Konflikte zwischen Hochwasserschutz und Bauleitplanung
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- Gert Fuhrmann
- vor 7 Jahren
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1 54. Fortbildungslehrgang des BWK Niedersachsen und Bremen e. V. Hochwasserrisiken managen Konflikte zwischen Hochwasserschutz und Bauleitplanung Seite 1
2 Gliederung Ausgangslage Rechtliche Grundlagen Aktuelle Entwicklungen und offene(?) Fragen Seite 2
3 Ausgangslage Konflikte zwischen Hochwasserschutz und Bauleitplanung? Vorbeugender Hochwasserschutz ist eine Querschnittsmaterie. Das Wasser-, das Raumordnungs- und das Baurecht halten wichtige Instrumente bereit, um bereits auf der Planungsebene zu verhindern, dass Menschen und ihr Vermögen, aber auch die natürlichen Lebensgrundlagen durch voraussehbare Hochwasserereignisse gefährdet werden. Aspekt der Flächenvorsorge Seite 3
4 Ausgangslage Niedersächsisches Ministerium Grundsatz der Raumordnung nach 2 Abs. 2 Nr. 6 ROG: Für den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Küste und im Binnenland ist zu sorgen, im Binnenland vor allem durch Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, Rückhalteflächen und Entlastungsflächen. 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB: Die Belange des Hochwasserschutzes sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen Seite 4
5 Ausgangslage Niedersächsisches Ministerium Also: Bauleitplanung ist Hochwasserschutz? Bauleitplanung ist Hochwasserrisikomanagement? Seite 5
6 Ausgangslage Niedersächsisches Ministerium Was ist dann hier (und andernorts) schiefgegangen? Seite 6
7 Ausgangslage Niedersächsisches Ministerium Siedlungstrukturelle Fehlentwicklungen Stetiger Verlust von Retentionsflächen durch flussnahe Siedlungs- und Gewerbegebiete Schäden in bebauten Gebieten zählen zu den schwerwiegendsten Folgen von Überschwemmungen Seite 7
8 Ausgangslage Bauleitplanung kann Hochwasserschutz sein. Bauleitplanung kann Hochwasserrisikomanagement sein. Dies setzt neben dem Willen zum Einsatz der zur Verfügung stehenden Instrumentarien auch die Kenntnis seiner Möglichkeiten und Grenzen voraus. Die planende Gemeinde darf dabei nicht allein gelassen werden! Seite 8
9 Ausgangslage Niedersächsisches Ministerium Siedlungsentwicklung steuern, Schadenspotenziale mindern: Den Flüssen mehr Raum geben heißt auch, dass eine Überprüfung der Entwicklungsbereiche für Siedlungszwecke und gewerbliche Nutzung auf ihre Hochwasserkompatibilität stattfinden muss. In Überschwemmungsgebieten dürfen in Zukunft keine neuen Wohnund Gewerbegebiete mehr ausgewiesen werden. (aus dem 5-Punkte-Programm der Bundesregierung, September 2002) Seite 9
10 Ausgangslage Gesetzgeberische Konsequenz: Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 Ergänzung des ROG und des BauGB Festsetzung der Überschwemmungsgebiete bleibt zentrales Element des (wasserrechtlichen) Instrumentariums zum Hochwasserschutzes Ergänzung u. a. um Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete durch Bauleitpläne Seite 10
11 Rechtliche Grundlagen Niedersächsisches Ministerium 77 WHG Überschwemmungsgebiete sind in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem entgegenstehen, sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen (Erhaltungsgebot). entgegenstehende Belange müssen gewichtiger als der Erhalt des Überschwemmungsgebietes als Rückhaltefläche sein Alternative des Ausgleich nur nachrangig gilt unabhängig von Festsetzung oder vorläufiger Sicherung Seite 11
12 78 WHG: Rechtliche Grundlagen Besondere Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete, insbesondere Verbot der Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch, ausgenommen Bauleitpläne für Häfen und Werften ( 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) Seite 12
13 78 Abs. 2 WHG: Rechtliche Grundlagen Die zuständige Behörde kann die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn 1. keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können, 2. das neu auszuweisende Gebiet unmittelbar an ein bestehendes Baugebiet angrenzt, 3. eine Gefährdung von Leben oder erhebliche Gesundheits- oder Sachschäden nicht zu erwarten sind, 4. der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden, Seite 13
