Die Cleo wird mir fehlen Entwicklungsbegleitende Maßnahmen in der Lernwerkstatt Donaustadt Ein Mittwoch in der Lernwerkstatt Donaustadt: Nach der 10 Uhr - Pause kommt Elisabeth gemeinsam mit ihrer Therapiehündin Cleo in die beiden ersten Klassen und holt die Integrationskinder zu ihrer Stunde. Zur gleichen Zeit gehen 6 Kinder aus den 4. Klassen zu ihrer Doppelstunde Psychodrama mit Gabriele. In der 11 - Pause kommen zwei Mädchen zur Psychagogin und vereinbaren mit Marietta einen Termin für ein Erstgespräch in der nächsten Woche. Und nach der 11 - Uhr - Pause fährt eine Gruppe von 7 Kindern mit dem Fahrtendienst ins Reit-und Therapiezentrum Donaustadt zum Heilpädagogischen Voltigieren mit Manuela. Seit einiger Zeit gibt es bei uns in der Schule Entwicklungsbegleitende Maßnahmen: Wir verstehen darunter eine Lern-, Lebens und Entwicklungsbegleitung durch Expert/innen als integrierter Bestandteil von Lehr- und Lernprozessen. Die entwicklungsbegleitenden Maßnahmen erfolgen im Dialog mit dem Kind und orientieren sich immer am ganzen Menschen und seinem individuellen Sosein. Die Eingebettetheit der entwicklungsbegleitenden Maßnahmen in ein ganzheitliches Schul und Lebensumfeld ist eine Voraussetzung und auch schon Teil ihrer selbst Eine am Kind und seinen speziellen Bedürfnissen orientierte Pädagogik braucht allgemeine Pädagog/innen, die Expert/innen für die Lern und Entwicklungsbegleitung aller Kinder sind und darüber hinaus auch Expert/innen, die alle Kinder in lebensbedeutsamen Lern und Lebensbereichen wie Kommunikation, Mobilität, Konfliktlösung und Lebensbewältigung begleiten können. (Marianne Wilhelm) Als besonders wichtig erachten wir die intensive Zusammenarbeit aller Expert/innen in unserer Schule. Unser Ziel ist es, gemeinsam im Dialog mit den Jugendlichen herauszufinden: was in ihrer Entwicklung gerade bedeutsam ist welche die nächsten Entwicklungsschritte sein könnten welche Maßnahmen diese Schritte unterstützen könnten was im sozialen Umfeld verändert werden müsste welche entwicklungsbegleitenden Maßnahmen vom Kind angenommen werden
Wir wissen, dass Entwicklung Zeit braucht und bemühen uns, auch wenn es manchmal gerade im Zusammenhang mit Verhaltensproblemen schwer fällt, den Jugendlichen diese Zeit und auch den Raum zu geben sich auszuprobieren, Fehler zu machen, sich zu erleben. Die entwicklungsbegleitenden Maßnahmen sollen für Jugendliche in einer schwierigen Lebensphase Voraussetzungen für ihre individuelle und soziale Entwicklung schaffen. Ein ganz wichtiger Aspekt in unserer entwicklungsbegleitenden Arbeit mit den Jugendlichen scheint uns die Stärkung der sogenannten Resilienz zu sein: Die Frage, warum manche Menschen an Krisen wachsen, während andere daran zerbrechen, haben Forscher mit der Stärke der psychischen Widerstandskraft, der Resilienz, beantwortet. Diese Widerstandskraft hängt von unseren Lebensumständen ab, wie wir aufwachsen, was wir erfahren, wer uns wie betreut und kann im Laufe des Lebens gefördert und verbessert werden. Es geht also um das Aktivieren von inneren und äußeren Ressourcen. Resiliente Personen sind Menschen, denen es nicht schwer fällt um Unterstützung zu bitten und die dies auch tun. Sie zeichnen sich durch Optimismus und Zielorientierung sowie den Fähigkeiten die Opferrolle verlassen zu können, Verantwortung zu übernehmen, Netzwerke zu nutzen und die Zukunft zu planen aus. Es ist uns wichtig für unsere Kinder Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Jugendlichen aber auch uns möglich machen, gut miteinander zu lernen und zu leben. Die entwicklungsbegleitenden Maßnahmen sind Teil dieser Rahmenbedingungen: Sie sind in der Stundentafel verankert, modulartig organisiert finden zum Teil in altersheterogenen Gruppen statt. Im sogenannten Entwicklungsnetz finden für alle Lehrer/innen, die entwicklungsbegleitende Maßnahmen anbieten, gemeinsam mit der Direktorin zweimal jährlich Erfahrungsaustausch, Fallbesprechungen und Evaluation statt. Ein ganz wichtiger Aspekt in unserer entwicklungsbegleitenden Arbeit ist die Freiwilligkeit. Die Maßnahmen werden von uns als Angebote verstanden, kein Kind wird zur Teilnahme gezwungen. Alle Betreuungsangebote sind ein selbstverständlicher Teil unseres Systems und werden von Kindern, Lehrer/innen und Eltern angenommen und hilfreich erlebt. Es ist normal, Unterstützung zu suchen und anzunehmen.
