Ärztetage velden. NOTFALLPSYCHIATRIE / M 2 K. Gutiérrez-Lobos

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Transkript:

Ärztetage velden NOTFALLPSYCHIATRIE / M 2 K. Gutiérrez-Lobos

Notfallpsychiatrie Suizid und suizidale Krisen Karin Gutiérrez Lobos 23.8.2018 Ärztetage Velden Every 40 seconds a person dies by suicide somewhere in the world. Suizidalität 1

Suizidalität Suizid: absichtliche Selbsttötung, bei jeder psychiatrischen Erkrankung möglich Suizidversuch: die Selbsttötung kann beabsichtigt sein, oder das suizidale Verhalten ist nur Ausdruck des Wunsches nach Ruhe. Sie kann auch durch den Impuls, sich zu verletzen ohne Tötungsabsicht verursacht sein (Parasuizid). Suizidideen = Nachdenken über Tod, Todeswünsche bis Pläne. Erweiterter Suizid = Tötung der eigenen und fremder nahestehender Person. Selbstverletzung, Autoaggression Absichtliches, nicht lebensbedrohliches Zufügen von Verletzungen oder Wunden (Aufschneiden, Aufkratzen oder Aufritzen der Haut, wiederholtes Kopfschlagen, Trichotillomanie, Selbstverbrennungen, orale Einnahme oder Injektion schädlicher Substanzen Auftreten alleine oder in Zusammenhang mit: Borderline Persönlichkeitsstörungen, Depressionen Essstörungen, Zwangsstörungen, psychotischen Schüben bei Schizophrenie, Drogen oder Alkoholmissbrauch geistiger Behinderung, Autismus, Traumatisierung, Missbrauchserfahrung 2

Verlauf der Suizidraten in Österreich seit 1970 Suizide 2016: 1.204 (907 Männer, 297 Frauen), Rate: 13,7/100.000 EW Kärnten 21,3/100.000 > 1/3 über 65a Bericht BMG 2014 Suizidraten in den Bundesländern (2009 2013) Bericht BMG 2014 3

Suizidraten in Österreich seit 1970 nach Altersgruppen Bericht BMG 2014 Todesursachen im Jahr 2013 nach Altersgruppen Bericht BMG 2014 4

Suizidmethoden nach Geschlecht 2013, in % (n =1.291) Bericht BMG 2014 Suizid in den Medien: Werther und Papageno Effekt Häufung von Suiziden unter jungen Männern (Phillips, 1974, Etzersdorfer et al., 2001; Schmidtke und Häfner, 1988; Fu et Yip, 2009; Niederkrotenthaler et al., 2010). Medienberichte über Suizid ohne sensationsträchtige Merkmale zeigen keinen negativen Imitationseffekt Medienberichterstattung, die auch über konstruktive Bewältigungsmöglichkeiten in einer suizidalen Krise aufklärt, hat suizidprotektiven Effekt und führt zu einem Rückgang der Suizide (Niederkrotenthaler et al., 2010). 5

Abschätzung von Suizidalität Risikogruppen Krisen, Krisenanfälligkeit Suizidale Entwicklung Präsuizidales Syndrom Risikogruppen 1. Menschen mit psychischen Erkrankungen Depression, Suchterkrankungen, Schizophrenie, Angststörungen Persönlichkeitsstörungen (emotional instabiler Typ) 2. Menschen mit Suizidversuch(en) in der Vorgeschichte 3. Alte Menschen Vereinsamung, schmerzhafte, chronische, einschränkenden Krankheiten, psychische und körperlicher Erkrankung (Komorbidität) 4. Jugendliche Entwicklungskrisen, Beziehungskrisen, Drogenprobleme, familiäre Probleme, 5. Menschen in traumatisierten Situationen und Veränderungskrisen Beziehungskrisen, Partnerverlust, Kränkungen, Verlust des sozialen, kulturellen, politischen Lebensumfeldes (Flucht, Arbeitsplatzverlust, usw.),identitätskrisen, chronische Arbeitslosigkeit, Inhaftierung 6. Menschen mit chronischen, lebenseinschränkenden, körperlichen Erkrankungen, terminalen Erkrankungen und extremer Pflegebedürftigkeit 6

