Onkologie interdisziplinär
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- Clemens Straub
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1 Onkologie interdisziplinär evidenzbasiert integrativ patientenzentriert Bearbeitet von Jutta Hübner, Wolff Schmiegel 1. Auflage Taschenbuch. 543 S. Paperback ISBN Format (B x L): 16,5 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Onkologie, Psychoonkologie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 112 5 Begleitende Therapie der Männer anhaltend infertil. Bei anderen Kombinationen kann sich die Fertilität auch noch nach Monaten und Jahren erholen. Insbesondere bei der Gabe von Platinpräparaten bei Patienten mit Hodenkarzinom erholt sich die Spermatogenese bereits nach 2 Jahren in circa 50 %, nach 5 Jahren in rund 80 % der Fälle. Zum Fertilitätserhalt beim Mann kann eine Samenprobe gewonnen und kryokonserviert werden. Ist ein Spermiengewinn mit Ejakulation nicht möglich, kann auch Hodengewebe verwendet werden Tumorlysesyndrom Jutta Hübner Das Tumorlysesyndrom ist eine onkologische! Notfallsituation. Bei einer großen Tumorlast und einem sehr rasch ansprechenden Tumor kann es durch den plötzlichen Zellzerfall und die Freisetzung von Zellbestandteilen zu einer Schädigung der Niere mit metabolischen Störungen und Elektrolytentgleisungen kommen. Dies erfordert die sofortige notfallmäßige Einweisung des Patienten. Erkrankungen mit hohem Risiko für ein Tumorlysesyndrom sind: hochmaligne Lymphome, akute Leukämien, fortgeschrittenes multiples Myelom, Keimzelltumoren, andere Lymphome Fatigue Bianca Senf, Jutta Hübner Schlafen Sie sich mal wieder richtig aus, dann wird das schon wieder, habe der Arzt zu ihr gesagt. Es wurde nicht wieder. Die Patientin fühlte sich durch den Arzt nicht ernst genommen und verletzt, was in der Folge dazu führte, dass sie die Beschwerden nicht mehr mitteilte. Ratschläge ohne exakte Exploration können wie Schläge wirken, die jede weitere Kommunikation blockieren können. Fallbeispiel Frau Kerstin H. meldet sich 2 Jahre nach ihrer Brustkrebs behandlung in der psychotherapeutischen Praxis mit Schwerpunkt Psychoonkologie. Der Arzt habe gesagt, dass sie wahrscheinlich eine Depression entwickelt habe. Das glaube sie persönlich aber nicht. Sie neige nicht zu Depressionen. Frau H. macht einen müden und abgekämpften Eindruck. Sie sei jetzt kaum die wenigen Stufen hochgekommen, ohne zwischendrin anhalten zu müssen. So ginge das nun schon seit Monaten. Sie gehe früh schlafen, der Schlaf sei auch einigermaßen gut, doch sie wache morgens erschöpft auf. Ihr Körper fühle sich zentnerschwer an. Ihren Haushalt bekomme sie nur mit Mühe und Not organisiert. Früher sei sie sportlich sehr aktiv gewesen: dreimal die Woche walken, einmal Fitnesstraining und am Wochenende stand häufig Wandern auf dem Programm. So wie jetzt mache das Leben keinen Spaß mehr. Langsam verlöre sie ihren Lebensmut. Die weitere Exploration ergibt, dass die Patientin nicht nur sehr unter ihrer Energielosigkeit und bleiernen Müdigkeit leidet, sondern dass sie sich dabei ständig Sorgen macht, dass ihr Befinden den Anfang vom Ende einläute. Übersetzt: Sie hat Angst, der Krebs sei zurückgekommen und sie müsse bald sterben. Warum wird Fatigue von vielen Behandlern nicht wahrgenommen und/oder unterschätzt? Die Gründe sind zahlreich:
