Definition 2.1 Der Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariablen mit Wahrscheinlichkeitsfunktion
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- Bastian Meinhardt
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1 Kapitel 2 Erwartungswert 2.1 Erwartungswert einer Zufallsvariablen Definition 2.1 Der Erwartungswert einer diskreten Zufallsvariablen mit Wahrscheinlichkeitsfunktion È ist definiert als Ü ÜÈ Üµ Für spätere Notationen sei angemerkt, dass der Erwartungswert einer Zufallsvariablen häufig einfach mit bezeichnet wird. Beispiel 2.1 (Anzahl der,,köpfe beim zweifachen Münzwurf) 0.8 P(x) Abbildung 2.1: Wahrscheinlichkeitsfunktion In Beispiel 1.1a hatten wir die folgende Wahrscheinlichkeitsfunktion für die Anzahl der,,köpfe beim zweifachen Werfen einer Münze bestimmt, 12
2 2.1. ERWARTUNGSWERT EINER ZUFALLSVARIABLEN 13 Damit erhält man als Erwartungswert ¾ È Üµ für Ü ¾ für Ü für Ü ¾ sonst ÜÈ Üµ µ ¾µ ¾ µ Ü Wir werden jetzt zwei mögliche Interpretationen des Erwartungswertes kennenlernen. a) ist die Ü-Koordinate des Schwerpunktes der Wahrscheinlichkeitsfunktion von. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion ist in Abbildung 2.1 graphisch dargestellt. Stellen Sie sich die drei Balken in Abbildung 2.1 als Metallstäbe vor, die an die Ü-Achse geklebt sind. Versuchen Sie dann, die Wahrscheinlichkeitsfunktion auf eine scharfe Kante zu legen und dort auszubalancieren. Wenn Sie die Wahrscheinlichkeitsfunktion so, wie in Abbildung 2.2 dargestellt, auf die Kante legten, fiele die Funktion nach rechts, in Abbildung 2.3 würde sie nach links fallen. 0.8 P(x) Abbildung 2.2: Kippt nach rechts Wenn die Kante exakt unter dem Erwartungswert wäre, wie in Abbildung 2.4, würde die Funktion die Balance halten. In diesem Beispiel ist der Erwartungwert gerade. Der Erwartungswert ist also der Schwerpunkt von È. b) Der Erwartungswert kann als Mittelwert sehr vieler Realisationen von aufgefasst werden.
3 14 KAPITEL 2. ERWARTUNGSWERT 0.8 P(x) Abbildung 2.3: Kippt nach links 0.8 P(x) Abbildung 2.4: Gleichgewicht: Erwartungswert als Schwerpunkt Stellen Sie sich dazu vor, dass Sie die zwei Münzen sehr oft werfen. Eine typische Folge von Ergebnissen könnte so aussehen: Wurfspiel Ergebnis Ü Summe Mittelwert 0/1 1/2 2/3 2/4 4/5 Abbildung 2.5 zeigt die ersten fünf Mittelwerte. Abbildung 2.6 zeigt den Pfad der Mittelwerte bei simulierten Wurfspielen. In jedem Wurfspiel wird die Münze zweimal geworfen und die Anzahl der,,köpfe bestimmt. Nach jedem Wurfspiel wird der Mittelwert der bisher erzeugten Realisationen von berechnet. Abbildung 2.6 zeigt, dass der Pfad der Mittelwerte sich mit wachsender Anzahl der Realisationen stabilisiert, gegen einen endgültigen Wert konvergiert. Um zu zeigen, dass dies kein einmaliges Ergebnis war, sind in Abbildung 2.7 drei solcher Mittelwertpfade dargestellt. Wir folgern aus diesen Bildern, dass der Mittelwert mit zunehmender Anzahl von Spielen gegen den Erwartungswert konvergiert. Diese Tatsache lässt sich natürlich auch exakt beweisen.
