DOSENMAUT AUCH BEI DER GESUNDHEITSKARTE?

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Transkript:

TITELSTORY Ist der 1.1.2006 noch zu halten? von Wolf-Dietrich Lorenz DOSENMAUT AUCH BEI DER GESUNDHEITSKARTE? Wunsch und Wirklichkeit scheinen beim Thema Gesundheitskarte auseinanderzuklaffen. Während offizielle Stellen am Termin im Jahr 2006 festhalten, lassen die Fakten daran zweifeln. Bis zu einer flächendeckenden Verfügbarkeit der Karte können sogar noch Jahre vergehen. Ab 2006 sollen alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die neue Karte in der Hand halten. Damit ist die Ablösung der heutigen Krankenversicherungskarte durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom 1. Januar 2004 geregelt. Die Patient Data Card oder PDC enthält dann die Versichertenangaben und Daten, die für ein elektronisches Rezept erforderlich sind. Dazu, auf freiwilliger Basis, gibt es einen medizinischen Teil mit Gesundheitsdaten. Die Karte soll damit zum Bindeglied im deutschen Gesundheitswesen werden, das mehr als 80 Millionen Patienten mit rund 270.000 Ärzten, 77.000 Zahnärzten, 2.000 Krankenhäusern, 22.000 Apotheken und über 300 Krankenkassen verknüpft. Apell an das Wollen und Können Ein solches Mammutprojekt benötigt eine entsprechende Portion Optimismus. Ihn zeigte Norbert Paland. Der Leiter der Projektgruppe Telematik Gesundheitskarte im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) erklärte am 13. März 2004 in Berlin: Die Einführung liege voll im Zeitplan. Auch an Motivation scheint es nicht zu mangeln. Die Reformvorschriften sagen klar und deutlich, dass die bisherige Krankenversichertenkarte zum 1. Januar 2006 zur Elektronischen Gesundheitskarte erweitert werden soll. Es gibt somit einen gesetzlichen Auftrag und den verstehe ich als Appell an das Wollen und Können aller Beteiligten, erklärte Roland Sing, Vorstand der Initiative D21 und Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg dem Krankenhaus IT- Journal. Sings Ansicht ist wichtig, leitet er doch eine Lenkungsgruppe, die die Einführung der Karte koordinieren soll. Die Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte kann aber nur gemeinsam bewältigt werden. Und zwar durch Bündelung aller Ressourcen und Kräfte. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für das 6

Gelingen des Vorhabens und somit vor allem für die Einhaltung des Zeitplans. Bis zu 300.000 Karten müssen täglich ausgeworfen werden Welche Ressourcen und Kräfte am Werk sein müssen, lässt ein Blick auf die Chipkarten-Produktion ahnen, die im Frühjahr 2005 anlaufen und geschätzte 250.000 bis 300.000 Karten pro Tag auswerfen soll. Hier scheint Optimismus in Zweckoptimismus umzuschlagen. Denn wie die Chipkarten-Hersteller in einem gemeinsamen Positionspapier schreiben: Zwölf Monate Vorlaufzeit wären nötig, um die Karten herzustellen sowie etwa 80 Millionen Gesundheitskarten 2006 auszuliefern. Geforderte Extras wie Fotos auf der Karte erhöhen die Verwirrung. Ein Bild des Versicherten auf der Karte bedeutet noch eine gewisse logistische Herausforderung, meint Heiner Grönewald von der ORGA GmbH in Karlsruhe mit elegantem Understatement. Selbst bei einer frühzeitigen Erfassung der Versicherungen muss Doris Pfeiffer, Vorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), eingestehen: Mit der flächendeckenden Einführung kann frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2006 begonnen werden. Doch die Karten müssen nicht nur hergestellt, sondern personalisiert und schließlich versandt werden. Weniger die Produktion als vielmehr die gesamte Logistik ist dabei äußerst kritisch zu sehen. Projektkonsortium zuständig für Rahmenarchitektur Dabei lief die Unterstützung des Projekts Elektronische Gesundheitskarte groß an. