Wie verarbeiten Therapeuten die traumatischen Erfahrungen ihrer Klienten
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- Irma Kaiser
- vor 6 Jahren
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1 (Paper-Review) Traue HC, Jerg-Bretzke L. (2008). Wie verarbeiten Therapeuten die traumatischen Erfahrungen ihrer Klienten? Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin. 29. (2) Wie verarbeiten Therapeuten die traumatischen Erfahrungen ihrer Klienten Der Ausgangspunkt von drei in der Zeitschrift Torture publizierten empirischen Untersuchungen über traumabezogene Reaktionen im Kontext der therapeutischen Arbeit in spezialisierten Therapieeinrichtungen für Opfer von Folter und organisierter Gewalt ist die Beobachtung von unterschiedlichen, in der Regel aber als erheblich eingeschätztem Stress bei diesen Therapeuten. Dies begegnet einem häufig als Supervisor. Ziel der Studienserie war die Untersuchung der Beziehung zwischen Merkmalen der emotionalen Belastung und von Burnout und einem traumaspezifischen Prozess, den man üblicherweise unter dem Konzept der sekundären Traumatisierung oder einer traumatisierenden Gegenübertragung zusammenfasst. Zweifelsohne sind die extremen traumatischen Patientenerfahrungen und erlebnisse, insbesondere wenn diese aus zwischenmenschlicher Gewalt hervorgehen, eine besondere Belastung in der Therapie. Therapeuten werden Zeugen dieser Erfahrung und auf verschiedene Weise in dieses Erleben und ihre Verarbeitung hineingezogen oder an den Folgen beteiligt. Mehrere Untersuchungen sehen diese therapeutische Erfahrung als Ursache für eigene traumatische Stressreaktion. Eine langfristige Folge des therapeutischen Engagements unter diesen Bedingungen ist emotionale Erschöpfung, die häufig mit der zumindest metaphorisch treffenden Bezeichnung Burnout markiert oder mit entsprechenden Instrumenten gemessen wird. Alle drei Studien fanden am Centrum 45 des holländischen Nationalinstituts für die Behandlung der Opfer von Gewalt, Krieg und Verfolgung in Leiden, Holland statt. Studie 1: Therapeutische Schwierigkeiten In der ersten Studie wurden die therapeutischen Schwierigkeiten im Umgang mit Traumata der Patienten qualitativ erfasst und klassifiziert. Es handelt sich um eine explorative, deskriptive Studie, die mit qualitativen und quantitativen Methoden durchgeführt wurde. Nach einer Pilotphase mit 15 interviewten Therapeuten wurde ein Fragebogen entwickelt, der mit einem Rücklauf von 72 % insgesamt 92 Therapeuten umfasste. Mit Hilfe dieser Erhebung wurde untersucht inwieweit therapeutische Probleme mit Burnout in Beziehung stehen und ob es Indikatoren für sekundäre Traumatisierung bei den Therapeuten gibt.
2 Etwas mehr als die Hälfte der Schwierigkeiten, die von Therapeuten berichtet wurde, bezog sich auf Psychopathologie der Patienten: Aggressionen, posttraumatische Symptome oder andere Symptome. Die therapeutische Beziehung war in 34 % der Fälle von schwierigen Situationen geprägt, insofern die Arbeitsbeziehung nicht aufgebaut werden konnte, die Angst der Patienten über ihre Erfahrungen zu sprechen nicht reduziert werden konnte oder es keinen therapeutischen Erfolg gab. Immerhin 11 % der Schwierigkeiten bestanden in gewalttätigen Verhaltensweisen der Patienten, zumeist außerhalb des therapeutischen Settings. Die emotionale Belastung der Therapeuten war um so größer je historisch näher die traumatischen Ereignisse stattfanden. Eine Regressionsanalyse zeigte jedoch, dass die Faktoren des Burnout eher mit organisatorischen Faktoren der therapeutischen Arbeit als mit Schwierigkeiten in der therapeutischen Arbeit selber in Beziehung standen. Solche Schwierigkeiten korrelierten eher mit emotionaler Belastung. Insgesamt unterschieden sich die spezialisierten Therapeuten mit Traumatherapie nicht von klientenzentrierten Therapeuten. Allerdings waren die Traumatherapeuten nicht sehr überraschend - skeptischer im Hinblick auf die Annahme, dass der Mensch im Prinzip gut sei. Studie 2: Auswirkungen der Konfrontation mit dem Trauma Diese Untersuchung bezog sich speziell auf Traumakonfrontation als therapeutische Schwierigkeit. Während sich Studie 1 auf die Reaktion der Therapeuten auf ihre besondere therapeutische Arbeit bezog, untersucht die Studie 2 die spezifische therapeutische Praxis der Traumakonfrontation. Hierbei wurde auch untersucht, ob es einen Unterschied macht, ob ein Therapeut die Konfrontation des Patienten mit seiner traumatischen Erfahrung als Therapieziel verfolgt oder einen eher allgemeinen Behandlungsfokus sucht. Die Studie wählte einen explorativen, qualitativen Zugang mit Interviews der beteiligten Therapeuten. Verglichen wurden fünf Traumatherapeuten mit sechs Therapeuten, die einen eher allgemeinen psychotherapeutischen Zugang zu den Patienten hatten. Das Interviewmaterial wurde transkribiert und nach den Prinzipien der grounded theory analysiert. Drei schwierige Situationen konnten als typisch identifiziert werden. Traumatische Situationen während der therapeutischen Arbeit, existentiell bedeutsame Situationen und Probleme in der therapeutischen Interaktion. Der erste Typus an Schwierigkeiten bezog sich auf das Material, das die Patienten berichteten und das durch Mitfühlen und -erleben zu Reaktionen führte, die den DSM-Kriterien für Posttraumatische Belastungsstörungen entsprach. Die so genannten existentiellen Schwierigkeiten bezogen sich auf Situationen, in denen der Therapeut selber eine