Verlauf Zwischen 12 35% der PatientInnen mit einem Suizidversuch (SV) begehen in den ersten 2 Jahre erneut einen SV. Der Prozentsatz derjenigen, die sich suizidierten und schon vorher einen SV unternommen hatten, wird auf 20 50 % geschätzt. Die Mehrheit der Patient_innen nach einem SV leiden im Verlauf gehäuft an Depressionen, weisen Probleme am Arbeitsplatz und in der Partnerschaft auf oder sind sozial isoliert und vereinsamt. Psychosoziale Krisen Traumatische Krise Schock (plötzlich, unmittelbar) Reaktionsphase (Konfrontation mit der realität) Bearbeitungsphase (Loslösung vom Trauma) Neuorientierung Lebensveränderungskrise Konfrontation mit neuen Situationen/Entwicklungsschritten Versagen Mobilisierung aller Kräfte Krise Chronisch protrahierte Krise Traumatische oder Lebensveränderungskrisen können nicht gelöst werden Schädigende Strategien der Bewältigung (z.b. Sucht, sozialer Rückzug) Isolierung Vermeidungsverhalten 7

Die Krise als Einengung (Verena Kast, 1989) als Einengung, in der sich das ganze Leben auf ein Problem reduziert. Emotionale Einengung: Angst, Panik, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Wut Kognitive Einengung: nicht ein noch aus wissen Katastrophisierende Deutungen, Chaos im Kopf Denken als Ordnen des Tuns eingeschränkt Verhaltens Einengung: Alte Reaktionsmuster: Flucht, Blockade, Überaktivität Identität und Gesamtpersönlichkeit bedroht Warnsignale für eine Suizidgefährdung Direkte oder indirekte Ankündigung des Suizids Eine aktuelle Krise (z. B. Tod von Partner/in, Trennung, Diagnose einer schweren Krankheit, erzwungener Wohnortwechsel) Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Freudlosigkeit Rückzug aus zwischenmenschlichen Beziehungen Einengung von Lebensmöglichkeiten Einengung der Gefühlswelt Fehlende Möglichkeit, sich von negativen Inhalten zu distanzieren Besonders bei Kindern & Jugendlichen: Verschenken von persönlichen Gegenständen, intensive Beschäftigung mit dem Tod Werteverlust Fehlende Gesprächsbasis 8

Präsuizidales Syndrom (nach Ringel, 1953) Zunehmende Einengung situativ dynamisch (einseitige Ausrichtung von Apperzeption, Assoziationen, Verhaltensmustern und Abwehrmechanismen) in zwischenmenschlichen Beziehungen Aggressionsstau, Aggressionsumkehr fehlende Aggressionsabfuhr Wendung von Aggression gegen sich selbst Suizidphantasien aktiv intendiert passiv sich aufdrängend Präsuizidales Syndrom: motivationale Inhalte Nicht ( mehr) Aushalten Können einer subjektiv unerträglichen Belastung und/oder Kränkung Subjektiv unerträglicher psychischer Schmerz Glaube, Überzeugung, keine Freiheitsgrade mehr zu haben Schwer kontrollierbar erscheinende aggressive (selbst und fremdaggressive) Impulse Hoffnungs und Perspektivlosigkeit Gefühle von Zorn, Wut Rache Rigides Denken 9

Suizidalität suizidale Entwicklung präsuizidales Syndrom Subjektiv nicht mehr lösbare Krise Suizid als Lösungsmöglichkeit Vorstellbar Ambivalenzstadium Entschluss Suggestive Momente Hilferufe Ruhe vor Kontaktsuche dem Sturm Einengung Hoffnungslosigkeit Aggressionsumkehr Suizidphantasie Suizidhandlung nach: Pöldinger & Ringel Psychodynamik Psychodynamisch ist Suizidalität ein komplexes Geschehen aus Bewertung der eigenen Person, der Wertigkeit in und von Beziehungen, Einschätzung der eigenen und der Zukunft anderer, der Veränderbarkeit eines unerträglich erscheinenden Zustandes, durch psychische und/oder körperliche Befindlichkeit verändertem Erleben. Motivational spielen appellative, altruistische sowie auto und fremdaggressive Elemente eine Rolle. Suizidalität ist meist kein Ausdruck von Freiheit und Wahlmöglichkeit, sondern von Einengung durch objektive und/oder subjektiv erlebte Not, durch psychische und/oder körperliche Befindlichkeit bzw. deren Folgen, durch gesellschaftlichkulturelle bzw. ideologische Rahmenbedingung. Suizidhandlungen außerhalb des medizinischen Störungskonzeptes: z. B. Opfertod, Amok, als Methode der Kriegsführung. Zit. n. Wolfersdorf 10

