Teil A. Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)



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Transkript:

1 EBRGK SE-Mitbestimmung Gliederung Teil A. Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) I. Einleitung (Blanke) II. Gesellschaftsrechtliche Grundzüge (Köstler) A. Der Begriff Europäische Aktiengesellschaft / Europäische Gesellschaft B. Gründung und Sitzverlegung I. Allgemeine Vorschriften II. Gründungsformen 1. Fusion/Verschmelzung 2. Holding 3. Tochter-SE 4. Umwandlung/Rechtsformwechsel 5. Sitzverlegung C. Konstruktion und Organe: Systemwahl/Organstruktur 1. Dualistisches System 2. Monistisches System 3. Gemeinsame Vorschriften

2 III. Arbeitnehmerbeteiligung nach der SE-Richtlinie und dem SE- Beteiligungsgesetz (Blanke) A. Entstehungsgeschichte der SE: Hindernisse auf dem Weg zur Schaffung des SE-Statuts I. National unterschiedliches Gesellschaftsrecht, keine ausdrückliche europäische Kompetenz II. Harmonisierungsprobleme der Arbeitnehmermitbestimmung B. Der Durchbruch zum Erfolg: Wechsel der Orientierungsprinzipien I. Vom Maßstab der Gleichwertigkeit zum Schutz erworbener Rechte 1. Vorher-Nachher-Prinzip 2. Vorrang von Vereinbarungen II. Beschränkung der Gründungstatbestände, Gleichwertigkeit von monistischer und dualistischer Unternehmensverfassung III. Der Sonderfall Umwandlung IV. Vorrang von Verhandlungslösungen: Prozedurale Vorgaben, Bindung an inhaltliche Anforderungen 1. Das Konzept der EBR-RL 2. Modifikationen 2.1. Initiative der Leitungsorgane der Gründungsgesellschaften 2.2. Striktere inhaltliche Vorgaben der SE-RL 2.3. Austarierung von Repräsentationsprinzip, Proportionalitätsprinzip und Betroffenheitsprinzip 2.4. Gewerkschaftsmitglieder im BVG 2.5. Prozedurale und inhaltliche Anforderungen an das Eingreifen der Auffangregelung 3. Resultat: Vielfalt der SE-Rechtsformen

3 C. Kernelemente der Arbeitnehmerbeteiligung in der SE I. Die betriebsverfassungsrechtliche Ebene 1. Regelfall: SE-BR durch Vereinbarung 2. Ausnahmen 2.1. Negativbeschluss des BVG: Anwendung nationaler Regelungen zur Information und Anhörung der AN 2.2. Fristablauf und ergebnislose Verhandlungen: Eingreifen der Auffangregelungen 2.3. Ergebnis: Blockade des SE-BR nur durch Negativbeschluss des BVG, Eingreifen nationaler Beteiligungsregelungen 3. Inhalt der Vereinbarung 3.1. Zwingende Regelungsgegenstände 3.2. Verhandlungen bei Strukturveränderungen der SE 3.3. Die gesetzlichen Auffangregelungen II. Die Ebene der Unternehmensmitbestimmung 1. Grundsatz: Erhalt bestehender Mitbestimmungsrechte 1.1. Regelfall: Mitbestimmung durch Vereinbarung 1.2. Ausnahmen: Keine Mitbestimmungsvereinbarung, kein Eingreifen der Auffangregelung 1.3. Die Falle des opting-out : Kein Opting-out von der Mitbestimmung, sondern von der SE-Gründung 2. Inhalt der Mitbestimmung 2.1. Im Fall der Vereinbarung 2.2. Die Auffangregelung über die Mitbestimmung kraft Gesetzes 2.2.1. Unterschiedliche Mitbestimmungsformen 2.2.2. Verteilung der Zahl der Sitze auf die Mitgliedstaaten 2.2.3. Gewerkschaftsvertreter als Mitglieder der Unternehmensorgane 2.2.4. Rechtliche Stellung der AN-Vertreter 2.2.5. Arbeitsdirektor 3. Tendenzunternehmen

4 D. Zusammenfassung: Die starke Stellung des BVG und die Bedeutung der Bestellungsregeln E. Ziele und Aufgaben der SE: Erfordernis einer einheitlichen Unternehmensform? I. Hauptzweck der SE: Überwindung der Rechtszersplitterung II. Gesellschaftsrechtliche Harmonisierung als Alternative? 1. Erfordernis einer einheitlichen Unternehmensform vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG? 1.1. Behinderung der Niederlassungsfreiheit durch die Doktrin des Vorrangs des nationalen Gesellschaftsrechts 1.2. Die Einschränkung des Vorrangs des nationalen Gesellschaftsrechts im Lichte der Niederlassungsfreiheit in der neueren Rechtsprechung des EuGH 1.3. Die Liberalisierung der Niederlassungsfreiheit in der Rechtsprechung des EuGH als Form der negativen Integration im Gesellschaftsrecht 2. Die Schaffung der SE als Erfordernis einer positiven Integration des Gesellschaftsrechts F. Die Einführung der SE in Deutschland I. Kontroverse Grundsatzdebatte II. Testfall: Paritätische Mitbestimmung im monistischen System

