Sachliche Steuerpflicht
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- Hermann Winter
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1 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.1 INTERNATIONALE BESTEUERUNGSPRINZIPIEN Persönliche Steuerpflicht Wohnsitzprinzip ( residence principle ): Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat Nationalitätsprinzip ( nationality principle ): Eine natürliche Person ist in dem Staat steuerpflichtig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt Quellenprinzip ( source principle ): Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, aus dem ihr Einkommen stammt Sachliche Steuerpflicht Welteinkommensprinzip ( world-wide principle ): Der Steuerpflichtige wird mit seinem Welteinkommen veranlagt Territorialprinzip ( territoriality principle ): Der Steuerpflichtige wird nur mit dem Einkommen veranlagt, das er auf dem Territorium des betreffenden Staates erwirtschaftet hat
2 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.2 INTERNATIONALE BESTEUERUNGSPRINZIPIEN Steuerpraxis und Kollisionsproblem Deutschland besteuert Inländer nach dem Wohnsitzprinzip und dem Welteinkommensprinzip Wer nicht Inländer ist, wird in Deutschland nach dem Quellenprinzip und dem Territorialprinzip besteuert Dieses auch international gebräuchliche Nebeneinander führt zu einer Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Steuersachverhalten kollisionsauflösende Maßnahmen Anrechnungsmethode ( credit method ): Der Wohnsitzstaat rechnet die im Quellenstaat gezahlte Steuer auf die inländische Steuerschuld an Freistellungsmethode ( exemption method ): Der Wohnsitzstaat stellt das im Ausland erzielte Einkommen oder der Quellenstaat das im Inland erzielte Einkommen steuerfrei (ohne Zusatz ist ersteres gemeint) Abzugsmethode ( deduction method ): Der Wohnsitzstaat erlaubt den Abzug der im Quellenstaat gezahlten St von der inländ. Bemessungsgrundlage
3 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.3 GERECHTIGKEIT UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Gerechtigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen schwaches Leistungsfähigkeitsprinzip (Stefan Homburg): Gleichbehandlung gleicher Einkommen unter der hypothetischen Annahme identischer nationaler Steuerrechtsordnungen Verbleibende Ungleichheiten sollen ausschließlich durch die Verschiedenheit nationaler Tarife oder Bemessungsgrundlagen bedingt sein, nicht durch die Methodik der grenzüberschreitenden Best Sachliche Steuerpflicht Das Territorialprinzip verletzt das schwache Leistungsfähigkeitsprinzip im realistischen Fall progressiver ESt.-tarife: bei einem wachsenden Durchschnittsteuersatz kommt es zum sog. Ländersplitting, d.h. die Gesamtsteuer sinkt mit zunehmender Anzahl der Quellenländer Der Ländersplitting-Effekt tritt nicht auf, wenn der Wohnsitzstaat und die Quellenstaaten ausländische Einkünfte unter Progressionsvorbehalt freistellen Demgegenüber steht das Welteinkommensprinzip, sofern genau ein Staat besteuert, im Einklang mit dem schwachen Leistungsfähigkeitsprinzip
4 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.4 GERECHTIGKEIT UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Gerechtigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen Persönliche Steuerpflicht Wohnsitzstaat = Hochsteuerland versus Quellenstaat = Niedrigsteuerland Äquivalenztheoretisch ist das Wohnsitzprinzip dem Quellenprinzip prinzipiell überlegen, weil ein Hochsteuerland im Allgemeinen ein höheres Niveau an staatlichen Leistungen gewährt Wenn der Steuerpflichtige sowohl zum Wohnsitzstaat als auch zum Quellenstaat enge persönliche Kontakte unterhält, etwa bei der grenzüberschreitenden Erzielung von Arbeitseinkommen: Anspruch auf Sozialleistungen im Wohnsitzstaat spricht für Wohnsitzprinzip Das Quellenprinzip ist in diesem Fall jedoch zumindest vertretbar Wenn der Steuerpflichtige einem Staat angehört und in einem anderen Staat wohnt und Einkommen erzielt: persönliche Beziehung zum Wohnsitzstaat am engsten Wohnsitzprinzip Allerdings bleibt Anspruch Sozialleistungen im Angehörigkeitsstaat Nationalitätsprinzip kann sachgerecht sein
5 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.5 GERECHTIGKEIT UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Gerechtigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen Resümee Das Welteinkommensprinzip ist dem Territorialprinzip im Hinblick auf individuelle Steuergerechtigkeit vorzuziehen Darüber hinaus verlangt individuelle Steuergerechtigkeit die grundsätzliche Anwendung des Wohnsitzprinzips, während das Quellenprinzip und das Nationalitätsprinzip nur ausnahmsweise in Betracht kommen
