Handout. 10. Mai 2012 in Wien



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Transkript:

Handout Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - Rechtsgespräch" veranstaltet von der Sektion Konsumentenpolitik des BMASK mit der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte (Berlin) 10. Mai 2012 in Wien Programm I. Ersatzgesetzgeber Bundesgerichtshof - Wie ein Gericht im Streit den Anlegerschutz in Deutschland vorangebracht hat. Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Dr. Timo Gansel II. Die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH seit dem Jahre 2000 Fachanwältin für Versicherungsrecht Jana Meister III. Naturalrestitution bei fehlerhafter Anlageberatung Rechtsanwalt Alexander Malchow Moderation: Dr. Sebastian Schumacher Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 1

Seit Ausbruch der Finanzmarktkrise 2007 sehen sich Gerichte in Österreich mit dem Phänomen tausender Klagen von Kleinanlegern konfrontiert, die ihre Ersparnisse in vermeintlich sichere Immobilienaktien investierten. Der Hauptvorwurf läuft meist auf die mangelnde Aufklärung über das hohe Verlustrisiko der Wertpapiergeschäfte hinaus. Nicht nur die enorme Zahl anhängiger Verfahren stellt alle Beteiligten vor Herausforderungen: Zu vielen komplexen Rechtsfragen entwickelt sich erst langsam gesicherte Rechtsprechung. Diese Situation weist Parallelen zu Deutschland auf: Dort wurden seit Anfang der 1990er Jahre flächendeckend Beteiligungen an Immobilienfonds vertrieben, die statt der beworbenen sicheren Veranlagung hohe Verluste für Kleinanleger brachten. Auch in Deutschland standen Gerichte vor dem Problem des massenhaften Auftretens von Anlegerschäden, der Klärung komplexer Rechtsfragen und einer oft schwierigen Beweissituation. Die intensive Beschäftigung mit Anlegerklagen hat zu einer ausdifferenzierten Judikatur geführt, die zu vielen Fragestellungen, mit denen sich nunmehr auch österreichische Gerichte konfrontiert sehen, Antworten gefunden hat. Am 10. Mai 2012 lud die Sektion Konsumentenpolitik des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz daher RechtsanwältInnen der Berliner Anlegerschutzkanzlei Gansel zum Rechtsgespräch Anlegerschutz durch deutsche Gerichte ein. Die ReferentInnen berichteten vor einem Auditorium von 80 VertreterInnen der Richterschaft und Rechtswissenschaft, der Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen, der Konsumentenschutzverbände und österreichischen Anwaltskanzleien über Brennpunkte des deutschen Anlegerrechts. Im ersten Referat zeichnete RA Dr. Timo Gansel die Rechtsprechung des BGH zu geschlossenen Immobilienfonds seit Anfang der 2000er Jahre nach. Die Entwicklung des Anlegerrechts wurde dabei maßgeblich durch die Auseinandersetzung zwischen zwei Senaten vorangetrieben. RAin Jana Meister widmete sich im zweiten Referat dem Thema Kick-Back-Zahlungen. In Deutschland hat sich der BGH seit dem Jahr 2000 mit der Frage auseinandergesetzt, welche Rechtsfolgen an versteckte Rückvergütungen an Banken und Anlageberater geknüpft werden. Das dritte Referat von RA Alexander Malchow behandelte das Institut der Naturalrestitution als Form des Schadenersatzes bei fehlerhafter Anlageberatung. Vor dem Hintergrund der aktuellen österreichischen Diskussion zu diesem Thema war es für das Publikum besonders interessant, welche Antworten in Deutschland auf Fragen, die in Österreich strittig sind, gefunden wurden. Aufgrund der zahlreichen positiven Reaktionen zur Veranstaltung soll der binationale Austausch zum Anlegerrecht fortgesetzt werden. So ist eine Teilnahme österreichischer Anwälte am 9. Tag des Deutschen Bank- und Kapitalmarktrechts in Berlin (22. und 23. November 2012) geplant. Dr. Sebastian Schumacher Wien, 24. Mai 2012 Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 2