5 EBRGK 2.Aufl.SE-Mitbestimmung Einleitung 1. Einleitung (Blanke) Auf der Sitzung des Rats der Arbeits- und Sozialminister der Mitgliedstaaten der EU v. 8.10.2001 wurde die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft, 1 in der die gesellschaftsrechtlichen Regelungen über die Europäische Aktiengesellschaft (SE) enthalten sind, und die RL 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) hinsichtlich der Beteiligung der AN 2 angenommen. Die SE-VO trat gem. Art. 70 am 8.10.2004 in Kraft. Gleichzeitig lief die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2001/86/EG in die nationalen Rechtsordnungen ab (Art.14 SE-RL). Insgesamt acht EU-Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Finnland, Island, Österreich, Schweden, Ungarn und das UK - haben die Zeitvorgabe eingehalten. Die SE-VO enthält zahlreiche Regelungsaufträge und Wahlrechte für den nationalen Gesetzgeber. Dies machte abweichend vom Normalfall den Erlass eines Ausführungsgesetzes erforderlich. Der Deutsche Bundestag hat mit geringfügiger Verspätung am 29.10. 2004 in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) verabschiedet. Nach der Zurückweisung des gegen das Gesetz eingelegten Einspruchs des Deutschen Bundesrats durch den Bundestag am 17.12.2004 3 ist das SEEG am 29.12.2004 in Kraft getreten. 4 Es besteht im wesentlichen gem. Art.1 aus dem Ausführungsgesetz zur SE-VO (SE-Ausführungsgesetz SEAG) und gem. Art.2 aus dem Umsetzungsgesetz zur SE-RL (SE-Beteiligungsgesetz SEGB). Jetzt also kann auch hierzulande gegründet werden. Erste Europa AG s bestehen bereits in Österreich 1 ABl L 294 v. 10.11.2001 S.1, im folgenden SE-VO. 2 ABl. L 294 v. 10.11.2001 S.22, im folgenden SE-RL. 3 Die einzelnen Gesetzgebungsstationen: Februar 2003: Veröffentlichung des Diskussionsentwurfs eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG), beschränkt auf den aktienrechtlichen Teil (Art.1), durch das BMJ im Internet (abgedruckt in: AG 2003, 204ff.; dazu Neje/Teichmann, AG 2003, 169ff.). 5.4.2004 Vorlage des Referentenentwurfs des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) durch die Bundesministerien der Justiz (BMJ) und für Wirtschaft und Arbeit (BMWA). Der mit ausführlicher Begründung versehene Gesetzesentwurf gliedert sich in die beiden Hauptteile: Das SE-Ausführungsgesetz (SEAG), welches die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen enthält, und das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG), welches die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE regelt. 26.5: Veröffentlichung des Regierungsentwurfs durch die Bundesregierung und Zuleitung am 28.5.2004 an den Bundesrat zur Stellungnahme (BT-Drs.15/3405 v.21.6.2004). 2.7.2004: Erste Lesung im Bundestag und Überweisung an den Rechtsausschuss. 9.7.2004: Beschluss der Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs.438/04 v.9.7.04). 24.8.2004: Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drs.15/3656 v.24.8.2004). 18.10.2004: Öffentliche Anhörung im Rechtausschuss (Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs.15/4053 v. 27.10.2004; die Beschlüsse des Ausschusses in Ausschuss-Drs 15(9)1472 v.26.10.2004). 29.10.2004: Verabschiedung des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung durch den Deutschen Bundestag (Plenarprotokoll 15/136); 26.11.2004: Beschluss des Bundesrats zur Einleitung eines Vermittlungsverfahrens (BR-Drs. 850/04 v. 26.11.2004); 17.12.2004: Einspruch des Bundesrats gegen das Gesetz und Zurückweisung des Einspruchs durch den Bundestag. 28.12.: Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S.3675 v.28.12.2004). 4 BGBl. I S.3675 v.28.12.2004.

6 (STRABAG, Brenner-Tunnel) und den Niederlanden und sind in einigen nordischen Ländern (Eloteq, Nordea) in Vorbereitung. 5 Durch die SE-VO und die SE-RL wird das schon lange zurückreichende Vorhaben zur Errichtung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) verwirklicht. Zugleich wird dadurch erstmals die Bildung einer europäischen Kapitalgesellschaft möglich, die der Mitbestimmung der Arbeitnehmer unterliegt. Damit tritt künftig neben die Mitbestimmung in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen nationalen Rechts, die durch die EBR-RL v. 22.9.1994 (RL 94/45/EG) und die Erstreckungs-RL v. 15.12.1997 (RL 97/74/EG) sowie die nationalen Umsetzungsgesetze geregelt und von Europäischen Betriebsräten ausgeübt wird, eine Arbeitnehmermitbestimmung in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen europäischen Rechts. Diese betrifft über die betriebsverfassungsrechtliche Ebene der Information und Anhörung der Arbeitnehmer(vertreter) durch den SE-Betriebsrat hinaus je nach der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern getroffenen Vereinbarung auch die Mitbestimmung in den Aufsichts- und Leitungsorganen der SE und damit zugleich die unternehmensrechtliche Ebene der Mitbestimmung. Die Schwierigkeit dieser Schöpfung zeigt sich schon an der Namensgebung. Die Europäische Aktiengesellschaft ( Europa-AG ) heißt in Europa Societas Europaea, abgekürzt SE. Das ist, ausnahmsweise, nicht englisch, sondern lateinisch und bedeutet so viel wie Europäische Gesellschaft. Das deutsche Einführungsgesetz heißt abgekürzt SEEG und besteht aus dem SE-Ausführungsgesetz (SEAG), welches die aktienrechtlichen Bestimmungen enthält und dem SE-Beteiligungsgesetz.(SEBG), in dem die Arbeitnehmermitbestimmung geregelt ist. Das SEAG regelt nur Teilbereiche der Gründung und Organisation der Europa-AG und verweist im übrigen auf die Bestimmungen des Aktiengesetzes. Die SE muss ein in Aktien zerlegtes Grundkapital von mindestens 120.000.- besitzen und kommt demnach auch bereits für mittelgroße Unternehmen in Betracht. Mit der Registrierung in einem Mitgliedstaat der EU kann die SE in jedem anderen Mitgliedstaat tätig werden. Hauptziel der Schaffung der Rechtsgrundlagen für die Errichtung der Europäischen Aktiengesellschaft war, die Aktivitäten international agierender Unternehmen der Mitgliedstaaten der EU zu erleichtern: Bisher galt für ausländische Tochtergesellschaften und Niederlassungen jeweils das ausländische nationale Recht. Die Sitzverlegung von einem Mitgliedstaat der EU in einen anderen erforderte die Auflösung und Neugründung der Gesellschaft, die mit steuerlichen Nachteilen verbunden war. Die Regelungen über die SE sollten die Gründung von Tochtergesellschaften, die Verschmelzung von Unternehmen und Konzernen und die Bildung einer Holdinggesellschaft erleichtern. 5 Der jeweils aktuellen Stand wird berichtet unter http://www.seeuropenetwork.org/homepages/seeurope/home.html

7 A. Der Begriff : "Europäische Aktiengesellschaft" / Europäische Gesellschaft (Köstler) Die Idee der europäischen Gesellschaft Vor mehr als vierzig Jahren, am 1.1.1958, traten die sog. Römischen Verträge zur Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Kraft. Als Aufgabe der Gemeinschaft wurde u.a. die Errichtung eines gemeinsamen Marktes verabredet. Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit zu selbstständiger Erwerbstätigkeit waren von Anfang an Vertragsziele. Letzterer gleichgestellt wurden die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben Das Unternehmens-/Gesellschaftsrecht in den Mitgliedsstaaten unterlag nun der jeweiligen nationalen Rechtsordnung. Wollte man die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften herbeiführen, so könnte man den Gesellschaften freistellen, ihren Sitzstaat zu wählen und von dem aus sich innerhalb (und außerhalb) der Gemeinschaft zu betätigen. Die Gefahr wäre natürlich gegeben, dass alle Gesellschaften sich in dem Mitgliedsstaat mit dem großzügigsten Gesellschaftsrecht niederlassen würden (für die USA - dort ist zu einem großen Teil bundesstaatliches Recht maßgeblich - nannte man das den Delaware-Effekt). Will man diesen Effekt vermeiden, so bietet sich als Weg: - die inhaltliche Harmonisierung und Koordinierung des nationalen Rechts und die gegenseitige Anerkennung dieser nationalen Gesellschaften an. Mit zahlreichen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ist man diesen Weg gegangen (beginnend mit der Publizitätsrichtlinie vom 9.3. 1968). Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften würde aber auch die Möglichkeit der Sitzverlegung von einem Mitgliedsstaat in einen anderen bedeuten. Für die Anerkennung einer Gesellschaft gibt es aber in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Anknüpfungspunkte, nämlich den Verwaltungssitz oder den Gründungsort 6. Wollte man den Unternehmenssitz in ein Land verlegen, in dem die sog. Sitztheorie gilt, so wäre dies nur durch eine Liquidation der Gesellschaft im Gründungsland und eine Neugründung im anderen Mitgliedsstaat möglich. Zudem 6 Vereinfacht: Sitz- oder Gründungstheorie. In Großbritannien, Irland, Dänemark und den Niederlanden z.b. gilt die letztere, in der Bundesrepublik z. B. die erstere. Zu Einzelheiten und Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der letzten Jahre vgl. unten Rn.***.