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung beauftragte nach einer europaweiten Ausschreibung ein Projektkonsortium aus IBM Deutschland GmbH, Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), SAP Deutschland AG & Co KG, InterComponentWare AG und ORGA Kartensysteme GmbH. Weiterhin hat das Projekt bit4health als Ziel, die bundesweite Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte vorzubereiten. Im Mittelpunkt der Arbeiten von bit4health steht die Definition einer herstellerneutralen Telematik-Rahmenarchitektur und Sicherheitsinfrastruktur. Begleitende Aktivitäten sind in den Bereichen Akzeptanzbildung, Projektmanagement, Qualitätssicherung und der wissenschaftlichen Begleitung gebündelt. Spezifikation für die Gesundheitskarte liegt überhaupt noch nicht vor Doch wenn bei operativen Maßnahmen wie der Logistik schon Zweifel an ihrer Realisierung auftauchen, scheinen sie auch bei anderen Hausaufgaben der Projektgruppen wie Definition der Rahmenarchitektur oder Testphase angebracht. Zwar hat die Selbstverwaltung der Ärzteschaft die Spezifikation des elektronischen Heilberufsausweises ( Health Professional Card, HPC ) erstellt. Auch Chiphersteller haben bestätigt, dass diese Spezifikation 2.0 mit vorhandenen Chips und Kartenbetriebssystemen umsetzbar sei. Doch eine vergleichbare Spezifikation für die Gesundheitskarte liegt von Seiten der BMGS-Projektgruppe Telematik-Gesundheitswesen bislang weder als Grob- noch als Feinskizze vor. Doch erst wenn für jede Funktion der Gesundheitskarte, für jede In- Rahmenarchitektur zur Gesundheitskarte teraktion zwischen Patient Data Card und HPC alle technischen Vorgaben definiert, abgestimmt und ausgetestet sind, kann ein darauf aufbauendes System laufen. Rahmenarchitektur wurde zur CeBIT vorgestellt Unter dem Leitgedanken bessere IT für bessere Gesundheit bit4health hat das vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung beauftragte Industriekonsortium termingerecht zur CeBIT 2004 die evaluierte Übersicht und Empfehlung für die Rahmenarchitektur vorgestellt. Damit ist das Projekt im Zeitplan, meint zumindest das Ministerium. Die Telematik-Rahmenarchitektur für die Gesundheitskarte basiert auf zwei Eckpunkten: Erstens muss die Infrastruktur auf international gültigen Standards entwickelt werden und zweitens muss die Rahmenarchitektur so offen sein, dass Anwendungen von unterschiedlichen Anbietern integriert werden können. Experten der Szene erklären gegenüber dem Krankenhaus IT-Journal, dass brisante zeitkritische Aufgabenfelder zu bewältigen sind. Erster Punkt ist die technische Entwicklung der Spezifikation der Gesundheitskarte. Benötigte diese Entwicklung für den Heilberufsausweis ohne Er- 7

TITELSTORY probung zirka vier Monate, wird die technisch gesehen noch wesentlich komplexere Gesundheitskarte eine mindestens genauso lange oder gar längere Entwicklungszeit benötigen. Eine erste Umsetzung in Chipkartentechnologie wird danach mindestens nochmals zwei bis drei Monate erfordern. Ab Beginn der Spezifikationsarbeit kann also frühestens nach etwa einem halben Jahr mit belastbaren und technischen funktionierenden Prototypen gerechnet werden. Test Suites für Karten fehlen bislang Zweiter brisanter Punkt ist das Zusammenspiel der Karten. Selbst bei genauester technischer Spezifikation müssen Karten unterschiedlicher Hersteller in Tests ihre Kompatibilität beweisen, ehe die Herstellung in größeren Stückzahlen beginnt. Bislang existiert aber weder eine so genannte Test Suite für Heilberufausweise noch eine für Gesundheitskarten oder gar für die Kommunikation zwischen Heilberufsausweisen und Gesundheitskarten mit Blick auf Interaktionen und Interoperabilität. Auch ein entsprechender Auftrag liegt nicht vor. Die Entwicklung solcher drei Test Suites erfordert wegen entsprechender Spezifikationen erfahrungsgemäß ebenfalls gut ein halbes Jahr. Diese beiden kritischen und zeitlich voneinander abhängigen Schritte im Vorfeld der Kartenverteilung erfordern für sich schon zwei Jahre Arbeitszeit. Dabei können diese Vorgänge durch Parallelarbeiten nicht wesentlich abgekürzt werden. Weitere Aufgaben wie die Akkreditierung der Signaturfunktion der Gesundheitskarte bezeichnet die Regulierungsbehörde bei der Vorbereitung der neuen Gesundheitskarte als aufwändig und zeitkritisch. Daher dürfte der Vorbereitungszeitraum von nur zwei Jahren noch nicht einmal wirklich