Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität: Ein theoretisches Modell zur Entstehung von Präsenzerleben
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- Leander Alexander Schuster
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1 Tilo Hartmann / Saskia Böcking /Holger Schramm / Werner Wirth / Christoph Klimmt/ Peter Vorderer.,, Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität: Ein theoretisches Modell zur Entstehung von Präsenzerleben Räumliche Präsenz als kommunikationswissenschaftliche Rezeptionsmodalität In den Katalog der kommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsmodalitäten ist die Wahrnehmung eigener räumlicher Anwesenheit in der von einem Medienangebot vermittelten Umgebung erst vor kurzem aufgenommen worden (Suckfüll I Matthes I Markert 2002, Suckfüll 2004: , im Überblick: Lee 2004). Sie kann auf unterschiedliche Weise eintreten, und ist dadurch gekennzeichnet, dass die Rezipient/inn/en den medialen Ursprung bzw. die mediale Vermitteltheit des wahrgenommenen Angebots (zeitweilig) ausblenden und das Mediengeschehen so unmittelbar miterleben, als wenn sie selbst körperlich im Geschehen anwesend wären. Dieses Phänomen wird als räumliche Präsenz oder englisch als Spatial Presence bezeichnet. Eine gängige Metapher zur Umschreibung des Konzepts ist the feeling of being there" (vgl. z.b. ISPR 2001, Riva / Davide / IJsselsteijn 2002). Ursprünglich wurde das Phänomen vor allem im Zuge der Erforschung von Erlebensqualitäten virtueller Umgebungen thematisiert (Biocca / Levy 1995, Steuer 1992, vgl. im Überblick: Bente / Krämer/ Petersen 2002). Mittlerweile wurde die Diskussion jedoch auch auf den Bereich traditioneller Medienformen ausgeweitet (vgl. z.b. Klimmt/ Vorderer 2003), weil der Zustand räumlicher Präsenz nicht nur durch Ansprache vieler Sinneskanäle (wie in Virtual-Reality-Systemen) induziert werden (vgl. Biocca 1997), sondern auch auf kognitiven Konstruktionsprozessen der Rezipient/inn/en beruhen kann. Dadurch dürften Varianten von räumlichem Präsenz- * Das in diesem Beitrag explizierte Modell wurde im Rahmen des "Information Society Technologies" Programm der Europäischen Kommission, Projektnummer IST , entwickelt. Das Projekt wird finanziert durch die Europäische Kommission und das Bundesamt für Bildung und Wissenschaft der Schweiz. Unser Dank gilt daher der Unterstützung der Europäischen Kommission und des Bundesamt für Bildung und Wissenschaft der Schweiz.
2 22 T. Hartmann/ S. Böcking / H. Schramm I W. Wirth I C. Klimmt / P. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 23 erleben auch während der Nutzung weniger immersiver Medien, etwa beim Fernsehen (Lombard/ Reich/ Grabe I Bracken/ Ditton 2000) oder Buchlesen (Schubert 2002) möglich werden. Wenn räumliche Präsenz jedoch als ein Rezeptionsmodus verstanden wird, der bei der Rezeption aller Medien - auch der traditionellen Medien - zum Tragen kommen kann, dann ist das Konstrukt für die Kommunikationswissenschaft von zentraler Relevanz und wurde bisher zu Unrecht vernachlässigt. Einige Rezeptionsbeispiele mögen dies verdeutlichen: So könnte z.b. das Gefühl, Teil des medialen Geschehens zu sein, für das Verstehen des Tathergangs in einem TV-Krimi förderlich sein. Auch für das Unterhaltungserleben bei der Sportrezeption ist das Gefühl, direkt und live dabei zu sein, von großer Relevanz (vgl. z.b. Schaffrath 2003). Selbst im Kontext der Informationsrezeption, etwa bei TV-Nachrichten, spielen Aspekte der Raumwahrnehmung und empfundener räumlicher Nähe eine Rolle (u.a. Rössler 1997). Ein letztes Beispiel bezieht sich auf die Lektüre von Sachtexten, etwa Wegbeschreibungen, welche die Leser/innen vermutlich am besten verinnerlichen können, wenn sie sich gedanklich in den beschriebenen Raum hineinversetzen (siehe hierzu Vitouch / Tinchon 1996). Um das Konzept der räumlichen Präsenz für die kommunikationswissenschaftliche Rezeptionsforschung nutzbar zu machen, bedarf es eines theoretischen Rahmens, der das Zustandekommen von Präsenzerleben unabhängig von einzelnen Medieneigenschaften konzeptualisiert. Bisherige Versuche, räumliche Präsenz und ihre Entstehung zu modellieren, waren jedoch stark an den Eigenschaften