Haushaltspolitik WALTER DEFFAA / ELISABETH WERNER

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Transkript:

Haushaltspolitik WALTER DEFFAA / ELISABETH WERNER In der europäischen Haushaltspolitik wurden im Berichtszeitraum der Jahre 2002 und 2003 erhebliche strukturelle Reformen eingeleitet. Einerseits wurde die Finanzverwaltung grundlegend modernisiert und mit der Verabschiedung der neuen Haushaltsordnung wurde ein Meilenstein erreicht. Andererseits wurden beim europäischen Gipfel in Kopenhagen die Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten abgeschlossen und Übereinkunft über die finanziellen Bedingungen bis 2006 erreicht. Die administrativen Vorbereitungen der Erweiterung schlagen sich auch bereits im Haushaltsverfahren 2003 zu Buche. Im Laufe dieser Verhandlungen gelang eine weitere Flexibilisierung des starren Korsetts der Finanzvorausschau vor allem durch die Schaffung des neuen Solidaritätsfonds für Katastrophen innerhalb und außerhalb der EU. Reform des EU-Haushaltswesens Am 25. Juni 2002 wurde, nur zweieinhalb Jahren nach der Kommissionsvorlage, dank der guten Zusammenarbeit zwischen Rechnungshof, Rat, Parlament und Kommission die Neufassung der Haushaltsordnung von 1977 beschlossen. Es war eines der wichtigsten und umfangreichsten Gesetzes vorhaben, das die Prodi- Kommission auf den Weg gebracht hatte. In einem einzigen Rechtsakt sind nun alle Grundsätze und wichtige Regeln für die Aufstellung des Haushaltsplans, den Haushaltsvollzug und die Kontrolle zusammengefasst. Damit ist ein ergebnis- und leistungsorientiertes Finanzmanagement eingeführt worden, das Verantwortungen klar zuordnet und die Finanzmanager der Gemeinschaft stärker in den gesamten Haushaltsprozess einbindet. Die neue Haushaltsordnung beinhaltet Vereinfachung und bessere Lesbarkeit, klare Haushaltsgrundsätze (Einheit, Gesamtdeckung, Spezialität, Jährlichkeit, Rechnungseinheit, Haushaltswahrheit, Ausgleich, Wirtschaftlichkeit und Transparenz). Der Haushaltsplan wird künftig nach dem so genannten,activity based budgeting' gegliedert sein. Das heißt: Die Gliederung erfolgt nach Politikbereichen. Diese sind ihrerseits unterteilt in Tätigkeitsfelder. Damit erhöht sich der politische Aussagewert des Haushaltsplans. Die Informationen an die Haushaltsbehörde werden wesentlich verstärkt, sowohl für die Haushaltsaufstellung, als auch über den Haushalts Vollzug und in der Buchführung. Im Gegenzug werden die Institutionen vergleichsweise mehr Flexibilität in der Ausführung haben. Die Haushaltsordnung legt Bestimmungen der Mittelbewirtschaftung, Kontroll- und Prüfsysteme für ein ergebnis- und leistungsorientiertes Finanz- Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003 173

DIE POLITIKBEREICHE DER EUROPÄISCHEN UNION management fest. Für die einzelnen Tätigkeitsbereiche müssen bei der Haushaltsaufstellung Leistungsindikatoren aufgestellt werden. Für die einzelnen Finanzakteure, An weisungsbefugte und Rechnungsführer, werden ebenso wie für den internen Prüfer die Aufgaben und die Verantwortlichkeiten klar festgelegt. Die Anweisungsbefugten haben jährlich einen Bericht über Fragen des Finanzmanagements vorzulegen. Erstmals enthält die Haushaltsordnung Vorschriften über Ausschreibungen. Insgesamt gibt es in der Neufassung weniger Ausnahmen von den Regeln, die Transparenz und Verhinderung von Betrug bei Ausschreibungen fördern sollen. Die neue Haushaltsordnung beinhaltet auch die Grundsätze der Buchführung, die zukünftig nicht nur eine Kassenbuchführung, sondern auch eine integrierte Vermögensbuchführung nach dem Prinzip der Periodenrechnung umfassen muss. Die ersten Studien zur Modernisierung des Rechnungswesens datieren von 2000, als die Kommission die Stärken und Schwächen ihrer Rechnungsführung von unabhängiger Seite analysieren ließ. Weitere Maßnahmen zur Änderung des Rechnungsführungsrahmens und zur Aktualisierung der zugrunde liegenden EDV- Systeme wurden im Laufe des Jahres 2002 gemacht, die Umsetzung muss laut Haushaltsordnung bis spätestens 2005 erfolgen. 