I. Ersatzgesetzgeber Bundesgerichtshof Wie ein Gericht im Streit den Anlegerschutz in Deutschland vorangebracht hat. Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Dr. Timo Gansel Hintergrund der Rechtsprechung Die Politik fordert in den neunziger Jahren die Bevölkerung verstärkt zur selbständigen Altersvorsorge auf. Zur Stimulierung werden viele Kapitalanlagen steuerbegünstigt. In der Folge boomt der sog. graue Kapitalmarkt"; Strukturvertriebe, Drückerkolonnen und Laienvermittler vertreiben im großen Stil und mit hohem Gewinn Finanzprodukte. Dabei handelt es sich um atypisch stille Beteiligungen (Blindpools), Steuersparimmobilien (vermietete Eigentumswohnungen) und (fremdfinanzierte) geschlossene Fonds (insbesondere Immobilien, Medien, Schiffe etc.). Der Vertrieb erfolgt vorzugsweise in Gestalt sog. Haustürgeschäfte im Wohnzimmer, am Arbeitsplatz und im Freizeitbereich an Kleinanleger. Die Banken und Sparkassen beteiligen sich an diesen Geschäften, indem sie die Kapitalanlagen finanzieren und Anteilsfinanzierungen ohne Eigenkapital ermöglichen. Ende der neunziger Jahre werden erste Massenschäden sichtbar. Viele Anleger sind finanziell überfordert, Investments scheitern. Im Ergebnis haben die Anleger Schulden statt einer Altersvorsorge. Es kommt zu Privatinsolvenzen und Selbstmorden. Geschädigte sind Angehörige aller Gesellschaftsschichten. Im Ergebnis rollt eine Klagewelle auf unvorbereitete deutsche Gerichte zu. Es existiert kein (geschriebenes) Anlegerschutzrecht im Bereich des grauen Marktes, die Gerichte wenden allgemeines Zivilrecht an. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich und in der Tendenz anlegerunfreundlich. Viele Richter sehen in Unkenntnis der Rechtswirklichkeit Anlegerschäden als selbstverschuldet an. Die BGH-Rechtsprechung bis 2004 Für die Fälle des grauen Kapitalmarktes sind in letzter Instanz der II. Zivilsenat (Gesellschaftsrecht) und der XI. Zivilsenat (Bankrecht) zuständig. Beide Senate lassen - mit unterschiedlichen Ansätzen - die Anlegerklagen scheitern. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 3

Der II. Zivilsenat vertritt bei der Entscheidung der Fälle die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft: Der getäuschte Anleger hat lediglich das Recht, seine Beteiligung außerordentlich zu kündigen. An Stelle des ihm nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Einlage tritt ein Anspruch auf das ihm zustehende Abfindungsguthaben. Der XI. Zivilsenat vertritt bei der Entscheidung der Fälle die Trennungstheorie: Haftung der Bank nur, wenn diese die Rolle des neutralen Kreditgebers verlässt oder über einen konkreten Erkenntnisvorsprung verfügt. Der XI. Senat übergibt im Jahre 2003 aus Kapazitätsgründen dem II. Senat 50 Fälle kreditfinanzierter Fondsbeteiligungen. 14. Juni 2004: Der Beginn der Anlegerschutzrechtsprechung und eines BGH-Streits Der II. Senat entscheidet überraschend im Sinne der Anleger nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch bankrechtliche Aspekte. Bei folgenden Fallkonstellationen wird ein Ausstieg aus der gescheiterten Kapitalanlage für möglich erklärt: Täuschung oder Haustürsituation oder Beteiligung eines nicht zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten zugelassenen Treuhänders oder unzureichende Belehrung über die Kreditkonditionen Die Rechtsfolgen: keine Zahlungspflichten des Anlegers gegenüber der Bank Anspruch des Anlegers gegen die Bank auf Rückzahlung seiner Einlagen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fondsanteils Der II. Senat nimmt die Banken mit in die Haftung. Fonds: Einwendungsdurchgriff auch bei Täuschung durch Vermittler und Initiatoren über die Anlage. Darlehen: Haustürwiderruf auch bei Realkrediten, wenn Anleger Grundpfandrecht nicht selbst bestellt hat. Die Nichtigkeit des Darlehensvertrages wird wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz/kein Gutglaubensschutz der Banken oder fehlender Gesamtbetragsangabe/keine Heilung durch Auszahlung erklärt. Es kommt zu einer Divergenz zwischen den Senaten. In diesem Fall müsste der Große Zivilsenat des BGH entscheiden, doch der Streit wird informell unter Leitung des BGH-Präsidenten im Jahre 2006 beigelegt. Im Ergebnis wird auch die Rechtsprechung des XI. Senats moderater, anlegerfreundlicher. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 4