3 5.1 Supportive Therapie 113 Patienten sprechen nicht über Fatigue, da sie die Symptome als unvermeidbare Begleiterscheinung ihrer Erkrankung oder Therapie sehen und der Auffassung sind, dass man nichts dagegen unternehmen kann: Warum soll ich dem Arzt das sagen, da kann er doch nichts machen, oder?, so eine Patientin in der psychoonkologischen Sprechstunde. Viele Patienten denken, sie müssten sich nur mehr anstrengen, mehr Willenskraft aufbringen, dann ginge es besser: Vielleicht stelle ich mich ja auch nur an und müsste mich einfach mehr aufraffen, äußer te die eingangs geschilderte Frau Kerstin H. Auch auf ärztlicher und psychologischer Seite herrscht noch viel Unwissenheit über Fatigue. Symptome, Ursachen, Auswirkungen auf die Patienten und Möglichkeiten der Behandlung sind oft nicht bekannt. Behandler überhören vielfach die Klagen der Patienten über Fatigue. So geben beispielsweise 31 % der Patienten an, dass sie mit ihrem Onkologen über ihre Müdigkeit sprechen, wohingegen nur 6 % der Onkologen glauben, dass das Thema Müdigkeit vom Patienten überhaupt angesprochen wird (Vogelzang et al. 1997). Warum sind Kenntnisse über Fatigue wichtig? Fatigue ist ein Symptom, unter dem Patienten massiv leiden. Die Lebensqualität wird durch Fatigue maßgeblich beeinträchtigt. Darüber hinaus ziehen die Symptome der Fatigue auch eine Reihe von psychischen und psychosozialen Folgeproblemen nach sich, da Patienten Fatigue oft als Fortschreiten der Erkrankung fehlinterpretieren. Auch Therapieabbrüche sind häufig auf das Leiden unter Fatigue zurückzuführen. Fatigue ist in vielen Fällen behandelbar. Definition Unter Fatigue versteht man eine ausgeprägte Müdigkeit, die mit dem Gefühl einer großen Erschöpfung einhergeht und in keinem adäquaten Verhältnis zu vorausgegangenen Aktivitäten steht (ICD 10: G 93.3). Während bei einer normalen Erschöpfung Ruhephasen und/oder Schlaf zur Wiederherstellung der gewohnten Kraft führen, berichten Tumorpatienten, die unter dem Fatigue-Syndrom leiden, dass sie sich auch nach langen und ausreichenden Ruhe- und Schlafphasen nur für kurze Zeit kräftiger bzw. energievoller fühlen (Cella et al. 1998). Fatigue tritt, in Abhängigkeit von Erhebungsinstrumenten und -zeitpunkt, mit Prävalenzraten zwischen 58 und 90 % auf (Servaes et al. 2002). Fatigue wird, nach der (in der Regel relativ gut möglichen) Behandlung anderer tumorbedingter Beschwerden, vor allem von Schmerzsymptomatiken, häufig als die wesentlichste Einschränkung der Lebensqualität angeführt. Symptome Häufige Aussagen von Patienten sind: Ich fühle mich wie gerädert. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Ich fühle mich so müde und kraftlos, obwohl ich geschlafen habe. Mein Kopf ist so schwer, ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren.
4 114 5 Begleitende Therapie Ich habe zu nichts mehr Lust und weiß gar nicht warum. Die Symptome der Fatigue können sich auf der körperlichen, der geistigen und der emotionalen Ebene äußern und werden diagnostisch diesen 3 Bereichen zugeordnet: körperliche Ebene: reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, Schwäche, erhöhter Ruhe- und Schlafbedarf, Müdigkeit; emotionale Ebene: reduziertes Energielevel/-erleben, fehlende Motivation, Dinge anzugehen, Traurigkeit und Ängstlichkeit; geistig-mentale Ebene: Konzentrationsschwäche, Denkblockaden, Schlafprobleme. Infektionen, Schlaf-Apnoe, sedierende Medikamente (z. B. Schmerzmittel, Psychopharmaka). Psychische Ursachen können sein: Distress, Angst, Depression, chronischer Schmerz, Schlafstörungen, allgemeine Überforderung. Bei Vorliegen von Müdigkeit und Kraftlosigkeit sollte immer auch eine Fatigue-Problematik in Betracht gezogen und eine Abklärung initiiert werden. Ursachen Fatigue ist wie die Krebserkrankung selbst auf ein multifaktorielles Geschehen zurückzuführen. Pathologische, psychologische, soziale, physische und ernährungsbedingte Faktoren interagieren miteinander und tragen zu dem Fatigue-Syndrom bei (Glaus 1996). Als körperliche Ursachen kommen in Frage: Anämie (z. B. Hämoglobinmangel), Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), Herzinsuffizienz, hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüsenerkrankungen), krankhafte