IV. Rechtliche Würdigung
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- Herta Schneider
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1 70 IV. Rechtliche Würdigung 1. Prüfungsstruktur des Anfechtungswiderspruches 112 Bei der rechtlichen Würdigung des Widerspruches ist zwischen einem Anfechtungswiderspruch und einem Verpflichtungswiderspruch zu unterscheiden. Der Anfechtungswiderspruch gegen einen belastenden Ausgangsbescheid ist begründet (analog 113 I 1 VwGO), wenn der Verwaltungsakt formell und/oder materiell rechtswidrig ist und den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt. Zur Prüfung des Anfechtungswiderspruches bietet sich nachstehende Struktur an: Prüfungsstruktur 5: Anfechtungswiderspruch 1. Zulässigkeit des Widerspruchs 2. Begründetheit des Widerspruchs: Ermächtigungsgrundlage für Ausgangsbescheid, formelle Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids, materielle Rechtmäßigeit des Ausgangsbescheid 3. Zweckmäßigkeitskontrolle, soweit rechtlich zulässig 4. Subjektive Rechtsverletzung Fragen der Zulässigkeit des Widerspruches sind jedoch nur dann auszuführen, soweit diese erheblich sind. Sofern keine Zulässigkeitsprobleme bestehen empfiehlt sich folgende Ausführung. Beispiel: Gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist der Widerspruchsführer als Adressat der Abrissverfügung widerspruchsbefugt. Die Begründetheitsprüfung könnte wie nachstehend aussehen. Beispiel: Der Widerspruch ist begründet, wenn die Abrissverfügung rechtswidrig ist und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt ist oder wenn die Verfügung unzweckmäßig ist. Die Rechtmäßigkeit der Abrissverfügung hängt davon ab, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegeben sind. Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der vollständige Beseitigung der Anlage ist 80 I 1 MVLBauO. 2. Prüfungsstruktur des Verpflichtungswiderspruchs 113 Der Verpflichtungswiderspruch ist begründet (analog 113 V VwGO), wenn zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung die
2 B. Der Widerspruchsbescheid 71 Ablehnung des begünstigenden Verwaltungsaktes formell und materiell rechtswidrig ist und hierdurch der Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt wird. Der Widerspruchsführer muss einen Rechtsanspruch auf die Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes haben. In der Regel ist dies nur bei gebundenen Entscheidungen der Fall. Steht der Erlass des begehrten Verwaltungsaktes im Ermessen der Behörde, so hat der Widerspruchsführer nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Daraus empfiehlt sich folgende Begründetheitsstruktur: Prüfungsstruktur 6: Verpflichtungswiderspruch 1. Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen 2. Widerspruchsführer ist in seinen Rechten verletzt 3. Bei Ermessenverwaltungsakten ist dies der Fall, wenn die Ablehnung unzweckmäßig ist und das Ermessen auch im Interesse des Widerspruchsführes der Behörde eingeräumt wurde 3. Inhaltliche Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde Gemäß 68 I 1 VwGO sind im Widerspruchsverfahren die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen. 114 Dieser Prüfungsmaßstab führt dazu, dass die Widerspruchsbehörde nicht wie das Verwaltungsgericht auf eine Ermessensüberprüfung beschränkt ist, sondern eine eigenständige Ermessensentscheidung treffen kann. 115 Diese unterschiedliche Struktur des Prüfungsmaßstabes ist ggf. im Vortrag durch den Hinweis auf eine Zweckmäßigkeitskontrolle deutlich zu machen. Beispiel: Die Erteilung der erforderlichen Erlaubnis steht gemäß im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Nach dem eben dargelegten Abwägungsergebnis ist im Interesse der eine weitere Ausnahmegenehmigung nicht möglich. Eine zweckmäßigere Entscheidung als die Ablehnung der beantragten Erlaubnis ist nicht ersichtlich. Die Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde (Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle) kann jedoch beschränkt sein. Folgende Einschränkungen sind zu beachten: Drittwidersprüche: Dem Widerspruch des Anfechtenden ist nur stattzugeben, wenn der dem Begünstigten erteilte Verwaltungsakt gegen drittschützende Normen verstößt. 115 Kintz, Rn. 460.