von Virtual Reality-Systemen orientiert (z.b. Draper / Kaber I Usher 1998, Slater / Usoh 1993, Bystrom / Barfield / Hendrix 1999, IJsselstein 2002). Außerdem stammen diese Entwürfe aus ganz unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, was ihre Anschlussfähigkeit und damit Verwendbarkeit in sozial- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Kontexten einschränkt. Eine aus kornmunikationswissenschaftlicher Perspektive nutzbare Modellierung räumlicher Präsenz,. ihrer Erlebensdimensionen, Entstehungsprozesse und Determinanten steht daher noch aus. Um dieses Desiderat zu beheben, wurde ein theoretisches Zwei-Ebenen-Modell entwickelt, das den Entstehungsprozess des räumlichen Präsenz-Erlebens zu erklären versucht. Dieses Modell bezieht sich dabei nicht auf eine spezielle Mediengattung (z.b. nur auf Virtual-Reality-Umgebungen), sondern erhebt den Anspruch, auf die Rezeption unterschiedlicher Medien (z.b. Fernseh-, Hypertext- oder Buchrezeption) anwendbar zu sein. Ein zwei-ebenen-modell zur Entstehung räumlicher Präsenz Definition von räumlichem Präsenzerleben Das Modell bedarf zunächst einer Präzisierung des zu erklärenden Konstrukts. Räumliches Präsenzerleben oder Spatial Presence kann - in großer Übereinstimmung mit anderen existierenden Definitionen (z.b. IJsselsteijn et al. 2000, ISPR 2001, Kirn/ Biocca 1997, Lessiter et al. 2001, Schubert/ Friedmann / Regenbrecht 1999, 2001) - als eine Rezeptionsmodalität verstanden werden, bei der sich die Rezipient/inn/en a) physisch in der medialen Umgebung anwesend fühlen und bei der sie b) Handlungsmöglichkeiten in der medialen Umgebung - zumindest in den meisten Fällen - erkennen und auf sich selbst beziehen. Letzteres ist in einer virtuellen Umgebung leicht vorstellbar: Die User bekommen - ausgestattet mit entsprechendem VR-Equipment wie Datenhelm und Datenhandschuh - ein multisensorisches Feedback auf ihre Bewegungen, das zu weiteren Bewegungen bzw. Handlungen a nimiert bzw. eine gewisse Effektivität des eigenen Handels suggeriert (Biocca 1997). Beim Lesen eines Buches entfällt dieses sensorische Feedback. Handlungsmöglichkeiten ergeben sich lediglich in der Vorstellung der Rezipient/inn/en. Im Zuge hohen räumlichen Präsenzerlebens würde ein Buchleser also allenfalls davon sprechen, dass er derart in das Geschehen einbezogen war, dass er zeitweise hätte handeln wollen, wenn er denn gekonnt hätte. Räumliches Präsenzerleben zeichnet sich in jedem Fall dadurch aus, dass die mentalen Kapazitäten der Rezipient/inn/en vollständig von der medialen Umgebung absorbiert werden bzw. die reale Umgebung vollständig ausgeblendet wird. Dieser Rezeptionsmodus ist deswegen der vorgeschlagenen Konzeptualisierung nach auch binärer und nicht gradueller Natur, da man sich - nach unserem Verständnis (vgl. in diesem Sinne auch Slater 2002) - nicht nur in Teilen in einer medialen Umgebung anwesend fühlen kann. Zwar berichten Rezipient/inn/en postrezeptiv von einem Mehr" oder Weniger" an räumlichem Präsenzerleben. Jedoch rührt dieses Gefühl eher daher, dass Menschen im Verlauf einer Rezeptionssequenz zeitweise zwischen der Realwelt und der Medienwelt kognitiv hin und her schalten". D.h. in manchen Momenten - und wenn sie nur eine Sekunde andauern - wähnen sich die Rezipient/inn/en in der Medienwelt, in manchen Momenten wieder in der Realwelt. Je mehr Momente Rezipient/inn/en in der Medienwelt" verleben, desto stärker - so
3 24 T. Hartmann I S. Böcking I H. Schramm I W. Wirth I C. Klimmt IP. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 25 die Überlegung - wird postrezeptiv bzw. rückblickend ihre Bewertung des räumlichen Präsenzerleben in der Summe ausfallen. Medienfaktoren, die Hypothesentest beeinflussen Hinweisreize Aufmerk samkeitsevozierende Medienfaktoren Abb. l Prozesskomponenten Medienfäktoren Rezipientenhandlungen Absorptionsfähigkeit Bereichspezifisches Interesse Rezipientenmerkmale Das Zwei-Ebenen-Modell räumlichen Präsenzerlebens (aus Wirth et al zur Publ. eingereicht) Erste Modellebene: Die Entstehung des räumlichen Situationsmodells Räumliches Präsenzerleben kann einerseits durch immersive Eigenschaften.. des Medienangebots (z.b. dreidimensionale, stereoskopische