Gesetzgeber beginnt grauen Kapitalmarkt zu regulieren Das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerecht vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481) tritt am 1.6.2012 in wesentlichen Teilen in Kraft. Es führt zu Änderungen an 23 Gesetzen und Verordnungen, hebt das bisherige Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz auf und ersetzt es durch das Gesetz über Vermögensanlagen. Ziel des Gesetzes: Verbesserung des Anlegerschutzes auf dem grauen Kapitalmarkt durch schärfere Produktregulierung erhöhte Vertriebsanforderungen erleichterte Produkthaftung Wesentlicher Inhalt des Gesetzes: Pflichten für Banken im regulierten Bereich des Kapitalmarktes werden auf Anbieter des grauen Marktes ausgedehnt. Das heißt anlegergerechte Beratung, Offenlegung der Provisionen und Protokollierung der Beratungsgespräche. Berater müssen künftig einen Sachkundenachweis und eine Berufshaftpflichtversicherung vorweisen. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 5

II. Die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH seit dem Jahre 2000 Fachanwältin für Versicherungsrecht Jana Meister Die Präsentation zur Kick-Back-Judikatur" illustriert die Pflicht der Banken über bestimmte Provisionsmodelle aufzuklären. KundInnen müssen wissen, ob die Vermittlerin oder der Vermittler für den Abschluss eines bestimmten Vertrags mit ihnen von einem Dritten einen Bonus bekommt. Diese Verpflichtung gilt gerade dann, wenn Vermittlerin die Bank ist. In Deutschland sind schätzungsweise 95% der Anlagen Kick-Back-belastet", aber maximal 5% der AnlegerInnen wissen, wie viel Provision tatsächlich geflossen ist. Zu diesem Thema hat sich eine differenzierte Rechtsprechung entwickelt, die in vielen Fällen zu einer kompletten Rückabwicklung der Verträge führt. Entwicklung der BGH-Rechtsprechung seit 2000 Kick-Back I: BGH, Urt. v. 19.12.2000, Az.: XI ZR 349/99 Amtlicher Leitsatz: a) Hat eine Bank mit dem Vermögensverwalter eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Provisionen und Depotgebühren geschlossen, so ist sie verpflichtet, dies gegenüber dem Kunden offenzulegen. b) Diese Offenlegungspflicht bezweckt eine umfassende Wahrung der Kundeninteressen; wird sie verletzt, so können Schadensersatzansprüche des Kunden nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht eingeschränkt werden. Kick-Back II: BGH, Urt. v. 19.12.2006, Az.: XI ZR 56/05 Amtlicher Leitsatz: Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile empfiehlt, bei denen sie verdeckte Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren erhält, muss sie den Kunden über diese Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde beurteilen kann, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten. Kick-Back III: BGH, Beschl. v. 20.01.2009, Az.: XI ZR 510/07 Amtlicher Leitsatz: Zur Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über erhaltene Rückvergütungen bei dem Vertrieb von Medienfonds (Fortführung von BGHZ 170, 226, 234 f. Tz. 22 f.). Bei der Offenlegung von Rückvergütungen geht es um die Frage, ob eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen wird. Deshalb ist es geboten, den Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären und zwar unabhängig von der Rückvergütungshöhe. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Berater Aktienfonds oder Medienfonds vertreibt. Der aufklärungspflichtige Interessenkonflikt ist in beiden Fällen gleich. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 6

