Steigern höhere Fallzahlen die Qualität macht Übung tatsächlich den Meister?

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Transkript:

7. Tagung der Einkaufsgemeinschaft HSK: Experten gingen einer häufig geäusserten Behauptung auf den Grund Steigern höhere Fallzahlen die Qualität macht Übung tatsächlich den Meister? Mindestfallzahlen standen im Zentrum der 7. Tagung der Einkaufsgemeinschaft HSK und führten zu hitzigen Diskussionen. Die Grundsatzfrage dabei war: Retten sie auch Leben? Tendenziell ja, lautet das Fazit. Aber die Krux steckt im Detail. Mindestfallzahlen könnten auch eine Mengenausweitung auslösen. Es lässt sich eben nicht alles über einen Kamm scheren. So ist es entscheidend, sich der vielen Nuancen anzunehmen. Dazu bot die jüngste Tagung eine hervorragende Plattform. Nicht alle Ziele der neuen Spitalfinanzierung wurden bislang erreicht. Mittels Mindestfallzahlen wollen einzelne Kantone nachhelfen. Die Einkaufsgemeinschaft HSK hat zu diesem Thema unterschiedliche Meinungen abgeholt. Fehlender Wettbewerb zwischen den Spitälern Ziele der neuen Spitalfinanzierung, die 212 eingeführt wurde, waren unter anderen den Leistungswettbewerb zu fördern und mehr Transparenz bezüglich Wirtschaftlichkeit und Qualität zu schaffen. Aufgrund dieser Ziele hätte man davon ausgehen können, dass sich die Spitäler spezialisieren. Diesen Ansatz setzte beispielsweise das St. Claraspital in Basel um. Die orthopädisch-traumatologische Abteilung wurde per Mitte 216 in die Merian Iselin Klinik verlegt, um sich als Bauch- und Tumorzentrum zu spezialisieren. Aus Sicht HSK leistet das St. Claraspital damit einen wichtigen Beitrag zur Spezialisierung und Wettbewerbsförderung zwischen den Spitälern. Veränderungen dieser Art bilden jedoch eher die Ausnahme, Mindestfallzahlen würden diese Entwicklung vorantreiben. Die Kantone nehmen das Zepter in die Hand Mindestfallzahlen beschreiben eine festgelegte Anzahl an Operationen in einem bestimmten Fachgebiet. Wird diese Zahl nicht erreicht, kann ein Spi- Das Zentrum Paul Klee bot eine ideale Kulisse für die Tagung der Einkaufsgemeinschaft HSK und das höchst aktuelle Thema Mindestfallzahlen. 92 clinicum 5-18

