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Transkript:

Chirurgie bei Kindern und Jugendlichen mit CED Mehr als nur operative Eingriffe Teil 2: Lebensqualität durch Operation Prof. Dr. med. Ekkehard C. Jehle Vorbemerkungen Bei Kindern und Jugendlichen stellt die operative Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) eine besondere Herausforderung dar. Dies bezieht sich weniger auf die chirurgische Technik und das konkrete Vorgehen während einer Operation: Dieses unterscheidet sich im Prinzip nicht von der Therapie bei Erwachsenen. Vielmehr steht bei Kindern und Jugendlichen noch deutlicher als bei erwachsenen CED-Patienten die Frage des Ob und Wann im Vordergrund: Gibt es einen Grund, zu operieren, ist die Operation in der konkreten Situation die bessere Behandlungs-Option? Ist dies der richtige Zeitpunkt für eine Operation? Das sind schwierige Fragen. Insbesondere für die Eltern, die ja meist für ihre Kinder und im Interesse ihrer Kinder diese Entscheidung treffen müssen. Und auch für die Kinderärzte und Kindergastroenterologen, welche die Kinder und ihre Eltern bezüglich des weiteren Vorgehens beraten und den Weg zum Chirurgen empfehlen sollen. Diese Entscheidungen und Wegbahnungen werden häufig durch verständliche und nachvollziehbare Ängste, aber leider auch durch Unwissenheit beeinflusst. Erleichtert werden kann solch eine Entscheidung durch eine ganz einfache Fragestellung: Was ist das Ziel der Behandlung? Das Ziel der Behandlung beim Morbus Crohn (den wir zum jetzigen Zeitpunkt weder durch Medikamente noch durch eine Operation heilen können) ist Lebensqualität und Symptomfreiheit. 40 Kinder und Jugendliche mit CED

Das Ziel der operativen Behandlung bei Colitis ulcerosa ist Lebensqualität und Heilung. Das Behandlungsziel Lebensqualität beinhaltet bei Kindern und Jugendlichen weit mehr als bei Erwachsenen, nämlich: normales Körper und Längenwachstum (dieses lässt sich nach der Pubertät nicht mehr aufholen), normaler Schulbesuch mit Schulabschluss, Freizeitbetätigung mit Freunden ohne Einschränkungen, sportliche Betätigung ohne Einschränkungen, normale Sexualentwicklung und Partnerfindung, Abschluss einer Berufsausbildung, einer Lehre oder eines Studiums. Leider werden diese grundlegenden Behandlungsziele häufig aus den Augen verloren und es wird als Behandlungserfolg angesehen, dem Kind durch die Medikamente eine Operation erspart oder die Operation auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben zu haben. Deutlich verstärkt wurde diese Tendenz in den letzten Jahren durch den frühen und häufigen Einsatz der anti-tnfα- Antikörper (Infliximab = Remicade, Adalimumab = Humira). Wenn die Lebensqualität, das Wohlbefinden und die normale Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen durch gut verträgliche und nebenwirkungsarme Medikamente erreicht werden kann, besteht kein Grund für eine Operation. Wenn diese Ziele aber durch eine Operation schneller, verlässlicher und nebenwirkungsärmer erreicht werden können, sollte diese Option gewählt werden. Operationsindikation, Operationstechniken und Ergebnisse Die konkreten Gründe für eine Operation sind bei Kindern und Jugendlichen dieselben wie bei Erwachsenen. Diese Operations-Indikationen sind in dem Artikel von Dr. Martin Claßen ausführlich darge- Die Ängste bei Kindern und Eltern vor einer Operation mögen höher sein, um den Patienten aber eine Höhere Lebensqualität zu ermöglichen, Minderwuchs auszuwenden oder Medikamentennebenwirkungen zu vermeiden, sollte bei Kindern und Jugendlichen eher früher an eine OP als Therapieoption gedacht werden. In diesem Artikel geht der Chirurg Prof. Jehle auf die Thematik ein, besonders auf Stenosen, Darm- und Analfisteln (beim Crohn) und die Pouch-OP (bei der Colitis), und ergänzt damit den vorausgehenden Artikel aus der Sicht des Kindergastroenterologen. Kinder und Jugendliche mit CED 41