realistisch sein. Zudem existiert keine interdisziplinäre Expertengruppe, die mit der konkreten Ausarbeitung einer technischen Spezifikation für die Gesundheitskarte begonnen hätte. Eine konkrete technische Spezifikation der Elektronischen Gesundheitskarte zu er- stellen, ist weder im Planungsauftrag des ATG noch in der Definition der Rahmenarchitektur und Sicherheitsinfrastruktur von bit4health direkt vorgesehen. Dabei ist die Technik der Funktionen der Elektronischen Gesundheitskarte, die der Gesetzgeber vorgibt, wesentlich anspruchsvoller und verlangt eine aufwändigere Spezifikation als jene des elektronischen Heilberufsausweises der Selbstverwaltung der Ärzteschaft. Hilfestellung kann auch von internationalen Erfahrungen aus vorhandenen Systemen oder Modellprojekten nicht kommen. Sie liegen nicht vor. Vieles muss also neu erarbeitet werden. Auswirkungen auf Arbeitsabläufe in Krankenhäuser nur ansatzweise abgebildet Last but not least melden sich auch die IT- Manager aus den Krankenhäusern zu Wort. Heiko Ries Vorsitzender des Bundesverbandes der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/ Leiter e.v. (www.kh-it.de) erklärt in Kalkulation Testphase Krankenhaus Beispielkalkulation: Es wird von einem durchschnittlichen Krankenhaus der Regelversorgung mit ca. 400 Betten (ca. 20 Stationen) sowie ambulanten Dienstleistungen mit einer internen datentechnischen Vernetzung ausgegangen. Eine Nutzung der egk erfolgt voraussichtlich nur bei der Aufnahme und der Entlassung des Patienten. Bei der Aufnahme kann zwischen einer zentralen und einer dezentralen sowie zwischen einer Aufnahme bei der Verwaltung und einer ärztlichen Aufnahme unterschieden werden. Bei der Verwaltungsaufnahme dürfen nur die administrativen Daten der Karte gelesen und in das KIS übernommen werden. Die medizinischen Daten sind erst anschließend bei der ärztlichen Aufnahme, nach Freigabe des Patienten, durch den Arzt in das KIS zu übernehmen. Die Anzahl der benötigten Kartenterminalserver und der Kartenlesegeräte ist daher davon abhängig, ob die ärztliche Aufnahme zentral oder dezentral erfolgt. 8

TITELSTORY Rahmenbedingungen der Testphase Die vorliegende Kalkulation ist als beispielhafte Kalkulation eines Szenarios anzusehen, bei dem weitgehend Server für den Datenzugriff (z.b. Updates für Applikationen, bestimmte Applikationen, Vertragsdatenmanagement etc.) verwendet werden. Dafür wurden Investitionskosten und Betriebskosten für eine umfassende Online-Struktur berechnet. Es ist davon auszugehen, dass dieses Szenario nicht von Anfang an umgesetzt wird, sondern sukzessive erschlossen wird und bestimmte Anwendungen ggf. auch dauerhaft offline abgewickelt werden. Die Umsetzung der Rahmenarchitektur innerhalb dieses Szenarios lässt es zu, dass Änderungen beispielsweise bei den Vertragsdaten oder bei Applikationen auf bestehende Karten aufgespielt werden können, ohne dass diese Karten ausgetauscht werden müssen. Dauer der Testphase in Monaten: 15 in Arbeitstagen: 275 Berater für: Anzahl B-Tage Projektvorbereitung 1000 wissenschaftliche Begleitung (1) 5 1375 Projektdurchführung 15 4125 einem Offenen Brief vom Februar 2004 (siehe Textkasten Offener Brief ) an Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: Die Einführung der egk (Elektronische Gesundheitskarte) mit ihren Funktionen (erezept, enotfall, Patientenquittung usw.) und den Regelungen der Zugriffsrechte hat signifikante Auswirkungen auf bestehende Arbeitsabläufe im Krankenhaus, diese sind jedoch bisher nur ansatzweise in den veröffentlichten Geschäftsprozessmodellen abgebildet. Glosse Nach dem überraschenden internationalen Kinoerfolg des neu-deutschen Horrorfilms Die Maut. Vertraglichkeit des Grauens haben sich die Berliner Film-Initiatoren bereits jetzt für eine Fortsetzung entschieden. Wie die Fachzeitschrift Filmvorschau aus gut unterrichteten Kreisen zu berichten weiß, wird Maut 2 im Gesundheitswesen spielen. Durch eine noch größere Anzahl der Teilnehmer, es ist nach unbestätigten Quellen von bis zu 80 Millionen Komparsen die Rede, sollen neuartige, nachhaltige