3 72 Selbstverwaltungsangelegenheiten: Ist im Rahmen der Widerspruchsentscheidung in Selbstverwaltungsangelegenheiten einer Körperschaft Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht identisch, so ist die Widerspruchsbehörde auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Fehlende Normverwerfungskompetenz: Kommt die Widerspruchsbehörde zum Ergebnis, dass eine Satzung oder andere Rechtsnorm im Range unter dem förmlichen Gesetz unwirksam sei, so ist nach h.m. die Norm trotzdem anzuwenden. 116 Übersicht 9: Eingeschränkte Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde 4. Anordnung oder Aussetzung der sofortigen Vollziehung 115 Hat die Ausgangsbehörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet ( 80 II 1 Nr. 4 VwGO) oder ist dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbar ( 80 II 1 Nrn. 1 3 VwGO), so muss die Widerspruchsbehörde grundsätzlich auch eine Entscheidung über die Fortdauer der sofortigen Vollziehung treffen, unabhängig von einem gesonderten Antrag des Widerspruchsführers. Die Widerspruchsbehörde kann somit neben 80 IV 1 VwGO von sich aus tätig werden. Die Vollziehbarkeit wird ausgesetzt, wenn die rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht bzw. nicht mehr gegeben sind. Eine ungenügende Begründung nach 80 III 1 VwGO kann die Widerspruchsbehörde durch eine eigene Ersetzen. Im Aktenvortrag kann im Rahmen der rechtlichen Würdigung zur Aussetzung der Vollziehung wie nachstehend formuliert werden: Beispiel: Weiterhin war die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Stadt Freiburg i. Br. zu prüfen. Sie genügt dem Begründungserfordernis nach 80 III 1 VwGO. Auch in materieller Hinsicht war die Anordnung nicht zu beanstanden, da. 5. Der erledigte Widerspruch 116 Hat sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt vor der Entscheidung der Widerspruchsbehörde erledigt, kommt nach h.m. eine Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde nicht mehr in Betracht. Ein Fortsetzungsfeststellungswiderspruch analog 113 I 4 VwGO ist unstatthaft. Der Vortragende hat in einer solchen Verfahrenskonstellation das Widerspruchsverfahren einzustellen und nach billigem Ermes- 116 Kintz, Rn. 463.
4 B. Der Widerspruchsbescheid 73 sen über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten hat derjenige zu tragen, der voraussichtlich im Widerspruchsvefahren unterlegen wäre (allgemeiner Grundsatz des Kostenrechts). Der Tenorierungsvorschlag würde lauten: Das Widerspruchsverfahren wird eingestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt. Bestreitet der Widerspruchsführer die Erledigung, so ist sein Widerspruch mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig zurückzuweisen. V. Entscheidungsvorschlag Unterliegt der Widerspruchsführer so ist sein Widerspruch zurückzuweisen und nicht etwa abzulehnen. Ist der Widerspruch hingegen 117 erfolgreich, so ist der streitgegenständliche Verwaltungsakt bei einem Anfechtungswiderspruch unmissverständlich aufzuheben. Falsch wäre der Entscheidungsvorschlag Dem Widerspruch wird stattgegeben., da dieser zu unbestimmt als Tenor ist. Bei teilweiser Aufhebung des Ausgangsbescheides darf die Zurückweisung des Widerspruches im Übrigen nicht vergessen werden. Beispiele: Ich schlage deshalb folgenden Tenor vor: Der Widerspruch wird zurückgewiesen. Der Widerspruchsführer hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Mein Tenorierungsvorschlag lautet: Der Bescheid der Stadt Dresden vom 6. August 2008 wird aufgehoben. Die Stadt Dresden hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt. Unter Aufhebung des Bescheids der Stadt Mannheim vom wird diese verpflichtet, gegen Paul Meyer eine bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen. Die Stadt Mannheim hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. (Verpflichtungswiderspruch) Der Gebührenbescheid der Gemeinde vom wird insoweit aufgehoben, als darin ein Betrag von mehr als 425 Euro gefordert wird. Im Übrigen wird der Widerspruch zurückgewiesen. Der Widerspruchsführer hat ¼ und die Gemeinde ¾ der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Ich schlage folgenden Tenor vor: Den Widerspruch des vom gegen die Verfügung des Oberbürgermeister der Stadt Köln vom weise ich zurück. Die Kosten des Verfahrens trägt. Nebenentscheidungen wie die Kosten des Widerspruchsverfahrens oder die Notwendigerklärung der Zuziehung eines Bevollmächtigten