Abb. 1: Querschnitt durch einen normalen Dünndarm mit dünner Wand und weiter Lichtung (rechts) und durch einen Crohnbefallenen Dünndarm mit verdickter narbiger Wand und enger Lichtung (links) stellt, sodass sie von mir nicht wiederholt werden müssen. Auch die verschiedenen operativen Vorgehensweisen sind dort dargestellt worden. Ich möchte deshalb im Folgenden lediglich auf einige mir wichtige Besonderheiten eingehen. Stenosen bei Morbus Crohn Das Auftreten einer oder mehrerer Engstellen am Darm ( Stenose, Striktur ) ist eine typische Komplikation des Morbus Crohn. Diese Stenosen sind primär entzündlich bedingt, bei längerem Bestehen überwiegt jedoch der narbige Anteil (Abb. 1). Bei entzündlichen Stenosen kann eine Intensivierung der medikamentösen Therapie die Symptomatik verbessern; bei vorwiegend narbigen Stenosen helfen die Medikamente nicht. Wichtig ist: Der alleinige Nachweis einer Stenose durch Röntgenuntersuchungen, Kernspintomographie (MRT) oder Darmspiegelung ist kein Grund für eine Operation. Nur symptomatische (= bestimmte Symptome verursachende) Stenosen müssen therapiert werden. Typische Symptome sind regelmäßig nach dem Essen auftretende krampfartige Bauchschmerzen. Dann muss operiert werden. Es sollte tunlichst nicht versucht werden, durch ein chronisches Nahrungsvermeidungsverhalten diese Schmerzen zu umgehen oder durch chronisch hohe Schmerzmittelgaben die Situation zu beherrschen. Stenosen die kurzstreckig und mit dem Koloskop gut erreichbar sind, können statt mit einer operativen Maßnahme auf endoskopischem Weg aufgeweitet werden. Dies trifft aber nur auf ganz wenige Stenosen zu. Die typische Behandlung bei Stenosen ist die operative Entfernung des engen Darmabschnittes mit einer Naht zwischen den Darmenden ( Anastomose ). Da der Morbus Crohn bevorzugt an der Anastomose wieder auftritt, muss darauf Abb. 2: Typische weite Darmnaht zwischen Dünndarm und Dickdarm ( Ileoascendostomie ) mit einem Klammernahtgerät nach einer Ileocoecalresektion 42 Kinder und Jugendliche mit CED

Abb. 3: Typische Strikturoplastik: oben: kurzstreckige Dünndarm-Stenose mitte: Längseröffnung des Darmes über der Stenose unten: querer Verschluss des Darmes und damit Erweiterung der Enge Falls mehrere Stenosen am Dünndarm vorliegen, werden diese nicht entfernt; vielmehr werden diese Engstellen durch eine spezielle Nahttechnik ( Strikturoplastik ) erweitert, dadurch kann der Verlust von Darmlänge verhindert werden (Abb. 3). Darmfisteln bei Morbus Crohn geachtet werden, diese möglichst weit anzulegen. Im eigenen Vorgehen benützen wir dafür seit über 20 Jahren Klammernahtgeräte (Abb. 2). Durch eine weite Anastomose treten bei neuerlicher Entzündung und neuerlichem Engerwerden des Darmes die damit verbundenen Symptome erst viel später auf. Die meisten Patienten mit einer typischen Ileocoecal-Resektion sind nach der Operation viele Jahre medikamenten- und beschwerdefrei. Eine zweite typische Komplikation des Morbus Crohn ist das Auftreten von Fisteln, die von befallenen Darmabschnitten ausgehen (sogenannte enterische Fisteln ). Diese sind streng zu unterscheiden von Analfisteln (s.u.). Auch bei den Darmfisteln gilt wie bei den Stenosen, dass der alleinige Nachweis einer Fistel durch Röntgen oder Endoskopie kein Grund für eine Operation oder andere Therapie darstellt. Nur symptomatische enterische Fisteln müssen therapiert werden. Fisteln zur Haut ( enterocutane Fisteln ) sind immer symptomatisch auf Grund von Hautreizungen und sollten operiert werden. Ebenfalls immer symptomatisch und deswegen operationspflichtig sind Fisteln zur Harnblase ( enterovesicale Fistel ); durch sie entstehen chronische Harnwegsinfekte. Leider werden bei Darmfisteln häufig sofort Antikörper (Remicade, Humira) ein- Kinder und Jugendliche mit CED 43

