Medical Device Regulation 2017 (MDR) Bekommen die Patienten mehr Sicherheit? Dr. med. univ. Sebastian Werner Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin Akkreditiertes Prüflabor HygCen Germany GmbH, Schwerin Ziel der EU mit der MDR 2017 Patientensicherheit erhöhen Der europäischen Kommission will mit der Ablösung der Medizinprodukterichtlinien (wie die MDD) durch die Medical Device Regulation die Patientensicherheit in der Europäischen Union besser gewährleisten als in der Vergangenheit. Directive -> Regulation AIMDD 90/385/EWG + MDD 93/42/EWG => MDR (EU) 2017/745 IVDD 98/79/EG => IVDR (EU) 2017/746 1
Anwendung der MDR ab 2020 25. Mai 2017 -> Inkrafttreten der MDR 5. Mai 2017 -> Publikation im Amtsblatt 26. Mai 2020 -> Geltungsbeginn Alte MDD Bescheinigungen gültig bis maximal 5 Jahre jedoch spätestens am 27. Mai 2024 verlieren Sie ihre Gültigkeit. Nur wenn keine wesentlichen Änderungen der Auslegung und der Zweckbestimmung vorliegen und Vorgaben der MDR müssen erfüllt sein: Überwachung nach Inverkehrbringen Marktüberwachung Vigilanz Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten Benannte Stellen / Notified Bodies 26. Nov. 2017 - Benannte Stellen müssen Anforderungen an MDR erfüllen -> Zeit 6 Monate für die Akkreditierung durch die Akkreditierungsbehörde Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/2013 (Benennung und Beaufsichtigung Benannter Stellen) - (Re-)Designation of Notified Bodies (process for joint assessments) NBOG BPG 2016-1 This guide is intended to provide guidance to designating authorities (DAs) and joint assessment teams (JATs) when conducting (re-)designation and scope extension assessments of notified bodies (NBs) under Commission Implementing Regulation (EU) No 920/2013 (hereafter referred to as the Regulation). Auswirkungen für Benannte Stellen Flow Chart (Re-)Designation Process => Dauer 18 Monate 2
Scrutiny Verfahren / Konsultationsverfahren Die Medizinprodukterichtlinien sahen die Fachgutachter bei den benannten Stellen noch als die einzigen zwingend einzubeziehenden Experten. Die MDR verlangt nun wörtlich: Bei [bestimmten Produkten] sollten Benannte Stellen [ ] verpflichtet sein, Expertengremien zu beauftragen, ihre Berichte über die Begutachtung der klinischen Bewertung zu kontrollieren. Die Benannte Stelle stellt fest, ob sie mit einem Konformitätsbewertungsverfahren beauftragt wurde, das die Anwendung des Scrutiny-Verfahrens erfordert. Wenn es sich um implantierbare Klasse-III-Produkte beziehungsweise aktive Klasse-IIb-Produkte, die dazu bestimmt sind, Arzneimittel an den Körper abzugeben, handelt. Keine Anwendung bei Rezertifizierungen oder bei bloßen Modifikationen. Scrutiny-Verfahren Das Expertengremium teilt der Kommission innerhalb von 21 Tagen nach Eingang der von der Kommission übermittelten Dokumente mit, ob es beabsichtigt, ein wissenschaftliches Gutachten (dann innerhalb von 60 Tagen) vorzulegen, oder ob es nicht beabsichtigt, ein wissenschaftliches Gutachten vorzulegen Die Benannte Stelle berücksichtigt gebührend die in dem wissenschaftlichen Gutachten des Expertengremiums geäußerten Standpunkte Folgt die benannte Stelle dem Gutachten des Expertengremiums in ihrem Konformitätsbewertungsbericht nicht, so legt sie eine umfassende Begründung dafür vor, und die Kommission macht sowohl das wissenschaftliche Gutachten des Expertengremiums als auch die von der benannten Stelle vorgelegte schriftliche Begründung über EUDAMED öffentlich zugänglich 3
Vigilanzsystem und aufgaben Art. 83 ff. MDR Überwachung nach dem Inverkehrbringen, Vigilanz und Marktüberwachung Klasse I: Pflicht zur Erstellung eines Berichts über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen Klassen IIa, IIb und III (Art. 86 MDR): Pflicht zur Erstellung eines regelmäßig aktualisierten Berichts über die Sicherheit für jedes Produkt und gegebenenfalls für jede Produktkategorie oder Produktgruppe (PSURs) Erforderlichkeit der Aktualisierung unterschiedlich je nach Klasse Neue Definitionen und kürzere Meldefristen bei schwerwiegenden Vorkommnissen Die neue verantwortliche Person Für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person Hersteller verfügen in ihrer Organisation über mindestens eine Person mit dem erforderlichen Fachwissen auf dem Gebiet der Medizinprodukte Nachweise: Vier Jahre Berufserfahrung in Regulierungsfragen oder Qualitätsmanagementsystemen im Zusammenhang mit Medizinprodukten; Hersteller von Sonderanfertigungen können das erforderliche Fachwissen durch zwei Jahre Berufserfahrung in einem entsprechenden Fabrikationsbereich nachweisen; KMUs sind nicht verpflichtet, in ihrer Organisation eine für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person zur Verfügung zu haben; sie müssen jedoch dauerhaft und ständig auf eine solche Person zurückgreifen können 4