6 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.6 GERECHTIGKEIT UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Gerechtigkeit gegenüber den Steuergläubigern äquivalenztheoretischer Anspruch des Quellenstaates auf das Steueraufkommen: die besteuerten Einkünfte und Vermögen wurden unter dem Schutz des jeweiligen Quellenstaates erwirtschaftet Spannungsverhältnis zwischen dem Gerechtigkeitspostulat gegenüber den Steuerpflichtigen einerseits und dem Gerechtigkeitspostulat gegenüber den Steuergläubigern (Staaten) andererseits Die Entscheidung zugunsten des Welteinkommensprinzips erlaubt aber mehrere Möglichkeiten der internationalen Steuerverteilung Vereinbaren die beteiligten Staaten die Anrechnungsmethode bezüglich der Doppelbesteuerung, erhält der Quellenstaat das Steueraufkommen ganz oder zum Teil Weil die staatlich bereitgestellte Infrastruktur in engem Bezug zur Einkommenserzielung steht, während die Inanspruchnahme von Sozialleistungen meist an den Wohnsitz geknüpft ist, ist bei grenzüberschreitender Einkommenserzielung eine anteilige Verteilung des Steueraufkommens auf die beiden Staaten angemessen Welteinkommensprinzip und Anrechnungsmethode sind Elemente eines internationalen Steuersystems, das individuelle Steuergerechtigkeit durchsetzt und eine in weiten Grenzen wählbare Verteilung des Steueraufkommens auf die betreffenden Staaten erlaubt
7 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.7 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inlandseinkommens: Grundlagen welche Besteuerungsformen sind aus Sicht des Inlands allokativ effizient? Inlandseinkommen = Gesamtheit der im Inland entstandenen Einkommen Inländereinkommen = das von Inländern im Inland und Ausland erwirtschaftete Einkommen analytischer Rahmen: kleine offene Vw mobiler Produktionsfaktor: Kapital immobile Produktionsfaktoren, insbes. Grund & Boden, Arbeit im Inland eingesetzter Kapitalbestand: K Inlandsprodukt:, mit inländischer Bruttozinssatz r, Weltmarktzins Annahme: gesamtes Kapital in ausländischer Hand ohne Steuern: Inlandseinkommen : Inländereinkommen: im Gewinnmaximum der Unternehmungen:
8 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.8 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inlandseinkommens: Steuerpolitik Kann das Inland seine Lage durch eine nicht anrechenbare Quellensteuer auf das inländische Kapitaleinkommen der Ausländer verbessern? pro Kapitaleinheit Steuerbetrag t im Gewinnmaximum weiterhin: Weltmarktzins r * die ausländischen Investoren akzeptieren keine Senkung ihrer Rendite Inlandszins muss auf steigen Wegen der Identität Kapitals auf Kapitaleinsatz möglich ist steigt auch die Grenzproduktivität des, was wiederum nur bei verringertem Die Quellenbesteuerung vermindert also den inländischen Kapitalbestand: Auch das private Inländereinkommen sinkt, und zwar auf Andererseits entsteht ein Steueraufkommen Ergebnis Für eine kleine offene Vw, die im Inland investiertes Kapital mit einer nicht anrechenbaren Quellensteuer belegen kann, ist der Verzicht auf die Quellenbesteuerung optimal.
9 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.9 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inlandseinkommens: Graphische Analyse f (K) r * +t C B Z r * A 1 A 2 K K 1 K 0 ohne Quellensteuer K 0, r * mit Quellensteuer K 1, r * + t Ausländereinkommen A 1 + A 2 A 1 Inländereinkommen B + C + Z B + C Zusatzlast Z
10 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.10 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inlandseinkommens: Anrechenbare QuellenSt ausländische Staaten: Welteinkommensprinzip Anrechnung der im Inland gezahlten Steuer bis Betrag t max Ertrag eines ausländischen Investors im Inland: im Marktgleichgewicht: ohne Quellenbesteuerung (t = 0): K 0 optimal mit Quellenbesteuerung in Höhe von t < t max : K 0 optimal und Steueraufkommen tk 0 Ergebnis Für eine kleine offene Vw, die im Inland investiertes Kapital mit einer bis zum Höchstbetrag t max anrechenbaren Quellensteuer belegen kann, ist t = t max optimal. Die Vorteilhaftigkeit der Erhebung einer anrechenbaren Quellensteuer gilt allerdings nur in Bezug auf steuerehrliche ausländische Investoren, denn für Ausländer, die ihr Kapitaleinkommen durch Anlage im Inland verheimlichen, wird die Quellensteuer trotz formaler Anrechenbarkeit zur Definitivbelastung
11 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.11 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inländereinkommens (1) K Inlandskapital S Inländerkapital (akkumulierte Ersparnis der Inländer) S K Nettoforderungsposition des Inlands Zunahme: Leistungsbilanzüberschuss (Kapitalexport) Abnahme: Leistungsbilanzdefizit (Kapitalimport) analytischer Rahmen: kleine offene Vw Kapitalexportstaat, d.h. S > K steuerehrliche Anleger Kapitalimportstaat erhebt Quellensteuer auf Kapitaleinkommen steuerpolitische Frage: Angenommen, der Kapitalexportstaat wolle das Kapitaleinkommen der Inländer grundsätzlich besteuern gibt es einen Grund, hierauf bei offenen Grenzen zu verzichten?
