Examinatorium Familienrecht Prof. Dr. Gomille
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- Mathias Hofer
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1 Examinatorium Familienrecht Prof. Dr. Gomille Augsburger Examinatorium der Juristischen Fakultät Universitätsstraße Augsburg Zimmer: 2010 Tel.: Fall 6 (Abenteuer in Rio) Lösungsvorschlag: B kann von A Zugewinnausgleich i.h.v. 2,5 Mio. Euro verlangen, wenn die Voraussetzungen des 1378 Abs. 1 BGB erfüllt sind. Zwar ergibt sich nach beider Vermögensentwicklung rechnerisch solch ein Anspruch. Jedoch setzt 1378 Abs. 1 BGB voraus, dass die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten. Anlässlich ihrer Eheschließung haben A und B jedoch Gütertrennung vereinbart. Dementsprechend besteht der Anspruch aus 1378 Abs. 1 BGB nicht, wenn die vertragliche Vereinbarung der Gütertrennung wirksam ist. I. Die Formwirksamkeit der Vereinbarung Der von A und B geschlossene Vertrag hat mehrere Bestandteile, deren Regelung womöglich formbedürftig ist. Ist für einen dieser Bestandteile die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist der Vertrag gem. 125 Satz 1 BGB jedenfalls insoweit nichtig. Ggf. zieht eine solche Teilnichtigkeit gem. 139 BGB auch die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung nach sich. 1. Die Formbedürftigkeit des Ehevertrags gem. 1408, 1410 BGB a) Die Anordnung der Formbedürftigkeit Gem BGB muss der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. b) Der Begriff des Ehevertrags Legaldefiniert ist der Ehevertrag gem Abs. 1 BGB als ein Vertrag, durch den die Eheleute ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln. Von dieser Begriffsbeschreibung ist zum einen der Wechsel von einem Güterstand in einen anderen erfasst. Zum anderen erfolgt aber auch die Änderung der güterrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf einen einzelnen Vermögensgegenstand durch Ehevertrag. So liegt es etwa, wenn bei grundsätzlicher Geltung der Zugewinngemeinschaft ein einzelner Vermögensgegenstand aus der Ausgleichsberechnung herausgenommen wird. 1
2 Hier haben A und B vereinbart, dass anstelle der Zugewinngemeinschaft gem Abs. 1 BGB die Gütertrennung gem BGB gelten soll. Dieser Vertrag ist Ehevertrag und bedarf der notariellen Beurkundung. 2. Die Formbedürftigkeit der Abreden über den Unterhalt Der nacheheliche Unterhalt ist in 1569 ff. BGB geregelt. Gem. 1585c Satz 1 BGB handelt es sich insoweit nicht um zwingendes Recht. Vielmehr können die Beteiligten hierüber vertragliche Verabredungen treffen. Wird der Vertrag über die Unterhaltsgewährung jedoch geschlossen, bevor der Scheidungsbeschluss rechtskräftig geworden ist, bedarf er der notariellen Beurkundung ( 1585c Satz 2 BGB). Hier haben A und B anlässlich ihrer Hochzeit vereinbart, dass A der B abweichend von der dispositiven Gesetzeslage keinen nachehelichen Unterhalt zahlen solle und umgekehrt. Folglich ist der Vertrag auch insoweit notariell beurkundungsbedürftig. 3. Die Formbedürftigkeit der Abreden über den Versorgungsausgleich a) Der Begriff des Zugewinnausgleichs Der Versorgungsausgleich betrifft den Ausgleich von Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Dabei gilt, dass die während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanwartschaften jeweils beiden Partnern zu gleichen Teilen zustehen. Im Fall der Scheidung werden etwaige Differenzen ausgeglichen. Gem. 1 Abs. 1 VersAusglG1 sind im Versorgungsausgleich deshalb die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. b) Die Anordnung der Formbedürftigkeit Gem. 6 VersAusglG sind die gesetzlichen Bestimmungen über den Versorgungsausgleich kein zwingendes Recht. Die Eheleute können seine Durchführung sogar ganz oder teilweise ausschließen ( 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG). Wegen 7 Abs. 1 VersAusglG bedarf eine Regelung über den Versorgungsausgleich jedoch der notariellen Beurkundung, wenn die Beteiligten sie vor Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses treffen. A und B haben anlässlich ihrer Hochzeit vereinbart, dass A der B für den Scheidungsfall keinen Versorgungsausgleich schulden solle. Folglich ist der Vertrag auch insoweit notariell beurkundungsbedürftig. 