Darstellung einer Acht.erbahnfahrt), andererseits durch die in der konkreten Rezeptionssituation geleisteten kognitiven Aktivitäten (z.b. bewusstes Unterdrücken von technischen Störungen oder inhaltlichen Inkonsistenzen) sowie spezifische (raumkognitive) Fähigkeiten der Rezi- ient/inn/en (wie z.b. räumliches Vorstellungsvermögen) gefördert werden. Diesem ~mstand wird das Modell (vgl. Abb. 1) gerecht, indem es zwischen den Medienfaktoren, den Rezipienten- oder Nutzerhandlungen und den individuellen Merkmalen differenziert. Im Zentrum des Modells steht der eigentliche Entstehungsprozess ( Prozesskomponenten") von räumlichem Präsenzerleben. Voraussetzung dafür, sich in einem medialen Raum anwesend zu fühlen, ist nach unserer Konzeption zunächst ein mentales Modell der räumlichen Umgebung, das sich die Rezipient/inn/en vom Medienangebot bilden. Oder anders gesagt: Die Rezipient/inn/en müssen sich zunächst den medialen Raum vorstellen bzw. vor Augen führen können (erste Modellebene). Dieses mentale Modell bezeichnen wir als Räumliches Situationsmodell" ( Spatial Situation Model") genannt (vgl. McNamara 1986, siehe auch Vitouch / Tinchon 1996). Grundlage der Konstruktion eines räumlichen Situationsmodells ist eine vom Medium angeregte, d.h. vom Nutzer automatisch ausgeführte oder auch vom Rezipienten intentional gesteuerte Aufmerksamkeitsfokussierung auf den Medienstimulus. Die automatische Aufmerksamkeitsfokussierung kommt primär in Mediennutzungssituationen zum Tragen, in denen die Rezipient/inn/en quasi gar nicht anders können, als sich dem Medienstimulus zuzuwenden. Dieser Effekt ist beispielsweise aus dem Kino bekannt, wenn eine große Leinwand das gesamte Blickfeld einnimmt oder der Surround-Sound von allen Seiten ertönt. In interaktiven virtuellen Umgebungen sind die Rezipient/inn/en mitunter sogar aufgrund multi-modaler Interfaces vollständig von dem Medienstimulus umgeben (vgl. Biocca 1997, Biocca I Choi 2001), d.h., dass die Sinneswahrnehmung der User nahezu vollständig von medialen Reizen beansprucht wird, seien es visuelle (Faubert 2001), auditive (Hendrix I Barfield 1996), haptische (Salnäs 1999) oder gar vestibuläre Schlüsselreize bzw. Eindrücke (Riecke /von der Heyde / Bülthoff 2002), die durch die Medienumgebung vermittelt werden. Interaktive virtuelle Umgebungen gelten daher in der Regel als sehr immersive Medienangebote. Selbstverständlich können auch Medieninhalte, die weniger immersiv sind, zu einer automatischen Aufmerksamkeitsfokussierung führen, nur ist dieser Medieneffekt über verschiedene unterschiedliche Individuen und Situationen hinweg weniger wahrscheinlich. Die kontrollierte Aufmerksamkeitszuwendung hingegen geht von den Rezipient/inn/en aus bzw. wird von ihnen gesteuert. Sie kommt primär in Mediennutzungssituationen zum Tragen, in denen die Medienstimuli weniger immersiv und die die Nutzer/innen oder Rezipient/inn/en folglich mehr Freiheitsgrade in der Annähe-
4 26 T. Hartmann/ S. Böcking / H. Schramm/ W. Whth / C. Klimmt/ P. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 27 rung und Beschäftigung besitzen. So kann man sich beispielsweise kontrolliert dazu zwingen, seine Aufmerksamkeit auf ein Buch zu richten. Ohne diese anfängliche Initiative des Lesers hätte ein Buch keinerlei Chance", seine buchinhärenten aufmerksamkeitssteigemden Faktoren, wie z.b. eine spannende narrative Struktur, zu entfalten (vgl. Gerrig 1993). Letzteres Beispiel verdeutlicht, dass in den meisten Mediennutzungssituationen demnach eine Mischung aus automatischer und kontrollierter Aufmerksamkeitssteuerung erfolgt. Je nach Medium und je nach Art und Fähigkeiten der Mediennutzer/innen wird das Gewicht eher auf der einen oder der anderen Seite liegen. Wir gehen davon aus, dass auf Nutzerseite insbesondere ein hohes (bereich)spezijisches Interesse an dem medial dargestellten Inhalt einer intensiven kontrollierten Aufmerksamkeitsfokussierung förderlich ist. Aufgrund der Aufmerksamkeitsfokussierung werden externe, aus der Umwelt stammende Reize vom Rezipienten ausgeblendet und die medialen Reize ins Zentrum des Bewusstseins gerückt. Dabei werden auch die vom Medium präsentierten räumlichen Hinweisreize wahrgenommen und