2002 war international das Jahr der Buchhaltungsskandale, und auch in Brüssel hat es um die Rechnungsführerin der Kommission einige Aufregung gegeben. Die so gewonnene Aufmerksamkeit wird zur zügigen Umsetzung der Reform beitragen. Auch wenn der Rechnungshof in den letzten Jahren die Zuverlässigkeit der Kassenbuchführung bestätigt hat, hat er doch Vorbehalte bezüglich der Vermögensbuchführung der europäischen Organe geäußert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Themenkomplex Kontenführung auch im Zentrum des Interesses des Europäischen Parlaments im Entlastungsverfahren 2001 lag. Finanzierung der Erweiterung Im Dezember 2002 in Kopenhagen verhandelten die Staats- und Regierungschefs der EU 15 und der Erweiterungskandidaten auch über die finanziellen Bedingungen der Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden dabei die zusätzlichen Ausgabenhöchstgrenzen für alle betroffenen Rubriken der Finanzvorausschau verhandelt. Das Ergebnis von Kopenhagen enthält somit bereits die Höchstbeträge für Landwirtschaft, die Strukturfonds, die internen Politiken und die Ausgleichszahlungen. Die Kommission hat am 11. Februar 2003 ihren Vorschlag zur erweiterungsbedingten Anpassung des Finanzrahmens 2004-2006 vorgelegt. Dieser Vorschlag entspricht den Kopenhagener Beschlüssen, die ja ihrerseits zum großen Teil auf den Berechnungen der Kommission beruhen, und respektiert damit gleichzeitig die 1999 in Berlin gesetzten Obergrenzen der Finanzvorausschau, die für nur sechs Beitrittskandidaten vorgesehen waren. Tatsächlich werden die 1999 in Berlin gesetzten Obergrenzen für Zahlungen von diesem Vorschlag nicht verändert, während diejenigen für Verpflichtungen im Vergleich zu 1999 sogar geringfügig gesenkt werden. Für die Erweiterung stehen dennoch in 174 Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003

Ha usha Itspolitik 1999er-Preisen insgesamt ca. 40.8 Mrd. Euro für die Periode 2004-2006 zur Verfügung. Ab dem Jahr 2004 wird der Haushalt der EU für 25 Mitgliedstaaten keinen Unterschied mehr zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten machen. Für Landwirtschaft und Strukturfonds wird eine graduelle Steigerung vorgesehen. Für interne Politiken sollen die Programme sofort vollständig auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Die Rubrik soll auch neue, besondere Fazilitäten für verbesserte Kontrollen an den Außengrenzen ( Schengen-Fazilität"), für nukleare Sicherheit und für Verwaltungs- und Institutionsaufbau enthalten. Die bisherige Obergrenze für Vorbeitrittshilfen soll unverändert bleiben. Die Kommission schlug vor, die Mittel für Bulgarien und Rumänien zwischen 2004 und 2006 graduell um bis zu 40% jährlich aufzustocken. Von 2004 an soll das Unterstützungsprogramm für die Türkei ebenfalls aus dieser Rubrik finanziert werden. Die Mittel für die Türkei sollen sich bis 2006 zumindest verdoppeln. Für den Fall einer politischen Lösung der Zypernfrage hat die Kommission eine weitere Aufstockung der Obergrenzen (von insgesamt 67 Mio. Euro 2004 bis zu 138 Mio. Euro 2006) in einem eigenen Szenario entwickelt. Der Vorschlag beinhaltet die Neuschaffung einer Rubrik für die Ausgleichsbeträge, die in Form einer vorübergehenden pauschalen Cashflow-Fazilität zugunsten der