4. Notarielle Beurkundung Somit bedarf der zwischen A und B geschlossene Vertrag im Hinblick wegen seiner sämtlichen Teilregelungen der notariellen Beurkundung. Diese Beurkundung ist auch erfolgt. Die von A und B getroffene Vereinbarung ist jedenfalls formwirksam. 1 Versorgungsausgleichsgesetz vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700), das zuletzt durch Artikel 25 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1768) geändert worden ist. 2
3 II. Die materielle Wirksamkeit dieser Vereinbarung ( Inhaltskontrolle ) Fraglich bleibt, ob diese Vereinbarung auch materiell wirksam ist. Das ist der Fall, wenn sie den Regeln über die Inhaltskontrolle von Eheverträgen standhält. Kontrollmaßstab ist insoweit 138 Abs. 1 BGB. Maßgeblicher Zeitpunkt ist derjenige des Vertragsschlusses. 1. Verstoß gegen die guten Sitten a) Begriff des gem. 138 Abs. 1 BGB sittenwidrigen Rechtsgeschäfts Gem. 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft dabei dann, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. b) Inhalts- und Umstandssittenwidrigkeit Der sittenwidrige Charakter des Rechtsgeschäfts kann sich schon aus seinem Inhalt ergeben ( Inhaltssittenwidrigkeit ). So liegt es, wenn schon der objektive Inhalt des Rechtsgeschäfts mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung unvereinbar ist. U.U. ergibt sich die Sittenwidrigkeit aber auch erst aus dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts ( Umstandssittenwidrigkeit ). Insoweit ist eine Gesamtwürdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, sowie der äußeren Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, vorzunehmen. In diesem Fall ist in subjektiver Hinsicht erforderlich, dass der Handelnde die Umstände kennt, aus denen sich die Gesamtbewertung des Rechtsgeschäfts als sittenwidrig ergibt. Die hier getroffenen Einzelregelungen über den Güterstand und die Scheidungsfolgen sind nicht von vornherein und schlechthin verboten oder verwerflich. Inhaltssittenwidrigkeit kommt somit nicht in Betracht. Womöglich ergibt sich aber aus einer Gesamtwürdigung des Zusammenwirkens der Einzelregelungen sowie der weiteren Umstände, dass der Ehevertrag teilweise oder ganz als sittenwidrig einzustufen ist. 2. Ausgangspunkt: Privatautonomie Für die Regelung der rechtlichen Beziehungen von Privatrechtssubjekten untereinander gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Die Parteien des Rechtsgeschäfts können ihre rechtlichen Beziehungen also frei danach gestalten, was sie im einzelnen Fall für eine angemessene Regelung halten. Das ist auch im Ehevertragsrecht nicht anders. Art. 6 Abs. 1 GG garantiert dabei gewissermaßen eine Ehevertragsfreiheit. Es gilt somit auch im Ehevertragsrecht die Vorstellung, dass beide Parteien ihre Interessen auf Augenhöhe verhandeln und am Ende zu einem Ergebnis gelangen, das beiden Interessen am besten entspricht. Andernfalls wäre man zu keiner Einigung gekommen und hätte es bei der dispositiven Gesetzesregelung belassen. Zwar mag es sein, dass zahlreiche Verträge dabei zu Ergebnissen führen, die für den Außenstehenden eine scheinbar unangemessene Nutzen-Lasten-Verteilung zwischen den Parteien begründen. Doch macht dieser Umstand allein den Vertrag nicht unwirksam. Die Privatautonomie gestattet es nämlich jedermann, auch für sich selbst nachteilige Geschäfte einzugehen. 3
