Sprachsensibel unterrichten

Transkript

1 Sprachsensibel unterrichten Inspirationen aus dem CLIL-Unterricht Italienischer Deutschlehrertag April 2018 Università degli Studi Roma Tre

2 «Sprachnot» der Schüler im CLIL-Unterricht Wissenslücken in Wortschatz u. Grammatik Kognitives Alter Sprachkompetenzen der Zielsprache Je höher das Alter, desto textbasierter (u. abstrakter) der Unterricht auszuschöpfendes Potential: Kenntnis und Anwendung von Lern- und Arbeitstechniken, kompetenzorientierter und sprachsensibler Unterricht 2

3 5 verschiedene Abstraktions- oder Darstellungsebenen werden im Unterricht mobilisiert Damit Lernen stattfindet, muss ein Wechsel der Darstellungsebenen erfolgen, also z.b. eine Umformung von der Textebene zur bildlichen Ebene oder umgekehrt (J. Leisen) 3

4 Schreibsituationen 4

5 5 Abstraktions- bzw. (siehe Josef Leisen 2013: Teil A Seite 36) Leisen

6 3 Sprachebenen werden im Unterricht mobilisiert Fachsprache Bildsprache, mathematische, symbolische Sprache auf der Ebene von Lexik und Syntax Schul-, Unterrichts- und Bildungssprache «Funktionieren» der Klasse; Textsorten (abhängig von den Fächern): Tabelle, Protokoll eines Experiments, Nacherzählung, Erlernen und Versprachlichung von Konzepten wichtig für den Schulerfolg Alltagssprache - sprachl. Ersterwerb; lebensnotwendige Kommunikation 6

7 Fachsprache Deutsch: Syntaktische Besonderheiten Besonderheiten 1. Funktionsverbgefüge 2. Nominalisierungsgruppen 3. Satzglieder anstelle von Gliedsätzen 4. komplexe Attribute anstelle von Attributsätzen 5. unpersönliche Ausdrücke 6. bevorzugte Nebensatztypen 7. bevorzugte Verbkonstruktionen Beispiele 1. in Betrieb nehmen 2. die Instandsetzung der Maschine, 3. beim Abkühlen des Materials 4. das auf der Achse fest sitzende Stirnrad 5. lassen sich schwer nachweisen 6. Konditional-, Final-, Relativsätze Person Sing./Plural; Indikativ Präsens;, Imperativ; Vorgangs- und Zustandspassiv 7

8 Fachsprache Deutsch: Morphologische Besonderheiten substantivierte Infinitive (das Fräsen, das Abmessen), Substantive auf -er nomina agentis (Fahrer, Dreher), nomina instrumenti (Zeiger, Zähler, Schwimmer), Adjektive auf -bar, -los, -reich, -arm, -frei, -fest usw. (brennbar, nahtlos, vitaminreich, sauerstoffarm, rostfrei), Adjektive mit nicht (nicht leitend, nicht rostend), mehrgliedrige Komposita (Zylinderkopfmutter, Scheibenwaschanlage, Bauchatmung), Zusammensetzungen mit Ziffern, Buchstaben, Sonderzeichen (TTräger, 60-Watt-Lampe, U-Rohr), Mehrwortkomplexe (elektronische Datenverarbeitung), fachspezifische Abkürzungen (DGL für Differenzialgleichung) Bildungen mit und aus Eigennamen (galvanisieren, röntgen, Bunsenbrenner, Ottomotor) 8

9 Solche morpholog. und syntaktischen Eigenschaften der Fachsprache D müssen die CLIL- Schüler besonders erkennen (rezeptiv), und beim Umformen anwenden (zur Textproduktion) 2 Beispiele zu verschiedenen sprachlichen Fassungen in 3 Stufen 9