gesetzt, obwohl darunter die Fisteln nie abheilen, sondern bestenfalls asymptomatisch werden. Der Einsatz von Antikörpern mag im Einzelfall sinnvoll sein und seine Berechtigung haben; prinzipiell sollte vor einem Einsatz von Antikörpern aber immer die chirurgische Therapieoption diskutiert werden. Bei falscher Behandlung kann eine dauerhafte Einschränkung der Stuhlkontinenz auftreten. Gerade bei der Behandlung der Analfisteln ist eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem Kindergastroenterologen und dem Chirurgen zwingend erforderlich. Analfisteln bei Morbus Crohn Pouch-OP bei Colitis ulcerosa Ein anales Fistelleiden ist auch in der Bevölkerung, die nicht an Morbus Crohn erkrankt ist, weit verbreitet. Bei Crohn- Patienten, auch bei Kindern, treten Analfisteln jedoch deutlich häufiger auf und haben bei diesen eine weit höhere Relevanz für die Lebensqualität. Auch hier gilt: Analfisteln, die keine Symptome verursachen, sollen nicht behandelt werden. Leider sind die meisten Analfisteln symptomatisch: sie sind schmerzhaft, der Eiter fließt aus den Fistelöffnungen, es kann bei Fisteln zur Scheide zu Stuhl- und Luftabgang über die Scheide kommen, immer wieder können Abszesse auftreten. Auch bei den Analfisteln wird leider häufig sofort eine Therapie mit Antikörpern begonnen, obwohl doch gerade bei den Analfisteln durch kleine operative Maßnahmen (Eröffnung von Abszessen, Fadendrainage von Fisteln) ganz schnell Symptomfreiheit erzielt werden kann. Auch lassen sich manche Fisteln mit wenig belastenden Operationen verschließen. Prinzipiell muss jedoch betont werden, dass die Behandlung insbesondere die chirurgische Behandlung der Analfisteln nur in erfahrene Hände gehört. Bei der Colitis ulcerosa ist die Standard-Operation die komplette Entfernung des Dickdarmes und Mastdarmes ( Proktokolektomie ), die Schaffung eines neuen Stuhlreservoirs ( Pouch ) und der Anschluss dieses Pouches an den Schließmuskel zur Wiederherstellung einer normalen Stuhlpassage ( ileopouchanale Anastomose ) (Abb. 4). Üblicherweise wird dabei vorübergehend zum Schutz der Abheilung der neuen Darmverbindung ein Dünndarm- Ausgang ( Loop-Ileostoma ) angelegt, welcher nach einigen Wochen in einer zweiten kleinen Operation wieder entfernt werden kann (man nennt dies zweizeitiges Vorgehen ). Diese Operation kann auch bei Kindern ab einer gewissen Körpergröße (meist Schulalter) durchgeführt werden. Bei kleineren Kindern muss ein dreizeitiges Vorgehen (s.u.) gewählt werden, also zuerst nur der entzündete Dickdarm entfernt werden. Auf die genauen technischen Details der Operation möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, da dies ausführlich im thematischen Schwerpunkt des Bauchredner 2/2010 zu Pouch und Stoma abgehandelt wurde. 44 Kinder und Jugendliche mit CED

