Internationale Reformtrends in der europäischen Gesundheitspolitik Die Niederlande und Deutschland auf dem Weg zur Konvergenz?



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Transkript:

Prof. Dr. Stefan Greß Internationale Reformtrends in der europäischen Gesundheitspolitik Die Niederlande und Deutschland auf dem Weg zur Konvergenz? Vortrag beim Workshop der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Europäisierung der Gesundheitspolitik am 10. Dezember 2009 in Berlin

Thesen zur Diskussion Die Konvergenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Krankenversicherungssystem hat durch das GKV-WSG eine neue Dimension erreicht. Die Konvergenz findet derzeit zeitversetzt statt das GKV-WSG hat vor allem Elemente des niederländischen Systems vor der Reform 2006 aufgenommen. Die Konvergenz der beiden Systeme kann sich weiter vertiefen der Ideentransfer spielt dabei jedoch eine untergeordnete Rolle. 2

Krankenversicherung vor der Reform Private Zusatzversicherung Soziale Pflichtversicherung (ZFW) Private Vollversicherung (PKV) Pflege- und Langzeitversicherung (AWBZ) 3

Krankenversicherung Niederlande 2006 Private Zusatzversicherung Pflichtversicherung für Akutversorgung (ZVW) Pflege- und Langzeitversicherung (AWBZ) 4

Finanzierungsreform Einkommensabhängige Prämien (50% der Ausgaben) Einheitlich für alle Versicherten Festlegung durch Gesundheitsministerium Berücksichtigung sämtlicher Einkommensarten Arbeitgeber übernimmt Zahlungen für Beschäftige Einkommensunabhängige Prämien (50% der Ausgaben) Einheitlich für alle Versicherten eines Krankenversicherers Festlegung durch Krankenversicherer Finanzierung der Kinderprämien durch den Staat 5

Sozialer Ausgleich Prämienzuschuss für Geringverdiener Anspruchsberechtigung einkommensabhängig bis etwa 25.000 Euro Jahreseinkommen für Singles bis etwa 40.000 Euro Jahreseinkommen für Partner Festlegung durch Finanzamt Auszahlung an die Versicherten Orientierung an Durchschnittsprämien Rund 70 Prozent aller Haushalte anspruchsberechtigt 6

Sozialer Ausgleich in den Niederlanden Durchschnittl. Höhe der Pauschale (in pro Jahr) Steuerzuschuss (in Mrd. pro Jahr) Haushalte Zuschuss (in Millionen) 2006 1015 2007 1059 2008 1200 2009 1209 Quelle: Gesundheitsministerium 2.5 2.6 3.4 3.7 4.9 5.0 5.1 n.a. 7

RSA in den Niederlanden Jahr 1992 1995 2002 2004 2007 2008 Neuer Ausgleichsparameter Alter und Geschlecht Region, Erwerbsunfähigkeit, Beschäftigter Arzneimittelverordnungen (13 Gruppen, ca. 7% der Bevölkerung, eindeutige Zuordnung) Krankenhausdiagnosen (ca. 2% der Bevölkerung) Erweiterung Arzneimittelverordnungen (20 Gruppen, rund 16% der Bevölkerung, Mehrfachzuordnung w/multimorbidität möglich) Sozioökonomischer Status Quelle: van de Ven 2008 8

Wo gibt es Annäherung (1/2)? Gesundheitsfonds Zentrale Beitragssammelstelle Steuerfinanzierung Einkommensabhängige Beiträge Einheitlich für alle Krankenkassen Zentrale Festsetzung durch Verordnung Morbiditätsorientierte Risikoadjustierung der Zuweisungen Aber: Keine Erweiterung der Beitragsbemessungsgrundlage 9

Wo gibt es Annäherung (2/2)? Pauschalbeiträge Zusatzbeitrag kann pauschal erhoben werden Mix zwischen einkommensabhängigen Beiträgen und Pauschalbeiträgen international nur in den beiden Ländern Pfad zur einkommensunabhängigen Finanzierung mit steuerfinanziertem Sozialausgleich? Versicherungspflicht In beiden Ländern erstmalig allgemeine Versicherungspflicht In beiden Ländern keine Kontrolle der Versicherungspflicht Basistarif in der PKV führt Elemente der sozialen Krankenversicherung in die PKV ein 10

Die Themen: Kein Ende der Annäherung? Pauschalfinanzierung und Sozialausgleich Finanzierung durch einkommensunabhängige Pauschalen Modalitäten zur Ausgestaltung des Sozialausgleichs Wettbewerb als Steuerungsmaxime Anreizstrukturen für Krankenversicherer Handlungsoptionen für Krankenversicherer, Versicherte und Leistungserbringer Verhältnis zwischen GKV und PKV Nachhaltigkeit in der GKV-Finanzierung 11

Lernprozess als Ursache für Annäherung? Gesundheitspolitische Agenda primär im Inland bestimmt Palette von Reformoptionen ist begrenzt Selektive Wahrnehmung internationaler Erfahrungen Deutliche Unterschiede im Detail Aktiver Transfer von Ideen vor allem auf Fachebene Internationale Erfahrungen zur Reflektion über das eigene System 12

Thesen zur Diskussion Die Konvergenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Krankenversicherungssystem hat durch das GKV-WSG eine neue Dimension erreicht. Die Konvergenz findet derzeit zeitversetzt statt das GKV-WSG hat vor allem Elemente des niederländischen Systems vor der Reform 2006 aufgenommen. Die Konvergenz der beiden Systeme kann sich weiter vertiefen der Ideentransfer spielt dabei jedoch eine untergeordnete Rolle. 13

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! stefan.gress@hs-fulda.de