5 74 werden nach den Weisungen der Landesjustizprüfungsämter meist nicht verlangt. Auch hier gilt wieder der Grundsatz den Bearbeitervermerk und die Hinweise seines Landesjustizprüfungsamts genau zu lesen. 118 C. Wiederholungsfall Zu kurzen Wiederholung und Vertiefung sei der nachstehende (feststehende) Sachverhalt genommen und im Vortragsstil die zutreffende Entscheidung der Widerspruchsbehörde nebst Sachverhaltsdarstellung darzulegen. Die Lösung sollte beim Üben abgedeckt werden. 1. Sachverhalt: Marco Heinmann ist stolzer Eigentümer des Hausgrundstückes Sonnenallee 251 in Weimar, auf dem sich eine ca. 70 Jahre alte Birke befindet, die in einem Abstand von 1-2 m zur Straße steht. Der Stammumfang beträgt mehr als 50 cm bei einer Stammhöhe von 100 cm. Am beantragte er bei der Stadt Weimar die Fällung der Birke. Den Antrag begründetete er im Wesentlichen damit, dass von der Birke erhebliche Gefahren für Personen und Sachen ausgingen, da in der Vergangenheit mehrfach Äste herabgefallen seien. Insbesondere der Zaun des Grundstücks sowie die auf der Straße parkenden Fahrzeuge seien gefährdet. Dieses Risiko könne er nicht weiter tragen. Am wurde durch das Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Weimar eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Dabei wurde der Baum von Vertretern des Umwelt- und Grünflächenamtes der Stadt Weimar nach der VTA- Methode (VTA=Visaul Tree Asessment, visuelle Baumkontrolle) kontrolliert. Diese Methode wird von der Stadt Weimar auch bei allen städtischen Bäumen, u.a. auch an stark befahrenen Straßen oder Kindereinrichtungen, angewendet. Nach Auffassung des Umwelt- und Grünflächenamtes sei die Birke, ausgehend von der Kontrolle nach der VTA-Methode als vital und standsicher einzuschätzen. Mit Schreiben vom wurde der Antrag von Herrn Marco Heinmann auf Genehmigung der Fällung der Birke abgelehnt. Die Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung gemäß 6 der Baumschutzsatzung der Stadt Weimar nicht vorlägen. Nach visueller Kontrolle sei der Baum als zum Zeitpunkt der Besichtigung als vital und standsicher einzuschätzen. Die Nutzung des Grundstückes sei durch das Vorhandensein des Baumes nicht in
6 C. Wiederholungsfall 75 unzumutbarem Maße eingeschränkt. Mit Schreiben vom legte Herr Heinmann gegen die Ablehnung Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete er im Wesentlichen damit, dass von der Birke erhebliche Gefahren für Personen und Sachen ausgehen würden. Die Birke sei krank. Nach dem großen Sturm im Herbst 2002 seien Äste im Eingangs- und Straßenbereich abgebrochen, welche er habe absägen müssen. Ferner führte er aus, dass er als Eigentümer für mögliche Schäden einzustehen habe. Er befürchtet, dass bei starkem Sturm wieder Äste abbrechen oder der Baum umstürzen könnte. Es müsse dem Eigentümer aber möglich sein, Schäden an Sachgütern abzuwenden. Der Abbruch von großen Ästen nach einem Sturm könne zu Schäden am Zaun und bei Umsturz zu Beschädigung der Abwasserleitung führen. Es sei nicht einzusehen, dass man als Eigentümer nichts zur Erhaltung seines Eigentums tun dürfe. Für die Umzäunung des Grundstücks bestehe kein Versicherungsschutz. Am fand ein Widerspruchsgespräch zwischen Herrn Heinmann und Vertretern der Stadt Weimar statt. Nach Abstimmung fand durch das Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Weimar eine weitere Besichtigung des Baumes statt. Die Stadt Weimar half danach dem Widerspruch nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom , eingegangen am , dem Thüringer Landesverwaltungsamt zur Entscheidung vor. Die Nichtabhilfeentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Baum nach zweimaliger visueller Kontrolle als vital und standsicher einzuschätzen sei. Es bestehe keine über das normale Maß erhöhte Gefahr eines Baumbruchs oder Windwurfes. Das vorhandene Restrisiko sei als zumutbar anzusehen. 