8 müsste man sich für eine bestimmte andere - wenn auch vielleicht harmonisierte - nationale Rechtsform entscheiden. Dem könnte man durch: - die Schaffung einer übernationalen europäischen Rechtsform abhelfen. Eine Sitzverlegung von München nach Paris wäre dann genauso leicht wie die von München nach Berlin. Abgesehen von aus dem europäischen Gedanken gespeisten Überlegungen für eine Gesellschaft internationalen Typs in Europa war dies der Hintergrund für diese "einzige Lösung, welche die Möglichkeit bietet, gleichzeitig die wirtschaftliche und die rechtliche Einheit des europäischen Unternehmens zu verwirklichen... eine Regelung, die es erlaubt, neben Gesellschaften, die einzelstaatlichem Recht unterliegen, Gesellschaften zu gründen, die ausschließlich einem einheitlichen und in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbarem Recht unterworfen sind, die für diese Gesellschaftsform also die Beachtung einer rechtlichen Bindung an ein bestimmtes Land beseitigt. 7 Die Aktiengesellschaft als der geeignetste Gesellschaftstyp Von Anfang an fasste man als Gesellschaftstyp dabei die Aktiengesellschaft ins Auge, u.a. auch weil der Zugang zur Börse für diese Gesellschaftsform als notwendig erschien 8 "Dies entspricht vom Standpunkt der Finanzierung und vom Standpunkt der Geschäftsführung aus am besten den Bedürfnissen der auf europäischer Ebene tätigen Unternehmen. 9 Für die Ausgestaltung des Typs gab es aber mindestens zwei handfeste Probleme Für die Struktur der Aktiengesellschaft gab und gibt es in Europa zwei Organsysteme: - Dualistisch, also Leitungs- und Aufsichtsfunktion getrennt (klassisch in Deutschland: Vorstand und Aufsichtsrat) und - Monistisch, oft Verwaltungsrat genannt, also keine formale Funktionentrennung (klassisch in Großbritannien: Board). Erst recht gingen und gehen in Europa die "Regeln über die Stellung der Arbeitnehmer in der Entscheidungsstruktur von Gesellschaften 10, also dem, was wir in Deutschland Unternehmensmitbestimmung nennen, auseinander. 1975 im Grünbuch der Kommission wurde allerdings schon betont, "dass es in wachsendem Maße als ein Gebot der Demokratie erkannt werde", die Arbeitnehmer in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen. 11 7 Zitat aus dem geänderten Vorschlag für eine Europäische Aktiengesellschaft 1975, Bulletin der EG Beilage 4/ 75 S. 12. 8 1959 wurde erstmals von einem franz. Notar eine "Societé par action de type europeén" vorgeschlagen. Daraus bzw. aus dem neutralen lateinischen Begriff "Societas Europaea" hat sich auch die bis heute international übliche Abkürzung für das Gebilde: SE entwickelt. In Deutschland auch gebräuchlich: EAG. 9 Ebenfalls aus Vorschlag 1975, a.a.0. Fn. 3. 10 So die Formulierung der Kommission im Grünbuch, Bulletin Beilage 8/75 S.8. 11 A.a.O. Fn. 6 S.9.

9 Diese beiden Stichworte Struktur und Mitbestimmung prägten bis zuletzt die Diskussion um die Schaffung einer übernationalen, europäischen Rechtsform, die SE. Hinzu kommen allerdings die Steuerfragen, sowohl bei der Gründung, wie auch bei der späteren Sitzverlegung. Dieses Thema soll hier aber ausgeklammert bleiben. Im Nachfolgenden geht es nur um das Gesellschaftsrecht der SE. Einzugehen ist auf die und Die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft vom 8.10.2001 Das deutsche Ausführungsgesetz dazu (SEAG) vom 22.12.2004 Arbeitnehmer

10 B. Gründung und Sitzverlegung I. Allgemeine Vorschriften Handelsgesellschaften können im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft 12 in der Form europäischer Aktiengesellschaften (nachfolgend SE genannt) unter den in der Verordnung über das Statut der europäischen Gesellschaft (nachfolgend zitiert VO) genannten Bedingungen gegründet werden (Art. 1 Abs. 1 VO). Soweit nicht die Verordnung gilt, sind die Paragraphen des deutschen SE-Ausführungsgesetzes (zitiert SEAG) heranzuziehen. Die SE ist eine Gesellschaft, deren Kapital in Aktien zerlegt ist und besitzt Rechtspersönlichkeit. Das Kapital der SE lautet auf Euro und muss mindestens 120.000 EUR betragen. Der Sitz der SE muss in der europäischen Gemeinschaft liegen, und zwar in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung der SE befindet. Jeder Mitgliedstaat kann darüber hinaus den in seinem Hoheitsgebiet eingetragenen SE vorschreiben, dass sie ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung am selben Ort haben müssen. (Art. 7 VO). 13 Für Deutschland gilt: Die Satzung hat als Sitz den Ort zu bestimmen, wo die Verwaltung geführt wird ( 2 SEAG). Aus diesem Sitz folgt auch die Zuständigkeit des handelsrechtlichen Registergerichts, dem jeweiligen Amtsgericht. Nach 52 SEAG erfolgt sogar nach Aufforderung eine Auflösung durch das Registergericht, wenn Sitz und Hauptverwaltung auseinander fallen. Der Sitz der SE kann, nachdem diese einmal gegründet worden ist, in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden. Diese Verlegung führt weder zur Auflösung der SE noch zur Gründung einer neuen juristischen Person (Zu Einzelheiten vgl. Rn.***). Die SE muss ihrer Firma den Zusatz SE voran oder nachstellen (Art. 11 VO). Jede SE wird zur Gründung im Sitzstaat in ein, nach dem Recht dieses Staates bestimmtes, Register eingetragen (Art. 12 Abs. 1 VO; 4 SEAG). Eine SE kann erst eingetragen werden, wenn eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer geschlossen worden ist oder, vereinfacht gesagt, einer der Ausnahmetatbestände vorliegt (Art. 12 Abs. 2 und 3 der VO). Das Registergericht hat hier eine eingehende Prüfpflicht. Entscheidend ist, dass die Satzung der SE zu keinem Zeitpunkt im Widerspruch zu der ausgehandelten Vereinbarung stehen darf; gegebenenfalls ist diese also nach Abschluss der Vereinbarung zu ändern (Art. 12 Abs. 4 VO). 12 Genauer: im europäischen Wirtschaftsraum, also inkl. Norwegen, Island und Lichtenstein. Diese sind, wenn im Nachfolgenden von Mitgliedsstaaten die Rede ist, immer einbezogen. 13 Die von einigen geäußerten europarechtlichen Zweifel an dieser Regelung der VO sollen hier nicht behandelt werden.

