Interviewleitfaden für ein ablaufbezogenes Kennenlernen der Hauptperson einer Persönliche Zukunftsplanung für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) Der Interviewleitfaden für eine Persönliche Zukunftsplanung für Menschen mit ASS ist entstanden aus der Übertragung der: Checkliste Arbeitsplatz als 'Safe Place' : Potenzielle Unterstützungsbedarfe im beruflichen Feld bei Menschen mit hochfunktionalem Autismus / Asperger-Syndrom von PD Dr. Monika Lang, IRA, Kerkrader Str. 9, 35394 Gießen, auf die angenommenen Bedürfnisse für Menschen mit ASS für eine Persönliche Zukunftsplanung. Grundentscheidung in der Begleitung der Person mit ASS (und der Person selbst) bei allen Begleitungsbedarfen: Trainieren oder überbrücken? Wer muss sich bewegen bzw. verändern: die Person mit ASS oder das direkte soziale Umfeld? Entscheidungskriterium: Gehört die entsprechende Kompetenz zur Zone der nächsten Entwicklung, d.h. kann diese Fähigkeit oder Fertigkeit derzeit mit Hilfestellung erreicht werden? Wenn ja: kann diese Fähigkeit oder Fertigkeit trainiert werden? Interviewleitfaden zum Kennenlernen der Special Needs Mitgedacht und im Leitfaden aufgezeichnet werden auf (neuro)psychologiescher Ebene die Bereiche: 1. Theory of mind: wie sind die sozial-kognitiven Kompetenzen entwickelt? Z.B. Mentalisierung, Empathie, metaphorisches Sprachverständnis, verstehen von Witz und Ironie? 2. Besonderheiten in der Intelligenzstruktur und Aufmerksamkeitssteuerung: was motiviert? 3. Handlungsplanung, Exekutivfunktionen, Zeitwahrnehmung als ein Teilaspekt 4. Wie ist die Fähigkeit zur zentralen Kohärenz? Gibt es eine Kontextproblematik? Detaildenker 1
Wie kommuniziert die Hauptperson Kann die Hauptperson sprechen? Benutzt sie Methoden der Unterstützen Kommunikation? Gibt es die Möglichkeit einer validen JA/NEIN Antwort? Kann die Hauptperson sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden bzw. eine Auswahl treffen? Gibt es bestimmte Zeitregeln, die zu beachten sind? Kann die Hauptperson Blickkontakt aufnehmen? Ertragen? Wieviel Raum braucht die Hauptperson um sich? Wie kann sie sich regulieren? Gibt es Signale für eine Überreizung? Können diese vereinbart werden? Kann die Hauptperson über sich selbst nachdenken? Darüber Kommunizieren? Welchen Zugang hat sie zu Sprache: Ironie, Witz, Metaphern, die Hauptbegriffe aus der Persönlichen Zukunftsplanung? Welche Interessen hat die Hauptperson? Welche Grundbildung? Wie sieht die bisherige schulische und berufliche Laufbahn der Hauptperson aus? Wo konnte die Hauptperson bisher Erfolge erleben und wo musste sie Fehlschläge hinnehmen? Mit welchen Interessen oder Tätigkeiten gestaltet der Hauptperson derzeit seinen Tag, seine Woche? (Frage: Was kann ich gut?) Hat die Hauptperson Spezial- oder Sonderinteressen? (Frage: Wo liegen meine Interessen?) Welche Kompetenzen und Interessen zeigen sich im Bereich der Spezialinteressen? (das Gespräch über Spezialinteressen ist auch eine wichtige Brücke im Aufbau von Kontakt und Beziehung zum Hauptperson) Welche Situationen lösen Stress bzw. Ängste und Abwehr aus? Wie geht der Hauptperson bisher mit Entscheidungssituationen um? Benötigt sie strukturierende und visualisierende Hilfen (z.b. mit TEACCH- Methoden) in der Lebensplanung (zeitliche Verläufe, Teilschritte zum Erreichen eines Ziels visuell verdeutlichen) insgesamt? Am Tag der Planung selber? 2
Umgang mit Unterstützern Welche sozialen Regeln sind der Hauptperson hier bekannt? Weiß die Hauptperson, wie man angemessen Menschen anspricht, die nicht zum engeren familiären Kreis gehören? In welcher Differenziertheit kann die Hauptperson Mimik und Gestik von anderen Menschen lesen (gibt es hier einen Unterschied zwischen fremden und vertrauten Personen)? In welchem Maße kann die Hauptperson ihre eigenen Gefühle wahrnehmen, benennen und in einer sozialen Situation angemessen und verständlich für Andere reagieren? Welcher Unterstützer ist bereit, die Aufgabe eines Coachs/Vermittlers/Übersetzers während der Planung zu übernehmen? Benötigen einzelne Unterstützer zur spezifischen Situation der Person mit ASS (individuelle Übersetzung der ASS-Diagnose)? Mit