Potentialfelder: Analyse und Auswertung

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Fachtagung Bauwerksdiagnose - Vortrag 16 Potentialfelder: Analyse und Auswertung Christoph GEHLEN, Sylvia KESSLER, TUM, Centrum für Baustoffe und Materialprüfung (cbm), München Klaus MENZEL, Materialprüfanstalt, Universität Stuttgart Kurzfassung. Die Potentialfeldmessung ist ein Standardverfahren zur Zustandserfassung von Stahlbetonbauwerken. Sie dient der zerstörungsfreien Detektion von aktiv korrodierenden Bereichen. Die Potentialfeldmessung gehört zu den qualitativen Prüfverfahren, dies bedeutet, dass nur ja /nein- Aussagen getroffen werden können, wie: die Bewehrung korrodiert bzw. korrodiert nicht. Die mit dieser elektrochemischen Methode erzielten Prüfergebnisse sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Erarbeitung von Sanierungsplänen insbesondere bei der Festlegung von Abtragsflächen. Die Aussagegenauigkeit der Potentialfeldmessung ist daher von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Jedoch sind äußere Faktoren, die das Potentialfeld beeinflussen noch nicht abschließend quantifiziert worden. Es werden Ansätze zur quantitativen Analyse der Einflussfaktoren auf die Potentialfeldmessung mit Hilfe numerischer Untersuchungen aufgezeigt. Einführung Beim Verfahren der Potentialfeldmessung wird die Potentialdifferenz zwischen dem Bewehrungsstahl und einer auf der Betonoberfläche aufgesetzten Bezugselektrode ermittelt. Durch gitterförmiges Versetzen der Elektrode kann ein beliebiges Raster an Messpunkten aufgenommen und damit das Potential der Bewehrung über eine große Fläche bestimmt werden. Daraus sind dann Rückschlüsse auf den Korrosionszustand des Bauteils möglich. Die Detektierbarkeit von korrodierenden Bereichen der Bewehrung von Stahlbeton beruht auf der Tatsache, dass passive und aktive Oberflächen der Bewehrung unterschiedliche Elektroden darstellen, die sich sowohl im Ruhepotential als auch in der Polarisierbarkeit deutlich unterscheiden. Bei ausreichender elektrolytischer Leitfähigkeit und Belüftung des Betons bilden sich Aktiv-Passiv-Elemente aus, deren Potentialdifferenz auf der Betonoberfläche als Potentialfeld vermessen werden kann. Das auf der Betonoberfläche gemessene Potential wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die bei der Auswertung und Interpretation der Messwerte berücksichtigt werden müssen. Diese Einflussfaktoren lassen sich in zwei Gruppen, Gruppe A und B unterteilen. Zur Gruppe A gehören diejenigen Faktoren, die die Ausbildung eines Potentialfeldes im Beton beeinflussen: der Elektrolytwiderstand des Betons, unterschiedliche Chloridgehalte, die fortschreitende Carbonatisierung, der Sauerstoffgehalt des Beton, die Betondeckung, Streuströme usw. [1], [2]. Diese Einflussfaktoren werden nachfolgend mit Hilfe von Labormessungen und numerischen Simulationen zur Ausbreitung des Potentialfeldes bei Korrosion analysiert. Zur Gruppe B zählen elektrokinetische Effekte, die aufgrund von Ionenkonzentrations- und Feuchtigkeitsgradienten Potentiale im Beton lokal aufbauen, die bei der Messung mit erfasst werden und das Messergebnis verfälschen. Die Größenordnungen dieser Potentiale im Beton werden nachfolgend mit Hilfe von Labormessungen abgeschätzt. Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de 1