14 Rechtliche Grundlagen 5. die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird, 6. der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt wird, 7. eine nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger zu erwarten sind, 8. die Belange der Hochwasservorsorge beachtet sind und 9. die Bauvorhaben so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser, das der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zugrunde liegt, keine baulichen Schäden zu erwarten sind Seite 14
15 Rechtliche Grundlagen Für vorläufig gesicherte Gebiete gelten die Regelungen entsprechend ( 78 Abs. 6 WHG) Seite 15
16 Aktuelle Entwicklungen Niedersächsisches Ministerium OVG Lüneburg, Beschl. v , 1 MN 7/14 Normenkontrolleilverfahren gegen Bebauungsplan für großflächigen Einzelhandel ( Carré Cloppenburg ) Seite 16
17 Aktuelle Entwicklungen Niedersächsisches Ministerium
18 Aktuelle Entwicklungen Niedersächsisches Ministerium Frage: Andere Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung nach 78 Abs. 2 Nr. 1 WHG? Aus den Leitsätzen: Soweit das LROP 2012 auf die Anforderungen des Hochwasserschutzes verweist, nimmt es damit inhaltlich auf 78 Abs. 2 WHG Bezug. Die Anforderungen dieser Vorschrift sind damit zugleich Anforderungen des Raumordnungsrechts Seite 18
19 Aktuelle Entwicklungen Niedersächsisches Ministerium 78 Abs. 2 Satz 1 WHG gestattet die Ausweisung neuer Baugebiete innerhalb von Überschwemmungsgebieten nur dann, wenn keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können. In Betracht kommt das nur in seltenen Ausnahmefällen, in denen beispielsweise (nahezu) das gesamte Gemeindegebiet innerhalb eines Überschwemmungsgebietes liegt oder aber etwa aus topografischen Gründen eine Gemeindeentwicklung nur dort in Betracht kommt Seite 19
20 Aktuelle Entwicklungen Niedersächsisches Ministerium Die Vorschrift lässt den Zugriff auf ein Überschwemmungsgebiet nicht schon dann zu, wenn sich für ein bestimmtes Vorhaben kein außerhalb gelegener Alternativstandort findet. Der Begriff der Siedlungsentwicklung ist nicht mit dem Begriff der Projekt bzw. Vorhabenentwicklung gleichzusetzen Seite 20
21 Offene Fragen Fragen, die sich daraus ergeben: Wie verhält es sich, wenn die Erweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebs im oder am Rand eines festgesetzten Überschwemmungsgebiets aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen ausschließ-lich in das Überschwemmungsgebiet erfolgen kann und eine Erweiterung im sonstigen Gemeindegebiet ohne unmittelbaren Anschluss an das bestehende Betriebsgelände ausscheidet ( verlängerte Werkbank )? Versuch einer Antwort: Im Prinzip keine anderweitige Möglichkeit der Siedlungsentwicklung; es kommt auf den Einzelfall an Seite 21
22 Offene Fragen An welche Voraussetzungen und Nachweise ist das Vorliegen dieser Voraussetzung in sonstigen Fällen (z. B. Ausweisung neuer Wohn- oder Gewerbegebiete) zu knüpfen? Versuch einer Antwort: Für neue Wohn- oder Gewerbegebiete gibt es keine Ausnahmen; das gilt auch für die Frage, ob Wohnen am Wasser als besonders hochwertiges Wohnen anzusehen ist, das sonst nirgendwo möglich ist; dieser Aspekt spielt keine Rolle Seite 22
23 Offene Fragen Was ist ein neues Baugebiet 78 Abs. 2 WHG? Liegt bei einer Überplanung eines Gebiets im Innenbereich ( 30 und 34 BauGB) ein neues Baugebiet vor, wenn ohne erhebliche Ausweitung des Maßes der baulichen Nutzung/ Überbauung zusätzlicher Flächen nur der Charakter des Gebiets geändert wird (also etwa zukünftig Misch- statt Wohngebiet)? Wie ist es, wenn das Maß der baulichen Nutzung im Sinne einer Nachverdichtung erheblich ausgeweitet wird? Und wie, wenn in der Vergangenheit genutzte Flächen einer neuen Nutzung zugeführt werden sollen (mehrjährige Gewerbebrache, aufgegebene militärische Liegenschaft)? Seite 23
24 Offene Fragen Versuch einer Antwort: Flächen, die bebaut sind bzw. waren, sind nicht als neues Baugebiet anzusehen. Nach der Rechtsprechung des OVG Koblenz ist bei Änderung des Gebietstyps i. S. der BauNVO ggf. von einem neuen Baugebiet i. S. WHG auszugehen. Verfahren ist beim BVerwG anhängig.
25 Vielen Dank für Aufmerksamkeit! Seite 25
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