansätze - Vision - Qualitatives Wachstum - Fairness - Regionalisierung 2 1
2 Prinzipien der Biologischen Landwirtschaft Regionale Kreisläufe Umwelt- und Naturschutz Sorgfalt und Verantwortung Gesundheit Mensch-Tier-Boden Angemessenes Einkommen BauerIn - KonsumentIn Lebensqualität Praktisches, überliefertes Wissen Wohlbefinden der Tiere Gerechte, faire Beziehungen 3 Konventionalisierung Lebensqualität Regionale Kreisläufe Betriebsautonomie Nährstoffkreislauf Betriebsautonomie Nährstoffkreislauf Umwelt- und Naturschutz Gesundheit Mensch- Tier-Boden kurzfristige wirtschaftliche Überlegungen Angemessenes Einkommen BauerIn - KonsumentIn Praktisches, überliefertes Wissen Wohlbefinden der Tiere Gerechte, faire Beziehungen Sorgfalt und Verantwortung 4 2
3 Was ist Konventionalisierung? Einzelne Anzeichen sagen wenig aus! Wichtig ist: - Wie stark sind sie ausgeprägt? - Wie viele sind auf einem Betrieb zu finden? - Wie beeinflussen sie sich gegenseitig? Konventionelle Strukturen (z.b. Spezialisierung Verarbeitung, Vermarktung durch konv. Kanäle) Konventionelle Ziele (z.b. hohe Erträge/Leistungen, ökonomie-lastig, sinkender sozialer Anspruch) Konventionelle Lösungsansätze (z.b. Betriebsmittelzukauf statt Kreislauf) Reduzierung auf die Richtlinien, die Kontrolle bzw. auf die Einhaltung des Regelwerks 5 Was ist Konventionalisierung? Grundgedanke: Biolandbau = leicht modifizierte Version von konv. LW Zurückdrängen der ökologischen und sozialen Prinzipien zugunsten kurzfristiger ökonomischer Ziele In den Worten eines Biobauers: Es ist meine Befürchtung, dass der Biolandbau [mit der konventionellen Landwirtschaft] mitfährt, im gleichen Zug, nur in einem anderen Waggon. 6 3
4 Warum ist die Frage wichtig? Ursprünglicher Anspruch des Biolandbaus war agrar- und ernährungsökologische Alternativen aufzuzeigen - Attraktiv für die KonsumentInnen (z.b. weniger Pestizidrückstände in Lebensmitteln) - Attraktiv für Gesellschaft und Politik (Umweltschutz) - Agrarpolitische Alternative für die Erhaltung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und für die Autonomie der Betriebe Mögliche Auswirkungen der Konventionalisierung: - Verlust der Glaubwürdigkeit, u.a. bei KonsumentInnen - Schwächung der ökologischen, sozialen, kulturellen Veränderungskraft des Biolandbaus - Schwächung des Innovationspotenzials innerhalb des Biolandbaus 7 Konventionalisierung: Pflanzenbau Verringerung der Arten- und Sortenvielfalt Sorten sind nicht standortangepasst Spezialisierung (weg vom Kreislaufkonzept) Entkopplung von Tierhaltung und Pflanzenbau Verringerung der Vielfalt in der Fruchtfolge - Steigender Getreideanteil, sinkender Leguminosenanteil Zunehmender Einsatz von zugelassenen, leicht löslichen organischen Dünger (und Druck auf die Richtlinien) Zunehmender Einsatz von Pflanzenschutzmitteln - Kupfer, Schwefel, Phyrethrum, Rotenon Agrarökosystem mit geringer Biodiversität (Agrarlandschaft) 8 4
5 Konventionalisierung: Tierhaltung Rassen sind nicht bio-tauglich Konventionelle Selektionskriterien in der Tierzucht Augenmerk auf die Produktion: - Notwendigkeit externer Betriebsmittel - Kraftfuttereinsatz nimmt zu (im Verhältnis zum Grundfutter) Trend zu Güllesystemen, einstreuarmer Haltung Häufigeres Auftreten bestimmter Krankheiten in Folge zu hoher Leistungen und Überforderung des Anpassungsvermögens: - Berufskrankheiten (z.b. Stoffwechselstörungen, Konstitutionsschwächen) - Verhaltensstörungen wie Federpicken 9 Konventionalisierung: Betriebe und Verbände Betriebsstruktur - Strukturwandel auch im Biolandbau: Wachsen oder Weichen - Steigende Anonymität zwischen den Bauern; rückläufiger Austausch unter Bauern: Ökonomisierung der Beziehungen - Hohe Anzahl von Betrieben ohne Verbandszugehörigkeit Rolle der Verbände - Verbände sind nicht mehr Knotenpunkt der Wissensnetzwerke - Angestammte Bereiche (Beratung, Arbeitskreisbetreuung) werden vernachlässigt - Schwindende Bedeutung der Verbände als ideelle Basis Machtverschiebung von den Bauern/Verbänden zum Handel - Steigende Anonymität zwischen Bauern und Konsumentinnen 10 5