1 Einflussgruppe A: Zur Untersuchung der Einflussgruppe A werden Labormessungen an einem elektrolytischen Trog durchgeführt und dieser Trog wird als numerisches Modell abgebildet und numerisch berechnet. Im elektrolytischen Trog und im numerischen Modell werden die Randbedingen Anodengröße, Elektrolytwiderstand und Messhöhe variiert. Im Anschluss werden die gemessenen und die berechneten Werte miteinander verglichen. Neben der Quantifizierung der Einflüsse ist es das Ziel, die Simulationssoftware zu validieren. 1.1 Grundlagen zur Numerik von Korrosionssimulationen Seit einiger Zeit sind Simulationsprogramme verfügbar, die bei vorgegebenen Randbedingungen das sich aufgrund von Korrosion ausbildende Potentialfeld berechnen. Die Berechnungen basieren auf der Grundlage des Ohm schen Gesetzes (Gl 1) und der Laplace- Gleichung (Gl 2). r 1 i = ρ Φ Gl 1 mit: ΔΦ = 0 Gl 2 Φ: r i : Stromdichte [A/m²] ρ : Elektrolytwiderstand [Ωm] Die Kinetik an der Grenzfläche von Anode und Kathode wird durch Stromdichte-Potentialkurven beschrieben, die einen Zusammenhang zwischen dem Potential an der Stahloberfläche und der Anzahl der in Lösung gehenden Ladungsträger pro Flächeneinheit (Stromdichte) herstellen [6]. Vorteil der numerischen Berechnungen ist, dass der Korrosionszustand (Anodengröße, Anodenverteilung, Anoden/Kathodenverhältnis) variiert werden kann und somit systematische Parameterstudien möglich sind. Die hier vorgestellten numerischen Berechnungen erfolgen mit dem Randelementeprogramm (Boundary Element Methode, BEM) BEASY [4]-[6]. 1.2 Labormessungen und numerische Simulation Zur Quantifizierung der Einflüsse der Gruppe A wurden Messungen in einem radialsymetrischen, zylinderförmigen, elektrolytischen Trog durchgeführt. Parallel zu den Messungen wird die Potentialverteilung im elektrolytischen Trog (Abbildung 1) am numerischen Modell berechnet. Die Eingangswerte (Stromdichte-Potential-Kurven, Leitfähigkeit, Geometrie) für die Simulation werden unabhängig von der Messung gewonnen. V Referenzelektrode x Kathode Elektrolyt Anode 100 mm 1130 mm Abbildung 1: Elektrolytischer Trog (links); numerisches Modell (rechts) 2

Im Zylinder des elektrolytischen Trogs (ø = 10 cm, Länge = 1130 mm) ist an der Oberkante entlang der x-achse ein Schlitz frei gesägt worden. Entlang dieses Schlitzes wird eine Referenzelektrode (Kalomelelektrode) geführt. Die Referenzelektrode ist mit einem Wegaufnehmer verbunden, damit jedes aufgenommene Potential der entsprechenden x-koordinate zugeordnet werden kann. Zentrisch im elektrolytischen Trog ist eine Elektrode (ø = 12 mm) befestigt. Als Kathode wurde ein nicht korrodierender Stahl (1.45.71) gewählt, auf dem eine Anode aus Baustahl (1.0037) aufgeschraubt wird. Als Elektrolyt wurden NaCl-Lösungen genommen, die sich an den Elektrolytwiderständen aus [7] orientiert. In Abbildung 1 ist das numerische Modell dargestellt mit dem Ergebnis einer Potentialverteilung. Variiert wurden die Anodenlänge, die Leitfähigkeit der Lösung und der Füllgrad des Troges zum Nachstellen unterschiedlicher Betondeckungen (Tabelle 1). A B C wassergesättigter Beton frei bewitterter Beton Beton im Innenraum CEM I Leitfähigkeit Tabelle 1: Eingangswerte der Parameterstudie gewählte NaCl-Lsg. Anodenlänge [cm] Messhöhe über Anode [Ωm] [ms/cm] [ms/cm] 1 1 100 0,1 0,0984 2 2 300 0,0333 0,0345 3 3 3000 0,0033 0,0036 [cm] Abbildung 2 bis Abbildung 4 stellen die gemessenen und die numerisch berechneten Potentialverläufe über die x-achse des elektrolytischen Troges dar. Die simulierten und gemessenen Werte stimmen sehr gut überein. 