4 2.1. ERWARTUNGSWERT EINER ZUFALLSVARIABLEN Mittlere Kopfzahl Anzahl der Spiele Abbildung 2.5: Pfad der ersten fünf Mittelwerte 2.0 Mittlere Kopfzahl Anzahl der Spiele Abbildung 2.6: Pfad der Mittelwerte bei Würfen Diese beiden Interpretationen lassen sich genauso auf stetige Zufallsvariablen anwenden. Definition 2.2 Der Erwartungswert einer stetigen Zufallsvariablen mit der Dichtefunktion ist definiert als Ü ÜµÜ Beispiel 2.2 Die Dichtefunktion einer Zufallsvariablen sei gegeben durch ܵ ¾Ü für Ü sonst
5 16 KAPITEL 2. ERWARTUNGSWERT 2.0 Mittlere Kopfzahl Anzahl der Spiele Abbildung 2.7: Drei Mittelwertpfade in je Spielen Der Erwartungswert berechnet sich dann als µ Ü ÜµÜ ¾Ü ¾ Ü ¾ Ü Ü Ü Ü ¾Ü Ü ¾ Ü Ü a) Der Erwartungswert ist die Ü-Koordinate des Schwerpunktes der Dichtefunktion f(x) E(X) Abbildung 2.8: Erwartungswert als Schwerpunkt der Dichtefunktion Stellen Sie sich die Dichtefunktion aus einer Metallplatte gemacht vor. Wenn wir die Dichtefunktion auf eine Kante legten, die genau unter µ wäre, würde die Dichtefunktion die Balance halten. b) Um die zweite Interpretation des Erwartungswertes anzuwenden, betrachten wir als wöchentliche Auslastung einer Maschine, gemessen als Anteil der möglichen Auslastung. Dann bedeutet also, dass die Maschine zu 100% ausgelastet und, dass die Maschine zu 50% ausgelastet ist usw..
6 2.2. ERWARTUNGSWERT EINER FUNKTION EINER ZUFALLSVARIABLEN 17 Typische Beobachtungen über mehrere Wochen könnten so aussehen: Werte: usw. Summe: usw. Mittelwert: usw. Abbildung 2.9 zeigt eine graphische Darstellung der ersten fünf Mittelwerte. Mittlere Auslastung Anzahl der Wochen Abbildung 2.9: Pfad der ersten fünf Mittelwerte Abbildung 2.10 zeigt uns, dass der Pfad der Mittelwerte, jeweils berechnet als Durchschnitt der bisher vorliegenden Realisationen, mit zunehmender Anzahl der Realisationen gegen den Erwartungswert von konvergiert. Mittlere Auslastung Anzahl der Wochen Abbildung 2.10: Konvergenz der Mittelwerte gegen den Erwartungswert 2.2 Erwartungswert einer Funktion einer Zufallsvariablen Gelegentlich braucht man nicht nur den Erwartungswert der Zufallsvariablen selbst, sondern auch den Erwartungswert À µ, wobei À µ eine Funktion der Zufallsvariablen ist, z.b. À µ oder À µ µ ¾.
7 18 KAPITEL 2. ERWARTUNGSWERT Beispiel 2.3 Betrachten Sie folgendes Spiel. Ich werfe zwei faire Münzen. sei die Anzahl der,,köpfe. Die Spielregeln sind die folgenden: Sie zahlen 3 DM, um zu spielen. Wenn, verlieren Sie die 3 DM., bekommen Sie 5 DM (3+2). ¾, bekommen Sie 4 DM (3+1). Ihr Gewinn ist eine Funktion von, die in der folgenden Tabelle aufgelistet ist: À µ Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, ob Sie dieses Spielangebot annehmen oder nicht, ist es für Sie wichtig, den Erwartungswert von À µ zu kennen. Bevor wir dieses Beispiel fortsetzen können, ist der Erwartungswert einer Funktion À µ einer Zufallsvariablen zu definieren. Definition 2.3 Sei À µ eine Funktion der Zufallsvariablen. Der Erwartungswert À µ ist definiert durch: À µ Ü À ÜµÈ Üµ falls diskret ist, À µ À ܵ ÜµÜ falls stetig ist. Für das obige Beispiel hatten wir die Wahrscheinlichkeitsfunktion schon in Beispiel 1.1a berechnet. Damit ist der Erwartungswert: À µ ¾ À ÜµÈ Üµ À µè µ À µè µ À ¾µÈ ¾µ Ü µ µ ¾µ ¾µ µ µ ¾ Å Pf pro Spielµ Im Mittel gewinnen Sie also Pf pro Spiel. Auf lange Sicht lohnt sich also das Spiel für Sie. Wenn Sie dagegen nur ein einziges Mal spielen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihre DM verlieren werden. Beispiel 2.4 Die stetige Zufallsvariable besitze die Dichtefunktion aus Beispiel 2.2, d.h. ܵ ¾Ü Ü sonst