und noch nie gezeigte Horroreffekte erzielt werden. In einer überraschenden Wende der Story soll sogar das Experten-Team des Dosenpfands im Showdown von Maut 2 eine Rolle spielen. Horror vom Feinsten, darauf darf sich der Kino-Liebhaber schon jetzt freuen. FSK: ***** oder sehr empfehlenswert. Autor der Glosse ist ein unmittelbar am Projekt beteiligter, der namentlich nicht genannt werden möchte. Für IT-Manager Ries ist die Karte Dreh- und Angelpunkt der Informationsverarbeitung in der Behandlung, gerade auch unter dem Aspekt einer virtuellen Krankenakte. Um Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit der informationsverarbeitenden Verfahren im Krankenhaus und in Kooperation mit externen Partnern zu gewährleisten, seien zum einen Investitionen in hochverfügbare Systeme der Informationsverarbeitung und Kommunikationsstrecken, zum anderen die Klärung von Haftungsfragen bei Nichtverfügbarkeit der Informationen im Behandlungsprozess nötig. Mehrzahl der Krankenhäuser dokumentiert noch auf Papier Doch Ries diagnostiziert vor allem ein Grundübel. Irrigerweise gehe die Expertise der Industrie nämlich davon aus, dass heute schon die Dokumentation von medizinischen Behandlungsdaten nahezu durchgängig auf elektronischen Weg vorliege und verfügbar sei. Ries: Dem ist jedoch nicht so, die Mehrzahl der deutschen Krankenhäuser führt die Dokumentation (1) Hierunter sind die Aktivitäten, die durch die wissenschaftliche Begleitung in den einzelnen Testvorhaben geleistet werden müssen (z. B. Datenerhebungen per Interview, Fragebogen etc.), zu verstehen. http://www.dimdi.de/de/ehealth/ karte/bit4health/ergebnisse/ kalkulationsvorlage-testphase.pdf Bessere IT für bessere Zukunft 10

Offener Brief an das Bundesministerium WESENTLICHER KLÄRUNGS- UND PRÄZISIERUNGSBEDARF IT-Manager aus den Krankenhäusern sind von der neuen Gesundheitskarte in Arbeit und Verantwortung direkt berührt. Die Pragmatiker in den Umsetzungsprojekten melden sich zu Wort und ihre Fragen und Bedenken an. Heiko Ries Vorsitzender des Bundesverbandes der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/ Leiter e.v. (www.kh-it.de) ist Wortführer in einem Offenen Brief vom Februar 2004 an Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder im Bundesministerium für Gesundheit und Soziales. Krankenhaus-IT Journal dokumentiert die wesentlichen fünf Punkte: 1. Die Expertise der Industrie spricht von 13,7 Millionen Euro Einsparungen pro Tag bei Nutzung der Telematik. Zum einen sind die Einsparungen nicht fundiert belegt und zum anderen stellt sich für die Krankenhäuser die Frage, wie die mit der Einführung der Telematik verbundenen Investitionen in Hard- und Software sowie die Betriebskosten mit den jetzt schon kaum ausreichenden Budgets finanziert werden sollen. 2. Die Einführung der egk (Elektronische Gesundheitskarte) mit ihren Funktionen (erezept, enotfall, Patientenquittung usw.) und den Regelungen der Zugriffsrechte hat signifikante Auswirkungen auf bestehende Arbeitsabläufe im Krankenhaus, diese sind jedoch bisher nur ansatzweise in den veröffentlichten Geschäftsprozessmodel- len abgebildet. Beispielsweise erfordert die Erstellung einer Patientenquittung bereits zum Zeitpunkt der Entlassung eine rechtzeitige und vollständige Erfassung aller (auch extern beauftragten) Leistungen. 3. Die egk und der mit ihr verbundene Zugriff auf externe Daten wird zum Drehund Angelpunkt der Informationsverarbeitung in der Behandlung, gerade auch unter dem Aspekt einer virtuellen Krankenakte. Aus Sicht eines IT-Leiters stellt sich die Frage der Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit der informationsverarbeitenden Verfahren im Krankenhaus und in Kooperation mit externen Partnern. Notwendig werden zum einen Investitionen in hochverfügbare Systeme (Informationsverarbeitung, Kommunikationsstrecken) und zum anderen die Klärung von Haftungsfragen bei Nichtverfügbarkeit der Informationen im Behandlungsprozess. Dies betrifft auch das Management der egk im Krankenhaus: verbleibt sie im Behandlungsprozess beim Patienten, wird sie an Behandelnde für Eintragungen weitergereicht, wird eine Behandlung bei Nichtvorliegen der egk durchgeführt und wie wird ein Verlust der egk gehandhabt? 