11 II. Gründungsformen Europäische Aktiengesellschaft (SE) Gründungsformen Fusion H olding Aktiengesellschaften aus zwei Mitgliedstaaten gründen durch Verschmelzung eine SE AG und GmbH aus zwei Mitgliedstaaten gründen Holding Tochter Umwandlung Gesellschaften und juristische Personen (öffentlichen oder privaten Rechts) aus zwei Mitgliedstaaten (oder SE selbst) gründen Tochter-SE AG kann sich in SE umwandeln, wenn sie seit zwei Jahren Tochter in anderem Mitgliedstaat hat Artikel 2 der Verordnung legt im Einzelnen fest, welche Gesellschaftsformen sich an einer Gründung einer SE beteiligen können. Sie werden nur teilweise ergänzend im Abschnitt 2 des SEAG ( 5 bis 11) behandelt. Wie aus obigem Schaubild ersichtlich gibt es hier gewissermaßen eine absteigende Linie: Während eine Verschmelzung als Gründungsform nur Aktiengesellschaften 14 zur Verfügung steht, können bei den anderen Gründungsformen Gesellschaften mit beschränkter Haftung 15 und sogar Gesellschaften i. S. des Art. 48 Abs. 2 des EU-Vertrages sowie juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts beteiligt sein. All den Gründungsformen gemeinsam ist ein grenzüberschreitendes Moment: Mindestens zwei der Gründergesellschaften müssen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Dies gilt in gewisser Weise auch für den Fall des reinen Rechtsformwechsels. Diese sogenannte Umwandlung ist Aktiengesellschaften vorbehalten, jedoch nur möglich, wenn sie mindestens seit zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft haben (Art. 2 Abs. 4 VO). 1. Fusion / Verschmelzung Diese wie bereits erwähnt nur für Aktiengesellschaften vorgesehene Gründungsform ist in ihren beiden Varianten aus dem nationalen Umwandlungsrecht geläufig: - es kann eine Verschmelzung im Wege der Aufnahme einer AG als Ganzes auf eine andere erfolgen oder - im Wege der Neugründung durch Verschmelzung beider Aktiengesellschaften als Ganzes auf eine neue, dadurch gegründete, SE (vergl. Art. 2 Abs. 1, Art. 17 VO, 5-8 SEAG und aus dem nationalen Umwandlungsrecht 2 77 UmwG). 14 siehe dazu die Liste im Anhang I der VO, Amtsblatt L 204/19. 15 Anhang II Amtsblatt L 204/20.

12 In einem Falle erlischt nach der Eintragung und der damit vollzogenen Verschmelzung die übertragende nationale Aktiengesellschaft (Art. 27, 29 Abs.1 VO). In dem anderen Falle erlöschen beide sich verschmelzenden nationalen Aktiengesellschaften (Art. 29 Abs. 2 VO, zur Entstehung der SE siehe dann Art. 17 Abs.2 VO). Für Aktionäre und Gläubiger enthalten die 6-8 SEAG Schutzvorschriften. Nach Art. 29 Abs. 4 VO gehen die zum Zeitpunkt der Eintragung aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten sowie aufgrund von individuellen Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen bestehenden Rechte und Pflichten der beteiligten Gesellschaften hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen mit der Eintragung der SE auf diese über. Diese Vorschrift und parallel dazu Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (RL), wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass die Strukturen der Arbeitnehmervertretung in den gründungsbeteiligten Gesellschaften, die als eigenständige juristische Personen erlöschen, nach der Eintragung der SE fortbestehen, sind erst spät in die Rechtstexte gekommen, aber für die Fusionsfälle, bei denen mindestens eine eigenständige nationale juristische Person erlischt, von besonderer Bedeutung. Art. 13 Abs. 4 SE-RL ermöglicht den Fortbestand der nationalen Strukturen der Arbeitnehmervertretung (also z. B. Gesamtbetriebsrat, Wirtschaftsausschuss und Konzernbetriebsrat). Nach 47 Abs.2 SEBG hat die Leitung der SE sicher zu stellen, dass diese Arbeitnehmervertretungen ihre Aufgaben weiterhin wahrnehmen können. Bei Art. 29 Abs. 4 SE-VO geht es nicht nur um den Übergang der Arbeitsverhältnisse und der individuellen Arbeitsverträge, sondern auch um die für das erlöschende Unternehmen geltenden oder mit ihm vereinbarten Tarifverträge (s. dazu Erwägungsgrund 20 der SE-RL). Die einzelnen Schritte zur Gründung einer SE durch Verschmelzung sind in nachfolgendem Kasten dargestellt. Schritte zur Verschmelzung (für durch Aufnahme und Neugründung) Die Leitungs- oder die Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften stellen einen - Verschmelzungsplan auf (Art. 20 VO) Inhalt u. a.: - Firma und Sitz der sich verschmelzenden Gesellschaften, sowie die für die SE vorgesehene Firma und ihren geplanten Sitz - Satzung der SE (damit auch Entscheidung über dualistische oder monistische Struktur des Unternehmens (s. dazu C.) - Angaben zu dem Verfahren nach dem die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer geschlossen wird - Offenlegung des Verschmelzungsplans

13 - Einleitung der Verhandlungen über die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer (Art. 3 Abs. 1 RL, 4 ff. SEBG) durch die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften (bis 6 Monate oder 1 Jahr) - Prüfung des Verschmelzungsplans und Bericht für alle Aktionäre - Vereinbarung oder Auffangregelung (Art. 4 und 7 RL) - Hauptversammlungen stimmen Verschmelzungsplan zu und genehmigen die Beteiligungsvereinbarung (Art. 23 VO) - Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung (Art. 25, 26 VO) - Eintragung de SE (Art. 27) und Erlöschen der übertragenden Gesellschaft (Art. 29 Abs.1 d VO). 2. Holding Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, können die Gründung einer Holding-SE anstreben, sofern mindestens zwei 16 von ihnen a) dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder b) seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben (Art. 2 Abs. 2 VO). In Art. 32 VO, der die Vorschriften zur Gründung anführt, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die die Gründung einer SE anstrebenden Gesellschaften selbst fortbestehen. Dabei muss man sich aber vergegenwärtigen, dass mit dieser Holding-SE etwas Neues gewissermaßen über den Gründergesellschaften Stehendes gebildet wird. Formal bleiben dabei die nationalen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer sowohl auf der Betriebsebene als auch in den Gesellschaftsorganen der nach der Holding-Gründung nur noch als Tochtergesellschaften fortbestehenden Gründergesellschaften erhalten. Praktisch aber dürften die zentralen Entscheidungen auf der Holding Ebene gefällt werden und von dort sich auswirken. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Verordnung im Grunde genommen keinerlei konzernrechtliche Regelungen enthält und es deshalb bei der Umsetzung in deutsches Recht notwendig gewesen ist, einen Abgleich mit dem Recht der verbundenen Unternehmen ( 15 ff., 291 ff. AktG) vorzunehmen. In 49 SEAG ist dies spezifisch für das monistische System geschehen. Einen Überblick zur Gründung einer Holding SE gibt nachfolgender Kasten: Schritte zur Holding SE 16 Dies ist wörtlich zu nehmen.