4 3. Aber: Grenze der Privatautonomie bei gestörter Vertragsparität a) Begriff Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn eine einseitige Nutzen- und Lastenverteilung nicht auf dem freien Entschluss der benachteiligten Partei beruht, sondern auf einem deutlichen Übergewicht der begünstigten Partei bei den Vertragsverhandlungen. In diesem Fall hat die benachteiligte Partei die Lasten nämlich nicht in Wahrnehmung ihrer Privatautonomie übernommen. Vielmehr hat die Partei mit dem Verhandlungsübergewicht den Vertragsinhalt einseitig bestimmt ( gestörte Vertragsparität ). Ein umfassender Verzicht auf nacheheliche Ansprüche beeinträchtigt die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der verzichtenden Partei jedoch ggf. enorm und dauerhaft. Zur Gewährleistung der Privatautonomie bzw. der Ehevertragsfreiheit gem. Artt. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG ist dann korrigierend in den Vertragsinhalt einzugreifen. Damit ein Ehevertrag auf dieser Grundlage als gem. 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und somit nichtig eingestuft werden kann, muss die Prüfung zweierlei ergeben: (1.) eine evident einseitige Lastenverteilung und (2.) eine gestörte Vertragsparität als Ursache dieser evident einseitigen Lastenverteilung.2 b) Evident einseitige Lastenverteilung aa) Grundsatz Eine evident einseitige Lastenverteilung liegt vor, wenn ein Ehegatte ohne (nennenswerte) Kompensation auf Ansprüche verzichtet, die das dispositive Gesetzesrecht ihm während der Dauer der Ehe oder für die Zeit danach zuspricht. Hier hat B auf den Zugewinn- und den Versorgungsausgleich verzichtet. Gleiches gilt für die nachehelichen Unterhaltsansprüche. Kompensation etwa in Form pauschaler Abgeltungszahlungen o.ä. ist B nicht versprochen. Eine evident einseitige Lastenverteilung liegt somit im Ausgangspunkt vor. bb) Einwand des A: wechselseitiger Verzicht Allerdings hat nicht nur B auf ihre Ansprüche gegenüber A verzichtet, sondern auch umgekehrt A auf seine Ansprüche gegenüber B. Fraglich ist, ob dieser wechselseitige Verzicht die evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der B entfallen lässt. Für die Feststellung der evident einseitigen Lastenverteilung kommt es nicht auf theoretische und praktisch inhaltsleere Ansprüche und Verpflichtungen an. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Auswirkungen der Verzichtserklärung. Der Einwand des wechselseitigen Verzichts greift somit erst dann, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beide Ehegatten über einigermaßen gleiche Einkünfte verfügen und dies auch für die Zukunft so geplant ist. Dann nämlich kann auch beim Scheitern der Ehe jeder der beiden für sich sorgen. Zudem ist bei plangemäßem Verlauf für jeden der beiden ein eigener Vermögens- und Altersvorsorgeaufbau gewährleistet. Auf die nachehelichen Ansprüche gegen den jeweils anderen sind sie dann nicht angewiesen, so 2 BGHZ 158, 81, 98. 4
5 dass der wechselseitige Verzicht hier tatsächlich keinen besser und keinen schlechter stellt. Hier verfügte B im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über keinerlei eigene Einkünfte und keine berufliche Qualifikation. Sie war wirtschaftlich vollkommen von A abhängig. Eine Änderung dieses Zustands war nie beabsichtigt. Der formal wechselseitige Anspruchsverzicht wirkt sich somit tatsächlich allein zum Nachteil der B aus. Die evident einseitige Lastenverteilung steht im Ergebnis nicht in Frage. c) Die Feststellung der gestörten Vertragsparität Die evident einseitige Lastenverteilung genügt jedoch allein noch nicht, um die Nichtigkeitsfolge des 138 Abs. 1 BGB auszulösen. Hierfür