Radikale. Prof. Dr. P. Rademacher Organische Chemie IV OCIV-SS2005-Teil2
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- Martha Baumann
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1 Radikale Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV CIV-SS2005-Teil2 1. Charakterisierung von Radikalen 2. Darstellung von Radikalen 2.1 Thermolyse 2.2 Photolyse 2.3 Redox-Reaktionen 3. achweis von Radikalen 4. Struktur von Radikalen 5. Stabilität von Radikalen 6. Radikal-Reaktionen 6.0 Übersicht 6.1 Radikal-Rekombination 6.2 Radikalische Substitution S R 6.3 Additionsreaktionen A R 6.4 H-Abstraktion 6.5 Umlagerungen 6.6 Disproportionierung 6.7 Redox-Reaktionen 7. Diradikale
2 2 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 1. Charakterisierung von Radikalen Teilchen mit einem ungepaarten Elektron, das mehr oder weniger an einem nicht-metallischen Element (bes. Kohlenstoff) lokalisiert ist. Das ungepaarte Elektron befindet sich im SM (Singly ccupied Molecular rbital). Beispiele für Radikale CH 3 C 6 H 5 H R Methyl- Alkyl- Phenyl- Hydroxy- Alkoxy-Radikal Aryl- Die meisten Radikale sind kurzlebig und äußerst reaktiv. Ihre Stabilität kann durch verschiedene strukturelle Eigenschaften (sterische und elektronische Effekte) erhöht werden. Thermodynamisch stabile Radikale sind Resonanz-stabilisiert. Für die kinetische Stabilität von "persistenten" Radikalen sind in erster Linie kinetische Faktoren (sterische Abschirmung des Reaktionszentrums) ausschlaggebend. Stabile Radikale zeigen nicht die typischen Reaktionen reaktiver Radikale wie H-Abstraktion und Disproportionierung; sie reagieren jedoch mit anderen Radikalen (Rekombination).
3 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 3 Triphenylmethyl, erstes stabiles Radikal, M. Gomberg 1900 Ph 3 C Br + Ag Ph 3 C + AgBr 2 Ph 3 C. Ph 3 C CPh 3 2 Ph 3 C. Ph H Ph CPh 3 gelb farblos In 0.01 molarer Lösung ist die Verbindung zu 12 % dissoziiert. Bei dem Dimeren handelt es sich nicht um das Hexaphenylethan, sondern um [(4-Triphenylmethylcyclohexa-2,5-dien-1-yliden)(phenyl)methyl]benzen, das durch Addition eines Ph 3 C an die 4- Position einer Phenylgruppe des zweiten Radikals entsteht.
4 4 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Hexaphenylethan ist sterisch benachteiligt, jedoch sind Derivate dieser Verbindung bekannt. t-bu Ar 3 C CAr 3 Ar = R R = H, Ph t-bu
5 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 5 itroxylradikale ohne β-wasserstoffatome wie z. B. TEMP werden im Gleichgewicht mit ihrem Dimeren durch die schwache -Bindung begünstigt.- 2 2,2,6,6-Tetramethylpiperidin--oxyl (TEMP) Diphenylpicrylhydrazyl (DPPH) käufliches, stabiles freies Radikal, kann beliebig lange aufbewahrt werden. Sterische und Resonanz-Stabilisierung. Dimerisiert nicht. Verwendung als Radikalfänger. Ph Ph R. Ph Ph 2 R 2 2 DPPH violetter Feststoff Hydrazin-Derivat
6 6 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Geladene Radikale (+) - e (-) e (-) (-) 9 π Radikalkation 10 π 11 π Radikalanion Ein π-m bzw. ein π * -M ist einfach besetzt.