14 Die Leitungs- oder die Verwaltungsorgane der die Gründung anstrebenden Gesellschaften erstellen einen gleichlautenden Gründungsplan (Art. 32 Abs. 2 VO) Inhalt u. a.: - Bericht, der die Gründung aus rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht begründet sowie darlegt welche Auswirkungen für Aktionäre und Arbeitnehmer der Übergang zur Rechtsform SE hat - Angaben (Art. 32 Abs. 2 mit Verweis auf Art. 20 VO) - Firma und Sitz (Art. 20 Abs. 1a) - Satzung (Art. 20 Abs. 1b) - Zu dem Verfahren nach dem die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer geschlossen wird - Mindestprozentsatz der einzubringenden Aktien - Offenlegung des Gründungsplans (1 Monat) Art. 32 Abs. 3 VO - Einleitung der Verhandlungen über die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer (Art. 3 Abs. 1 RL, 4 ff. SEBG) durch die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften (bis 6 Monate oder 1 Jahr) - Prüfung des Gründungsplans und Bericht für Aktionäre (Art. 32 Abs. 4 VO) - Vereinbarung oder Auffangregelung - Hauptversammlungen stimmen Gründungsplan für SE zu und Genehmigung der Beteiligungsvereinbarung (Art. 32 Abs. 6 VO) - Prüfung der Rechtmäßigkeit der Holding-Gründung (Art. 33 VO) - Eintragung der SE (Art. 16 VO). Abschließend ist hervorzuheben, dass ein Mitgliedstaat für die eine Gründung anstrebenden Gesellschaften Vorschriften zum Schutz der die Gründung ablehnenden Minderheitsgesellschafter, der Gläubiger und der Arbeitnehmer erlassen kann. Für Gläubiger und Aktionäre ist dies in 9-11 SEAG geschehen. 3. Tochter-SE Im Abschnitt 4 der Verordnung finden sich hierzu direkt nur zwei Artikel: Art. 35 verweist auf die allgemeine Vorschrift des Art. 2 Abs. 3 VO und Art. 36 auf die Vorschriften über die Gründung einer Tochtergesellschaft in Form einer Aktiengesellschaft nationalen Rechts: Demgemäss können alle Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 des EU-Vertrages sowie juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, eine Tochter-SE durch Zeichnung ihrer Aktien gründen, sofern mindestens zwei von ihnen a) dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder

15 b) seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Durch die Verweisung auf das nationale Recht ist für SE, die als Tochter-SE in Deutschland gegründet werden sollen, das Umwandlungsgesetz einschlägig: Nach 123 Abs. 3 Nr.2 UmwG handelt es sich um einen Vorgang der Spaltung in Form der Ausgliederung zur Neugründung. Das Verfahren bestimmt sich im Einzelnen nach den 125 ff. UmwG. Das SEAG enthält keinerlei Ergänzungen für die Tochter-Gründung. Die einzelnen Schritte zur Tochter-SE Gründung fasst der nachfolgende Kasten zusammen. Schritte zur Tochter-SE Gründung - Vereinbarung eines Plans zur Gründung einer Tochter-SE (siehe 4 SEBG) - Einleitung der Verhandlungen über die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer ( 4 SEBG) durch die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften (bis 6 Monate oder 1 Jahr) - Gründungs- / Spaltungsbericht - Prüfung - Vereinbarung oder Auffangregelung - Anmeldung Register - Eintragung und Bekanntmachung Gründung einer Tochter-SE durch eine SE Nach Art. 3 Abs. 1 VO gehört auch die SE selbst zu den gründungsberechtigten Rechtsträgern für die Gründungsformen der Art. 2 Abs. 1 3 VO. Durch Art. 3 Abs. 2 VO wird sogar der SE selbst es erlaubt, eine oder mehrere Tochtergesellschaften in Form einer SE zu gründen. Bedingungen eines Landes, dass dort Aktiengesellschaften mehr als einen Aktionär haben müssen, gelten für diese Tochter-SE nicht. 4. Umwandlung/Rechtsformwechsel Diese Gründungsform war bis zum Schluss in der Diskussion, sind doch mit ihr auch besondere Probleme verbunden. Eine Aktiengesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden ist und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft hat, kann in eine SE umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht

16 eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat (Art. 2 Abs. 4 VO); die Existenz einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat genügt hier also nicht. Rechtstechnisch ist das Ganze mit dem Formwechsel nach 190 ff. UmwG für nationale Aktiengesellschaften vergleichbar. Entscheidend für diesen Umwandlungsfall ist, dass Art. 37 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass der Sitz der Gesellschaft anlässlich der Umwandlung nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden darf. Für die späteren Fälle von Sitzverlegungen enthält das SEAG in den 12-14 wiederum Aktionärs- und Gläubigerschutzvorschriften, insbesondere ein Abfindungsangebot für die Verlegung. Zum Gründungsverfahren gibt nachfolgender Kasten wiederum einen Überblick: Schritte zur Umwandlung in eine SE - Erstellung eines Umwandlungsplans durch das Leitungs- oder Verwaltungsorgan - darin Bericht, der: - Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Umwandlung erläutern und begründen muss und - Auswirkungen, die der Übergang zur SE für die Aktionäre und die Arbeitnehmer hat, darzulegen hat. - Einleitung der Verhandlungen über die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer ( 4 ff. SEBG) durch die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften (bis 6 Monate oder 1 Jahr) - Umwandlungsplan (mindestens 1 Monat vor HV) offen zu legen - Prüfung des Plans - Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer (in Bezug auf alle Komponenten) muss zumindest das gleiche Ausmaß gewährleisten wie vor Umwandlung (Art. 4 Abs. 4 RL) - Hauptversammlung stimmt Umwandlung zu und genehmigt Satzung - Eintragung als SE Aus der Gründungsvorschrift des Art. 37 VO sind noch zwei Gesichtspunkte hervorzuheben: - Ein Mitgliedstaat kann die Umwandlung davon abhängig machen, dass das Organ der umzuwandelnden Aktiengesellschaft, in dem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vorgesehen ist, der Umwandlung mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig zustimmt (Art. 37 Abs. 8). Auf die nationale Umsetzung in bezogen heißt dies, dass hier im deutschen Recht hätte verankert werden können, dass ein Aufsichtsratsbeschluss etwa mit 2/3 Mehrheit, wie bei der Vorstandsbestellung, oder mit Einstimmigkeit erforderlich ist. Eine entsprechende Regelung ist aber in das SEAG nicht aufgenommen worden. - Die zum Zeitpunkt der Eintragung aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten sowie aufgrund individueller Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse bestehende Rechte und Pflichten der umzuwandelnden Gesellschaft hinsichtlich der Beschäftigungsbedingungen gehen mit Eintragung der SE auf diese über (Art. 37 Abs. 9 VO). Angesichts der Natur der Umwandlung, nämlich mehr oder weniger eines Rechtsformwechsels, ist dieser Absatz zunächst nur als Klarstellung zu verstehen. Diese war allerdings insbesondere hinsichtlich der Gepflogenheiten schon notwendig. Denn nach dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie sind unter Gepflogenheiten auch Ta-