ist vielmehr die weitere Feststellung erforderlich, dass diese evident einseitige Lastenverteilung das Resultat einer gestörten Vertragsparität ist, also der einseitigen Gestaltungsmacht der überlegenen Partei. Auf eine beim Vertragsschluss bestehende gestörte Vertragsparität kann alternativ anhand zweier Ansatzpunkte geschlossen werden: aa) Gestörte Vertragsparität aufgrund äußerer Umstände Ohne weiteres liegt eine gestörte Vertragsparität vor, wenn der begünstigte Ehegatte eine Zwangslage des anderen ausnutzt, um so die Bedingungen der Schließung oder des Fortbestands der Ehe einseitig diktieren zu können. Eine solche Zwangslage ist etwa gegeben, wenn die Frau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwanger ist und der begünstigte Ehegatte die Ehe ohne den von ihm bevorzugten Vertrag nicht eingehen oder durch Scheidung beenden will. Ähnlich liegt es bei der Eheschließung mit einem Ausländer, der ohne die Heirat sein Aufenthaltsrecht verliert. Nicht anders verhält es sich schließlich beim Ausnutzen sprachlicher Verständnisschwierigkeiten. bb) Gestörte Vertragsparität aufgrund der Kernbereichslehre Daneben kann die gestörte Vertragsparität sich aber auch aus der Kernbereichslehre ergeben. Man sagt: Die evident einseitige Lastenverteilung ist umso rechtfertigungsbedürftiger, je mehr sie den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts betrifft.3 Zu diesem Kernbereich zählen in erster Linie der Betreuungsunterhalt gem BGB, der Unterhalt wegen Krankheit oder Alters gem. 1571, 1572 BGB sowie der Versorgungsausgleich. Wird einem Ehegatten einer dieser Ansprüche kompensationslos genommen, zieht das regelmäßig die Sittenwidrigkeit nach sich.4 Eher zu rechtfertigen ist demgegenüber der Verzicht auf den Erwerbslosigkeitsunterhalt gem Abs. 1 BGB sowie auf den Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt gem Abs. 2, 1575 BGB. Am wenigsten Probleme bereitet der Verzicht auf den Zugewinnausgleich, denn dieser ist vom Gesetz selbst als Güterstand der Gütertrennung vorgesehen. 3 BGHZ 158, 81, Schwab, Familienrecht (23. Aufl. 2015), Rn
6 4. Rechtsfolge Vorliegend lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob A tatsächlich eine Zwangslage der B ausnutzte, um den Vertrag mit diesem Inhalt durchzusetzen. Jedenfalls greift er aber in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ein, indem er jeglichen nachehelichen Unterhalt und den Versorgungsausgleich ausschließt. Folglich liegt eine gestörte Vertragsparität vor. Der Vertrag ist sittenwidrig gem. 138 Abs. 1 BGB. Auf Rechtsfolgenseite ordnet 138 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit an. Hier stellt sich Frage, wie weit diese Nichtigkeitsfolge reicht. a) Denkbar: Beschränkung auf den die Nichtigkeit begründenden Teil Denkbar ist es, von der Nichtigkeitsfolge nur diejenigen Teile des Vertragswerks als betroffen anzusehen, die die Nichtigkeit begründen. Hier wäre das der Verzicht auf die Unterhaltsansprüche und auf den Versorgungsausgleich. Konkret geltend gemacht ist jedoch der Zugewinnausgleich, der isoliert betrachtet zulässig wäre. Für eine solche Sichtweise spricht: Bei dem einheitlichen Vertrag handelt es sich letztlich um drei getrennt zu betrachtende Rechtsgeschäfte, die lediglich in einer Urkunde zusammengefasst sind. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde eine Parallele zu dem aus dem AGB-Recht bekannten Blue-Pencil-Test ergeben, dass die außerhalb des Kernbereichs stehenden Vertragsklauseln Bestand haben. I.