Bildung von Substanzen, die Stoffwechsel oder Muskelfunktionen stören (z. B. Zytokine), erhöhter Stoffwechselbedarf infolge des Tumorwachstums und/oder der -therapie, Ernährungsfaktoren (z. B. Mangel an Nährstoffen), Als modulierende Faktoren kommen infrage: Persönlichkeitsstruktur, Vorerfahrung mit Krankheit, emotionale Grundhaltung, Verarbeitungsstil, soziale Bedingungen, religiöse/spirituelle Einbettung, allgemeine Befindlichkeit. Screening und Diagnostik Fatigue ist, wie Schmerz oder psychisches Befinden, an das rein subjektive Er leben gekoppelt. Es gibt keine objektiven Messparameter und so ist der Behandler zunächst auf die Selbsteinschätzung des Patienten angewiesen. Folgendes Vorgehen hat sich als für den Behandler praktikabel und für den Patienten hilfreich erwiesen: Die Diagnosestellung erfolgt auf den Ebenen Wahrnehmen Erkennen Hinund Zuhören Fragen und Erfassen:
5 5.1 Supportive Therapie 115 Wie geht es Ihnen? Wie müde fühlen Sie sich? Wie wirkt sich die Müdigkeit im Alltag aus? Eventuell im Anschluss oder bei Unsicherheit etc. eine eindimensionale Messskala (von 0 = wenig müde bis 10 = sehr müde) anwenden. Bei einem Score von 3 bis 4 sollte eine weitere Abklärung erfolgen, da das Fatigue-Syndrom konzeptionell große inhaltliche Überschneidungen mit der Lebensqualität der Patienten (negative Korrelation) sowie Angst und Depression (positive Korrelation) aufweist. Die weitere Abklärung kann beispielsweise mit dem Brief Fatigue Inventory (BFI; 10 Items, Zeitaufwand: weniger als 5 min), dem Multidimensional Fatigue Inventory (MFI-20) mit 20 Items oder dem Fatigue Assessment Questionary (FAQ: 23 Items) beide mit einem Zeitaufwand von weniger als 10 min erfolgen. Im Anschluss sollten dem Patienten anhand der Explorationsergebnisse (qualitatives oder quantitatives Assessment) die nächsten Schritte erläutert werden. So ist es ratsam, bei Fatigue-Symptomen, die vorwiegend auf der körperlichen Ebene angesiedelt sind, die verschiedenen Blutwerte zu kontrollieren. Bei vorwiegend psychischen Symptomen wie gedrückter Stimmung oder Ängstlichkeit sollte eine weitergehende psychopathologische Diagnostik bei einem Psychotherapeuten (am besten mit psychoonkologischer Qualifikation) initiiert werden. Behandlung Der wichtigste Schritt mit dem Resultat einer direkten Entlastung des Patienten ergibt sich aus der Zusammenfassung und Rückmeldung der unter Symptome gesammelten Informationen. Schon das Ernstnehmen der Beschwerden führt nachweislich zu einer emotionalen Entlastung des Patienten. Der nächste wichtige Schritt beinhaltet die Aufklärung des Patienten über das Fatigue- Syndrom. So äußerte Frau Kerstin H. mit einem tiefen Seufzer: Sie glauben gar nicht, welcher Stein mir von der Seele fällt. Ich dachte, ich überlebe dieses Jahr nicht mehr oder ich bin total verrückt geworden. Jetzt hat das Kind wenigstens einen Namen. Die weitere Behandlung sollte sich streng aus dem Resultat der weiterführenden Diagnostik ergeben. Darüber hinaus hat sich eine Reihe von Interventionen als hilfreich erwiesen: Information der Angehörigen über das Fatigue-Syndrom (Folge der Behandlung, kein Anzeichen für einen Progress, kein Sich-anstellen ; hohes Evidenzlevel); Erarbeiten individuell angepasster Lösungsstrategien (supportive Psychotherapie/verhaltenstherapeutische Interventionen; hohes Evidenzlevel); Psychoedukation (hohes Evidenzlevel); Steigerung der körperlichen Aktivität unter strenger Beachtung von Kontraindikationen (hohes Evidenzlevel); Erholungstherapie und Ablenkung (mittleres Evidenzlevel); energieerhaltende Maßnahmen (mittleres Evidenzlevel); Schlafhygiene (mittleres Evidenzlevel); Ernährungsberatung (mittleres Evidenzlevel).
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