verarbeitet, die der Entstehung eines mentalen räumlichen Situationsmodells auf zentrale Weise dienlich sein dürften. Denn wie bei einem Puzzle können die räumlichen Hinweisreize im konstruktiven W ahrnehmungsprozess als Bestandteile zusammengesetzt werden, um zu einer subjektiv sinnvollen räumlichen Abbildung zu gelangen. Wird die räumliche Umgebung durch das Medium nicht vollständig beschrieben (etwa weil ganze Sinneskanäle nicht mit raumbezogenen Informationen versorgt werden oder die visuelle Darstellung einzelner Raumteile unvollkommen ist), können interne Konstruktions- und Interpretationsprozesse der Nutzer/innen diese Defizite bei der Raumkennzeichnung kompensier~n. Durch memorierte räumliche Vorstellungen kann das mentale Abbild des medial dargestellten Raums vervollständigt werden. Evident ist die Rolle solcher Konstruktionsprozesse bei der Lektüre verbaler Raum-Beschreibungen: Hier benötigen die Rezipient/inn/en eigenes räumliches Vorwissen, die Fähigkeit, dieses Vorwissen auch in visuelle mentale Bilder umzusetzen sowie darüber hinaus auch eine gewisse Motivation, um diese mentale Repräsentation des nicht visuell, sondern nur verbal beschriebenen Raums zu entwickeln. Aus diesem Grund nehmen wir an, dass auf Seite der individuellen Nutzereigenschaften insbesondere die kognitive Fähigkeit, reichhaltige räumliche Vorstellungen zu produzieren ( räumlich-visuelle Vorstellungskraft" als eine Facette räumlichen Vorstellungsvermögens; vgl. Hegarty / Richardson / Montello / Lovelace / Subbiah 2002, Maier 1994) einen Einfluss auf die Ausgestaltung des räumlichen Situationsmodells besitzt. Der Effekt dieser Nutzereigenschaft dürfte insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn es sich um weniger irnmersive Medienstimuli mit unvollständiger Vorlage eines räumlichen Situationsmodells handelt. Wenn während der Rezeption eines Medienangebots ein räumliches Situationsmodell entwickelt wurde (was bei nahezu allen Medienangeboten der Fall sein dürfte, da höchstens abstrakte Texte, kaum aber eine Fernsehsendung oder ein anderes visuelles Medium ohne irgendwelche räumlichen Bezugsgrößen auskommen), bedeutet dies jedoch nicht, dass sich die Rezipient/inn/en automatisch auch selbst in den durch das räumliche Situationsmodell repräsentierten Raum hineinversetzt fühlen, also räumliche Präsenz empfinden. Das räumliche Situationsmodell ist eine kognitive Struktur und keine Rezeptionsmodalität. Bevor sich ein/e Nutzer/in oder Rezipient/in in" einem kognitiv konstruierten räumlichen Situationsmodell auch räumlich präsent fühlt, müssen also zusätzliche (interne) Prozesse ablaufen. Sie werden auf der zweiten Modellebene beschrieben. Zweite Modellebene: Die Entstehung von räumlichem Präsenzerleben Haben die Rezipient/inn/en erst einmal ein mentales Modell der medialen Umgebung aufgebaut, entscheiden zusätzliche kognitive Prozesse darüber, ob sie sich physisch in diesem medialen Raum oder doch im außermedialen realen Raum anwesend fühlen. Aus wahrnehmungspsychologischer Sicht entscheiden die Mediennutzer/innen hierbei über den primären Lokalisationsrahmen bzw. darüber, welche Raumordnung für ihre persönliche Verortung Gültigkeit besitzen soll (und welcher Raum sie deshalb in logischer Folge umgibt). Dabei entwickeln sie zunächst mentale Modelle der jeweiligen Umgebung aus der Ich-Perspektive (eben Lokalisationsrahmen oder im Englischen egocentric reference frame"; vgl. Carlson 1999, Franklin / Tversky 1990, Sholl 1999). Sie sind in der Folge bemüht, durch Aufnahme verschiedenster Informationen über ihre Sinneskanäle, diese mentalen Modelle ständig zu aktualisieren (Bjork 1978, Blanc / Tapiero 2001), um eine bestmögliche Verortung des eigenen Körpers sicherzustellen und letztendlich handlungsfähig zu bleiben. In den Fällen, in denen mehrere Lokalisationsrahmen (oder Ich-Perspektiven) angeboten werden und folglich miteinander konkurrieren, konzentrieren sich Menschen in der Regel auf die Aufnahme von Informationen desjenigen Rahmens, der ihnen am plausibelsten erscheint, um bei der Lokalisation des eigenen Körpers nicht fehlgeleitet zu