Kick-Back V: BGH, Urt. v. 27.10.2009, Az.: XI ZR 338/08 Inhalt: Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn - anders als hier - Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen. Kick-Back VII: BGH, Beschl v. 09.03.2011, Az.: XI ZR 191/10 Redaktioneller Leitsatz: Aufklärungspflichtige Rückvergütungen an eine anlageberatende Bank sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, so dass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, so dass der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann. Was ist ein Kick-Back? Interessenkonflikt des Beraters Interesse des Anlegers an anlegergerechter Beratung versus Interesse des Beraters an Provision plus (verdeckte) Rückvergütung Maßgebend für die Aufklärungspflicht über Rückvergütung ist, dass der Anleger ohne diese Aufklärung nicht das besondere Interesse der beratenden Bank erkennen kann, gerade diese Anlage zu empfehlen. BGH, Urt. v. 09.03.2011, Az.: XI ZR 191/10 Kick-Back VII In der Rechtsprechung noch offen: Laut jüngerer Entscheidungen müssen offen ausgewiesene Provisionen vorliegen, Kick-Back VII. Wir meinen: Das muss bei versteckten Provisionen erst recht gelten. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 7

BGH-Urteil zur Vermögensverwaltung Kick-Back I Grafik einer Kick-Back-Beziehung Über diese von ihr geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen hat die Bank den Kunden, den ihr der Vermögensverwalter zuführt, noch vor Vertragsabschluss aufzuklären. Tut sie dies nicht, kann der Kunde von ihr unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen Ersatz derjenigen Schäden verlangen, die er infolge der unterbliebenen Aufklärung erleidet. Urt. v. 19.12.2000, Az.: XI ZR 349/99, Kick-Back I BGH-Urteil zur Fondsvermittlung Kick-Back II + III... muss eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, aber darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält. Dabei spielt es... keine Rolle, ob die Rückvergütungen einem bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in gewissen Zeitabständen gezahlt werden. Wesentlich ist nur, dass die Rückvergütungen umsatzabhängig sind. Urt. v. 19.12.2006, Az.: XI ZR 56/05, Kick-Back II Was sind Rückvergütungen? Abstrakt: (Verdeckte) Provisionen, die ein Vertragspartner des Anlegers einem weiteren Vertragspartner des Anlegers als Belohnung dafür bezahlt, dass dieser ihm einen Kunden zuführt. Konkret: Vertriebe von Finanzprodukten (Banken, Makler, Berater, Vermittler, Strukturvertriebe) erhalten von Produktanbietern - wie Fondsgesellschaften - Abschlussprovisionen für die verkauften Finanzprodukte. Zudem werden häufig auch Bestandsprovisionen für die jeweils bestehenden Anlagesummen gezahlt. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 8