8 2.3. MOMENTE 19 Die Funktion À µ sei gegeben durch Dann ist der Erwartungswert von À µ À µ ¾ À µ Ü ¾ ¾Ü Ü ¾Ü Ü ¾ Ü Nützlich sind die folgenden Rechenregeln für Erwartungswerte, die sich aus den entsprechenden Regeln für Summen bzw. Integrale ergeben. ¾ Satz 2.1 (Rechenregeln für Erwartungswerte) a), wenn eine Konstante ist. b) À µ À µ, insb.. c) À µ µµ À µ µ, wenn µ eine weitere Funktion von ist, insb. µ. Beweis: À µ Ê ÜµÜ ÜµÜ. ßÞ Ð Auf die weiteren Beweise verzichten wir hier. Ð 2.3 Momente Wichtige Funktionen einer Zufallsvariablen sind die Potenzen, d.h. À µ Definition 2.4 heißt das k-te Moment von. Es gilt: 1. Moment:
9 20 KAPITEL 2. ERWARTUNGSWERT 2. Moment 3. Moment ¾ ¾ Sind alle Momente einer Zufallsvariablen bekannt, so ist dadurch die Verteilung dieser Zufallsvariablen eindeutig bestimmt. Es ist Ü Eine weitere wichtige Funktion einer Zufallsvariablen ist Ü È Üµ falls diskret ist, (2.1) Ü ÜµÜ falls stetig ist. (2.2) À µ µ Definition 2.5 µ heißt das k-te zentrale Moment von, auch zentriertes Moment oder Moment um den Erwartungswert. Erstes zentrales Moment: Zweites zentrales Moment: µ ¾ µ ¾ Var ¾ Das zweite zentrale Moment stimmt also mit der Varianz überein, die wir abkürzend auch mit ¾ bezeichnen. Drittes zentrales Moment: µ 2.4 Die Varianz einer Zufallsvariablen Besonders wichtig ist das zweite zentrale Moment ¾ von ist: µ ¾, da es gleich der Varianz ¾ ¾ µ¾ Î Ö Nützlich zur Berechnung von Varianzen ist die folgende Regel: Satz 2.2 ¾ Î Ö ¾ µ ¾
10 2.4. DIE VARIANZ EINER ZUFALLSVARIABLEN 21 Beweis: ¾ µ ¾ ¾ ¾ ¾ µ ¾ ¾µ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ µ ¾ µ ¾ ¾ µ ¾ Ð Beispiel 2.5 In den Beispielen 2.2 und 2.4 hatten wir den Erwartungswert bzw. ¾ einer stetigen Zufallsvariablen mit der Dichtefunktion ܵ ¾Ü Ü sonst berechnet. Es war ¾ und ¾ ¾ Damit ist nach der Regel aus Satz 2.2 Î Ö ¾ ¾ µ ¾ Dies ist i.allg. einfacher als Ü ¾ µ ¾ ¾ÜÜ Wichtig sind die folgenden Rechenregeln für Varianzen, die aus den Rechenregeln für Erwartungwerte folgen. Satz 2.3 (Rechenregeln für Varianzen) Sei c eine Konstante. Dann gilt: a) Î Ö µ b) Î Ö µ ¾ Î Ö c) Î Ö µ Î Ö Beweis: a) Es ist und d.h. ¾ ¾ Î Ö µ ¾ ¾
11 22 KAPITEL 2. ERWARTUNGSWERT b) c) Î Ö µ µ ¾ µµ ¾ ¾ ¾ µ ¾ µ ¾ ¾ ¾ µ ¾ µ ¾ Î Ö Î Ö µ µµ ¾ µ ¾ µ ¾ Î Ö Diese Formeln kann man sich auch auf anschauliche Weise merken. Die Quadratwurzel aus der Varianz ist die Standardabweichung einer Zufallsvariablen und misst die Breite einer Verteilung oder die Streuung einer Zufallsvariablen. Die Varianz ist also das Quadrat eines Streuungsmaßes. Es ist doch nur vernünftig, dass a) die Streuung einer Konstanten, d.h. einer Zufallsvariablen, die nur einen einzigen Wert annehmen kann, Null ist, b) ein Streuungsmaß mit dem Faktor, also das Quadrat eines Streuungsmaßes mit dem Faktor ¾ zu multiplizieren ist, wenn ich jeden möglichen Wert dieser Zufallsvariablen mit einem Faktor multipliziere, c) sich ein Streuungsmaß nicht ändert, wenn ich den Wertebereich einer Zufallsvariablen um eine Konstante verschiebe. Ð
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