welchen Formen der Information ist die Hauptperson derzeit einverstanden? Benötigt und wünscht die Hauptperson Unterstützung in der Auseinandersetzung mit der Diagnose ASS? Orientierung während der Planung Welche orientierenden Grundinformationen benötigt die Hauptperson über die formalen Schritte der Planung, die Räumlichkeiten, Abläufe, zeitliche Tagesgestaltung (verbal und / oder visuell, per konkreter Einübung mit Assistenz)? Welche Hilfen können hier verankert werden (z.b. visuelle Abstützung durch TEACCH-Methoden für Wege und Zeiten) Unterstützer/ModeratorInnen-kontakt Wie viel Unvorhersehbarkeit und Verunsicherung beinhaltet der Kontakt mit Unterstützern für die Person mit ASS bzw. wie viel Stress, Druck und Angst wird dadurch ausgelöst? Wie kann hier für die Hauptperson eine hinreichend entspannte Planungs- /Arbeitssituation hergestellt werden? 3
Verhalten bei Kritik und Lob Welches Wissen besitzt die Hauptperson über Kritik und Lob (Formen, Sinn und Ziel)? Weiß die Hauptperson, wie sie angemessen Kritik an Anderen äußern kann? Weiß die Hauptperson, wie sie andere Menschen loben kann? Weiß die Hauptperson, wie sie mit Kritik an sich selbst umgehen kann? Kann die Hauptperson mit Lob von anderen angemessen umgehen oder ist ihr Lob vielleicht unangenehm? Verhalten in unklaren Situationen Besitzt die Hauptperson Verhaltensstrategien für unklare und verwirrende Situationen? (z.b. nachfragen beim Coach/Vermittler/Übersetzer oder nachsehen auf einem Plan) Bemerkt die Hauptperson rechtzeitig selbst, wenn eine Situation sie verwirrt (d.h. solange sie noch handlungsfähig ist?) Pausenverhalten Benötigt die Hauptperson Rückzug und Ruhe? Auf welche Weise kann ihm dies ohne viel Aufwand ermöglicht werden? Gibt es Signale, die zeigen, dass die Hauptperson eine Pause braucht? (Können welche vereinbart werden?) Welchen Zugang hat die Hauptperson zu Small Talk-Situationen? Umgang mit Gefahrenquellen Kann die Hauptperson Gefahrenquellen selbst erkennen oder muss die Umgebung mit ihr zusammen in dieser Richtung analysiert werden? 4
Umgang mit Veränderungen Wie flexibel kann die Hauptperson mit spontanen oder angekündigten Veränderungen umgehen? Was sollte davon im Planungsverlauf der Moderation bekannt sein? Welche Hilfen (z.b. aus dem TEACCH-Ansatz) können hier verankert werden? Mobilität In welchem Maße und durch welche Faktoren lösen neue Räume Stress bei der Hauptperson aus? Wie schnell kann der Hauptperson sich in einem anderen Raum bzw. an einem anderen Ort orientieren? Benötigt der Hauptperson Hilfestellung für den Weg zwischen verschiedenen Räumlichkeiten? Z.B. Toilette? Zeitliche Planung der Vorbereitungen für die Planung und des Planungs-Tages selber Welchen Zugang hat die Hauptperson zur Wahrnehmung und Einschätzung von Zeit? Ist sie in der Lage, eine Handlung bzw. Handlungssequenzen bezüglich ihres Zeitumfangs einzuschätzen? Welche Hilfen benötigt die Hauptperson um ihren Tag zu strukturieren? Welchen Zugang hat der Hauptperson zu den Begriffen gleich, kurzer Moment, später? Ist die Hauptperson im Bereich der Exekutivfunktionen beeinträchtigt? Work-Life Balance (Entspannung, Rückzugsphasen, Zugehörigkeit erleben) Welche Entspannungsmöglichkeiten haben sich der Hauptperson bisher erschlossen? Wie können diese im Rahmen der Planung, der Planungsvorbereitung wenn nötig 5
zugänglich gemacht werden (z.b. Rückzugsort für Pausen, eigener Stuhl im Pausenraum)? Welche zusätzlichen Entspannungshilfen (z.b. einfache Atemübung in Angstsituationen) können hier angebahnt werden? Welches Maß an Rückzug und Dabeisein empfindet die Hauptperson derzeit als für sich passend? Umgang mit zusätzlichen Symptomatiken bzw. Störungsbildern (z.b. Zwänge, Depressionen, herausforderndem Verhalten, Stereotypien, Tourette-Syndrom, Manierismen) Welche herausfordernden Verhaltensweisen bzw. Störungsbilder sind zusätzlich von Bedeutung? Welche Hilfen können hier in der Planungsvorbereitung/Planung verankert werden? Copyright: Alle Rechte der Veröffentlichung liegen bei PD Dr. Monika Lang, Kerkrader Str. 9, 35394 Gießen. Vervielfältigung nur mit dem Einverständnis der Autorin. 6