Einschätzung der konkreten Suizidalität Bestehen beim/bei Patienten/in Risikofaktoren? Besteht beim/bei Patienten/in eine psychiatrische Erkrankung? Befindet sich der/die Patient/in in einer akuten oder chronischen Krise? Liegen psychopathologisch relevante Symptome vor? Finden sich Zeichen für eine suizidale Entwicklung? Besteht ein präsuizidales Syndrom? Wie hoch ist die aktuelle Suizidalität einzuschätzen? Kardels et al, 2008 Diagnostik von Suizidalität Suizidalität weitere Faktoren für vorhanden ja/nein Art (Suizidideen, absichten, Ruhe und Todeswunsch Handlungsdruck niedrig/hoch offensichtlich suizidgefährdet, Verdacht nicht offensichtlich frühere suizidale Krisen, Suizidversuche gehört zu einer sog. Risikogruppe mit erhöhtem Suizidrisiko, Entwicklung zu Suizidalität als Möglichkeit Risikopsychopathologie liegt vor entspricht heutigen Modellen zur Entwicklung von Suizidalität: Zeichen des präsuizidalen Syndroms, der Ambivalenz 11

Einschätzung aktueller Suizidalität 1. Fragen nach Suizidalität: Konkret nach Todeswünschen; Suizidideen; Suizidabsichten; einschießende Suizidimpulse 2. Handlungsdruck, der kontrollierbar ist oder Angst vor Kontrollverlust 3. Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit vorhanden 4. Will Hilfe oder man kann mir sowieso nicht helfen 5. Kann Patient auf Umsetzung aktueller Suizidideen für Therapie/Hilfe verzichten? 6. Risikopsychopathologie für erhöhtes Suizidrisiko vorhanden? Checkliste zum Fragen nach Suizidalität (Wolfersdorf & Etzersdorfer 2010) Eingangsbemerkung: Wenn es jemand so (schlecht) geht wie Ihnen, wenn jemand so etwas erleidet, ist es nahe liegend, dass er/sie denkt, das will ich nicht mehr erleben, lieber will ich tot sein. Wie ist das bei Ihnen? Geht Ihnen Ähnliches durch den Kopf? Fragen nach Suizidalität: 1. Gingen Ihnen in der letzten Zeit öfters Gedanken durch den Kopf, alles ist hoffnungslos und Nichts wird sich ändern? 2. Haben Sie in der letzten Zeit öfter daran gedacht, das halte ich bald nicht mehr aus. Lieber will ich nicht da sein? 3. Haben Sie in der letzten Zeit öfter daran denken müssen, das was geschehen ist, verletzt mich so, kränkt mich so, dass ich am liebsten nicht mehr da wäre? 4. Hatten Sie aktuell schon den Gedanken, das Alles macht mich so wütend. Am liebsten würde ich mich/mich und andere aus dem Feld, aus dem Leben befördern, damit alles vorbei ist? 12

5. Waren Sie schon einmal näher an Selbsttötungsabsichten. Hatten Sie schon einmal Gedanken, sich selbst töten zu wollen? 6. Hatten Sie schon einmal in Ihrem Leben versucht, sich das Leben zu nehmen, einen Selbsttötungsversuch unternommen? 7. Haben Sie jetzt, in den letzten Tagen vermehrt Gedanken, alles ist hoffnungslos es wird sich nie bessern und das Beste wäre, es gäbe mich nicht mehr 8. Haben Sie aktuell konkrete Suizidideen, sich das Leben nehmen zu wollen 9. Gäbe es etwas, was Sie von Ihrer aktuellen Selbsttötungsabsicht abhalten könnte? 10. Könnten Sie mit jemand darüber reden? 11. Glauben Sie, es wäre besser für Andere, es gäbe Sie nicht mehr auf der Welt? 12. Haben Sie das Gefühl, Schuld auf sich geladen zu haben und dafür büßen zu müssen? 13. Kommt in letzter Zeit der Gedanke häufiger, der innere Druck und Schmerz wird so groß, dass er nicht mehr aushaltbar ist? 14. Ist die innere Unruhe so stark und quälend, dass man nur heraus will aus dem Zustand? 15. Haben Sie den Eindruck, es gibt eine innere Stimme in Ihnen oder hören Sie geradezu jemand in sich, der Ihnen nahe legt, sich das Leben zu nehmen? 13