5 28 T. Hartmann/ S. Böcking / H. Schramm I W. Wirth I C. Klimmt IP. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 29 werden. Man bildet also einen primären, in sich schlüssigen, kongruenten Lokalisationsrahmen bzw. entscheidet sich für eine primär-gültige Ich-Perspektive ( primary egocentric reference frame", vgl. Riecke /von der Heyde 2002). Gerade bei der Medienrezeption können mehrere Lokalisationsrahmen in Konkurrenz zueinander treten, da Medien häufig virtuelle räumliche Umgebungen portraitieren, deren Raumordnung eigentlich immer mit der tatsächlichen Ordnung konfligiert. Sobald die Mediennutzer/innen daher im Rezeptionsprozess ein räumliches Situationsmodell der medialen Umgebung aufgebaut haben, bietet sich der daraus abgeleitete Lokalisationsrahmen sozusagen als konkurrierende Alternative zu dem bestehenden räumlichen Referenzrahmen an, der von der tatsächlichen Umgebung vorgegeben wird (die Mediennutzer/innen dürften sich in der Regel zu Beginn der Nutzung in dem Raum verorten, der das Medium umgibt, also z.b. im Wohnzimmer, in dem sie gerade fernsehen.) Unsere These ist nun, dass die Mediennutzer dann räumliche Präsenz in der Medienumgebung empfinden, wenn sie deren kognitive räumliche Rekonstruktion (in Form des räumlichen Situationsmodells und des davon abgeleiteten Lokalisationsrahmens) als ihren primären Lokalisationsrahmen annehmen. Wie dieser Prozess im Detail von statten gehen könnte, kann mit der Hypothesentheorie der Wahrnehmung (Bruner / Postman 1949) erklärt werden, deren Annahmen im Folgenden kurz dargestellt werden. Hypothesentheorie der Wahrnehmung Die von Bruner und Postman (1948) formulierte Hypothesentheorie der Wahrnehmung geht davon aus, dass die Menschen Wahrnehmungserwartungen an bzw. Hypothesen über die Realität haben. Diese wurden durch frühere Wahrnehmungsprozesse geformt und können durch aktuelle Wahrnehmungsprozesse bestätigt oder widerlegt werden (vgl. auch Gregory 1980). Wahrnehmung ist daher.der Theorie zufolge kein direktes Abbilden der Umwelt, sondern ein Ergebnis des Abgleichs zwischen Erwartungen/Hypothesen an die Realität und eingehenden Informationen über die Realität. Die vorhandenen kognitiven Strukturen der Menschen werden damit zu einer wesentlichen Determinante für die mögliche mentale Abbildung und Verortung der eigenen Person in der sie umgebenden Realität. Die Prüfung von Erwartungshypothesen verläuft in mehreren Schritten (vgl. Lilli 1994): 1. In einem ersten Schritt wird als Folge der Bewertung einer Situation eine Wahrnehmungshypothese ausgewählt, die eine Vorhersage darüber beinhaltet, ob ein bestimmtes Wahrnehmungsereignis eintritt. 2. Es folgt die Aufnahme von Informationen über den W ahrnehmungsgegenstand. 3. Es folgt die Prüfung, ob die Wahrnehmungserwartungshypothese mit dem eingetretenen Wahrnehmungsereignis übereinstimmt. 4. Bei Übereinstimmung ist der Wahrnehmungsvorgang abgeschlossen und die Wahrnehmungserwartungshypothese bestätigt, bei Nichtübereinstimmung ist die Wahrnehmungserwartungshypothese widerlegt und der Zyklus beginnt mit einer anderen bzw. geänderten Wahrnehmungserwartungshypothese von Neuem. Letztendlich entscheidet die Hypothesenstärke darüber, wie leicht eine Wahrnehmungserwartungshypothese bestätigt oder widerlegt werden kann. Betrachtet man die Hypothesenstärke als unabhängige Variable in einem Wahrnehmungsprozess, so können folgende Regeln" postuliert werden (vgl. Lilli 1994): Je stärker eine Hypothese ist, 1. desto wahrscheinlicher ist es, dass sie aktiviert wird (priming) und dispositiv auf das Verhalten einwirkt. 2. umso weniger unterstützende Stimulus-Informationen sind notwendig, um die Hypothese zu bestätigen. 3. desto eher werden alternative Hypothesen verdrängt. 4. umso mehr widersprechende Stimulus-Informationen sind nötig, damit die Hypothese aufgegeben wird (Änderungsresistenz). Betrachtet man die Hypothesenstärke jedoch als abhängige Variable in einem Wahrnehmungsprozess, so können folgende Regeln" festgehalten werden (vgl. Lilli 1994): Eine Hypothese wird umso gefestigter, 1. je häufiger sie bestätigt wurde. 2. je stärker die motivationale Unterstützung des betreffenden Menschen für die Hypothese ist. 3. je stärker die Unterstützung durch andere Menschen (soziale Unterstützung) für diese Hypothese ausfällt.