3 tiefe Hoffnungslosigkeit gegenüber der Lebenssituation der Patienten empfand, und die Interaktionsschwierigkeiten ergaben sich aus der massiven emotionalen Inanspruchnahme durch die Patienten. Unabhängig vom Typus der Schwierigkeiten wurde nach den Reaktionen der Therapeuten gefragt: Sie erlebten und berichteten Schock, Angst und Hilflosigkeit. Sie grübelten länger als in anderen normalen Therapien über die therapeutischen Sitzungen. Sie fühlten sich oft durch die Bedingungen, unter denen die Traumata stattfanden, politisch provoziert. Die Mehrheit dieser Reaktionen entstand in der Konfrontation mit den Patientenberichten innerhalb der therapeutischen Sitzungen. Die Reaktionen der Therapeuten bilden ein Reaktionsmuster aus Schock, Angst und von den Erlebnissen der Patienten überwältigt und mitgerissen zu werden. Wer existenziell klassifizierte Schwierigkeiten angab, fühlte sich mehr für das Wohlergehen der Patienten und die Wirksamkeit des therapeutischen Prozesses zuständig als bei anderen Patienten. Obwohl die befragten Therapeuten dieses Reaktionsmuster beschreiben, fanden sich keine Hinweise auf sekundäre Traumatisierung der Therapeuten durch die Konfrontation mit den Traumaberichten der Patienten. Sie beschreiben sich trotz der genannten Schwierigkeiten als funktionsfähig sind und denken positiv über ihren Beruf. Die Studie zeigt auch, dass traumaspezialisierte Therapeuten nicht besser mit ihren spezifischen Belastungen umgehen können, als weniger spezialisierte Therapeuten. Allerdings warnen die Autoren davor diese explorative Studie zu übergeneralisieren, sondern empfehlen darauf bezogene quantitative Untersuchungen. Studie 3: Spezifität von Traumareaktionen Die dritte Studie ging der Frage nach, ob die Konfrontation mit dem Trauma in der Therapie spezifische Traumareaktionen in den Therapeuten bewirkt. Als Methode wurde im Gegensatz zu den qualitativen Befragungen bei den Therapeuten für diesen Untersuchungsteil ein experimentelles Design mit vier klinische Fallvignetten gewählt. Teilnehmer der dritten Studie waren 100 Psychologiestudenten, deren Reaktionen auf die Fallvignetten mit zwei reliablen Fragebögen, dem PMAP (psychological mindedness assessment procedure) und dem TREQ (therapist reaction and emotions questionnaire) quantifiziert wurden. Den Befunden aus den qualitativen Interviews von Studie 1 und 2 entsprechend zeigten die Probanden bei den Fallvignetten mit Traumainhalt im Vergleich zu den Fallvignetten von Borderlinepatienten signifikant stärkere emotionale Reaktionen auf allen Dimensionen. Der
4 Vergleich der Reaktionen zeigte, dass das traumatische Ereignis in einer Flüchtlingsgeschichte eher Reaktionen der Hinwendung und Identifizierung bei den Therapeuten erzeugte, während die Borderlinegeschichte eher eine Distanzierung bewirkte. Wenn während des traumaspezifischen Miterlebens Distanzierung gewählt wurde, erwies es sich als unwirksam. Im Gegenteil, je mehr Distanzierung eingesetzt wurde, umso stärker waren die trauma-ähnlichen Symptome. Solche Reaktionen konnten gegenüber den Fallvignetten der Borderlinestörung kaum beobachtet werden. Natürlich muss man einschränkend beachten, dass in Studie 3 ein Therapieäquivalent als Experiment untersucht wurde und der Befund nicht notwendigerweise in einer realen Therapiesituation auch auftritt. Diskussion der drei Untersuchungen. Sekundäre Stress- und Traumaerfahrungen von Therapeuten müssen zukünftig weiterhin ein wichtiges Untersuchungsfeld bleiben, denn die drei Studien zeigen, dass emotionale Reaktionen auf das Miterleben traumatischer Situationen bedeutsam sind und Einfluss auf das berufliche Handeln der Therapeuten haben. Starke emotionale Reaktionen und Burnout können die Folge der therapeutischen Arbeit sein, wie in der zweiten und dritten Studie nachgewiesen werden konnte. Allerdings zeigen die Untersuchungen auch, dass die teils erheblichen emotionalen Reaktionen der Therapeuten mit einer sekundären Traumatisierung oder einer PTBS im diagnostischen Sinne gleich gesetzt werden sollten. Die Autoren schlagen deshalb eine alternative Benennung als Konfrontationsangst vor, die den emotionalen Einfluss und die Intensität der Reaktion auf den Traumabericht von Patienten besser beschreiben und dabei eine Pathologisierung der therapeutischen Reaktionsweise vermeiden. Smith, AJM, Kleijn, WC, Trijsburg, RW & Hutschemaekers, GJM (2007) How therapists cope with clients traumatic experiences, Torture 17/3, Prof. Dr. Harald C. Traue Medizinische Psychologie Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
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