0,100 0,050 0,050 0,000-0,050-0,100-0,150-0,200-0,250-0,300-0,350 M Leitfähigkeit A M Leitfähigkeit B M Leitfähigkeit C S Leitfähigkeit A S Leitfähigkeit B S Leitfähigkeit C Reichweite: 60cm -0,400 0 200 400 600 800 1000 1200 Länge [mm] Abbildung 2: Vergleich Ergebnisse Messung (M hell) und Simulation (S dunkel) des elektrolytischen Troges bei Variation der Leitfähigkeiten (A, B, C); Anode 1 cm, Messhöhe 3 cm 0,000-0,050-0,100-0,150-0,200-0,250-0,300-0,350 M Anode 1cm M Anode 2cm M Anode 3cm S Anode 1cm S Anode 2cm S Anode 3cm -0,400 0 200 400 600 800 1000 1200 Länge [mm] Reichweite: 30cm E=60mV Abbildung 3: Vergleich Ergebnisse Messung (M) und Simulation (S blau) des elektrolytischen Troges bei Variation der Anodenlänge (1, 2, 3cm); Leitfähigkeit B, Messhöhe 3 cm Die Ergebnisse aus Abbildung 2 zeigen den Einfluss der Leitfähigkeit auf die Reichweite der Anode auf das Potentialfeld im Elektrolyten. Je niedriger die Leitfähigkeit ist, desto geringer ist die Reichweite der Anode. Bei einer Anodenlänge von 1 cm und einer Leitfähigkeit, die sich bei einem frei bewitterten CEM I-Beton üblicherweise einstellen würde, beträgt die Reichweite der Anode in jede Richtung rd. 60 cm. Der Vergleich der gemessenen und numerisch ermittelten Werte aus Abbildung 3 stellt den Einfluss der Anodenlänge auf die Ausbreitung des Potentialfeldes dar. Direkt 3

oberhalb der Anode ist ein Einfluss der Anodengröße messbar. Je größer die Anodenfläche ist, desto negativer ist das gemessene Potential. Der Unterschied zwischen einer 3 cm und einer 1 cm großen Anode beträgt 60 mv. Je weiter entfernt von den Anoden das Potential aufgezeichnet wird, desto geringer wird der Einfluss der Anodengröße. Ab einer Entfernung von 30 cm in eine bzw. 60 cm in beide Richtungen ist der Einfluss der Anodengröße nicht mehr messbar. 0,050 0,000-0,050-0,100 E=50m -0,150-0,200-0,250-0,300-0,350 M Messhöhe 1cm S Messhöhe 1cm M Messhöhe 2cm S Messhöhe 2cm M Messhöhe 3cm S Messhöhe 3cm -0,400 0 200 400 600 800 1000 1200 Länge [mm] E=50mV Abbildung 4: Vergleich Ergebnisse Messung (M) und Simulation (S) des elektrolytischen Troges bei Variation der Messhöhe über der Anodenlänge von 1 cm, Leitfähigkeit B In Abbildung 4 ist die Parameterstudie zum Einfluss der Messhöhe auf die Ausbildung des Potentialfeldes aufgeführt. Unmittelbar oberhalb der Anoden beträgt die Potentialdifferenz zwischen der Messhöhe von 1 cm und 3 cm 50 mv. Dieser Betrag wird zunächst mit größer werdender Entfernung von der Anode kleiner und steigt am Ende wieder auf 50 mv. Der Unterschied zwischen der Messhöhe von 2 cm zu 3 cm ist sehr klein. 1.3 Diskussion Der Elektrolytwiderstand hat einen großen Einfluss auf die Ausbildung auf ein Potentialfeld. Bei einer Potentialmessung eines Bauteils mit der Leitfähigkeit B und einem Raster von 25 cm * 25 cm nach [3] ist eine Anode der Größe 1 cm detektierbar. Die Leitfähigkeit B ist im Verhältnis zu Leitfähigkeiten von CEM-III-Betonen als hoch anzusehen. Bei CEM-III-Betonen mit geringerer Leitfähigkeit ist niedrigeren Anodenreichweiten zu rechnen. