Verbote und Einschränkungen: Potentiale, Gefahren und Alternativen. Univ.-Prof. Dr. Arnd Florack

Ähnliche Dokumente
Die (gesunde) Lebensmittelwahl: Wie sich Eltern beeinflussen lassen

Die (gesunde) Lebensmittelwahl: Wie sich Familien beeinflussen lassen

Zigarettenreklame und Beginn des Rauchens. Reiner Hanewinkel

Nudging - das sagt die Forschung

HS-Niederrhein Fachbereich Oecotrophologie Methodenlehre SPSS-Kurs. Heißhunger. Vs.

Gesunde Ernährung Eine Broschüre in leicht verständlicher Sprache

Gesundheits- und Risikoverhalten von Berliner Kindern und Jugendlichen

Fleischkonsum in der Schweiz

Ansätze zur Prävention von Übergewicht-

Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun!

Alkoholprävention: Was wirkt und warum?

- ich begrüße Sie herzlich zur zweiten Veranstaltung Dialog Verbraucherschutz.

Emotional Design. Lehren und Lernen mit Medien II. Professur E-Learning und Neue Medien. Institut für Medienforschung Philosophische Fakultät

Soziale Bewegungen in der (Ex-)DDR II. Soziale Bewegungen

Warum essen wir was wir essen? Einsichten aus Verhaltens- und Hirnforschung

Alkohol. Tabellen. 20. Juli 2018 N8414/36512 Fr/Sp. forsa marplan Mark- und Mediaforschungsgesellschaft

Die Politik und das Bier - Aktuelle Herausforderungen für die Brauwirtschaft NGG-BRAUFORUM. Oberjosbach, 25. Februar 2019

Alkohol. 1. Untersuchungsziel

Leistungsverhalten nach nächtlicher Lärmexposition Fluglärmstudien STRAIN Eva-Maria Elmenhorst, Mathias Basner

Wie kann ich mein Demenzrisiko senken?

Stadelmann-Steffen, Juni Die Akzeptanz erneuerbarer Energie

Regularien am Beispiel Lebensmittelsteuer gegen Übergewicht und Tabaksteuer und Rauchverhalten

Selbstregulation. Theresa Sextl & Lena Schuch, Katholische Universität Eichstätt, Sozialpsychologie: Vertiefung

Vom ökonomischen Wert des Schützens. Roland Olschewski (Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL)

Werbe- und Konsumenten Psychologie

Nachhaltiger Konsum und verhaltensbasierte Verbraucherpolitik

Der Konsument als Erfolgsfaktor Über die Psychologie des Kaufverhaltens

Allianz-AGES-Lebensstil-Studie 2010

Kochen? Nein danke! (B2/ C1)

Einfluss und Nutzen sozialer Normen auf das menschliche Verhalten

Die Gesundheit der Walliser Bevölkerung

Alkoholkonsum und Schwangerschaft

Ernährung und Bewegung von Kindern und Jugendlichen

Stellungnahme zum Entwurf für die Revision der Radio- und Fernsehverordnung

GfK 2013 Consumers Choices 13

LOHNT SICH ETHIK FÜR UNTERNEHMEN?

cool facts Tiefkühlkost Zahlen, Daten, Fakten Deutsches Tiefkühlinstitut e.v. Reinhardtstraße 18a Berlin

Nudging. Ein neues Patentrezept?

Kanalwahrnehmung und -wahl in der Unterwegsversorgung

La prévention entrave-t-elle la liberté individuelle?

Steuern machen nicht schlank

Wachsende Ungleichheit, steigendes Ungerechtigkeitsempfinden? Objektive Ungleichheiten und Gerechtigkeitsurteile der Bevölkerung,

Volkswirtschaft Modul 2

Abstiegsangst in Deutschland: Hilft Sozialpolitik gegen Rechtspopulismus?

Alkoholwerbung im Sport: gesetzliche Bestimmungen in der Schweiz und Europa

Globale Allianzen für eine Zivilisation ohne Zivilisations -Krankheiten und der Beitrag der internationalen Tabakkontrollpolitik

Computerspiele & Sozialverhalten: Effekte gewalttätiger und prosozialer Computerspiele. Prof. Dr. Tobias Greitemeyer Universität Innsbruck

Was isst die Welt. «Welternährung» Science City, ETH Hönggerberg, HCI, 25. März 2012

Price Excellence. Value Based Pricing Mit nutzenorientiertem Pricing zum Erfolg. Patrick Pfäffli. Stampede Slides

Neu-Regulierung des Cannabismarkts: Ja, aber wie genau?