Ein zunehmendes Problem für den CED-Chirurgen ist, dass die Patienten immer später zur Operation geschickt werden, häufig erst, wenn alle zur Verfügung stehenden Immunsuppressiva ausprobiert worden sind, meist auch die Kombination von mehreren Immunsuppressiva. Diese Kinder und Jugendlichen kommen häufig zusätzlich in einem sehr schlechten Allgemein- und Ernährungszustand zur Operation. In dieser Situation kann man keine Pouch-Operation durchführen, da das Risiko von Komplikationen deutlich erhöht ist. Besonders mit Risiken behaftet sind höhere Dosen von Prednison (bei Erwachsen über 20 mg/tag; bei Kindern je nach Körper- gewicht entsprechend weniger) und die Gabe von TNF-α-Antikörpern. Man muss in dieser Situation deshalb ein dreizeitiges Vorgehen wählen: Zuerst die Entfernung des Dickdarmes unter Belassung und Blindverschluss des Mastdarmes sowie die Anlage eines vorläufigen Dünndarmausganges; im zweiten Schritt nach Erholung des Kindes und nach völligem Ausschleichen und Absetzen der immunsuppressiven Medikamente die Entfernung des Mastdarmes, die Anlage des Pouches und die Anlage eines Loop-Ileostomas; im dritten Schritt schließlich die Rückverlagerung des doppelläufigen Stomas. Dieses Vorgehen ist natürlich viel komplizierter und zeitaufwändiger. Deshalb mein Appell an Eltern und Kinderärzte: Wenn die Krankheitsaktivität nicht mit den üblichen Medikamenten in den Griff zu bekommen ist, sollte frühzeitig und vor Einsatz der Antikörper der Kontakt mit einem erfahrenen CED-Chirurgen aufgenommen werden, um die operative Therapie zu diskutieren. Abb. 4: Schematische Darstellung der ileopouchanalen Anastomose nach Entfernung des Dickdarmes und Mastdarmes Kinder entwickeln nach Pouch-Operation und Stomarückverlagerung üblicherweise sehr schnell eine gute Pouchfunktion. Der Dünndarm lernt im Kindesalter sehr schnell, die Funktion des Dickdarmes, nämlich den Entzug von Wasser aus dem Stuhlbrei, zu übernehmen, sodass die Kinder häufig nur 3 Stuhlentleerungen pro Tag haben. Fast alle unserer Patienten entwickeln nach einer Pouchoperation eine perfekte Stuhlkontinenz auch nachts. Das Problem der Pouchitis wurde in der Vergangenheit überbewertet: Fast jeder Pouch-Patient entwickelt einmal eine Pou- Kinder und Jugendliche mit CED 45

Schlussbemerkungen Prof. Dr.med. Ekkehard C. Jehle ist Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie und Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie am Krankenkaus St. Elisabeth der Oberschwabenklinik in Ravensburg. E-Mail: chir-ek@oberschwabenklinik.de chitis-episode, meist im ersten Jahr nach Pouch-Anlage. Wenn dies sofort erkannt wird (typisch sind plötzlich auftretender starker Stuhldrang, eine plötzliche Erhöhung der Stuhlfrequenz, neues Auftreten von blutigen Stühlen) und sofort mit Antibiotika behandelt wird, sind die Symptome nach wenigen Tagen verschwunden. Wichtig ist, die Symptome sofort zu erkennen und schnell mit der Therapie zu beginnen. Wenn eine Pouchitis lange unbehandelt bleibt, ist sie schwer wieder loszuwerden. Das Argument Das Kind ist ja noch so klein, man kann doch nicht jetzt schon operieren! ist vom Ansatz her grundlegend falsch. Dieses Kind soll trotz seiner chronisch entzündlichen Darmerkrankung ein möglichst uneingeschränktes Leben mit normaler körperlicher und geistiger Entwicklung und mit hoher Lebensqualität führen können. Deshalb muss bei Versagen einer medikamentösen Therapie bei Kindern umso früher an eine Operation gedacht werden. Und gerade bei Kindern sollte man äußerst zurückhaltend gegenüber hoch wirksamer, aber auch hoch gefährlicher Medikamente sein: Wie wollen wir wissen, was die nun sehr häufig und sehr früh eingesetzten Antikörper in einem noch mehrere Jahrzehnte dauernden Leben an schwerwiegenden Nebenwirkungen verursachen werden? Nur wenn erfahrene Kindergastroenterologen und erfahrene Chirurgen vertrauensvoll zusammenarbeiten, wenn die Kinderärzte bei einem komplizierten Verlauf der CED frühzeitig den Kontakt des Kindes und seiner Familie zum Chirurgen herstellen, nur dann kann für das erkrankte Kind (und natürlich auch für dessen gesamte mitleidende Familie) ein Optimum an Lebensqualität und normaler Entwicklung erreicht werden. 46 Kinder und Jugendliche mit CED