2. Bearbeitervermerk: Die Entscheidung der Widerspruchsbehörde ist vorzutragen, dabei ist folgende Rechtslage zugrunde zu legen: Das Thüringer Landesverwaltungsamt ist gemäß 73 I 2 Nr. 3 VwGO, 124 Nr. 1 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) und 118 II ThürKO für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig. Gemäß 17 IV i.v.m. I Nr. 1 bis 6 Thüringer Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (ThürNatG) können die Gemeinden durch Satzung den Schutz des Baumbestandes innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im eigenen Wirkungskreis regeln. Nach 17 IV ThürNatG darf das Fällen von geschützten Bäumen verboten werden, wobei in der Satzung Ausnahmen zuzulassen sind. Nach der Baumschutzsatzung der Stadt Weimar (Weimarer Ortsrecht, Stand: ) bedarf das Fällen eines Baumes einer Ausnahmegenehmigung, wenn der Baum einen Stammumfang von 50 cm hat,
7 76 gemessen in einer Stammhöhe von 100 cm ( 5, 3 I a Baumschutzsatzung), da das Fällen von geschützten Bäumen im Grundsatz verboten ist. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn von einem Baum Gefahren für Personen oder Sachen von bedeutenden Wert ausgehen und diese Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbaren Aufwand zu beheben ist ( 6 I c Baumschutzsatzung der Stadt Weimar). Der Antrag ist bei der Stadt Weimar, Umwelt- und Grünflächenamt, Abt. Grünflächen zu stellen. 3. Lösungsvorschlag 117 : Einleitung: Ich berichte über ein Widerspruchsverfahren aus dem Jahre 2003, dass durch das Thüringer Landesverwaltungsamt zu entscheiden war. Widerspruchsführer ist Herr Marco Heinemann. Er wendet sich gegen die Versagung einer Baumfällgenehmigung durch die Stadt Weimar. Sachbericht: Der Widerspruchsführer wendet sich gegen die Versagung der beantragten Genehmigung zur Fällung einer Birke auf seinem Grundstück Sonnenalle 251 in Weimar. Der Widerspruchsführer ist Eigentümer des obigen Grundstückes, auf dem sich eine ca. 70 Jahre alte Birke befindet, die in einem Abstand von 1-2 m zur Straße steht. Der Stammumfang beträgt mehr als 50 cm bei einer Stammhöhe von 100 cm. Am beantragte der Widerspruchsführer die Fällung der Birke. Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass von der Birke erhebliche Gefahren für Personen und Sachen ausgingen, da in der Vergangenheit mehrfach Äste herabgefallen seien. Insbesondere der Zaun des Grundstücks sowie die auf der Straße parkenden Fahrzeuge seien gefährdet. Dieses Risiko könne der Widerspruchsführer nicht tragen. Am wurde durch das Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Weimar eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Dabei wurde der Baum von Vertretern des Umwelt- und Grünflächenamtes der Stadt Weimar nach der VTA-Methode (VTA=Visaul Tree Asessment, visuelle Baumkontrolle) kontrolliert. Diese Methode wird von der Stadt Weimar auch bei allen städtischen Bäumen, u.a. auch an stark befahrenen Straßen oder Kindereinrichtungen, angewendet. Nach Auffassung des Umwelt- und Grünflächenamtes sei die Birke, ausgehend von der Kontrolle nach der VTA-Methode als vital und 117 Der Fall ist an eine Originalakte angelehnt, die im Jahr 2003 dem Thüringer Verwaltungsamt zur Entscheidung vorlag. Die dargebotene Musterlösung wird von einem Kandidaten nicht erwartet, da sie erhebliches Fachwissen voraussetzt. In der Prüfungssituation wird nur eine strukturierte und verwertbare Lösung erwartet.