17 rifverträge auf verschiedenen Ebenen zu verstehen und insofern ist es wichtig, dass sich an ihnen durch die Eintragung der SE nichts ändert. 5. Sitzverlegung Wie in der Einleitung bereits angesprochen, entspricht es gerade der Idee der europäischen Gesellschaft, dass sie wegen ihrer übernationalen europäischen Rechtsform innerhalb der Gemeinschaften unkompliziert ihren Sitz verlegen können soll. Zunächst allerdings ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Sitz der SE in der Gemeinschaft liegen muss, und zwar in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptverwaltung der SE befindet. Jeder Mitgliedstaat kann darüber hinaus den in seinem Hoheitsgebiet eingetragenen SE vorschreiben, dass sie ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung am selben Ort haben müssen (Art. 7 VO). Dies ist für Deutschland in 2 SEAG geschehen. Art. 8 der Verordnung bestimmt äußerst detailliert die Einzelheiten der Verlegung des Sitzes der SE von einem Mitgliedstaat in den anderen. In Art. 8 Abs. 1 ist die entscheidende Rechtsfolge einer solchen Sitzverlegung ausdrücklich angesprochen: Sie führt weder zu Auflösung der SE noch zur Gründung einer neuen juristischen Person. Damit bleibt die Auflösung der Gesellschaft und die Aufdeckung stiller Reserven ausgeschlossen und jenseits der Grenze muss nicht mit der jeweiligen nationalen Prozedur eine neue juristische Person gegründet werden. Für Aktionäre und Gläubiger enthalten die 12-14 SEAG spezielle Ergänzungsvorschriften. Zu den Einzelheiten gibt folgender Kasten einen Überblick: Schritte zur Sitzverlegung (Art. 8 VO) - Verlegungsplan mit Angaben: - vorgesehener neuer Sitz - Satzung sowie ggf. neue Firma - etwaige Folgen der Verlegung für die Beteiligung der Arbeitnehmer - Zeitplan - Bericht durch das Leitungs- oder Verwaltungsorgan mit Erläuterung - der rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten der Verlegung und - Darlegung der Auswirkungen der Verlegung für die Aktionäre, Gläubiger und Arbeitnehmer - Offenlegung des Berichts für die Aktionäre (nach zwei Monaten frühestens) Verlegungsbeschluss durch Hauptversammlung - Abmeldung im Sitzstaat - Neueintragung in dem neuen Sitzstaat Entgegen früheren Überlegungen und Entwürfen findet allerdings keinesfalls im Zusammenhang mit der Sitzverlegung ein neues Verhandlungsverfahren über die Vereinbarung zur Beteiligung der Arbeitnehmer statt. Dies ergibt sich schlicht aus der Tatsache, dass für den Verlegungsfall derartiges nirgendwo in Verordnung oder Richtlinie erwähnt wird. Etwas anderes gilt für strukturelle Veränderungen. Hier ist Erwägungsgrund 18 SE-RL von Bedeutung: Die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen ist fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel dieser Richtlinie. Die

18 vor der Gründung von SE bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollten deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der SE (Vorher Nachher Prinzip) sein. Dieser Ansatz sollte folgerichtig nicht nur für die Neugründung einer SE, sondern auch für strukturelle Veränderungen einer bereits gegründeten SE und für die von den strukturellen Änderungsprozessen betroffenen Gesellschaften gelten. Wenn das Voher-Nachher-Prinzip und die Regelungen des Art. 11 SE-RL über den Verfahrensmissbrauch ernsthafte Konsequenzen für die praktischen Fälle nach sich ziehen sollen, muss man aus beiden Gesichtspunkten einen Nachverhandlungsanspruch im Falle der strukturellen Veränderungen bejahen. Im SEBG ist dem Problem der Strukturveränderungen an zahlreichen Stellen bis hin zum Missbrauchsverbot nach 43, welches den Zeitraum bis zu einem Jahr nach Gründung erfasst, Rechnung getragen worden. C. Konstruktion und Organe: Systemwahl / Organstruktur Europäische Aktiengesellschaft (SE) Grundkonstruktion Systemwahl Dualistisches System Vorstand= Leitungsorgan Aufsichtsrat= Aufsichtsorgan Festgelegt bei der Gründung durch die Satzung Monistisches System Board = Verwaltungsrat Mitgliedstaat kann im nationalen AG-Recht fehlende Vorschriften über System in Bezug auf SE erlassen Jede SE verfügt zunächst über eine Hauptversammlung der Aktionäre (Art. 38a VO) und darüber hinaus wird über die Satzung entschieden (also auch durch Satzungsänderungen unter Umständen später wieder abänderbar), ob die SE das dualistische (Vorstand und Aufsichtsrat) oder das monistische (Board = Verwaltungsrat) System für die Organisationsverfassung hat. Ein derartiges Wahlrecht gibt es bereits heute z.b. in Frankreich und in Italien. Darüber hinaus sieht die SE-VO in Art. 39 Abs. 5 bzw. 43 Abs. 4 vor, dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung jeweils auch Regelungen zu dem bisher im nationalen Aktienrechtssystem fehlenden Modell der Unternehmensverfassung in Bezug auf die SE erlassen können. Bei den nationalen Umsetzungen sind unterschiedliche Strategien zu beobachten gewesen. Rechtlich gesehen reicht für das nichtexistente System der