Das ist auch im Sinn der oben beschriebenen Resilienz ein wichtiger Lernprozess für das Leben: Ich spüre, dass ich Hilfe brauche. Ich weiß, wo ich Hilfe finde. Ich kann Hilfe annehmen. Ein Schwerpunkt unserer entwicklungsbegleitenden Arbeit ist die Prävention: Die Lehrer/innen sind sehr sensibel für die Probleme der Kinder. Signale werden oft schon früh erkannt (auch bei Kindern, für die die Schule nicht unbedingt Bühne zum Ausleben ihrer Probleme ist ), aber auch die Jugendlichen selbst merken meist schon sehr bald, wenn es ihnen nicht gut geht und sie Unterstützung brauchen. Ein weiteres wichtiges Prinzip in unserer Arbeit ist Flexibilität: Da Phasen ( menschlicher ) Entwicklung nicht unbedingt in Schuljahren verlaufen, sollte auch während eines Schuljahres ein Wechsel von einer Gruppe in eine andere möglich sein. Die Cleo wird mir fehlen. Das sagte Marina in unserer Abschiedsstunde, als ich sie fragte, was ihr nach der 4. Klasse HS am meisten fehlen wird. Im Rahmen der Tiergestützten Pädagogik haben besonders ängstliche Kinder durch den Kontakt mit dem Therapiehund die Möglichkeit Ängste abzubauen und eine positive Beziehung zur Schule herzustellen. Beim Heilpädagogischen Voltigieren und im Umgang mit dem Pferd werden die Kinder ganzheitlich gefördert: körperlich, emotional, geistig und sozial. Im Psychodrama haben die Kinder in der Gruppe die Möglichkeit ihre Probleme konstruktiv begleitet zu reflektieren und neue Handlungsspielräume und Rollen zu erlernen. Die Psychagogische Arbeit verstehe ich als Gesprächsangebot für alle Kinder, aber auch für Lehrer/innen und Eltern mit dem Ziel gemeinsam eine Lösung für Probleme zu erarbeiten, und darüber hinaus als Betreuungsangebot für Schüler/innen, die einer besonderen Unterstützung in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung bedürfen. Die Motopädagogik versteht sich als ganzheitliches Konzept der Entwicklung durch Wahrnehmen, Erleben und Bewegen. Es geht dabei vorrangig um: Körper-, Selbst-, Material- und Sozialerfahrung. Das Lebenspraktische Training ist für Kinder, die nach dem Lehrplan der Sonderschule für Schwerstbehinderte unterrichtet werden, vorgesehen. Geübt werden Fähigkeiten und Fertigkeiten des Alltags mit dem Ziel, dass sich die Kinder in ihrem täglichen Leben während und nach der Schulzeit besser zurechtfinden.
Das Mobile Motorikteam arbeitet vorwiegend mit Kindern, die eine körperliche Behinderung haben. Es bietet Unterstützung bei bewegungsauffälligen Kindern und bei grobmotorischen Schwierigkeiten. Ein wichtiger Schwerpunkt ist hier die Schulung der Wahrnehmung und des Gleichgewichts. Ziel der Sprachheilpädagogik ist die Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten der Schüler/innen - ausgehend vom Vertrauen auf deren eigene Erwerbskompetenzen. In der KOKOKO - Stunde (Kommunikation, Kooperation, Konfliktlösung), lernen die Jugendlichen Probleme und Konflikte anzusprechen und Lösungswege zu finden, die eigene Meinung auszudrücken und zu vertreten. Die Lernwerkstatt Donaustadt wird von einem sehr hohen Anteil von Kindern mit ganz besonderen Bedürfnissen besucht. Das hängt meines Erachtens auch damit zusammen, dass unserer Schule der Ruf vorauseilt mit schwierigen Kindern gut umgehen zu können. Eltern, deren Kinder häufig schon eine lange problematische Schulgeschichte hinter sich haben, betonen bei den Einschreibungen immer wieder, wie sehr sie sich gerade unsere Schule für ihre Kinder wünschen - ein berechtigtes Anliegen von meist engagierten Eltern, die mehr sensibilisiert sind als früher für die besonderen Bedürfnisse ihrer Kinder. Für unsere Schule, die damit übrigens für die Region eine wichtige Aufgabe übernimmt, bedeutet dies aber eine große Herausforderung. Wir betrachten es als zentrales Anliegen unserer Arbeit alle Kinder zu fördern und zu unterstützen für alle Kinder die Rahmenbedingungen zu schaffen, die sie brauchen für alle Kinder mit ihren ganz besonderen Bedürfnissen dazusein alle Kinder in ihrer Individualität zu erkennen und anzunehmen alle Kinder bei uns willkommen zu heißen für jedes Kind Verantwortung zu übernehmen uns mit unseren Entwicklungs- und Lernangeboten auf die Komplexität aller Schüler/innen einzustellen eine Pädagogik der Vielfalt zu leben
Und dennoch kommt es vor, dass Schüler/innen uns alle so sehr an die Grenzen bringen, dass wir keine Möglichkeit mehr sehen, diese Jugendlichen in unserer Schule weiterhin betreuen zu können. Diese Erkenntnis macht uns in jedem einzelnen Fall betroffen und wir machen uns die Entscheidung nie leicht: Wir führen zahlreiche Gespräche, machen viele Unterstützungsangebote, bieten vielseitige Beziehungen an, vernetzen uns mit zuständigen Institutionen, holen uns selber Hilfe. Und dennoch irgendwann kommt der Augenblick, wo wir uns eingestehen müssen, dass all das nicht ausreicht Wir glauben, dass es in der Schule (wie überall in der Gesellschaft) auch Nicht- Machbares gibt dass es Situationen gibt, die den Rahmen einer Institution sprengen dass die Möglichkeiten der Schule manchmal nicht ausreichen, um den schweren Rucksack mancher Kinder auch nur etwas leichter zu machen dass auch eine inklusive Pädagogik, zu der wir uns ja gerade erst auf den Weg machen, nicht alles leisten kann. Und wir wissen auch, dass wir nicht zaubern können.