Gesund oder ungesund? Über die Behaftung von Lebensmitteln. Dr. Adrian Meule

T E Bilder: Matthias Mittenentzwei/pixelio, I-vista / pixelio.de

Pecha Kucha PRO PLANET-Kommunikation

Finanzwissen und private Altersvorsorge in Deutschland: Ergebnisse aus SAVE 2008 Tabea Bucher-Koenen MEA and CDSE, Universität Mannheim

Hauptnavigation. Inhalt Hauptnavigation Metanavigation. Sitemap Materialien Peers Forum Kontakt Impressum

A Problemstellung, Ziele und Aufbau der Arbeit 1. B Theoretischer Teil - Persönlichkeit, Werte und Normen 9

Wirkung strategischer Kommunikation Identifikation zentraler Teilziele

Die Ökosteuer. Wie entwickelt sich die Ökosteuer in Deutschland und welche Wirkung hat sie?

Sozioökonomische und makroökonomische Effekte in Oberösterreich aufgrund der Zeitumstellung

Reifungskulturen und Probiotika für Käse Aktuelle Trends und Entwicklungen. Dipl.-Ing. (FH) Nicole Ulbrich Chr. Hansen GmbH, Nienburg

Kapitel 4: Die Marktnachfrage. Einführung Mikroökonomie Professor Dr. Manfred Königstein 1

Clausthal University of Technology IEWT Wien,

Wie kommt das Essen auf den Tisch?

Kooperieren oder nicht kooperieren. 10 evidenzbasierte Prinzipien für eine nachhaltige Mieterbeziehung

Weniger Zucker BIO GLUTENFRE

Wählerverhalten in der Demokratie

Ökonomische Aspekte der täglichen Turnstunde

Übungsaufgaben zu Kapitel 3: Der Gütermarkt

Konsequenzen der Medienberichterstattung über Pädophilie

Ernährung in Österreich

Does Imagined Ease of Argument Generation Influence Attitudes?

Who Cares? AkteurInnen/Handlungsfelder: 1. Familie. Kreimer Margareta. Kommentar im Rahmen der Forschungstagung, Universität Innsbruck 14.

cool facts Tiefkühlkost Zahlen, Daten, Fakten

Volkswirtschaftliche Grundlagen

Gibt es die perfekte Ernährung? Ein Projekt der 6B - Klasse mit

Qualifikationsphase (Q1) - GRUNDKURS. Unterrichtsvorhaben II:

Realität durch Fiktionen. Rezeptionserleben, Medienkompetenz und Überzeugungsänderungen. Markus Appel. Xoyoc,

Zur Umverteilungssensitivität in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Alterssicherung Eine experimental-ökonomische Analyse.

Risiken einschätzen: die wahren Ursachen feststellen. Marloes Maathuis Seminar für Statistik ETH Zürich

Die Psychologie des Schlafs

Verlängerung der Lebensarbeitszeit Möglichkeiten und Grenzen für individuelle und betriebliche Strategien

Karisimira Nevenova Fotolia.com. Master Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft

IP ÖSTERREICH KINDERSTUDIE 2018 Breakfastkids: Qualitative Studie zur Wirkung von TV Werbung. März / April 2018

Tabak: Einstellungen zu Werbung, Preiserhöhungen und Verkaufseinschränkungen (Zusammenfassung)

I N F O R M A T I O N

HUMANINSTITUT Personal und System CONSULTING Dr. Franz Witzeling. Ist ein differenziertes oder absolutes Rauchverbot gefragt?

Vorlesung Arbeits-, Konsum- und Gesellschaftsökonomik

vitamin de, Nr. 80 / Frühling 2019, S

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verschmelzung der on- und offline Welten: aus virtuell und real wird vireal.

Das Fairness-Konzept: Rechtliche Grundlagen und ökonomische Effizienz. Der Wert von Fairness in der ökonomischen Forschung

Grüne Äpfel schmecken sauer, oder?! Farbe, Verpackung und Forschung am POS. Prof. Dr. Kerstin Bruchmann

E-Commerce Greening the Mainstream

»Fit im Job« Handlungsfeld: Ernährung. Präventionsziel:

Was können wir in der Adipositasprävention von der Tabakkontrolle lernen?