Beitrittsländer eingerichtet werden soll (1.410 Mio. Euro 2004, degressiv auf 1.041 Mio. Euro 2006). Diese soll sicherstellen, dass die neuen Mitgliedstaaten nach dem Beitritt nicht schlechter gestellt sind als vorher, sprich Nettoempfänger bleiben. Um in Kraft zu treten, musste dieser Vorschlag der Kommission von Rat und Parlament genehmigt werden. Da allerdings der Rat Anfang 2003 beschloss, die Kopenhagen-Tabellen als Anhang in die Erweiterungsverträge aufzunehmen, befand sich das Europäische Parlament in einer Situation, in der es mit seiner Zustimmung zu den Verträgen für deren Unterzeichnung am 16 April 2003 in Athen de facto bereits das Zahlenwerk in Vertragstatus erhoben hätte, ohne gestalterisch einwirken zu können. In dieser institutionell schwierigen Lage drohte das Parlament kurzfristig sogar die Zustimmung zu den Verträgen zu verweigern. Wiederholte Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Ratspräsidentschaft ermöglichten aber eine Einigung in letzter Minute, bei der zwar die Verträge unverändert gelassen wurden, aber versichert wurde, dass die Haushaltsbefugnisse des Parlaments dadurch nicht beeinträchtigt werden und gleichzeitig eine Revision der Finanzvorausschau die Mittel für die internen Politiken zusätzlich um insgesamt 480 Mio. Euro in 1999er-Preisen für die Jahre 2004-2006 erhöhte. Um den qualitativen Unterschied der Hilfen für die Türkei zu unterstreichen, wurde der Name der Rubrik 7 in Vorbeitrittsstrategie" geändert. Haushaltsverfahren 2003 Der EU-Haushalt für 2003 wurde planmäßig im Dezember 2002 verabschiedet. Er sieht 99.685 Mio. Euro an Verpflichtungsermächtigungen vor, das sind nur 0,26% Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003 175

DIE POLITIKBEREICHE DER EUROPÄISCHEN UNION mehr als im Jahr 2002. Der Haushalt 2003 hat mit einem Anteil von 1,02% des Bruttovolkseinkommens den niedrigsten Wert in den letzten 10 Jahren erreicht. Er liegt um 5,4 Mrd. Euro unter der ursprünglichen Finanzplanung für 2003, was auf die nach wie vor langsame Ausführung der Strukturfondszahlungen, insbesondere der Programme von vor 2000 zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf den endgültigen Überschuss des Haushaltsjahres 2002 in Höhe von 15 Mrd. Euro hinzuweisen, der Anlass zur Besorgnis angesichts der Zunahme von noch abzuwickelnden Zahlungen gab. Das Haushaltsverfahren 2003 war bereits durch die Vorbereitungen auf die Erweiterung geprägt, weitere politische Prioritäten waren Stabilität und Sicherheit sowie eine nachhaltige und ausgewogene Wirtschaftsentwicklung. Tatsächlich sind aus dem Haushalt 2003 bereits die institutionellen Vorbereitungen auf die Erweiterung zu finanzieren. Vom Tag des Beitritts an muss der gemeinschaftliche Rechtsbestand auf die neuen Mitgliedstaaten angewandt werden und die Programme müssen anlaufen. Zuständig für die praktische Umsetzung wird die Kommission sein, die deshalb Mittel für externes Personal (u.a. auch aus den Kandidatenländern) in Höhe von 500 zusätzlichen Stellen erhält (der Rat erhält 236 neue Stellen). Ein Großteil dieser Stellen wird den Sprachendiensten zugewiesen, da die EU um neun Sprachen reicher wird. Die Kommission hatte deshalb im Haushaltsvorentwurf (HVE) eine Überschreitung der Obergrenze, die mit dem Flexibilitätsinstrument zu finanzieren sei, vorgeschlagen. Da auch der Besitzstand der Gemeinschaft in den neuen Sprachen veröffentlicht werden muss, sind im Haushalt 2003 besondere Mittel für das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veranschlagt. Der Rat lehnte die Inanspruchnahme des Flexibilitätsinstruments für die Verwaltungsausgaben kategorisch ab. Das Parlament