Krisenintervention Krisenintervention ist jene Form psychosoziale Betreuung und Behandlung, die sich mit Symptomen, Krankheit und Fehlanpassung befasst, deren Auftreten im engeren Zusammenhang mit Krisen stehen (Sonneck, 2000) Ziele Befähigung zu aktiver und konstruktive Bewältigung innovativer selbstständiger Entscheidungs und kompetenter Handlungsfähigkeit Akzeptanz der Krise, Hilfe zur Selbsthilfe Professionelle Helfer als Stütze Prinzipien der Krisenintervention Abwendung von Gefahr für Leben und Gesundheit der Betroffenen und ihrem Umfeld zeitlich begrenzt, mehrere Stunden bis zu einigen Tagen Rascher Beginn Aktivität des Helfers Methodenflexibiliät Fokus auf aktueller Situation bzw. dem Ereignis Entlastung zu schaffen BELLA Konzept (Sonneck) Beziehung aufbauen: Aufbau einer vertrauensvollen, empathischen& wertschätzenden Beziehung Sicherheit und Halt sollte vermittelt werden Erfassen der Situation: Exploration des Anlasses, des Anliegens für das Kommen, der derzeitigen Lebenssituation, der individuellen/familiären Hintergründe, der Veränderungen durch die Krisensituation, der bereits angewendeten Lösungsstrategien Linderung der Symptome: Gefühle zulassen, Anwendung psychotherap. Techniken, Medikamente Leute einbeziehen: Aktivierung sozialer Ressourcen Ansatz zur Problembewältigung: Strukturierungshilfen, Hilfestellungen bei Entscheidungen, Bearbeiten von Blockaden 14

Thematisierung von Suizidalität Die Thematisierung von Suizidalität ist für Betroffene meist eine Entlastung, wenn: das Gegenüber ganz auf den Einzelnen eingehen kann ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen stattfindet das Gegenüber keine Angst vor dem Thema hat Patient/in Gefühle zeigen darf bei Bedarf konkrete Hilfe vermittelt wird Intervention bei akuter Suizidalität Kontakt herstellen Name, Rolle, Funktion Angstfreie Themen zur Kontaktaufnahme Zustand ansprechen Äußere und innere Situation beschreiben Ambivalenz ansprechen Affektregulation zu Zweit Hintergrund klären Was ist passiert? (keine Lösungen oder Vorschläge!) Verhandlung Keine falschen Versprechungen präsent bleiben 15

Pharmakotherapie der akuten Suizidalität Angst, Depression, Erregung ohne psychotische Symptome Schwere Erregung, Unruhe Paranoid halluzinatorisches Syndrom Lorazepam 1 2,5 mg, p.o., i.v. Diazepam 5 10 mg, p.p., i.v. Lorazepam Diazepam Haloperidol 5 10 mg, i.v., i.m. Der subjektive Faktor Salutogenese und Kohärenzgefühl Ressourcen Vulnerabilität Spezifisch, ereignisbezogene Resilienz Was beeinflusst Krisenbewältigung? Bewältigungsmuster variieren Erworbene Copingstrategien Unterwerfung Akzeptanz Sich Abfinden Distanzierung Abspaltung Kompensation Kampf um Veränderung, Anerkennung Situativ je nach Lebensumständen Macht von Deutungen und der subjektiven Bewertung Viele mögliche Lösungen keine Dichotomie 16

Häufige Missverständnisse und Fehler Viele Laien (aber auch Profis) scheuen das Thema Suizid, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Das Thema ist so unangenehm und emotional, dass viele entweder: abweisend distanziert reagieren oder sich hilflos, aufgeregt identifizieren. Das Thema ist so unangenehm, dass viele es schnell beenden: indem sie dem anderen die Suizidalität ausreden wollen. oder indem sie vorschnelle Lösungsvorschläge machen, die dem Betroffenen nicht angemessen sind. Gefahr: Der Betroffene spürt unsere Überforderung und zieht sich zurück Fragen zur Selbstevaluation Was versteht man unter erweitertem Suizid? Was sind die Grundprinzipien der Krisenintervention? Welche Risikogruppen gibt es? Was versteht man unter präsuizidalem Syndrom? Was ist der Papageno Effekt? Welche Warnhinweise deuten auf Suizidgefährdung hin? Von welchen Faktoren hängt Krisenbewältigung ab? Mit welchen Fragen schätzen Sie akute Suizidalität ein? Welche Unterschiede finden sich zwischen einer psychosozialen Krise und einem psychiatrischen Notfall? Welche Psychopharmaka kommen bei Suizidalität zum Einsatz? 17