6 30 T. Hartmann I S. Böcking I H. Schramm I W. Wirth I C. Klimmt IP. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität je geringer die Anzahl alternativer Hypothesen ist. 5. je stärker sie in ein gegenseitig stützendes Hypothesensystem bzw. in eine Theorie eingebunden ist. Die Hypothesentheorie der Wahrnehmung lässt sich nun auf die Entstehung von medial vermitteltem räumlichem Präsenzerleben anwenden: Für die Rezipient/inn/en bieten sich aufgrund der miteinander konkurrierenden Lokalisationsrahmen ( Ich Perspektive" des realen Raumes vs. Ich-Perspektive" der Medienumgebung) zwei Alternativhypothesen an: Hypothese 1: Der Lokalisationsrahmen der Realität ist der primäre Referenzrahmen, an dem die eigene Wahrnehmung und V erortung folglich auszurichten ist. (Diese Wahrnehmungshypothese wird im Folgenden zur besseren Kennzeichnung als Realhypothese" bezeichnet) Hypothese 2: Der Lokalisationsrahmen der Medienumgebung ist der primäre Referenzrahmen, an dem die eigene Wahrnehmung und Verortung folglich auszurichten ist. (Man könnte diese Wahrnehmungshypothese zur besseren Kennzeichnung als Präsenzhypothese" bezeichnen). Zu Beginn der Medienrezeption wird die Realhypothese vorherrschend sein, weil sich die Mediennutzer noch keinen aus der Medienumgebung abgeleiteten Lokalisationsrahmen bilden konnten. Gehen wir einmal von der Buchrezeption aus, so werden die Rezipient/inn/en eine Weile benötigen, um genügend Informationen für einen Lokalisationsrahmen der Medienumgebung zu sammeln. D.h., dass zumindest in der allerersten Rezeptionsphase die Realhypothese in der Regel dominieren wird. Ist der Leser darüber hinaus nicht besonders motiviert, sich auf eine Alternativhypothese ( die Welt im Buch ist mein primärer Lokalisationsrahmen") einzulassen, oder wird er beim Lesen ständig durch andere Menschen gestört und dabei mit seiner Aufmerksamkeit auf die reale Welt gelenkt, so wird die Realhypothese umso gefestigter, da sie immer wieder Bestätigung erfährt. Ist der Leser jedoch motiviert, sich in hohem Maße auf die Narration und die Welt des Buches einzulassen, und bereit, alles um sich herum zu vergessen und auszublenden, so dürfte Realhypothese nach und nach geschwächt und die konkurrierende Präsenzhypothese wie in einem Nullsummenspiel gestärkt werden. Allein die Tatsache, dass durch das Entwickeln einer Alternativwelt (die des Buches) eine zunächst schwächere Alternativhypothese angeboten wird, dürfte die komplementäre Realhypothese ein Stück weit in Frage stellen. Je mehr sich der Leser nun gedanklich mit der Welt im Buch beschäftigt, desto mehr Bestätigung dürfte die Präsenzhypothese erfahren und desto schwächer dürfte gleichzeitig die Realhypothese werden. Irgendwann könnte der Leser - insbesondere, wenn er dazu in starkem Maße motiviert ist - nur noch Informationen wahrnehmen, die Präsenzhypothese ( Die Welt des Buchs ist mein primärer Lokalisationsrahmen") stärken. Wenn dieser Moment über eine gewisse Zeit stabilisiert vorliegt, ist es wahrscheinlich, dass der vom Medium nahe gelegte Lokalisationsrahmen als primärer Referenzrahmen übernommen wird und Leser hierdurch räumliche Präsenz erfährt. In diesem Zustand dürften ihn jedoch zum Beispiel externe Informationen, die nicht seiner Kontrolle unterliegen (z.b. eine andere Person betritt das Zimmer und spricht ihn an), immer wieder zur Annahme der ursprünglichen Realhypothese zurückführen bzw. das Gefühl der räumlichen Präsenz in der Medienumgebung nehmen. Auch störende Gedanken", zum Beispiel Überlegungen zur Fiktionalität oder Qualität des Textes (vgl. distanziert-analytischer Rezeptionsmodus" bei Vorderer 1992), könnten die Aufrechterhaltung der Präsenzhypothese torpedieren. Wenn diese störenden" Reize jedoch über einen längeren Zeitraum nicht ins Bewusstsein des Lesers vordringen, wenn sie nicht durch andere Reize unterstützt werden und wenn der Leser sich immer wieder motivieren kann, nach Informationen zu suchen, die die Präsenzhypothese stärken, dann dürfte der Zustand räumlicher Präsenz in der Medienwelt sich rasch wieder einstellen. Das Leistungspotenzial moderner Virtual-Reality-U mgebungen, Präsenz-Erleben zu induzieren, lässt sich vor dem Hintergrund der Hypothesentheorie der Wahrnehmung nun erklären: Solchen Technologien dürfte es sehr gut gelingen, den Test der Wahrnehmungshypothese Ich bin im medial vermittelten Raum anwesend" (Präsenzhypothese) zu ihren Gunsten zu beeinflussen, weil sie sehr konsistente, überzeugende und interaktive räumliche Umgebungen simulieren, die auch einem kritischen Hypothesentest standhalten können. Die Annahme der Präsenzhypothese wird - das haben die beiden vorherigen Beispiele gezeigt - sowohl von Medieneigenschaften, als auch von Motiven und Konstruktionsprozessen auf Nutzerseite beeinflusst. Letzteren wird im Modell Rechnung getragen: einerseits mit dem Involvement (intensive kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Medienangebots; vgl. z.b. Greenwald I Leavitt, 1984 ), andererseits aber auch mit der Motivation, Reize, welche die Stärke der Präsenzhypothese beeinträchtigen könnten, zu unterdrücken ( Suspension o.f Disbelief''; vgl. Slater / Usoh 1993 sowie Böcking /Wirth/ Risch in diesem Band).