und der Rat einigten sich schließlich auf Folgendes: Einhaltung der bestehenden Obergrenze der Rubrik 5 (Verwaltungsausgaben) und außerdem Beibehaltung eines s bis zur Obergrenze; Aufstockung der Haushaltsmittel des Rates um 11% (inkl. Ausgaben für die Veröffentlichung des gemeinschaftlichen Besitzstandes). Finanziert wurde dieses Abkommen durch Vorziehung von Verwaltungsausgaben auf das Haushaltsjahr 2002, mit entsprechenden Kürzungen im Haushaltsplan 2003. Dieses für alle Organe vorgesehene Vorgehen umfasste Mittelübertragungen bis Ende des Jahres innerhalb der Haushaltspläne der Organe und zwischen den verschiedenen Haushaltsplänen. Im Bereich der Außenpolitiken wurden die Zusagen eingehalten, die die Kommission im Januar 2002 auf der Geberkonferenz in Tokio im Hinblick auf die Afghanistan-Hilfe gegeben hatte. Im Bereich Stabilität und Sicherheit sieht der Haushalt 2003 Mittel für die gemeinsamen Kosten der Polizeimission in Bosnien und Herzegowina vor, die ab dem 1. Januar Teil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) wird. Angesichts der Befürchtungen, dass die EU diese Polizeimission bereits vorzeitig übernehmen hätte müssen, sieht eine gemeinsame Erklärung von Parlament, Rat und Kommission die Möglichkeit vor, in Zukunft die Soforthilfereserve für das zivile Krisenmanagement zu verwenden; Rat und Parla- 176 Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003

Haushaltspolitik ment haben außerdem eine verbesserte Information des Parlaments im Bereich der GASP vorgesehen. Zur Verwirklichung einer nachhaltigen und solidarischen Wirtschaft wurden die Mittelansätze für die Bekämpfung ansteckender Krankheiten und die Förderung der reproduktiven Gesundheitsversorgung erhöht. Gegen Ende des Haushaltsverfahrens gelang Einigung über den Betrag für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose, neben Afghanistan und der neuen GASP- Ausgaben, die dritte große Priorität in den externen Politiken. Der Fonds soll 42 Mio. Euro aus dem Haushaltsplan erhalten, dazu ein Betrag in mindestens gleicher Höhe aus dem Europäischen Entwicklungsfonds; damit wird der Europäischen Union auch ein Sitz im Verwaltungsrat des globalen Gesundheitsfonds gesichert. Ein Soforthilfeprogramm in Höhe von 55 Mio. Euro gegen den Hunger am Hörn von Afrika, das aus Mitteln der Soforthilfereserve zu finanzieren ist, hat die Haushaltslinien für die Nahrungsmittelhilfe und die humanitäre Hilfe 2003 entsprechend verringert. Das Flexibilitätsinstrument, dessen Inanspruchnahme mittlerweile schon zur Routine geworden ist, wurde im Haushaltsverfahren 2003 allerdings nur für etwas mehr als 12 Mio. Euro mobilisiert, um, zusammen mit unverwendeten Mitteln, den Restbetrag für die Umrüstung der spanischen Fischereiflotte zu finanzieren, der 2002 noch nicht gedeckt war. Außerdem wurde im Herbst 2002 nach den verheerenden Überschwemmungen, von denen Deutschland, Österreich und mehrere Beitrittsländer im Laufe des Sommers betroffen waren, für den Haushalt in Rekordzeit ein gänzlich neues Instrument geschaffen. Die Kommission hatte schon am 28. August eine Mitteilung angenommen, die als Soforthilfe die Errichtung eines europäischen Hilfsfonds und die Neuzuweisung vorhandener Mittel vorsah, noch bevor das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert hatte, ein umfassendes Soforthilfeprogramm auf der Grundlage der Solidarität und der gerechten Lastenteilung umzusetzen. Anschließend haben das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Finanzierung des EU-Solidaritätsfonds und die Modalitäten seiner Inanspruchnahme unterzeichnet. Der Solidaritätsfonds ist mit Mitteln in Höhe von 1 Mrd. Euro jährlich ausgestattet, davon konnten 2002 599 Mio. Euro in der Rubrik 3 für Deutschland, Österreich und Frankreich sowie 129 Mio. Euro für die Tschechische Republik verwendet werden (Rubrik 7). Diese Aufstockung im Jahre 2002 erklärt auch die negativen Wachstumsraten für 2003 der Rubriken 3 und 7 in Tabelle 2. Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003 177