12 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.12 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inländereinkommens (2) Inlandseinkommen Inländer erhalten auf ihren Kapitalexport den Ertrag: Ziel einer effizienzorientierten Steuerpolitik des Kapitalexportstaates: Maximierung des Inländereinkommens, d.h. Notwendige Bedingung: Effizienzbedingung: Der aus Sicht des Kapitalexportstaates effiziente Kapitalexport ist durch Übereinstimmung des heimischen Bruttozinses mit dem ausländischen Nettozins charakterisiert in einem Marktgleichgewicht: Nettorenditen von Inlands- und Auslandsinvestitionen müssen übereinstimmen der Kapitalexportstaat erhebe eine Wertsteuer mit dem Satz τ auf das Kapitaleinkommen der Inländer Nettoverzinsung der Inlandsinvestitionen:
13 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.13 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Besteuerung des Inländereinkommens (3) Frage: welche Methode der Besteuerung von Auslandseinkünften ist aus Sicht des Kapitalexportstaates optimal? Methode Nettoverzinsung Nettoverzinsung Inlandszins Inland Ausland Doppelbesteuerung Vollanrechnung Freistellung Steuerabzug Ein Steuerabzug sichert als einzige Methode die Übereinstimmung von inländischem Bruttozins und ausländischem Nettozins Ein Kapitalexportstaat, der die nationale Wohlfahrt maximieren will, sollte deshalb unabhängig vom Verhalten des Quellenstaates die Abzugsmethode wählen
14 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.14 ALLOKATIVE EFFIZIENZ UND INTERNATIONALE BESTEUERUNG Resümee zur effizienten internationalen Besteuerung Effizienzorientierte Kapitalimportstaaten sollten nur im Fall der Anrechnung Quellensteuer auf ausländisches Kapitaleinkommen erheben Die Anrechnung ist aus Sicht der Kapitalexportstaaten keine optimale Politik, jedenfalls nicht als einseitige Maßnahme Zusammengefasst ergibt sich, dass die Kapitalexportstaaten einen Steuerabzug vorsehen sollten und die Kapitalimportstaaten nicht besteuern sollten M.a.W.: Das Welteinkommensprinzip und das Wohnsitzprinzip werden in Reinform verwirklicht, und es kommt nicht zu Doppelbesteuerungen Dieser Zustand bildet ein Nash-Gleichgewicht in Steuerstrategien: Bei optimalem Verhalten der jeweils anderen Staaten kann kein Staat das Inländereinkommen durch Wechsel der Steuerpolitik erhöhen
15 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.15 WELTWIRTSCHAFTLICHE EFFIZIENZ INTERNATIONALER STEUERSYSTEME Effizienzkriterien und Modellrahmen weltwirtschaftliche Effizienzkriterien: Kapitalexportneutralität: := Entscheidungen über den Anlage- bzw. Investitionsort unverzerrt Kapitalimportneutralität: := inländische und ausländische Investoren zahlen die gleichen Steuern auf das im Kapitalimportstaat erzielte Einkommen analytischer Rahmen: eine Welt mit 2 Staaten: Inland D, Ausland F im Inland: Kapitalbestand K, Inlandsprodukt: im Ausland: Kapitalbestand K *, Inlandsprodukt: Einwohner der Staaten besitzen Kapitalbestände: S bzw. S * produktionseffiziente Zuteilung des Kapitals maximiert die Summe der Inlandsprodukte: Effizienzbedingung:, d.h. Bei weltwirtschaftlich effizienter Zuteilung des Kapitals stimmt die Grenzproduktivität in beiden Staaten überein
16 Univ.-Prof. Dr. Stefan D. Josten Öffentliche Finanzen E.16 WELTWIRTSCHAFTLICHE EFFIZIENZ INTERNATIONALER STEUERSYSTEME Alternative internationale Steuersysteme Welteinkommensprinzip: (inländische Anleger) bzw. (ausländische Anleger) Kapitalexportneutralität: weltweite Angleichung der Bruttozinsen geographisch unverzerrte, produktionseffiziente Zuteilung der Kapitalbestände keine Kapitalimportneutralität (Konsumineffizienz) Territorialprinzip: Kapitalimportneutralität: weltweite Angleichung der Nettozinsen Gleichbehandlung aller in- und ausländischen Investoren keine Kapitalexportneutralität (Produktionsineffizienz) Bei harmonisierten Steuerrechtsordnungen tritt keine der genannten Ineffizienzen auf; allerdings: Verlust an nationaler Steuerautonomie zweitbeste Lösung: Welteinkommensprinzip, mit Konsumineffizienz als Preis für die nationale Steuerautonomie
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