7 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 7 2. Darstellung von Radikalen 2.1 Thermolyse Homolytische Spaltung einer kovalenten Bindung in der Gasphase oder in unpolaren Lösungsmitteln: X Y X + Y In einem polaren Lösungsmittel erfolgt eine heterolytische Spaltung der Bildung: X Y X (+) + :Y (-) Die Radikalrekombination erfordert keine Aktivierungsenergie. Deshalb entspricht die Reaktionsenthalpie - H R 0 einer Radikalreaktion der Bindungsdissoziationsenergie DE. - H R 0 = DE. 2 CH 3 H 3 C CH 3 E a = 0 H 3 C CH 3 2 CH 3 E a = DE = 368 kj/mol
8 8 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Mittlere Bindungsdissoziations-Energien DE [kj/mol] Bindung DE Bindung DE Bindung DE H H 436 C H 413 C C 348 C 292 C H H 463 S S 213 S H 399 C S 259 Cl Cl 243 Cl H 432 C Cl 328 (Daten aus Atkins, Physical Chemistry) Insbesondere Moleküle mit schwachen kovalenten Bindungen eignen sich zur thermischen Spaltung in Radikale.
9 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 9 Peroxide R R' ~ 150 C.. R + R' Dialkylperoxid R R' ~ 100 C R + R' R. + R'. + 2 C 2.. Diacylperoxid
10 10 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Azoverbindungen R R' T oder hν R R'. R = R' = CH 3 Azomethan: > 400 C CH 3 R = C C Azoisobutyronitril (AIB): C CH 3 bei 130 C: CH 3 -CH 2 -CH 2 -=-CH 2 -CH=CH 2 CH 3 -CH 2 -CH CH 2 =CH-CH 2 Allyl-Radikal bei 60 C: Ph-=-CPh 3 Ph + Ph 3 C + 2
11 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Photolyse Energie elektromagnetischer Strahlung E = hc λ = 12 x 10 4 λ (nm) [kj/einstein] λ [nm] E [kj/einstein] 600 ca ca ca ca. 600 Das Licht muss hinreichend kurzwellig sein und von der Verbindung absorbiert werden. Photolyse von Aceton, z. B. mit Hg-Entladungslampe (λ =253.7 nm) H 3 C C H 3 hν * H 3 C. CH. 3 + H 3 C C 2 CH. 3 H 3 C α-spaltung, orrish-typ-i-reaktion + C
12 12 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 2.3 Redox-Reaktionen Fe 2+ + H 2 2 Fe 3+ + H + (-) H Fe 2+ + R H Fe 3+ + R + (-) H Co 3+ + CH 3 Ph Co 2+ + H (+) + CH 2 Ph Benzyl-Radikal Kolbe-Elektrolyse, anodische xidation Darstellung von Alkanen aus Carbonsäuresalzen R C (-) - e. (-) 2 R C 2 R. 2 x R R - C 2 Die Rekombination wird durch eine hohe stationäre Konzentration der Radikale begünstigt.
13 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV achweis von Radikalen Als Zwischenstufe Silberspiegel-Versuch, Friedrich Adolf Paneth 1929 PbMe C Pb + 4 Me. Transport eines Metallfilms Reaktion mit Radikalfängern (Inhibitoren), z.b. Hydrochinon: H R. + H - RH H R R. - RH Andere, biochemisch wichtige Radikalfänger sind die Vitamine C und E (Antioxidanzien) + 2 R. R
14 14 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Polymerisation leicht polymerisierender Verbindungen wird ausgelöst: Kettenreaktion achweis z. B. mit der magnetischen Waage Radikale sind paramagnetisch. ur bei höherer Radikal-Konzentration möglich. ESR-Spektroskopie ESR = Elektronen-Spin-Resonanz EPR = Electron Paramagnetic Resonance Bestimmt die Energiezustände eines ungepaarten Elektrons in einem magnetischen Feld Spinquantenzahl m = + ½ Radikale sind paramagnetisch Mit dem ESR-Spektrometer wird die Energie gemessen, die erforderlich ist, ein Elektron aus dem unteren in den höheren Zustand anzuregen. Falls ein ESR-Signal auftritt, liegt mit Sicherheit ein Radikal (ungepaartes Elektron) vor. Spezifischer achweis von Radikalen. achweisgrenze: Stationärkonzentration > 10-7 mol/l.