4. Voraussetzung für eine elektronische Kommunikation ist die Verfügbarkeit einer HPC (Health Professional Card) und eine vergleichbar ausgestattete Mitarbeiter Professional Card. Das GMG (GKV-Modernisierungsgesetz, Modernisierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung) spricht zwar von der HPC, eine Aussage zur Verantwortung für die Erstellung, Verteilung, Management von HPCs und der zugehörigen PKI (Public Key Infrastructure, Schlüsselverwaltung) wird nicht gegeben. Selbst wenn die Ärztekammern diese Verantwortung übernehmen bzw. die Einrichtung einer PKI beauftragen, bleibt für die IT-Leiter in den Krankenhäusern die Frage nach einer Mitarbeiter Professional Card offen. 5. Das GMG, die Expertise der Industrie und eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungen gehen implizit davon aus, dass auch heute schon die Dokumentation von medizinischen Behandlungsdaten nahezu durchgängig auf elektronischem Wege vorliegt und verfügbar ist. Dem ist jedoch nicht so, die Mehrzahl der deutschen Krankenhäuser führt die Dokumentation noch weitgehend papierbasiert. Aus Sicht der IT- Leiter werden heutzutage zwar geeignete informationsverarbeitende Systeme angeboten bzw. sind im Einsatz. Eine durchgängige Einführung ist aber mit immensem Aufwand (Kosten, Personal, Änderung von Arbeitsabläufen) verbunden. Andererseits ist die elektronisch verfügbare Dokumentation die Voraussetzung für eine Elektronische Gesundheits-/Krankenakte". Es stellt sich die Frage, wie dieser Prozess finanziert, motiviert und beschleunigt werden soll. Die grundlegende Voraussetzung dazu ist aber, dass zügig eine Standardisierung der zu der EPA (Elektronische Patientenakte) gehörenden medizinischen Dokumente erfolgt und den KIS-Lieferanten (Krankenhaus-Informations-System) die Voraussetzung gegeben wird, dies dann auch umsetzen zu können. Wie der Prozessablauf zu lösen ist, dass bei einer Entlassung der Patient den Arztbrief auf elektronischer Basis gleich mitnehmen kann (ausstehende Befunde?), wird dann die nicht einfache Aufgabenstellung der Leistungserbringer sein. 11

noch weitgehend papierbasiert. Doch gerade die elektronisch verfügbare Dokumentation ist unabdingbare Voraussetzung für eine Elektronische Gesundheits-/Krankenakte. Nicht nur Ries stellt die Frage, wie dieser Prozess finanziert, motiviert und beschleunigt werden solle. Finanzierung bleibt Kernfrage Die Finanzierung der neuen Technik ist auch bei der Gesundheitskarte eine Kernfrage. Wie weit sich bei der Karte Aufwand und Ertrag gegeneinander rechnen lassen, ist ungeklärt. Durch die Elektronische Gesundheitskarte und telemedizinischen Dienste sind enorme Einsparpotentiale möglich, die sich jedoch noch nicht seriös beziffern lassen. Sicher ist auf jeden Fall, dass sich die Investitionen in das Projekt lohnen und bald bezahlt machen werden, ist etwa der Baden-Württembergische AOK-Vorstandsvorsitzende Sing überzeugt. Experten gehen davon aus, dass ein Rationalisierungspotential von etwa 20 Prozent im Gesundheitswesen vorhanden sein könnte ohne dass damit eine Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung verbunden wäre. Immerhin sind zwischen 20 und 40 Prozent der Leistungen IT-basiert. Sicher ist bislang lediglich: Die weitere Entwicklung kostet Geld, Zeit und Personalressourcen. Zeit für die serielle Abarbeitung einzelner Projekte steht nicht mehr zur Verfügung. Besonders fatal, dass zudem keine der etablierten Einrichtungen im Gesundheitswesen etwas vom Verteilungskuchen abgeben will. Im Ergebnis blockierten sich individuelle Ansätze untereinander und verschiedene Sektoren gegenseitig. Gerade in letzter Zeit sind Anstrengungen zu beobachten, diese Hürden zu überwinden. Akteure aus der Industrie, Leistungserbringer, Kostenträger und Vertreter der Regierung bemühen sich, zu einer notwendigen Konsensbildung in technischen Fragen zu kommen, auch wenn es im Getriebe stellenweise noch kräftig knirscht.