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, den Elektrolytwiderstand zu bestimmen, um die Reichweite der Anoden im Potentialfeld zu kennen. Die Anodengröße selber hat nur einen geringen Einfluss auf das Potentialfeld. Werden gemessene Potentialwerte verglichen, so lässt sich nicht auf die Anodengröße rückschließen. Der Einfluss der Betondeckung ist nach diesen Modellrechnungen für baupraktische Betondeckungen vernachlässigbar. Insgesamt stimmen die gemessenen und numerisch ermittelten Ergebnisse mit den Ergebnissen aus [9] und [10] überein. Die Software BEASY kann mit diesen Ergebnissen als validiert betrachtet werden. Es ist nun möglich, numerische Studien zum Einfluss geometrischer Parameter wie Anodenflächen, Anoden/Kathodenverhältnis, Anordnung der Anoden und anderer Einflüsse wie der Polarisierbarkeit durchzuführen. Diese Einflüsse können am numerischen Modell systematisch variiert werden. 4

2 Einflussgruppe B: Elektrokinetische Effekte Zusätzlich zu dem Potentialfeld, das sich korrosionsbedingt aus der Anoden/ Kathodenverteilung einstellt, können elektrokinetische Effekte wie Diffusions-, Membran- und Strömungspotentiale auftreten. Diese zusätzlich auftretenden, zeitabhängigen Potentiale resultieren aus örtlichen Ionenkonzentrations- und Feuchteunterschieden und verfälschen das Messsignal unter Umständen erheblich. An der Phasengrenze Referenzelektrode/ Elektrolyt (Beton) grenzen zwei unterschiedlich zusammengesetzte Elektrolytlösungen aneinander. Auch im stromlosen Zustand treten an dieser Kontaktstelle Spannungen auf, die aus der unterschiedlichen Beweglichkeit der vorliegenden Ionen resultiert [8]. Selbst innerhalb des Betons können an Phasengrenzen (Abbildung 5) wie beispielsweise Phasengrenze alkalischer carbonatisierter Beton elektrokinetische Effekte auftreten. V Referenzelektrode Schwamm Carbonatisierter Beton Chloridhaltiger alkalischer Beton Alkalischer Beton Bewehrung E R-S ES-C EC-Ba E Ba-b E ST Abbildung 5: Phasengrenzen im Beton, die zu elektrokinetische Effekten führen können Für die Praxis der Potentialfeldmessung ist es notwendig, die Größenordnung der möglich auftretenden elektrokinetischen Effekte abschätzen zu können. Sobald die Betonoberfläche zur Vorbereitung der Potentialfeldmessung für einen gesicherten elektrolytischen Kontakt befeuchtet wird, finden verstärkt Transportvorgänge im Beton statt. Ein Gleichgewichtszustand wird erst dann erreicht, wenn sich die Ionenladungen wieder ausgeglichen haben. Im Versuchsaufbau zur Bestimmung von elektrokinetischen Effekten wird eine Betonprobe teilweise in eine NaCl-Lösung getaucht und das Potential zwischen Lösung und Probenoberfläche bestimmt. Beispielhaft ist in Abbildung 6 der Versuchsaufbau und der zeitliche Potentialverlauf für einen CEM I- und einen CEM III-Beton in einer 0,1 n NaCl-Lösung dargestellt. 0,02 0,01 CEM I 0,1n NaCl CEM III 0,1n NaCl Betonprobe Referenzelektroden 0-0,01-0,02-0,03 NaCl-Lösung -0,04-0,05 0 20 40 60 80 100 120 Zeit [min] Abbildung 6: Messaufbau (links) zur Bestimmung von elektrokinetischen Effekten und Ergebnisse (rechts) mit einem CEM I (dunkel) und einem CEM III-Beton (hell) in einer 0,1 n NaCl-Lösung Die Ergebnisse der Messung zeigen, dass in den ersten Minuten nach dem Einsetzen der Probe in die Lösung das Potential Abweichungen von über 40 mv aufweist. Nach rd. 1 Stunde nähern sich die Werte langsam einem Gleichgewichtszustand an. Bei diesem Versuchsaufbau wird lediglich die elektrokinetischen Effekte zwischen Referenzelektrode und Beton in einer bestimmten Lösung gemessen. Zusätzliche Messungen mit Lösungen unterschiedlicher ph-werte und allen im Beton auftretenden 5