Exkurs: Weichkosten- Exzess Im Unterschied zu Kick-Back-Zahlungen (Interessenkonflikt) entscheidet bei anderen Vergütungen deren Höhe über die Aufklärungspflicht. Hier hat der BGH den Grenzwert 15% festgelegt (obiter dicta). Ab dieser Höhe muss der Berater/Vermittler ungefragt über Innenprovisionen aufklären. BGH, Urt. v. 12.02.2004, Az.: III ZR 355/02 und Urt. v. 12.02.2004, Az.: III ZR 359/02: Zu den für die Anlageentscheidung des Anlegers "bedeutsamen" Umständen gehört es aber - im Hinblick auf die erörterte Verknüpfung mit der Werthaltigkeit des Objekts - auch, wenn in dem Gesamtaufwand für eine Immobilienanlage, die im Prospekt als rentables Renditeobjekt dargestellt wird, erheblich überdurchschnittliche Innenprovisionen stecken. Nach einzelnen Hinweisen im Schrifttum sollen indiesem Bereich Innenprovisionen um 15% als üblich gelten (Kiethe, aao, S. 110; vgl. auch Schirp/Mosgo, aao, S. 359). Selbst wenn dies zutreffen sollte, braucht jedoch der Verbraucher nicht ohne weiteres mit (internen) Vertriebskosten, die der Kapitalanlage nicht zugute kommen, in dieser Größenordnung zu rechnen. Der Senat ist der Auffassung, dass der Anleger über einen "Abfluss" dieser Art, jedenfalls dann, wenn er 15% überschreitet, generell unterrichtet werden muss. Noch offen in der Rechtsprechung: Darf Agio eingerechnet werden? Zählt nur das Eigenkapital? Gesetzliche Regelungen führen zu neuer Rechtsprechung Die Kick-Back-Rechtsprechung ist bislang nur zu Fällen vor dem Jahr 2004 ergangen. Gesetzgeber hat mittlerweile bspw. geregelt: 01.01.2004: 41 InvG 30.04.2004: MiFID 01.07.2005: 8 VerkProspG i.v.m. 4 S. 1 Nr. 12 VermVerkProspV 01.11.2007: Neuregelung 31 ff WpHG, insb. 31 d WpHG 01.07.2008: 2 VVG-InfoV 01.06.2012: Gesetz über Vermögensanlagen Weitere Entscheidungen zu Kick-Backs: Die Quelle des Kick-Backs ist unerheblich, Kick-Back V. Die Art der Kapitalanlage ist unerheblich, Kick-Back III. Die konkrete Höhe des Kick-Backs muss angegeben werden, Kick-Back VII. Ausgenommen von der Aufklärungspflicht: freie Berater Warum ist die Kick-Back-Rechtsprechung für einen Anlegeranwalt interessant? schnelle Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs durch komplette Rückabwicklung weitergehende Recherchen zu z.b. fehlerhafter Beratung, Fehlern im Anlagekonstrukt usw. sind dann nicht mehr erforderlich Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 9

III. Naturalrestitution bei fehlerhafter Anlageberatung Rechtsanwalt Alexander Malchow Das letzte Referat beschäftigt sich mit der Berechnung der Höhe des Schadensersatzes, der in Deutschland den Geschädigten so stellt, als hätte er das seinen Interessen zuwider laufende Investment nie erworben. Es wird aufgezeigt, dass der BGH den Schaden eines Anlegers bereits in dem Erwerb einer nicht seinen Interessen entsprechenden Kapitalanlage sieht. Rechtsfolge: Naturalrestitution, 249 Abs. 1 BGB Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Situation des Mandanten fehlerhafte Beratung falsche Prospekte Anlageverluste Schaden Die möglichen Anspruchsgegner Am Beginn der Anspruchsdurchsetzung steht die Ermittlung möglicher Anspruchsgegner. Bei einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds können das sein (handschriftlich): Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 10

Klartext Anlageberater/Anlagevermittler Haftung aus Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflicht, c.i.c. Abgrenzung Vermittler in Person Vermittlungsgesellschaft Haftung des Vertretenen, 278 BGB Bank Überschreitung der Kreditgeberrolle besondere Gefährdung konkreter Wissensvorsprung Kick-Back Treuhänder aus dem Treueverhältnis Gründungsgesellschafter Anbahnung des gesellschaftlichen Vertrages Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 11