10 Bsp.1: Wortfeld Regen Stufe 1 Kind sagt: Stufe 3 Schüler sagt: Stufe 3 Erwachsener, Meteorologe sagt: jeder assoziiert beim Lernen andere themat. Wortfelder und ruft deren Informationen aus dem Gedächtnis ab 10

11 Es regnet, es regnet, Stufe 1 Kind: Regen, nass, Pfütze, Stufe 3 Schüler: Wetterbeobachtung, starker Regen, Regenfälle, Regentropfen, Stufe 3 Erwachsener, Meteorologe: Niederschlag, Schneeregen, Dauerregen, Starkregen, Regen mit Glatteisbildung. 11

12 Bsp. 2: Ein Schüler sagt (in Physik): In Stufe 1 (Beobachtung aus dem Alltag): «Wenn ich die Luft immer mehr zusammendrücke, geht das immer schwerer». In Stufe 2 (nach Erfahrung, evtl. angeleitet): «Je weniger Platz die Luft hat, desto größer ist ihr Druck». In Stufe 3 (Experiment): «Wenn das Volumen des Gases 5x kleiner wird, wird der Druck in ihm 5x größer. Oder: Druck mal Volumen ist immer konstant 12

13 Begriffsbildung in 3 Stufen sprachlicher Fassungen In Stufe 1 (Alltags-, dann Schulsprache): S nähert sich Phänomenen, Gegenständen, noch fragend, einkreisend, assoziierend In Stufe 2 (Bildungssprache): Bedeutungen werden durch neues Wissen zunehmend genauer formuliert, ausgeschärft In Stufe 3 (Fachsprache): S verwendet Fachsprache, Symbol- oder Formelsprache 13

14 Bsp. 3: Atmung (Biologie) Biologiebuch BRESLER et al., 2004: 117 Quelle: nach Stefanie Jazbec, Biologieunterricht in Deutschland und Frankreich, Abschlussarbeit

15 Beispieltext zur Brust- und Bauchatmung aus einem deutschen Biologiebuch 1. Welches ist das notwendige allgemeine Sprachwissen für diesen Kontext? (ohne dieses gelingt der Kommunikationsakt nicht) 1. Welches ist das fachlich unabdingbare Sprachwissen? (ohne dieses findet kein Lernzuwachs im Sachfach statt!) 1. Welche Wörter könnte man später gut in anderen Kontexten weiterverwenden? (diese werden prioritär im Unterricht behandelt und später wieder eingefordert) auch 15

16 Kombination von Text- und Bildsprache 16

17 Wechsel der Darstellungsformen als Prinzip für alle Unterrichtsfächer dient der Vertiefung und Übung ist ein Beitrag zum Methodenlernen fördert die Fachkompetenz fördert die Sprachkompetenz fördert die fachliche Kommunikationskompetenz (J. Leisen Kap. 2, Seite 18 «Fach und Sprache») und Artikel online) 17

18 Zwischenfazit : CLIL-Lehrkräfte sollten - wissen, auf welcher der drei Sprachebenen sie sich befinden und Wörter von den S verlangen. - nur nötige grammatikalische Informationen geben, - keine belehrende Fehlerkorrektur vornehmen - Grammatik immer mit Semantik verknüpfen - sich der «Standardsituationen im Unterricht» bewusst sein - über ein Methoden-Repertoire verfügen (Leisen), z.b. Blockdiagramm, mind map, Filmleiste, Wortgeländer, - ihren Schülern Lern- und Arbeitstechniken mitgeben können 18

19 Zwischenfazit : Daher sollten CLIL-Lehrkräfte - Artikel- und Pluralendungen angeben - Sprech- und Denkblasen einfügen - Wortgeländer (Leisen) nutzen - Begriffserläuterungen und Synonyme nutzen - den Wortschatz der S erweitern und festigen - selbst verschiedene Sprachniveaus benutzen. (nach Leisen 19

20 damit Lernen beim Schüler stattfindet, muss als LehrerIn kompetenzorientiert und sprachsensibel unterrichten -> die Aufgabenstellung macht s! 20