7 32 T. Hartmann I S. Böcking I H. Schramm I W. Wirth I C. Klimmt / P. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 33 Aktive Beiträge" der Rezipient/inn/en zum Entstehen von räumlichem Prä. senzerleben: Die Rolle von Involvement und Suspension of Disbelief'' Involvement wird als ein Metakonzept verstanden, das verschiedenste Formen der intensiven und bewussten Auseinandersetzung mit einem Medienstimulus annehmen kann (vgl. Donnerstag 1996, Roser 1990, Rothschild 1983, Salmon 1986, Vorderer 1993, Wirth in Druck): Diese Formen können kognitiver, affektiver oder konativer/verhaltensbezogener Natur sein (Chaffee I Roser 1986) bzw. eine Mischung dieser drei Komponenten aufweisen. Rezipient/inn/en eines Films machen sich z.b. oft intensive Gedanken über den Verlauf und den Ausgang des Film bzw. über das vermeintliche Schicksal ihres Protagonisten, bewerten die Handlungen und Äußerungen der Filmfiguren und stellen zahlreiche Bezüge zwischen sich und den Filmfiguren her (kognitives Involvement). Gleichzeitig entwickeln sie Sympathien und Antipathien gegenüber den Filmfiguren, fiebern in brenzligen Situationen mit dem Filmhelden mit und hegen mitunter Hassgefühle, wenn der bad guy" in Aktion tritt (emotionales Involvement). Nicht selten werden diese Prozesse mit entsprechender Mimik und Gestik sowie mit einer gewissen Körperspannung/-haltung und hörbaren Äußerungen begleitet (konatives Involvement). Beziehen sich diese Prozesse allesamt auf eine Medienfigur, kann auch von einem interpersonalen oder auch parasozialen Involvement gesprochen werden (vgl. Hartmann I Schramm I Klimmt 2004: 36-37). Bei der Buchrezeption wird dagegen das konative Involvement zumindest in der Form entfallen, dass die Leser tatsächlich Gesten oder andere Körperbewegungen zeigen. Zwar können mitunter z.b. in Form von Mimik auch verhaltensbezogene Aspekte beobachtet werden, in der Regel wird sich der Leser aber unbewegt" und primär mental mit dem Medium beschäftigen. Hier äußert sich das konative Involvement eher in gedachten" Aktivitäten. Wird z.b. im Buch der Gang durch ein Schloss beschrieben, so sehen sich die Leser/innen in der Regel aus der Ich Perspektive durch dieses Schloss gehen. Kurz: Unabhängig vom Medium können die Rezipient/inn/en somit kognitiv, affektiv und konativ involviert sein. Nach unserer Vorstellung sollte ein derartiges Involvement durch die intensivere Auseinandersetzung mit der medialen Umgebung dazu beitragen, dass die Rezipient/inn/en verstärkt die Informationen aus der Medienumgebung wahrnehmen und damit die Präsenzhypothese unterstützen. Je involvierter die Rezipient/inn/en also sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen aus der realen Umgebung gar nicht erst wahrgenommen werden, und desto geringer dürfte die Chance sein, dass diese Informationen die Präsenzhypothese schwächen. Die Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, dass ein hohes Involvement keineswegs immer gleich mit räumlichem Präsenzerleben einhergehen muss. Auch stellt Involvement keinen Teilaspekt von räumlichem Präsenzerleben dar (vgl. hierzu: Witmer I Singer 1998, Regenbrecht I Schubert 2002). Vielmehr ist es als Determinante zu verstehen, die im Zusammenspiel mit anderen Faktoren förderlich für das Entstehen von räumlichem Präsenzerleben sein kann. Suspension of Disbelief, ein motivationsrelevantes Konzept aus der Literaturwissenschaft (Coleridge 1817, 1973), das auch für die Kommunikationswissenschaft von hoher Relevanz sein dürfte (vgl. den Beitrag von Höcking I Wirth I Risch in diesem Band), wird definiert als ein intentionales Eliminieren/Unterdrücken von externen Störreizen und internen Überlegungen, die die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft des Medienstimulus einschränken würden. Belief' ist zunächst die motivationale Einstellung eines Mediennutzers, sich voll und ganz auf das medial Dargestellte einzulassen bzw. es zu glauben". Disbelief' wäre im Gegenzug das Zweifeln am medial Dargestellten und das Suchen nach inkonsistenten Informationen, die einen darin bestätigen, dass es sich bei dem Rezipierten nur" um die. Medienwelt und nicht um die Realwelt handelt. So könnte z.b. ein Rezipient des Films Spiderman" die übermenschlichen Fähigkeiten des Protagonisten oder die unrealistische Darstellung von Gesetzen der Erdgravitation ins Zentrum seiner Überlegungen rücken und dadurch im Disbelief'-Modus bestärkt werden. Er könnte aber in gleichem Maße diese Überlegungen bewusst unterdrücken, um sich der Illusion der Medienwelt hinzugeben. Sind die Rezipient/inn/en motiviert, ihren Unglauben zu unterdrücken, so werden sie versuchen, ausschließlich Informationen aufzunehmen, die konsistent mit dem medial Dargestellten sind bzw. die in die Medienwelt passen". Ein solches Unterdrücken verstärkt die Präsenzhypothese, da Informationen, welche die Alternativhypothese ( Die Realwelt ist mein primärer Lokalisationsrahmen") ins Spiel" bringen würden, erst gar nicht zugelassen werden. Dieses Verhalten dürften insbesondere Personen zeigen, die eine ausgeprägte Neigung und Fähigkeit haben, sich durch die Beschäftigung mit Objekten absorbieren zu lassen (Wild I Kuiken I Schopflocher 1995).