6 Konventionalisierung: Verarbeitung und Vermarktung Zunahme des Verarbeitungsgrads - Steigende Anzahl an Zusatzstoffen - Einsatz konventioneller Verarbeitungstechnologien - Höherer Energie-Einsatz, mehr Verpackung Globalisierung von Beschaffung und Absatz - Steigender Konkurrenz- und damit Preisdruck - Steigender Transport (Zentralisierung, Export) - Mangelnde Verfügbarkeit lokaler Produkte - Verlust an Saisonalität Dominanz des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels - Gefährdung kleiner, regionaler Pionierunternehmen Verdrängung von Herstellermarken durch Handelsmarken - Zunehmende Abhängigkeit und Austauschbarkeit der Zulieferer 11 und nun? Der Biolandbau muss sich erneuern und weiterentwickeln! Wie? 12 6
7 Lösungsansatz Bio ist visionär Wiederaufnahme einer Leitbild- und Visions-Diskussion: - Ökologische Herausforderungen annehmen (z.b. konsequenter Humusaufbau, Agrarlandschaft, fossile Energie) - Tierhaltung weiterentwickeln (z.b. Gesundheit, Wohlbefinden) - Integration des Gesamtsystems statt Fokussierung auf möglichst hohe Leistung eines Teilsystems Erhöhung von Konfliktfähigkeit, Partizipation, Reflexivität innerhalb der Biobewegung Eigenen Gestaltungsspielraum nutzen!! - z.b. Standards im Pflanzenbau und Tierhaltung Auszeichnung von beispielgebenden Betrieben S. Dippel 13 Lösungsansatz qualitatives Wachstum Gemeinsame Identität der biologischen Wirtschaftsweise wiederfinden Ökonomische Nachhaltigkeit / Robustheit durch Abbau einseitiger Abhängigkeiten (z.b. nicht nur einen großen Handelspartner) Vielfalt (z.b. bei Vermarktungsformen, Sorten, Rassen) Systemdenken statt Fokussierung auf Produktion und Richtlinien Langfristige Perspektive statt kurzfristige Markteroberung (z. B. was sichert langfristig das Vertrauen der Konsumenten in die Vorzüge der Bioprodukte? Wo passt sich Bio zu stark den konv. Produkten an? Wo gibt es nur kurzfristigen Profit bei hohen Investitionen? Wo ist die ökologische Stabilität gefährdet?) 14 7
8 Lösungsansatz Bio ist fair Soziale Ziele der Biologischen Landwirtschaft stärken: Austausch zwischen Bauern verstärken und Anonymität verringern (z.b. Stärkung der Arbeitsgruppen, regionale Veranstaltungen, Kooperationen) Engere Verbindung Biobauern KonsumentInnen (KonsumentInneninformation, Exkursionsbetriebe) Partnerschaftlicher Umgang zwischen Partnern (gute Beispiele bei Supermärkten: M-Preis, Coop in der Schweiz) Angemessene Einkommen Faire Preise 15 Lösungsansatz Bio ist regio Lokale und angepasste Technologien (inkl. Dokumentation und Austausch von lokalem Wissen) Regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen - Stärkung und Wiederaufbau von regionalen Strukturen - Regionale Bioproduktmarken Regionale Netzwerke: - Kooperation zwischen Biobetrieben Überbetriebliche Modelle der Zusammenarbeit - Verstärkung innerhalb und zwischen den Arbeitskreisen - Kooperation mit Tourismus, Gastronomie, Gewerbe (Verarbeitungsbetriebe), Bildung, Kultureinrichtungen etc. 16 8
9 Lösungsansatz Bio ist regio Bioregionen - Stärkung gegenwärtiger Bioregionen, - Initiierung neuer Regionen, - Vernetzung zwischen den Regionen Neue Nischenprodukte (z.b. spezielle Gemüsearten, traditionelle bzw. handwerkliche Herstellungsverfahren) 17 Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus am besten weitergehe? fragt Alice im Wunderland die orakelnde Katze. Die maunzt: Das hängt sehr davon ab, wo du hin willst. Lewis Caroll: Alice im Wunderland Thomas Lindenthal Agrarwissenschafter Ika Darnhofer Institut für Agrar- und Forstökonomie Department für Wirschafts- und Sozialwissenschaften Ruth Bartel-Kratochvil Institut für Ökologischen Landbau (IfÖL) Department für Nachhaltige Agrarsysteme Werner Zollitsch Institut für Nutztierwissenschaften Department für Nachhaltige Agrarsysteme 18 9
Konventionalisierung: Die Schattenseite des Biobooms
zu zitieren als: Lindenthal, T., Bartel-Kratochvil, R., Darnhofer, I. & W. Zollitsch (2008): Konventionalisierung die Schattenseite des Bio-Booms. BIO AUSTRIA Bauerntage 2008, 28.-31. Jänner 2008, Bildungshaus
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