Gesund alt werden im Quartier

Meine Lebensmittel: Gesund, regional und fair

The Biggest Loser Teens

Gezügeltes Essverhalten bei 11- und 12-jährigen Mädchen: Einfluss der Subkomponenten und der Störbarkeit des Essverhaltens auf die Nahrungsaufnahme

Transkript:

Verbote und Einschränkungen: Potentiale, Gefahren und Alternativen Univ.-Prof. Dr. Arnd Florack

Ebenen der Regulation Gesellschaftliche Ebene Gesetzliche Regulierung Verbote und Einschränkungen (Werbung, Verkauf, Genuss) Monetäre Anreize (Steuern) Normen Gesellschaft / Eltern Individuelle Ebene Selbstauferlegte Einschränkungen

Gesetzliche Regulierung: Verbote von Werbung Grundannahme Werbung beeinflusst nicht nur die Präferenz für eine Marke, sondern Werbung beeinflusst die Menge des Konsums Erkenntnisse der Forschung Es gibt keinen Zweifel, dass diese Annahme zutrifft

Erhöht Werbung den Konsum? Herausforderung Feldstudien zu Wirkung von Werbung * berücksichtigen oft nicht, ob ein Wechsel von einer zu einer anderen Marke stattfindet * lassen oft keine Schlüsse über kausale Einflüsse zu

Erhöht Werbung den Konsum? Experimentelle (Labor-)Forschung, in denen die Konsummenge erfasst wird Beispiel (Harris et al., 2009, Experiment 1) Kinder (7-11 Jahre) betrachten Film mit Werbung für verschiedene Snacks Film mit Werbung für Non-Food Produkte Kinder essen 45% mehr eines NICHT BEWORBENEN Snacks (Goldfish Cracker), wenn sie die Werbung für ANDERE Snacks gesehen haben!

Erhöht Werbung den Konsum? Empfänglichkeit Verhaltenskontrolle Werbung Zielaktivierung Konsum Florack & Ineichen (2008)

Gesetzliche Regulierung: Helfen Werbeverbote? Quebec Verbot von Werbung für Fast Food mit Ziel der Beeinflussung von Kindern unter 13 Jahren (1980) Studie (Dhar, & Baylis, 2011) Vergleich von anglophonen und frankophonen Haushalten (1984 1992) Ergebnis Ausgaben für Fast Food um 20% niedriger bei den frankophonen Haushalten Betrifft nur Haushalte mit Kindern Betrifft keine frankophonen Haushalte in anderen Regionen

Gesetzliche Regulierung: Helfen Werbeverbote? Heterogene Effekte aus der Forschung zum Verbot für Tabakwerbung (Beispiele) Studie Hamilton (1975), 11 OECD Länder Ergebnis Kein Effekt des Verbots Laugesen & Meads (1991), 22 OECD Länder Verbot reduziert den Konsum Stewart (1993), 22 OECD Länder Kein Effekt des Verbots

Gesetzliche Regulierung: Warum sind die Effekte von Verboten so unterschiedlich? Werbung findet andere Wege (Sagger & Chaloupka, 2000) Studie (Dhar, & Baylis, 2011) Anglophone haben das US-Amerikanische Fernsehen genutzt

Gesetzliche Regulierung: Warum sind die Effekte von Verboten so unterschiedlich? Studie (Goldfarb & Tucker, 2011) Randomisierte Testung von 275 Online Werbungen in Staaten mit / ohne Werbeverbot (Außenwerbung für Alkohol) 61.580 Personen Ergebnis Weniger Kaufintentionen für Alkohol in den Staaten mit Verbot ABER: Ohne Online Alkoholwerbung: 8% Vorteil Bei gezeigter Online Alkoholwerbung: 3% Vorteil

Gesetzliche Regulierung: Warum sind die Effekte von Verboten so unterschiedlich? Alternative Wege der Beeinflussung Werbung mit nicht verbotenen Werbeformen Werbung über das Internet aus anderen Regionen Soziale Medien Soziale Modelle im Alltag

Gesetzliche Regulierung: Steuern und Anreize Grundidee Konsumenten entscheiden rational Erhöhung von Kosten führt zur Verringerung der Nachfrage

Gesetzliche Regulierung: Steuern und Anreize Umsatz von zuckerhaltigen Getränken nach Steuereinführung in Mexiko (Colchero et al., 2016) (Panel: 6253 Haushalte) Steuer: Ca. 10% Preisanstieg, 1. Januar 2014 * 6% Rückgang bei zuckerhaltigen Getränken (2014) * 4% Anstieg bei zuckerfreien Getränken (2014)

Gesetzliche Regulierung: Steuern und Anreize Meta-Analyse über 112 Studie zu Preisen und Steuern von alkoholischen Getränken (Wagenaar, Salois, & Kornro, 2009) * fast alle Studien zeigen, dass die Nachfrage nach Wein und Bier bei steigenden Preisen sinkt * mittlerer Zusammenhang (Aggregatlevel: -.17 bei Bier und -.30 bei Wein)

Gesetzliche Regulierung: Steuern und Anreize Herausforderungen Es ist nicht immer klar, welche Alternativen gewählt werden und ob diese gesünder sind (z.b. Chips statt Cola) (siehe auch Fletcher et al., 2010). Steuer hat auf wohlhabende Haushalte weniger Einfluss (Batis et al., 2016) Gerade geringe Preisanstiege könnten keine Effekte haben, wenn die Marken stark sind oder Adaptation stattfindet.