Ü. gilt das dem AGB-Recht entstammende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht auch im allgemeinen Vertragsrecht. Vielmehr kann man hier jedenfalls auf dem Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis kommen, dass die Parteien ein Festhalten an der Gütertrennung auch für den Fall wünschen, dass der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich sich als unwirksam erweist. b) Richtig: Vollständige Nichtigkeit Richtig ist es aber, alle Regelungen des Vertrags als von der Nichtigkeitsfolge erfasst anzusehen, wenn auch nur in Bezug auf einzelne Klauseln eine gestörte Vertragsparität feststellbar ist: Die Aussage, dass die Vereinbarung von Gütertrennung sowie wechselseitigem Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich letztlich getrennte Rechtsgeschäfte seien, trifft nur formal zu. Sie sind alle zum selben Zeitpunkt abgeschlossen worden und betreffen sämtlich Scheidungsfolgen. Deshalb handelt es sich inhaltlich um ein einheitliches Geschäft. Selbst wenn drei verschiedene Urkunden angefertigt worden wären, würde sich nichts daran ändern, dass sie inhaltlich aufeinander bezogen sind und zusammenhängen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, eine infolge gestörter Vertragsparität geschehene evident einseitige Lastenverteilung auf das gerade noch zulässige Maß zurechtzustutzen. Folglich ist der Ehevertrag vollständig unwirksam, insbesondere auch in Bezug auf die Vereinbarung der Gütertrennung. Daher hat B gegen A einen Anspruch auf Zahlung von 2,5 Mio. Euro aus 1378 Abs. 1 BGB. 6
7 E X K U R S: Die Ausübungskontrolle gem. 242 BGB Für die Inhaltskontrolle ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich, d.h. die evident einseitige Lastenverteilung und die gestörte Vertragsparität müssen in diesem Zeitpunkt vorliegen. Allerdings sind die ehelichen Lebensverhältnisses wandelbar und nicht selten stellen sich die beiden für die Inhaltskontrolle entscheidenden Kriterien erst im Laufe der Zeit ein, lange Zeit nachdem die Eheleute den Ehevertrag abgeschlossen haben. Beispiel: In einem Ehevertrag verzichten die Partner wechselseitig auf jegliche nachehelichen Ansprüche. Zu dieser Zeit erzielen sie in großen Anwaltskanzleien als fortgeschrittene Associates mit Perspektive auf die Partnerschaft ein Einkommen von jeweils Euro. Sie verfolgen den Lebensplan eines Dual Career Couple. Kinder sind dabei nicht vorgesehen. Im Laufe der Zeit ändern sich die Einstellungen, es kommen Kinder zur Welt und einer der beiden Ehegatten steigt aus diesem Grund aus dem großen Anwaltsgeschäft aus. I. Die Inhaltskontrolle in diesem Beispiel In diesem Beispiel hält der Ehevertrag einer Inhaltskontrolle problemlos stand. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses fehlt es bereits an einer evident einseitigen Lastenverteilung. Die später eingetretenen Veränderungen in den Lebensumständen der Vertragsparteien sind für die Inhaltskontrolle gem. 138 Abs. 1 BGB irrelevant. II. Die Ausübungskontrolle gem. 242 BGB Dennoch wäre es unbillig, die Folgen einer später eingetretenen und bei Vertragsschluss noch nicht konkret vorhersehbaren Veränderung der Umstände allein einen der beiden Ehepartner tragen zu lassen. Um dies zu vermeiden, unterwirft der BGH den Ehevertrag in diesen Fällen einer Ausübungskontrolle mit Grundlage in 242 BGB. 1. Die Kontrollfrage im Rahmen der Ausübungskontrolle Die Kontrollfrage im Rahmen der Ausübungskontrolle lautet: Hielte der Vertrag einer Inhaltskontrolle auch stand, wenn er mit unverändertem Inhalt jetzt abgeschlossen würde? Wenn diese Frage verneint wird, besteht Eingriffsbedarf. 2. Die Rechtsfolge im Rahmen der Ausübungskontrolle Während bei der Inhaltskontrolle die scharfe Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit eintritt, ist bei der Ausübungskontrolle der Eingriff wesentlich weniger intensiv. Hier nimmt das Gericht lediglich eine angemessene Anpassung vor. 7
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