Phasengrenzen mit unterschiedlichen Betonzusammensetzungen sind zur vollständigen Abschätzung des Einflusses von elektrokinetischen Effekten auf die Potentialfeldmessung unverzichtbar. Für die Durchführung der Potentialfeldmessung in der Praxis lässt sich aus diesen Untersuchungen die Empfehlung ableiten, nach dem Befeuchten der Betonoberfläche noch eine bestimmte Zeit abzuwarten bis mit der Aufnahme des Potentialfeldes begonnen werden kann. Dies ist notwendig, um den Einfluss der elektrokinetischen Effekten zu minimieren. Der Zeitrahmen muss in weiteren Untersuchungen näher spezifiziert werden. Wird eine größere Fläche aufgenommen (z. B. Parkdeck) und nach dem Befeuchten sofort angefangen zu messen, so sind die mitgemessenen elektrokinetischen Effekte am Anfang der Messung höher als am Ende. Die in [3] empfohlene Befeuchtungsdauer von 20 Minuten ist u. U. als zu kurz anzusehen. Das Kriterium aus [3], erst zu messen, wenn die Potentialänderung unter 3 mv/min liegt, scheint dem Ziel der Minimierung des Einflusses von elektrokinetischen Effekten eher zu entsprechen. Dieses Kriterium muss aber noch weiter abgesichert werden. Die ASTM [11] empfiehlt beispielsweise erst zu messen, wenn sich der Potentialwert innerhalb von 5 Minuten um weniger als ± 2 mv ändert. Bei RILEM [1] werden elektrokinetischen Effekten als vernachlässigbar eingestuft, wogegen allerdings die oben ermittelten Versuchsergebnisse sprechen. 3 Auswertung von Potentialfeldmessungen Die Potentialfeldmessung ist ein qualitatives Messverfahren. Nach der Auswertung der Messergebnisse können nur Aussagen getroffen werden, ob die Bewehrung korrodiert oder nicht. Allein aufgrund der Absolutwerte des Potentials ist jedoch keine eindeutige Zuordnung in aktive bzw. passive Bewehrungszustände möglich, da die gemessene Potentialdifferenz von verschiedenen Einflüssen abhängig ist (Abschnitt 1). Ziel der Auswertung muss es sein, unterstützt durch entsprechende Auswertealgorithmen, korrodierende von passiven Bereichen unterscheiden zu können. 3.1 Stand der Praxis Das Merkblatt B3 [3] empfiehlt die Auswertung ortsabhängiger Potentialgradienten an der Oberfläche. Steile Gradienten des Potentialfeldes lassen auf eine höhere Korrosionswahrscheinlichkeit schließen. Die bei chloridinduzierter Korrosion oft vorkommenden Potentialtrichter weisen in der Mitte häufig um 200 bis 400 mv negativere Potentiale auf als die Umgebung. Zusätzlich werden begleitende Untersuchungen empfohlen, wie Betondeckungsmessung, abklopfen auf Hohlstellen und Sondierung der Bewehrung. Eine Messung des Elektrolytwiderstandes wird nicht erwähnt, obwohl dieser nach den vorhergehenden Ergebnissen einen hohen Einfluss auf die Reichweite von Anoden und den Wertebereich der Potentialdifferenzen hat und somit wichtige Zusatzinformationen liefert. Die ASTM [11] empfiehlt neben der Auswertung der Potentialgradienten die Einordnung der gemessen Potentialabsolutwerte in Korrosionswahrscheinlichkeitsklassen. Zugleich werden vielen Ausnahmen genannt, bei denen die Auswertung des Absolutwertes nicht als Kriterium anwendbar ist. Da die Größe der gemessenen Absolutwerte von der Leitfähigkeit des Betons beeinflusst wird, ist die Methode der Absolutwerte für die Praxis nicht zweckmäßig. Im Merkblatt des SIA [2] sind zur Festlegung eines Grenzpotentials zur Unterscheidung von korrodierenden und passiven Bereichen, die Messwerte der Potentialmessung einer Fläche anhand von Häufigkeitsverteilungen statistisch zu analysieren. Die Messergebnisse teilen sich in zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf: eine für aktiv korrodierende und eine für passive Bewehrung (Abbildung 7). Zur Aufstellung der 6