Gesetzliche Regulierung: Steuern und Anreize Preisabsatzfunktion bei starken Marken Preis Preisanstieg mit geringem Rückgang der Nachfrage Absatz (Menge)

Normen Schönheitsideal (Groesz et al., 2002) Negative Bewertung von Übergewicht (Crocker et al., 1993) Herausforderung (1) Menschen wissen oft nicht, wie sie die gesetzten Ziele erreichen können. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle ist oft wichtiger als die wahrgenommene Erwartung an eine Person (Connor et al., 2002) (2) Salienz von deskriptiven und injunktiven Normen ist zentral (Cialdini, 2003)

Normen: Regulation der Eltern Du sollst mehr Gemüse und Salat essen Du sollst nicht so viel Fast Food essen

Normen: Unerwünschte Effekte Reaktanz (Miron, & Brehm, 2006) Einschränkung der Wahlfreiheit erhöht die Motivation, die Freiheit der Wahl wieder herzustellen Stärke der Reaktanz Schwierigkeit bei der Herstellung der Wahlfreiheit

Normen: Unerwünschte Effekte Pragmatische Regeln der Konversation (Wänke & Reutner, 2010) Du sollst mehr Gemüse essen Es würde nicht gesagt werden, wenn man es ohnehin essen würde. = es wird nicht schmecken Du sollst nicht so viel Schokolade essen Es würde nicht gesagt werden, wenn man es nicht essen würde. = es muss lecker sein

Individuelle Ebene: Selbsteinschränkung Selbstauferlegte Einschränkung (Restraint Eating, z.b. Strien et al., 1986) KonsumentInnen * achten darauf, weniger zu essen als sie gerne würden * achten sehr genau darauf, was sie essen * wählenessen mit Bedacht aus

Individuelle Ebene: Selbsteinschränkung Gefahr (Stroebe, 2008) * Selbstregulation braucht kognitive Energie und erhöht den Fokus auf das Essen * Deprivation erhöht das Wanting * Zusammenbruch der Selbstregulation bei Ablenkung oder anderer Art der Belastung

Grundproblem: Gesundes Essen als harte Arbeit Laientheorie und ein generelles Prinzip (Raghunathan, Naylor, & Hoyer, 2006) Protestantische Arbeitsethik Was aus ethischer und moralischer Perspektive erstrebenswert ist, ist mit hohen Anstrengungen verbunden GESUND ESSEN = Harte Arbeit

Ungesund = schmeckt besser Heuristik (Eigene Befragung, N = 380, nach Alter, Geschlecht entsprechend der Bevölkerung in Österreich geschichtet) 60 Produkte, die gut für mich sind, schmecken selten gut 50 40 30 20 10 0 Starke Ablehnung Teilweise Zustimmung / Ablehnung Starke Zustimmung

Alternativer Ansatz Hohe Selbstkontrolle Arbeit Gesund essen Fokus auf Essen Deprivation erhöht Wanting Verzerrte Repräsentation von Essen im Gedächtnis - Gesunde Ernährung Genuss Kein ständiger Fokus auf das Essen Alternative Regulation in Essenspausen Ausgewogenere Repräsentation von Essen im Gedächtnis + Gesunde Ernährung

Zusammenfassung Verbote und Steuern Haben nachweisbare Effekte auf eingegrenztes Verhalten Aber: Ernährungsverhalten ist komplex und Kompensation möglich Beeinflussung kann andere Wege finden

Zusammenfassung Soziale Normen Haben üblicherweise starke Einflüsse Aber: Allgemeine Ideale helfen nicht bei der Umsetzung Normen können unerwünschtes Verhalten anzeigen (die meisten Essen ungesund) Normen müssen aus der Gruppe kommen, die relevant ist

Zusammenfassung Selbstauferlegte Einschränkungen Können kurzfristig wirksam sein Aber: Scheitern bei Ablenkungen oder kognitiver Belastung

Zusammenfassung Alternative Verbindung von Gesundheit und Genuss!