19 Verordnungstext aus; besser aber ist es, wenn, wie in Deutschland geschehen, das neue System näher geregelt wird (vgl. 20 49 SEAG). Der Titel III der Verordnung (Art. 38 ff.) enthält zunächst zum dualistischen System Vorschriften (und jetzt 15 ff. SEAG), danach zum monistischen System (Art. 43 ff. VO und jetzt 20 ff. SEAG) und schließlich gemeinsame Vorschriften für beide Systeme (Art. 46 ff.). Sie sollen im nächsten Abschnitt erläutert werden. 1. Dualistisches System Dem dualistischen System eigen ist die Aufteilung von Unternehmensleitung und -überwachung in zwei Organe. Leitungsorgan In der SE-VO (Art.39 Abs.1) wird für den Vorstand der SE der Begriff Leitungsorgan verwandt und bestimmt, dass das Leitungsorgan die Geschäfte der SE in eigener Verantwortung führt. Die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsorgan bestellt und abberufen (Art. 39 Abs. 2 VO). Die in der Verordnung daran anschließende Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, vorzusehen, dass in der Satzung festgelegt werden kann, dass die Mitglieder des Leitungsorgans von der Hauptversammlung bestellt und abberufen werden, ist für Deutschland nicht praktisch geworden. Ein weiteres, nicht unproblematisches, Mitgliedstaatenwahlrecht ist bezüglich der Größe des Leitungsorgans anzusprechen (Art. 39 Abs.4 VO): Die Zahl der Mitglieder des Leitungsorgans oder die Regel für ihre Festlegung werden durch die Satzung der SE bestimmt. Die Mitgliedstaaten können jedoch eine Mindestund/oder Höchstzahl festsetzen. Im Hinblick auf die Verankerung der Personalfunktion im Leitungsorgan (Arbeitsdirektor) ist jedenfalls für Deutschland bei der Umsetzung eine Mindestzahl von zwei Mitgliedern in 38 Abs.2 SEBG vorgeschrieben worden (s. dazu auch die allgemeine Regelung in 16 SEAG). Aufsichtsorgan Das Aufsichtsorgan überwacht die Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan. Es ist nicht berechtigt, die Geschäfte der SE selbst zu führen (Art. 40 Abs. 1 VO). Bestellt werden die Mitglieder des Aufsichtsorgans von der Hauptversammlung (Art. 40 Abs. 2 VO), wobei eine nach Maßgabe der SE-RL geschlossene Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer hiervon unberührt bleibt. Man kann hier die Parallele zur Montanmitbestimmung von 1951 ziehen; auch dort ist die Hauptversammlung das Wahlorgan für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ( 5 MontanMitbestG), wobei das Wahlorgan an die Vorschläge der Betriebsräte gebunden ist ( 6 Abs. 6 MontanMitbestG). Die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans oder die Regeln für ihre Festlegung werden durch die Satzung bestimmt (Art. 40 Abs. 3 VO). Die Mitgliedstaaten können allerdings für

20 die in ihrem Hoheitsgebiet eingetragenen SE die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans oder deren Höchst- und/oder Mindestzahl festlegen. Jedoch ist im SEAG nicht eine Berücksichtigung der Arbeitnehmerzahl-Schwellenwerte aus den verschiedenen geltenden Gesetzen zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat Vorbild gewesen, sondern die Staffelung aus 95 AktG entlang dem Grundkapital der Gesellschaft; die Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG bleibt jedoch unberührt ( 17 SEAG). Die Größe des Gremiums ist also prinzipiell verhandelbar. Die weiteren Vorschriften in der Verordnung speziell zum dualistischen System sind knapp gehalten: - Das Leitungsorgan unterrichtet das Aufsichtsorgan mindestens alle 3 Monate über den Gang der Geschäfte der SE und deren voraussichtliche Entwicklung. - Neben der regelmäßigen Unterrichtung teilt das Leitungsorgan dem Aufsichtsorgan rechtzeitig alle Informationen über Ereignisse mit, die sich auf die Lage der SE spürbar auswirken können. - Das Aufsichtsorgan kann vom Leitungsorgan jegliche Information verlangen, die für die Ausübung der Kontrolle erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass jedes Mitglied des Aufsichtsorgans von dieser Möglichkeit Gebrauch machen kann. Angesichts der Tatsache, dass im Transparenz- und Publizitätsgesetz 90 AktG in diesem Sinne als Einzelrecht ausgestaltet wurde, ist dies konsequenterweise mit 18 SEAG auch hier geschehen. - Das Aufsichtsorgan kann alle zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Überprüfungen vornehmen oder vornehmen lassen. - Jedes Mitglied des Aufsichtsorgans kann von allen Informationen, die diesem Organ übermittelt werden, Kenntnis nehmen. Hierzu müsste man anfügen, dass selbstverständlich vom Umfang der Informationen hier auch die Form abhängig ist; zumal außerhalb der Sitzungen ohnehin nur schriftliche oder elektronische Form möglich ist. Einen Punkt hat man durch Art. 42 VO den Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsorgan entzogen: Zwar wählt das Aufsichtsorgan aus seiner Mitte einen Vorsitzenden; wird die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsorgans jedoch von den Arbeitnehmern bestellt, so darf nur ein von der Hauptversammlung der Aktionäre bestelltes Mitglied zum Vorsitzenden gewählt werden. 2. Monistisches System Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 VO führt das Verwaltungsorgan die Geschäfte der SE. Detailliert ist dieser Verwaltungsrat in den 20 49 SEAG geregelt; ausdrücklich ausgeschlossen sind nach 20 SEAG die 76 bis 116 AktG für das deutsche dualistische System.

21 Da ein Mitgliedstaat vorsehen kann, dass ein oder mehrere Geschäftsführer die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung unter den selben Voraussetzungen wie sie für Aktiengesellschaften mit Sitz im Hoheitsgebiet gelten, führt bzw. führen, hat man im SEAG das Institut der geschäftsführenden Direktoren durchgängig eingeführt. Es scheint damit die für Boards aus dem angloamerikanischen Rechtskreis bekannte Unterscheidung zwischen den internen (inside) und externen (outside) Direktoren durch. Der Verwaltungsrat leitet die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung lautet der Ausgangssatz in 22 Abs. 1 SEAG. Eine wesentliche Weichenstellung enthält dann 40 SEAG: Der Verwaltungsrat muss geschäftsführende Direktoren bestellen. Dies kann aus seiner Mitte erfolgen (dann muss die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nichtgeschäftsführenden Direktoren bestehen) oder es können auch Dritte sein. Wichtig für eine Arbeitsteilung im Verwaltungsrat ist dann die Frage, welche Entscheidungen das gesamte Verwaltungsorgan treffen muss bzw. wann im Innenverhältnis die nichtgeschäftsführenden Direktoren gefragt werden müssen (dazu unten c. bei gemeinsamen Vorschriften: Zustimmungsbedürftige Geschäfte). Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats oder die Regel für ihre Festlegung sind auch hier wiederum in der Satzung der SE festlegbar ( 23, 24 SEAG von drei bis einundzwanzig), doch bleibt die Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG unberührt. Für die geschäftsführenden Direktoren ist 40 SEAG einschlägig. Für die Bestellung zuständig ist der Verwaltungsrat. Die Satzung kann Regelungen hierzu treffen; doch bleibt 38 Abs. 2 des SEBG also mindestens zwei wegen des Bereichs Arbeit und Soziales - unberührt. Für die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats gilt das gleiche wie oben beim dualistischen System für das Aufsichtsorgan, nämlich die Bestellung durch die Hauptversammlung. Auch hier wiederum bleibt eine etwaige Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer davon unberührt ( 28 Abs. 1 SEAG, Art. 43 Abs. 3 VO). Ist die Zusammensetzung des Verwaltungsrats streitig oder ungewiss, so findet das aus dem deutschen Recht bereits bekannte Statusverfahren Anwendung ( 25-26 SEAG); auch gerichtliche Ersatzbestellungen für Fehlende sieht das Gesetz vor ( 30 SEAG). Die weiteren Vorschriften zum Verwaltungsorgan sind in der Verordnung besonders knapp gehalten worden, weshalb der deutsche Gesetzentwurf - wie erwähnt- 29 Paragrafen benötigt. - Das Verwaltungsorgan tritt in den durch die Satzung bestimmten Abständen, mindestens jedoch alle 3 Monate, zusammen, um über den Gang der Geschäfte der SE und deren voraussichtliche Entwicklung zu beraten (Art. 44 Abs. 1 VO).Im übrigen gilt für Sondersitzungen das Verfahren aus 110 AktG (s. 37 SEAG). - Jedes Mitglied des Verwaltungsorgans kann von allen Informationen, die diesem Organ übermittelt werden, Kenntnis nehmen (Art. 44 Abs. 2 VO). Die geschäftsführenden Direktoren berichten dem Verwaltungsrat entsprechend 90 AktG (s. 40 Abs. 6 SEAG). - Das Verwaltungsorgan wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden der, wenn die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsorgans von den Arbeitnehmern bestellt wird, nur aus dem