Wahrscheinlichkeitskurven muss der Korrosionszustand bekannt sein, z. B. durch Freispritzen eines Sondierfensters nach der Messung. Zusätzlich sollen Ergebnisse aus Korrelationsuntersuchen von Potential und anderen Untersuchungsresultaten (z. B. Chloridgehalt), Resultate aus Sondieröffnungen und visuelle Begutachtung heran gezogen werden. Grenzpotential E gr 2 0 Grundgesamtheit: Bewehrung korrodiert Grundgesamtheit: Intakte Bewehrung 8 6 4 2 FP: Fehler 2. Art FN: Fehler 1. Art 0 0 10 20 30 40 50 Abbildung 7: Links: gemessenes Potentialfeld, rechts Wahrscheinlichkeitskurven für passive und aktive Bewehrung E [mv] Bei dieser Art der Auswertung können vier mögliche Situationen (Tabelle 2) nach der Messung und Auswertung von Potentialfeldern auftreten. Tabelle 2: Entscheidungen bei der Auswertung der Potentialfeldmessung Wirklichkeit Entscheidung Korrosion detektiert keine Korrosion detektiert Bewehrung korrodiert: H 0 wahr Richtige Entscheidung Fehler 1. Art TP = Richtig Positiv FN = Falsch Negativ Bewehrung passiv: H 1 wahr Fehler 2. Art Richtige Entscheidung FP = Falsch Positiv TN= Richtig Negativ Bei Festlegung von Grenzpotentialen wird bei streuenden Verteilungen nicht nur ein Teil der Anoden übersehen, gleichzeitig geraten ein Teil der Messstellen, an denen in Wahrheit keine Korrosion stattfindet u. U. unter falschen Verdacht. Man spricht von Fehlern 1. und 2. Art. Ein Fehler 1. Art liegt vor, wenn die Nullhypothese (H 0 : Bewehrung korrodiert) zu Unrecht abgelehnt wird. Entsprechend handelt es sich beim Fehler 2. Art um den Fall, bei dem die Alternativhypothese (H 1 : Bewehrung passiv) zu Unrecht abgelehnt wird. Abbildung 7 zeigt deutlich, dass ein niedriger Grenzwert dazu führt, dass Schädigungen übersehen werden. Wird ein hoher Grenzwert gewählt, so nehmen die Fehlalarme zu und es werden mehr Flächen instand gesetzt als notwendig ist. Das Problem liegt nun im Finden des optimalen Grenzwertes, der wiederum von den Konsequenzen eines übersehenen Schadens abhängt. 3.2 Ausblick Ein Maß für die Aussagegenauigkeit von qualitativen Messverfahren ist die Probability of Detection (PoD). Ziel ist es, die PoD für die Potentialfeldmessung zu ermitteln, um die Auswertung von Potentialfeldmessungen zu unterstützen. Die PoD kann mit Hilfe von Tabelle 2 berechnet werden. PoD(Korrosion erkannt / Korrosion) = Anzahlder richtig positiven Anzahlder richtig positiven TP = + Anzahlder falsch negativen TP + FN Der Wert der PoD liegt zwischen 0 und 1. Je höher die PoD ist, desto höher ist die Zuverlässigkeit der Potentialfeldmessung. Die PoD kann auch als eine Probability of Detection 7