Typische Pflichtverletzungen: Falschberatung unbegründete Garantien unzureichende Aufklärung Kausalität doppelte Kausalität: haftungsbegründende Kausalität und haftungsausfüllende Kausalität haftungsbegründende Kausalität (conditio sine qua non) Die Pflichtverletzung muss zu Anlegerhandeln geführt haben. Anleger ließ sich durch Pflichtverletzung zum Abschluss verleiten bzw. hätte bei pflichtgemäßer Aufklärung Anlage nicht abgeschlossen (BGH, Urt. v. 22.03.1997, Az.: VII ZR 259/77). Widerlegliche Vermutung / Beweislastumkehr: Der Anspruchsgegner muss beweisen, dass Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre (BGH, Urt. v. 05.05.1992, Az.: XI ZR 242/91). haftungsausfüllende Kausalität: Das Handeln des Anlegers muss zu einem Schaden geführt haben. Fraglich ist, ob der Schaden in den Schutzbereich der verletzten Aufklärungspflicht fällt: Bundesgerichtshof: Der Schaden liegt bereits im Erwerb einer den Interessen und Zielen nicht entsprechenden Kapitalanlage, denn gerade davor soll die pflichtgemäße Beratung und Aufklärung schützen. BGH, Urt. v. 08.03.2005, Az.: XI ZR 170/04 Vorteil für geschädigten Anleger: Erhebliche Vereinfachung der Darlegungs- und Beweislast, da haftungsausfüllende Kausalität regelmäßig gegeben ist. Gefahr für den geschädigten Anleger: Verjährungsbeginn auf Zeitpunkt der Anlageentscheidung vorverlagert, ohne dass der Anleger einen konkreten Schaden bemerkt. Siehe hierzu: Wolfgang Mertins und Dr. Timo Gansel, Verjährungsfristen benachteiligen geschädigte Anleger, ZRP 2011, 193 ff. Rechtsfolge: Naturalrestitution, 249 Abs. 1 BGB Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Anleger ist also so zu stellen, als hätte er die Anlage nicht abgeschlossen. Ersatz aller Aufwendungen, 249 Abs. 1 BGB Freistellung von eingegangenen Verbindlichkeiten, 257 BGB Ausgleich des entgangenen Gewinns, 252 BGB mit Vorteil, 287 ZPO Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 12

Freistellungsanspruch, 257 BGB Der Geschädigte kann Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen. Umwandlung in Zahlungsanspruch, 250 BGB Fristsetzung Ablehnungsandrohung oder endgültige Verweigerung Daher: Allgemeiner Feststellungsanspruch nur für unbekannte aber mögliche Schäden in der Zukunft. Entgangener Gewinn, 252 BGB hypothetische Alternativanlage Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Vorteil für den Anleger: 252 BGB führt zur Beweiserleichterung gemäß 287 ZPO = Schadensschätzung durch das Gericht. 252 BGB, Alternativzins 1. Bundesgerichtshof, Urt. v. 14.07. 2003, Az.: II ZR 202/02: Vermutung, dass pflichtwidrig zugeflossenes Geld zinsbringend angelegt worden wäre Leitsatz: Den Gründungskommanditisten als Vertragspartnern von neu beitretenden Anlegern obliegt auch die Verpflichtung zur vollständigen Aufklärung über Risiken der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit der konkreten Kapitalanlage. 2. OLG Jena, Urt. v. 11.03.2008, Az.: 5 U 551/07: Kläger kommt Beweiserleichterung ( 252 BGB, 287 ZPO) zugute, wenn gesetzlicher Zins in Höhe von 4% gefordert wird. Orientierungssatz: Rückforderungsansprüche des Insolvenzverwalters bzgl. ausgezahlter Scheingewinne des Anlegers ("Phoenix") Amtlicher Leitsatz: 1. Dem Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus 134, 143 InsO auf Rückzahlung ausgeschütteter Scheingewinne können durch den Anleger die ihm gegen die Insolvenzschuldnerin vor deren Insolvenz als aufrechenbare Forderungen zustehenden Schadensersatzansprüche entgegen gehalten werden. Hiervon erfasst wird der Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage, wie auch des Agios und des entgangenen Zinsgewinnes. 2. Für die Höhe ihm entgangener Zinsen kommt dem Anleger die Beweiserleichterung des 252 Satz 2 BGB zugute, soweit er sich auf die Geltendmachung des gesetzlichen Zinssatzes nach 246 BGB von 4% beschränkt, sofern es sich um Geldbeträge handelt, die aufgrund ihrer Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern anderweitig angelegt worden wären. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 13