Hochstufung und Prüfung Durch die Hochstufung von wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten für die Anwendung am zentralen Herz-Kreislauf- System von Klasse I auf Klasse III unterliegen diese Produkte künftig der umfassenden Überprüfung durch die Benannten Stellen. Es ist zu erwarten, dass die bisherigen Nachweise der strengeren Kontrolle durch die Benannten Stellen ggf. nicht standhalten werden Bereits jetzt und verschärft auch durch die MDR erfolgt eine vertiefte Überprüfung von technischen Dokumentationen durch die Benannten Stellen. Es ist zu erwarten, dass z.b. im Bereich der Nachweise zur Biokompatibilität bisher vorgelegte Bewertungen künftig nicht mehr anerkannt und hier zusätzliche Nachweise gefordert werden. Überwachung Im Rahmen der unangekündigten Audits haben die Benannten Stellen das Recht, Produktmuster für Prüfungen einzubehalten, sofern der Verdacht besteht, dass vorliegende Nachweise nicht ausreichend sind. Die Überwachungstätigkeit der zuständigen Behörden wird sich im Rahmen der MDR weiter verstärken. Es ist zu erwarten, dass gerade Hersteller von Klasse I Produkten dadurch mit Nachforderungen fehlender Nachweise konfrontiert sein werden. 5
Poly Implant Prothèse (PIP) Skandal PIP Skandal 2010 Gericht spricht Notified Body frei von Haftungsansprüchen: Die Prüfer hätten bei der Überwachung des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) keine Pflichten verletzt: Der französische Hersteller hatte seine Implantate bis zum Bekanntwerden des Betrugs 2010 (seit 2001) mit Industriesilikon befüllt, das für diese Zwecke nicht zugelassen war. Der TÜV Rheinland zertifizierte und überwachte die Qualitätssicherung von PIP. Bei mehreren angekündigten Kontrollen in der Firma war aber nichts aufgefallen: Dort wurde vor dem Besuch von Prüfern das Industriesilikon gegen das zugelassene, höherwertige Gel ausgetauscht. Die gesamte Dokumentation gab es doppelt, in einer echten und einer gefälschten Fassung. 6
Dalli-Action Plan 09.02.2012 EU-Kommissar John Dalli - Gemeinsamer Plan für Sofortmaßnahmen Folgende Maßnahmen schriftlich Mitgliedstaaten vorgeschlagen: Verschärfung der Kontrollen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmen Überprüfung der Benennung der zuständigen Stellen bzw. deren Erfahrungen und Kompetenzen Sicherstellung, dass alle benannten Stellen im Rahmen der Konformitätsbewertung alle Befugnisse ausschöpfen, d.h. insbesondere unangekündigte Inspektionen durchzuführen Dalli-Action Plan 09.02.2012 Verstärkung der Marktüberwachung durch einzelstaatliche Behörden, insbesondere Stichproben bei bestimmten Arten von Produkten Verbesserung der Funktionsweise des Vigilanzsystems für Medizinprodukte Unterstützung der Entwicklung von Instrumenten zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten ebenso wie die langfristige Überwachung ihrer Sicherheit und Leistung, z. B. UDI und durch Implantatregister. 7
Kein Problem mit Medizinprodukten??? Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Harald Terpe, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Fehlende Patientensicherheit bei Medizinprodukten", BT-Drs. 1718403 vom 02.02.2012 Die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung der Fragesteller, die diesen außergewöhnlichen Einzelfall zum Anlass nehmen, um von gravierenden Mängeln in den Bereichen Patienteninformation, Qualitätskontrolle und Patientensicherheit bei der Anwendung von Medizinprodukten zu sprechen. Angesichts des problemlosen millionenfachen täglichen Einsatzes von Medizinprodukten in ambulanten und stationären Gesundheitseinrichtungen allein in Deutschland, führen solche Pauschalbehauptungen nur zu einer unnötigen Verunsicherung von Patientinnen und Patienten. Problemlos???? Nächster Skandal auch mit MDR kommt sicher! 8
Sind diese Zahlen schon Teil der Betrachtung der Krankenhaushygiene? Vorkommnisse unbekannt? Das BfArM selber gibt an, dass Hersteller und Anwender nur ungenügend ihrer Meldepflicht bei Vorkommnissen nachkämen. Daher müsse von einer erheblichen Dunkelziffer nicht gemeldeter Probleme ausgegangen werden! Wann wird das Vorhandensein eines etablierten Meldeprozesses für Vorkommnisse in den Einrichtungen des Gesundheitswesens geprüft und endlich verlangt? 9
War MDR nötig? Ein Fall wie PIP könnte genau so wieder passieren! Weil kriminelle Machenschaften auch mit der strengsten Regulierung nie ganz zu verhindern sind Eine konsequente Anwendung der bisherigen Vorschriften (MDD) und des Plans von EU-Kommissar John Dalli von 2012 hätten vlt. vollauf genügt Vielen Dank! 10