8 C. Wiederholungsfall 77 standsicher einzuschätzen. Mit Schreiben vom wurde der Antrag des Widerspruchsführers auf Genehmigung der Fällung der Birke abgelehnt. Die Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung gemäß 6 der Baumschutzsatzung der Stadt Weimar nicht vorlägen. Nach visueller Kontrolle sei der Baum als zum Zeitpunkt der Besichtigung als vital und standsicher einzuschätzen. Die Nutzung des Grundstückes sei durch das Vorhandensein des Baumes nicht in unzumutbarem Maße eingeschränkt. Mit Schreiben vom legte der Widerspruchsführer gegen die Ablehnung Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde im Wesentlichen damit begründet, dass von der Birke erhebliche Gefahren für Personen und Sachen ausgehen würden. Die Birke sei krank. Nach dem großen Sturm im Herbst 2002 seien Äste im Eingangs- und Straßenbereich abgebrochen, welche der Widerspruchsführer habe absägen müssen. Als Eigentümer habe man für mögliche Schäden einzustehen. Der Widerspruchsführer befürchtet, dass bei starkem Sturm wieder Äste abbrechen oder der Baum umstürzen könnte. Es müsse dem Eigentümer aber möglich sein, Schäden an Sachgütern abzuwenden. Der Abbruch von großen Ästen nach einem Sturm könne zu Schäden am Zaun und bei Umsturz zu Beschädigung der Abwasserleitung führen. Es sei nicht einzusehen, dass man als Eigentümer nichts zur Erhaltung seines Eigentums tun dürfe. Für die Umzäunung des Grundstücks bestehe kein Versicherungsschutz. Am fand ein Widerspruchsgespräch mit dem Widerspruchsführer statt. Nach Abstimmung mit dem Widerspruchsführer fand durch das Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Weimar eine weitere Besichtigung des Baumes statt. Die Stadt Weimar half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom , eingegangen am , dem Thüringer Landesverwaltungsamt zur Entscheidung vor. Die Nichtabhilfeentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Baum nach zweimaliger visueller Kontrolle als vital und standsicher einzuschätzen sei. Es bestehe keine über das normale Maß erhöhte Gefahr eines Baumbruchs oder Windwurfes. Das vorhandene Restrisiko sei als zumutbar anzusehen. Kurzvorschlag: Ich schlage vor, den Widerspruch zurückzuweisen. Rechtliche Würdigung: Der zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Verpflichtungswiderspruch ist unbegründet, da der Ablehnungsbescheid der Stadt Weimar vom rechtmäßig ist und der Widerspruchsführer hierdurch nicht in sei-
9 78 nen Rechten verletzt wird ( 113 V 1 VwGO analog). Gemäß 17 IV i.v.m. I Nr. 1 bis 6 Thüringer Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (ThürNatG) können die Gemeinden durch Satzung den Schutz des Baumbestandes innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im eigenen Wirkungskreis regeln. Nach 17 IV ThürNatG darf das Fällen von geschützten Bäumen verboten werden, wobei in der Satzung Ausnahmen zuzulassen sind. Nach 6 I Baumschutzsatzung der Stadt Weimar bedarf das Fällen eines Baumes einer Ausnahmegenehmigung, wenn der Baum einen Stammumfang von 50 cm hat, gemessen in einer Stammhöhe von 100 cm ( 3 I a Baumschutzsatzung). Die Birke des Widerspruchsführers ist vorliegend gemäß 3 Baumschutzsatzung der Stadt Weimar geschützt, so dass zur Fällung eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn von einem Baum Gefahren für Personen oder Sachen von bedeutenden Wert ausgehen und diese Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbaren Aufwand zu beheben ist ( 6 I c Baumschutzsatzung der Stadt Weimar). Wann eine Gefahr von einem Baum ausgeht, die eine Ausnahme von den Verboten der Baumschutzsatzung rechtfertigt, lässt sich nur im Einzelfall feststellen. Grundsätzlich reicht hierfür die allgemeine Gefahr des Umsturzes bei einem Sturm nicht aus. Sie besteht nämlich für jeden Baum, unabhängig davon, ob er krank oder gesund ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Umsturz eines Baumes bei ungewöhnlich heftigem Sturm dem Eigentümer daher nicht zuzurechnen, so dass eine Haftung für Schäden entfällt. Eine abstrakte Gefahr reicht daher nicht, um den Ausnahmetatbestand des 6 I Baumschutzsatzung der Stadt Weimer zu begründen. Anerkanntermaßen sind nur konkrete Gefahren maßgeblich. Wann solche Gefahren drohen, ist anhand anerkannter Indizien für Baumschäden zu beurteilen. Der Antragsteller muss einen Sachverhalt darlegen, der nach den Regeln des Anscheinsbeweises den Schadenseintritt wahrscheinlich erscheinen lässt. Nur wenn Schadensindizien vorliegen, kann eine Ausnahme erteilt werden. Besondere Bedeutung haben hier zum Beispiel das Alter des Baumes, der Kronenzustand, äußere Verletzungen oder Beschädigungen, Pilzbefall, erkennbare Fäulnis und zum Beispiel Umstände wie das Fallen morscher Äste ohne äußeren Anlass. Vorliegend sind durch den Widerspruchsführer keine Indizien für eine konkrete Gefahr für Personen und Sachen dargetan. Das Alter der Birke spricht für sich allein noch nicht für ein erhöhtes Gefahrenpotential. Nach Feststellung des Umwelt- und Grünflächenamtes der Stadt Weimar ist die Birke vital und standsicher. Für eine konkrete Gefahr, die vom Baum ausgeht, ist nichts ersichtlich. Der Wider-
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