8 34 T. Hartmann/ S. Böcking / H. Schramm/ W. Wirth/ C. Klimmt IP. Vorderer Räumliche Präsenz als Rezeptionsmodalität 35 Ausblick: Räumliche Präsenz im Verhältnis zu anderen Rezeptionsmodalitäten ren Rezeptionsmodalitäten wären auf der Basis des vorgestellten Modells ebenfalls denkbar. Nach der Explikation des Zwei-Ebenen-Modells räumlicher Präsenz stellt sich die Frage, wie sich Präsenzerleben in den Kanon existierender Rezeptionsmodalitäten, die in der Kommunikationswissenschaft thematisiert werden, einordnet (vgl. hierzu auch Kap. 6 aus Suckfüll 2004). Da das Modell verschiedene einzelne interne Prozesse subsumiert, drängt sich die Vermutung auf, dass andere Rezeptionsmodalitäten neben dem Präsenzerleben wenig Platz finden: Aufmerksamkeitsprozesse, Involvement und Suspension of Disbelief' könnten unter Umständen auch als eigene Modalitäten und -strategien aufgefasst werden, spielen jedoch für die Entstehung von räumlichem Präsenzerleben eine funktionale Rolle, so dass sie nicht unabhängig vom Präsenzerleben während der Medienrezeption stattfinden können. Geht man davon aus, dass Rezeptionsmodalitäten mit emergenten Phänomenen vergleichbar sind, die aus dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Teilprozesse entstehen und daraufhin eine eigenständige Existenz und Wirkung entfalten, dann liegt es nahe, medial vermitteltes räumliches Präsenzerleben als Rezeptionsmodalität zu begreifen. Die Gültigkeit dieser Annahme bleibt auch bestehen, wenn man sich vor Augen führt, dass die W ahmehmung eigener räumlicher Anwesendheit selbst wiederum eine Grundlage für die Aktivation anderer Rezeptionsprozesse oder gar -modalitäten darstellen kann. Parasoziale Interaktionen beispielsweise (Hartmann I Schramm / Klimmt 2004) könnten in stärkerer Intensität ablaufen, wenn sich die Rezipient/inn/en auch am selben Ort anwesend fühlen wie die Medienperson, mit der sie (glauben zu) interagieren. Insofern bietet sich ein prinzipiell offenes Verständnis von räumlicher Präsenz als Rezeptionsmodalität an, das nicht von einer notwendigen Exklusivität dieser Modalität ausgeht, sondern im Rezeptionsprozess parallel ablaufende Modi zulässt und auch Komplementaritäten mit anderen Modi als wahrscheinlich ansieht. Ein solches Verständnis wird in der Präsenzforschung bereits praktiziert, wo das Konstrukt des Co-Presence" eingeführt wurde als Wahrnehmung, mit einer anderen medial repräsentierten Person in einem durch das Medium vermittelten räumlichen Umgebung anwesend zu sein (IJsselstein I de Ridder I Freeman I Avons 2000). Hier werden offensichtlich verschiedene Rezeptionsmodalitäten, von denen räumliche Präsenz nur eine darstellt, miteinander verbunden und zu einem übergeordneten Modus synthetisiert. Derartige Klärungen des Verhältnisses räumlicher Präsenz zu ande- Literatur Bente, Gary /Krämer, Nicole C. / Petersen, Anita (Hrsg.) (2002): Virtuelle Realitäten (Reihe Internet und Psychologie: Neue Medien in der Psychologie, Band 5). Göttingen: Hogrefe. Biocca, Frank (1997): The cyborg's dilemma: progressive embodiment in virtual environments. In: Journal of Computer-Mediated Communications, 3, Heft 2, [Online]. 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