21 Leitlinien des sprachsensiblen Fachunterrichts (nach Leisen) Die Lerner werden in fachlich authentische, aber bewältigbare Sprachsituationen (Sprachbad) gebracht. Die Sprachanforderungen liegen knapp über dem individuellen Sprachvermögen (kalkulierte leichte sprachliche Überforderung). Die Lerner erhalten so viele Sprachhilfen, wie sie zum erfolgreichen Bewältigen der Sprachsituationen benötigen. Diese Sprachförderung wird bereits in der Aufgabenstellung angelegt. 21

22 Das Geheimnis eines kompetenzorientierten Unterrichts liegt in vier Punkten: 1. Die Aufgabenstellungen zielen auf Kompetenzen ab. 2. Die Lernmaterialien bringen die Lerner in den handelnden Umgang mit Wissen. 3. Die Moderation ist lernprozessorientiert. 4. Diagnose und Ru ckmeldung beziehen sich auf den momentanen Kompetenzstand. (Leisen 2010) 22

23 Lern- und Arbeitstechniken (Krechel 1999: ) Lerntechniken: sind bewusst eingesetzte Operationen, die das Lernen sprachlicher Mittel und sprachlicher Fähigkeiten fördern. Förderung von deklarativem Sprachwissen Arbeitstechniken: beziehen sich auf sprachliche Fertigkeiten, die der Lernende anwenden lernen soll, um sein Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben zu fördern. Förderung von prozeduralem Sprachwissen 23

24 Für Lehrer zum Selbststudium ht.de Josef Leisen (2013) Teil 1 Grundlagenteil Teil 2 Praxisteil 24

25 Für Lehrer zum Selbststudium Schlemminger/ Le Pape Racine/ Geiger-Jaillet (2015) 25

26 Einige Beispiele gelungener Umsetzung von handlungs-/kompentenzorientiertem UND sprachsensiblem Unterricht 26

27 Experimentieren auf Deutsch Goethe Institut Slowakei Experimente aus dem Sachunterricht, ab Grundschule in DaZ 10 Module: Wasser, Sonne, Erde, Tiere, Zeit, Gewicht, Magnetismus, Auto, Öl und Fett, Arbeitsblatt Wortschatz Lunge ExperimentFingerabdruck nehmen 27

28 Lingo macht MINT Goethe Institut/ Eduversum/ Ausw. Amt für den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache oder DaZ, auch für MINT- Fächer Klassen 3-6 (Alter 8-12 J.) Heft + Lehreranweisung Bsp. 1 aus Lingo macht MINT Heft 1 Wasser zum Leben Bsp. 2 Smartphone im Wasser - was tun? Jugendl Jahre: Website und App 28

29 Bibliographie Helbig, Beate (1998) Lern- und Arbeitstechniken im bilingualen Sachfach-unterricht aufgezeigt am Beispiel von Texterschließungstechniken, in: Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 4, 1998, Krechel, Hans-Ludwig (1999) Der Einsatz von Lern- und Arbeitstechniken im bilingualen Unterricht - ein Beispiel für fächerübergreifendes methodisches Arbeiten. In HLKrechel, D.Marx, & FJ.Meißner (Hrsg.) Kognition und neue Praxis im Französischunterricht, Tübingen: Gunter Narr. Leisen, Josef : persönliche Homepage Leisen, Josef (2013): Handbuch Sprachförderung im Fach - Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Stuttgart: Klett-Sprachen. Schlemminger, Gérald/ Le Pape Racine, Christine/ Geiger-Jaillet, A. (2015) (Hrsg.): Sachfachunterricht in der Fremdsprache Deutsch oder Französisch. Methodenhandbuch zur Lehreraus- und Fortbildung. Hohengehren : Schneider Verlag. (Sprachenlernen Konkret! Bd.17). Lingonetz Experimentieren mit Deutsch 29