DIE POLITIKBEREICHE DER EUROPÄISCHEN UNION Tabelle 1: Haushaltsplan 2003 nach Politikbereichen (Mittel für Verpflichtungsermächtigungen in Mio. Euro, Posten und/oder Mann-Jahre) Politikbereich Wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten Unternehmen Wettbewerb Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums Energie und Verkehr Umwelt Indirekte Forschung Informationsgesellschaft Direkte Forschung Fischerei Binnenmarkt Regionalpolitik 401.3 186.7 0.0 9 738.3 48 275.4 914.5 227.7 2 493.3 890.2 47.8 887.8 12.9 21 809.1 Management und Unterstützung (1) 50.6 102.0 73.9 88.7 123.2 106.2 73.2 218.3 113.0 221.9 35.1 49.5 71.2 Insgesamt 451.9 288.7 73.9 9 827.0 48 398.7 1 020.7 300.9 2711.6 1 003.2 269.6 923.0 62.4 21 880.3 Finanzinterventionen Human- Ressourcen (2) (3) 517 945 772 795 1 080 1 015 615 1 675 1 057 2 133 317 495 603 Steuern und Zollunion Bildung und Kultur Medien und Kommunikation Gesundheit und Verbraucherschutz Justiz und Inneres Außenbeziehungen (4) Handel (4) Entwicklung und Beziehungen zu den AKP-Staaten (4)(5) Erweiterung (4 ) Humanitäre Hilfe Betrugsbekämpfung Koordinierung der Politiken und rechtliche Beratung der Kommission Verwaltung der Kommission Haushalt Audit Statistik Versorgungsbezüge Nicht zugeordnet (6) Insgesamt 43.8 721.2 60.7 282.8 130.4 2 896.2 9.4 944.7 1 843.7 651.4 7.2 36.1 24.7 0.0 0.0 41.0 0.0 11.0 93 589.3 47.8 95.3 81.3 92.8 34.4 401.9 57.4 207.6 127.0 22.4 39.4 144.3 645.9 66.0 11.4 73.3 745.8 5.1 4 225.8 91.7 816.5 142.0 375.6 164.8 3 298.1 66.7 1 152.3 1 970.7 673.8 46.6 180.4 670.6 66.0 11.4 114.3 745.8 16.1 97 815.1 480 717 693 830 338 3 047 547 2 182 785 158 348 1 198 4 329 517 120 749 58 29115 (1) Einschließlich BA-Linien, Verwaltungsausgaben für Forschung und Minibudgets der Strukturfonds, sowie Gehälter, Gebäudekosten usw. und allgemeine Verwaltungskosten. (2) Umfasst Statutspersonal und Aushilfspersonal. (3) Haushaltsvorentwurf 2003. (4) Einschließlich der Mittel für das in den EG-Delegationen tätige Personal. (5) Einschließlich EEF-Personal. (6) Dezentrale Ausgaben noch keinem Politikbereich zugewiesen. 178 Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003

^ Haushaltspolitik Tabelle 2: Haushaltsplan 2003 nach den Rubriken der Finanziellen Vorausschau Rubrik - Mittel für Verpflichtungen 1. Landwirtschaft - Agrarausgaben (außer Entwicklung des ländl. Raums) - Entwicklung des ländlichen Raums und flankierende Maßnahmen 2. Strukturpolitische Maßnahmen - Strukturfonds - Kohäsionsfonds 3. Interne Politikbereiche 4. Externe Politikbereiche 5. Verwaltung ö.reserven - Währungsreserve - Reserve für Garantien - Reserve für Soforthilfen 7. Heranführungshilfe - Landwirtschaft -ISPA -PHARE (Bewerberländer) - Solidaritätsfonds Mittel für Verpflichtungen insgesamt Mittel für Zahlungen insgesamt Obergrenze der Mittel für Zahlungen (in % des BNE) Haushaltsplan 2002 (1) 44 255 080 000 39 660 080 000 4 595 000 000 2 331 920 000 33 838 000 000 31 049 000 000 2 7X9 000 000-200 000 000 (3) 7 156 813 600-598 813 000 (5) 4 873 000 000 0 5 178 461 138 538 862 676 000 000 250 000 000 213 000 000 213 000 000 0 3 457 000 000 555 000 000 1 109 000 000 1 664 000 000 129 000 000-129 000 000 (7) 99 434 354 738 1 404 645 262 95 656 387 238 4 588 612 762 1.05 