3. OLG Celle, Urt. v. 01.07.2009, Az.: 3 U 257/08: Orientierung an der Wertstatistik der Deutschen Bundesbank für festverzinsliche Wertpapiere Amtlicher Leitsatz: 1. Ein Wertpapierhandelsunternehmen ist verpflichtet, Kunden über Rückvergütungen (Kick- Back-Zahlungen), die dem Unternehmen durch den Verkauf einer Fondsbeteiligung zufließen, aufzuklären. Dies gilt auch beim Vertrieb konzerneigener Anlageprodukte. 2. Hat ein Anleger, etwa durch eine Fondsbeteiligung, besondere, außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt, so sind diese auf den erlittenen Schaden vorerst anzurechnen. Der (möglichen) Versteuerung der Schadensersatzleistung kann durch die Feststellung Rechnung getragen werden, dass die Schadensersatzpflicht den Ausgleich etwaiger auf der Ersatzleistung beruhender, künftiger steuerlicher Nachteile umfasst. Anrechnung von Vermögensvorteilen Ausschüttungen grundsätzlich keine Anrechnung von Steuervorteilen, es sei denn, sie fallen unverhältnismäßig hoch aus (BGH, Urt. v. 15.07.2010, Az.: III ZR 336/08) Verjährung 195, 199 BGB: regelmäßige Verjährungsfrist Dauer: 3 Jahre Beginn: Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Schuldners von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Höchstfrist: 10 Jahre Problem für den Anleger 10 Jahre Höchstfrist: Vorverlagerung des Zeitpunkts des Schadenseintritts. Aber bei Anlagen mit langer Laufzeit zeigt sich ein Schaden regelmäßig erst nach mehreren Jahren Laufzeit. grob fahrlässige Unkenntnis typischer Fall: Anleger erhält Prospekt oder Informationsmaterial erst nach der Beratung. Bundesgerichtshof: Grob fahrlässige Unkenntnis erfordert Verschulden gegen sich selbst und zwar in einem Maße, dass der Anleger selbst naheliegendste Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Nach Beratung keine Lesepflicht! (BGH, Urt. v. 08.07.2010, Az.: III ZR 249/09) Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 14

Rechtsdurchsetzung Klageantrag (gegen finanzierende Bank) 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger [Hauptforderung] nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung des Klägers an der XY GmbH & Co. KG, Beteiligungsnummer [12345]. 2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten am [00.00.0000] abgeschlossenen Darlehensvertrag mit der Kontonummer [000000] keine Rechte gegen den Kläger zustehen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, die an sie abgetretene Forderung aus dem Vertrag mit der XY Lebensversicherung AG über die Versicherungssumme von [Versicherungssumme] an den Kläger zurück abzutreten. 4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche noch entstehenden Schäden im Zusammenhang mit dem durch Darlehensvertrag gemäß Klageantrag zu 2), kreditfinanzierten Beitritt des Klägers zur XY GmbH & Co. KG, Beteiligungsnummer [12345] zu ersetzen. Klageantrag (gegen Berater/Vermittler/Treuhänder/Gründungsgesellschafter) 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger [Hauptforderung] nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gemäß 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung des Klägers an der XY GmbH & Co. KG, Beteiligungsnummer [12345]. 2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von allen Forderungen der XY-Bank aus dem Darlehensvertrag des Klägers mit der ZV-Bank, Darlehens-Nr. [000000] vom [00.00.0000] freizustellen. 3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche noch entstehenden Schäden im Zusammenhang mit dem durch Darlehensvertrag gemäß Klageantrag zu 2) kreditfinanzierten Beitritt des Klägers zur XY GmbH & Co. KG, Beteiligungsnummer [12345] zu ersetzen. Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 15

Deutschland: Gansel Rechtsanwälte Friedrichstraße 149 10117 Berlin Web www.gansel-rechtsanwaelte.de E-Mail info@gansel-rechtsanwaelte.de Fon + 49 30 226674-0 Fax + 49 30 226674-99 Dr. Timo Gansel Jana Meister Alexander Malchow Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Fachanwältin für Versicherungsrecht Rechtsanwalt Österreich: Dr. Sebastian Schumacher Brucknerstraße 4-1040 Wien Web www.kanzlei-schumacher.at E-Mail office@kanzlei-schumacher.at Fon 01-997 10 44 Fax 01-997 10 44-30 Anlegerschutz durch deutsche Gerichte - Bestandsaufnahme und Kritik" - BMASK - 10. Mai 2012 in Wien 16