15 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 15 ESR-Spektrometer E = hν = g µ B B g = g-faktor, gyromagnetisches Verhältnis charakteristischer Wert des jeweiligen Radikals (analog IR, MR) µ B = J/T, Bohrsches Magneton B Magnetfeld, wird in Tesla [T] oder Gauss [G] angegeben: 1 T = 10 4 G β m S = + 1/2 E 9000 MHz ~ 3 cm ~ 4 J/mol Das Besetzungsverhältnis von Elektronen mit α- und β-spin beträgt bei 25 C: α/β = Es liegt also ein Überschuss der Elektronen mit α-spin von 1 x 10-3 vor. α m S = - 1/ T = 3000 G B
16 16 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Spin-Spin-Kopplung Feinstruktur durch Kopplung mit magnetischen Atomkernen, hauptsächlich 1 H und 13 C, ermöglicht Rückschlüsse auf die Geometrie des Radikals. Analogie zu 1 H-MR Zahl der Linien: 2 n I + 1 I = Kernspinquantenzahl n = Anzahl äquivalenter wechselwirkender Atomkerne Bei 1 H, 13 C, 19 F, 31 P: I = ½ Anzahl der Linien: n + 1 n = 1: Dublett, n = 2 Triplett usw. Die Kopplungskonstanten sind ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des ungepaarten Elektrons am koppelnden Kern und ermöglichen bei delokalisierten Radikalen Aussagen über die Gestalt des SMs.
17 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 17 ESR Spektren (a) des Benzol-Radikalanions und (b) des Ethyl-Radikals (a) C 6 H 6 (- ) : Das Spektrum zeigt ein Septett: a H = 3.75 G = 37.5 mt. (b) CH 3 CH 2 : Das Spektrum zeigt ein Quartett von Tripletts: a Hα = G = mt a Hβ = G = mt
18 18 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV α- 13 C-Kopplung Zusammenhang zwischen a C und Struktur (Konfiguration) des Radikals: CH 3 CH 2 F CHF 2 CF 3 a C 3.85 ϕ mt ϕ C tan 2 ϕ = a C (ϕ) - a C (0 ) 119 Der Winkel ϕ gibt die Abweichung von der Planarität an. ϕ = 0 : planares Radikal, φ = 19.5 tetraedrische Struktur
19 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV 19 CIDP Chemically Induced Dynamic uclear Polarisation (Chemisch induzierte dynamische Kernpolarisierung) Beruht auf dem Umstand, dass die Produkte von Radikal-Reaktionen Protonen oder andere magnetische Kerne mit einer Spinverteilung enthalten können, die sich signifikant von der Gleichgewichtsverteilung (Boltzmann) unterscheidet. Dies äußert sich in ungewöhnlichen Intensitäten einzelner Signale im MR-Spektrum. a) ormallfall b) erhöhte Absorption durch Überpopulation des Grundzustandes c) Emission durch umgekehrte Spinpopulation, "negative" Banden E a) b) c) Die Dicke der waagerechten schwarzen Linien symbolisiert die Population des Spinzustands. β-spin Die roten Kurven kennzeichnen die Linienform der MR-Signale. α-spin Beispiel: n-buli + s-bui n-bu + s-bu + LiI n-bu n-bu * s-bu s-bu * (Polarisation) n-bu * + R-I n-bui* + R s-bu * + R-I s-bui* + R
20 20 Prof. Dr. P. Rademacher rganische Chemie IV Abfangen des Radikalspins ("spin trapping") Voraussetzung zur direkten Beobachtung von Radikalen (z. B. mit ESR) ist eine genügend hohe Konzentration. Wenn die Radikale kurzlebig sind (z. B. als reaktive Zwischenstufen), wird diese oft nicht erreicht. "Abfangen des Radikalspins" durch Überführung in persistente Radikale. Die Anlagerung der Radikale an itrone oder itrosoverbindungen liefert sehr stabile itroxyl-radikale. R. + R. + Ph H Ph + CMe 3 Ph R H Ph R CMe 3.. itroxyloder Aminyloxid- Radikal Diese Reaktionen sind sehr schnell.
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