Finanzielle Vorausschau 2003 (2) 47 378 000 000 42 680 000 000 4 698 000 000 33 968 000 000 31 129 000 000 2 839 000 000 6 796 000 000 4 972 000 000 5 381 000 000 434 000 000 217 000 000 217 000 000 3 386 000 000 564 000 000 1 129 000 000 1 693 000 000 102 315 000 000 102 938 000 000 1.07 Haushaltsplan 2003 44 780 450 000 40 082 450 000 4 698 000 000 2 597 550 000 33 980 008 240 31 141 008 240 2 839 000 000-12 008 240(4) 6 795 801 000 199 000 4 949 362 000 22 638 000 5 360 071 098 20 928 802 434 000 000-217 000 000 217 000 000 0 3 386 000 000 564 000 000 1 129 000 000 1 693 000 000 pm 0 99 685 692 338 2 629 307 662 97 502 937 098 5 435 062 902 1.02 in % 3 :1 1.2% 1.1 2.2 0.4 0.3 1.8-5.0 1.6 3.5-35.8-100 1.9 1.9-2.1 1.6 1.8 1.7-100 0.3 1.9 Veränderung als Betrag 3-1 525 370 000 422 370 000 103 000 000 142 008 240 92 008 240 50 000 000-361 012 600 76 362 000 181 609 960-242 000 000-250 000 000 4 000 000 4 000 000-71 000 000 9 000 000 20 000 000 29 000 000-129 000 000 251 337 600 1 846 549 860 (1) Einschließlich Nachtragshaushalte. (2) Einschließlich Versorgungsbeiträge des Personals: 170 Mio. Euro. Vorschlag der Kommission. (3) Nach Anwendung des Flexilibilitätsinstruments (200 Mio. Euro - Verplichtungsermächtigungen). (4) Nach Anwendung des Flexilibilitätsinstruments (12 Mio. Euro - Verplichtungsermächtigungen). (5) (6) Solidaritätsfonds, 599 resp. 129 Mio. Euro. Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003 179

DIE POLITIKBEREICHE DER EUROPÄISCHEN UNION Ausblick Im Laufe des Jahres 2003 werden die Arbeiten des Konvents für eine neue Verfassung für die EU abgeschlossen, die natürlich auch einen Teil zur Finanzverfassung enthalten soll. Ziel ist es hier, das Haushalts verfahren zu vereinfachen, die mehrjährige Finanzvorausschau im Vertrag zu verankern, die Finanzierungsseite transparenter zu machen, die Autonomie des EU-Haushalts und die Rolle des Europäischen Parlaments zu stärken. Angestrebt wird ferner eine Kodifizierung der bisherigen Verfahren, die derzeit in einer interinstitutionellen Vereinbarung festgelegt sind. Im Hinblick auf den Schutz der finanziellen Interessen des Gemeinschaftshaushalts hatte die Kommission die vertragliche Verankerung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vorgeschlagen, die bei Delikten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften mit der Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung befasst ist. Sie soll vor den zuständigen nationalen Gerichten Anklage erheben, wobei die Urteilsfindung den nationalen Gerichten vorbehalten bleibt. Im ersten Trimester 2003 begann die Kommission auch bereits die Vorbereitungen für den Finanzrahmen der Union nach 2006. Die Kommission beabsichtigt, Ende 2003 eine Mitteilung über die Leitlinien für die nächste Finanzielle Vorausschau vorzulegen. Bis Mitte 2004 sollen alle notwendigen legislativen Vorschläge auf dem Tisch liegen. Der neue Finanzrahmen sollte im Jahr 2005 endgültig ausgearbeitet sein. Er wird Teil der neuen interinstitutionellen Vereinbarung sein, die zwischen dem neu gewählten Europäischen Parlament, dem erweiterten Rat und der Kommission ausgehandelt wird. Damit wird genug Zeit bleiben, um Rechtsvorschriften für Bereiche, in denen Programme im Jahr 2006 auslaufen, zu verabschieden. Dazu gehören die Strukturmaßnahmen, das Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung, die transeuropäischen Netze, die Maßnahmen im Bereich der Bildung und Weiterbildung sowie Kultur- und Medienprogramme. Nur so wird es möglich sein, die reibungslose Durchführung der neuen Programme Anfang 2007 zu beginnen. 180 Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003