22 Kreis der von der Hauptversammlung der Aktionäre bestellten Mitglieder bestellt werden darf (Art. 45 VO). - Ist ein geschäftsführender Direktor, der zugleich Mitglied des Verwaltungsrats ist, aus rechtlichen Gründen gehindert, an der Beschlussfassung im Verwaltungsrat teilzunehmen, so hat insoweit der Vorsitzende des Verwaltungsrats eine zusätzliche Stimme. 17 3. Gemeinsame Vorschriften Hier ist zunächst die gegenüber deutschem Recht höhere Obergrenze für den Bestellungszeitraum der Organe hervorhebenswert. Er darf sechs Jahre nicht überschreiten (Art. 46 Abs. 1 VO). Zur sogenannten inneren Ordnung findet man wenig in den gemeinsamen Vorschriften (siehe Art. 50, aber man muss dann auf 107 ff. AktG für das dualistische System und auf die 34 ff. für den Verwaltungsrat zurückgreifen): - Für die Beschlussfähigkeit müssen mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend oder vertreten sein und - die Beschlussfassung muss mit der Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Mitglieder stattfinden. - Sofern die Satzung keine einschlägige Bestimmung enthält, gibt die Stimme des Vorsitzenden des jeweiligen Organs bei Stimmengleichheit den Ausschlag. Eine anders lautende Satzungsbestimmung ist jedoch nicht möglich, wenn sich das Aufsichtsorgan zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern zusammensetzt (speziell noch zum Verwaltungsrat die Mehrheitssicherung in 35 Abs. 3 SEAG). Zustimmungsbedürftige Geschäfte (Art. 48 VO) In der historischen Entwicklung der Regeln der SE hat gerade dieses Thema immer wieder unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren; insbesondere gab es zwischendurch bereits einmal einen sogenannten Mindestkatalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte. Jetzt aber sieht Art. 48 eine Mischung der Gestaltungsmöglichkeiten vor: - In der Satzung der SE werden die Arten von Geschäften aufgeführt, für die im dualistischen System das Aufsichtsorgan dem Leitungsorgan seine Zustimmung erteilen muss und im monistischen System ein ausdrücklicher Beschluss des Verwaltungsorgans erforderlich ist (Abs. 1 Satz 1). - Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass im dualistischen System das Aufsichtsorgan selbst bestimmte Arten von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig machen kann. 17 Diese Regelung, deren Tragweite zu klären wäre, ist erst spät ins Gesetz gekommen. Hintergrund war der Streit, ob die Umsetzung der Auffangregelung für den Board (höchster Anteil an Sitzen) Parität bedeutet.

23 - Schließlich können die Mitgliedstaaten für die in ihrem Hoheitsgebiet eingetragenen SE festlegen, welche Arten von Geschäften auf jedem Fall in die Satzung aufzunehmen sind (Art. 48 Abs. 2 VO). Die Diskussion in den deutschen Aufsichtsräten zu dieser Thematik ist bekanntlich alt. Erst die Regierungskommission Corporate Governance hat sich in 2001 18 und ebenso die Corporate Governance Kodex Kommission in 2002 19 dazu durchgerungen, dass im Unternehmen ein solcher Katalog existieren muss. Eine richtige Umsetzung des Art. 48 VO unter Berücksichtigung dieser aktuellen Debatte in Deutschland müsste eigentlich dazu führen, dass dem Aufsichtsichtsorgan nicht nur die Erlaubnis gegeben wird, einen solchen Katalog festzulegen, sondern ihm auch Entscheidungshilfen an die Hand zu geben. Insofern wäre es richtig, die (österreichische) Variante einzuführen, die Art. 48 Abs. 2 auch ermöglicht, wonach bereits in der Satzung für bestimmte Arten von Geschäften Vorgaben zu machen sind (Mindestkatalog). Jedoch: Für das dualistische System sieht 19 SEAG vor, dass der Aufsichtsrat selbst bestimmte Arten von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig machen kann; man meinte europarechtlich nicht weiter gehen zu können, und für das monistische System hat man in 34 Abs.2 und 40 Abs. 4 SEAG die Frage schlicht der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats überantwortet und sogar festgelegt, dass die Satzung Einzelfragen bereits bindend regeln kann. Wichtig wäre vor allen Dingen für das Innenverhältnis des Verwaltungsrats von diesem selbst zu bestimmen, wann die geschäftsführenden Direktoren die übrigen Verwaltungsratsmitglieder um eine Zustimmung anzugehen haben (s. dazu 44 Abs.2 SEAG: Beschränkung der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis). Verschwiegenheitspflicht und Haftung In der Verordnung selbst ist die individuelle Verschwiegenheitspflicht der Organe der SE mit folgender Formulierung europarechtlich formuliert: Die Mitglieder der Organe der SE dürfen Informationen über die SE, die im Falle ihrer Verbreitung den Interessen der Gesellschaft schaden könnten, auch nach Ausscheiden aus ihrem Amt nicht weitergeben; dies gilt nicht in Fällen, in denen eine solche Information zur Weitergabe nach den Bestimmungen des für Aktiengesellschaften geltenden einzelstaatlichen Rechts vorgeschrieben oder zulässig ist oder im öffentlichen Interesse liegt. (Art. 49 VO) In der SE-RL gibt es sowohl in Art. 8 wie im Teil 2 der Auffangregelungen für die Unterrichtung und Anhörung noch spezielle Geheimhaltungsregelungen im Bezug auf das Vertretungsorgan der Arbeitnehmer in der SE (in der deutschen Umsetzung SE-Betriebsrat genannt). Diese sind stark an die entsprechenden Bestimmungen des EBRG angeglichen (vgl. die Erläuterungen zu 39 EBRG). 18 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance 2001 19 Corporate Governance Kodex siehe: http://www.bmj.bund.de