Kurve PoD(s) ausgedrückt werden, die die Aussagegenauigkeit in Abhängigkeit der Schadengröße s (Anodengröße) angibt. Die PoD(s) steigen mit steigender Schadensgröße. Für die Auswertung PoD muss ebenfalls wieder der wahre Korrosionszustand bekannt sein. Da es in den meisten Praxisfällen nicht möglich ist, die komplette Bewehrung freizulegen, bieten sich numerische Simulationen zur Erstellung von PoD-Kurven für die Potentialfeldmessung an. Bei numerischen Simulationen ist der wahre Korrosionszustand immer bekannt und die PoD-Kurven können in Abhängigkeit äußerer Einflussgrößen wie beispielsweise des Elektrolytwiderstandes berechnet werden. 4 Zusammenfassung Die Potentialfeldmessung ist ein effektives Verfahren zur Detektion von aktiv korrodierenden Bereichen in Stahlbetonbauwerken. Die Faktoren auf die Ausbildung des Potentialfeldes haben Einfluss auf die Lage und den Überschneidungsbereich der Wahrscheinlichkeitsverteilung der korrodierenden und der passiven Grundgesamtheit und werden daher indirekt über die Wahrscheinlichkeitskurven berücksichtigt. Ist die Verteilung durch Freilegen der Bewehrung nicht möglich, so kann die Lage und der Überschneidungsbereich mit Kenntnis von den Einflussfaktoren wie Elektrolytwiderstand abgeschätzt werden. Um den Einfluss von elektrokinetischen Effekten im Beton zu minimieren, ist bei der Durchführung der Potentialfeldmessung darauf zu achten, dass nach dem Befeuchten der Betonoberfläche eine entsprechende Zeit abgewartet wird, bis sich langsam wieder ein Gleichgewichtszustand einstellt. Die Auswertung der Potentialfeldmessung ist bei verschieden Merkblättern und Normen uneinheitlich. Dies zeigt, dass auf diesem Gebiet noch viel Klärungsbedarf besteht. Die Bestimmung der Aussagegenauigkeit der Potentialfeldmessung ist noch nicht abgeschlossen. Ein Ansatz zur Analyse der Probability of Detection ist noch zu erarbeiten. Referenzen [1] Elsener, B.; Andrade, C.; Gulikers, J.; Raupach, M.: Half-Cell Potential Measurements - Potential Mapping on Reinforced Concrete Structures; RILEM TC 154-EMC; In: Materials and Structures (RILEM) 36 (2003), Nr. 261, S. 461-471 [2] SIA Merkblatt 2006: Durchführung und Interpretation der Potentialfeldmessung an Stahlbetonbauten, Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, 1993 [3] Merkblatt B3 für elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion DGZfP, 2008 [4] www.beasy.com [5] Brem, M.: Numerische Modellierung der Korrosion in Stahlbetonbauten. Anwendung der Boundary Element Methode, Zürich Eidgenössische Technische Hochschule, Diss., 2004 [6] Warkus, J.; Raupach, M.; Gulikers, J.: Numerical modelling of corrosion Theoretical backgrounds - In: Materials and Corrosion 2006, 57, No. 8 [7] Polder, R.B.: Test methods for on site measurement of resistivity of concrete a RILEM TC-154 technical recommendation, In: Construction and Building Materials 15, 2001, pp 125-131 [8] Angst, U.; Vennesland, Ø.; Myrdal, R.: Diffusion potentials as source of error in electrochemical measurements in concrete, In: Materials and Structures, 42, 2009, pp 365-375 [9] Elsener, B. et al: Half-cell potential measurements Potential mapping on reinforced concrete structures, In: Materials and Structures, Vol. 36, 2003, pp 461-471 [10] Schiegg, Y.; Büchler, M.; Brem, M.: Potential mapping technique fort he detection of corrosion in reinforced concrete structures: Investigation of parameter influencing the measurement and determination of the reliability of the method, In: Materials and Corrosion 2008, 59, No.9999 [11] ASTM: Standard Test Method for Corrosion Potentials of Uncoated Reinforcing Steel in Concrete, Designation: C876 09, ASTM International, 2009 8