Eliane Kreuzer, Geschäftsführerin Einkaufsgemeinschaft HSK Ein grosser Fehlanreiz steckt für Dr. med. Josef E. Brandenberg, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie und Präsident FMCH, in der Mengenausweitung: Die Mindestfallzahl-Vorgaben böten einen Anreiz für zusätzliche Fallgenerierung und führten damit zur Überversorgung. Wenn Fälle bis zur vorgeschriebenen Anzahl fehlen, entstehe eine unerwünschte Mengenausweitung. Ungenügende Rechtsgrundlage? Die zusätzliche Fallgenerierung ist eines der Hauptargumente gegen die Vorgaben pro Operateur. Laut Rolf Gilgen, CEO Spital Bülach, fehle zudem die Rechtsgrundlage für Operateur- Mindestfallzahlen und es existiere kein nachgewiesener Zusammenhang mit der Qualitätssicherung. Er spricht sich nicht generell gegen vorgeschriebene Mindestmengen aus, er lehne sie jedoch entschieden in der Grundversorgung ab. Gilgen sieht die dezentrale Versorgung dadurch gefährdet. Werden die Leistungsaufträge zunehmend streng nach Mindestfallzahlerreichung vergeben, werde es in Zukunft für die Regionalspitäler auch schwieriger, wirtschaftlich zu arbeiten. «Quantität ist eben nicht einfach Qualität», betonte der routinierte Spitaldirektor. «Zu berücksichtigen gilt es auch die Life-Time- Experience, Erfahrung aus artverwandten Operationen und schliesslich auch das Talent des Operateurs.» Diesem Argument pflichtete Dr. Josef Brandenberg vehement bei, könnte er doch etliche Operateure mit Hunderten von Eingriffen aufzählen, deren Qualität nicht über alle Zweifel erhaben sei. Qualitätssicherung stärker fördern Dennoch besteht aufgrund internationaler Erfahrungen eine gewisse Korrelation von Fallzahl und Qualität. Daher wurden die Mindestfallzahl- tal den Leistungsauftrag für diese Ein griffe verlieren. Diese Steuerung wird bereits von verschiedenen Kantonen eingesetzt. Neu werden ab 219 in Zürich Mindestfallzahlen auch pro Operateur eingeführt. Diese neue Bestimmung sowie die Ausweitung der Vorgaben auf immer weitere Leistungsgruppen sind nur zwei Gründe, welche die Gemüter im Gesundheitswesen zunehmend erregen. Wie präsentieren sich denn die Zahlen? Marco D Angelo, Vizedirektor und Leiter Abteilung Gesundheit und Soziales des Bundesamtes für Statistik zeigte am Beispiel der Knieprothesen, dass in der Schweiz nur gerade 19 Spitäler mehr als 25 Erstimplantationen vornehmen, weitere 56 zwischen 11 und 25; Schlusslichter sind 8 Spitäler, die nur auf 11 bis 2 Prothesen kommen und 5, die höchstens deren 1 einsetzen die Spannweite ist enorm. Regionalspitäler fühlen sich bedroht Die Vorgaben für Mindestfallzahlen zusammen mit den Anpassungen der Spitallisten bringen für einige Spitäler das Fass zum überlaufen. Daher wehren sie sich vehement gegen diesen regulatorischen Eingriff. Vor allem Regionalspitäler sehen viele Fehlanreize beim Einsatz der Mindestfallzahlen. Zum einen befürchten sie, dass dadurch der Trend zur Zentralisierung der Grundversorgung entstehe und damit die regionale Versorgung gefährdet werden würde. Zum anderen besteht die Angst, als Regionalspital bei der Personalrekrutierung und dem ärztlichen Ausbildungsangebot nicht mehr mit den Zentrumsspitälern mithalten zu können. Eliane Kreuzer zeigte eindrücklich: Je tiefer der Erreichungsgrad der Mindestfallzahlen desto höher die. MFZ- Erreichung 1% 9% 8% 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% % MFZ-Erreichung Grundversorgungsspitäler Trendlinie 16 14 12 Das gleich Bild wie oben zeigt auch ein Vergleich mit der Bettenzahl: je weniger desto teurer wird gearbeitet. Anzahl Betten 35 3 25 2 15 1 5 Grundversorgungsspitäler 8 6 4 2 16 14 12 8 6 4 2 clinicum 5-18 93

Vorgaben mit dem Ziel eingeführt, für die Qualitätsanforderungen der Spitäler in einzelnen spezialisierten Leistungen Sorge zu tragen. Laut Dr. Lukas Engelberger, Regierungsrat und Vorsteher Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, sind sie ein gutes und notwendiges Instrument, um die Behandlungsqualität in einzelnen medizinischen Bereichen zu sichern. Denn Grundvoraussetzung für einen Spitallistenplatz ist eine gute Behandlungsqualität. Der Gesundheitsdirektor verwies zudem auf eine deutsche Studie, in der zum Ausdruck kommt, dass höhere Fallzahlen geringere Risiken für Revisions-OPs aufweisen, die Komplikationsrate geringer ist und ein wesentlicher wirtschaftlicher Effekt darin besteht, dass aufgrund der Lernkurve die Operationszeit signifikant abnimmt. Prof. Dr. med. Hans Heinzer, stellvertretender ärztlicher Leiter der Martini-Klinik in Hamburg, sieht die Vorgabe von Mindestmengen ebenfalls als wichtigen Faktor zur Verbesserung der Versorgungsqualität. Er spricht sich auch für eine transparente Analyse der Ergebnisqualität aus, sodass ein standardisierter Qualitätsvergleich unter den Kliniken möglich wäre. Das wäre vor allem für den Patienten eine grosse Hilfe, um zu wissen, in welchem Spital er für welche Behandlung die «beste» Versorgung erhält. Spitäler sind kundenorientierter geworden Regierungsrat Engelbeger unterstreicht im Gespräch mit «clinicum»: «Die KVG-Revision und die neue Spitalfinanzierung haben die unternehmerischen Ambitionen teilweise beflügelt, es ist aber auch viel Gutes daraus entstanden: Viele Spitäler wurden aktiver und haben kluge Strategien entwickelt, sie richten ihre Angebote stärker patientenfokussiert aus als früher, sind fortschrittliche Arbeitgeber und Partner in ihren Regionen. Universitätsspitäler leisten ausserdem wichtige Beiträge für die Forschung. Es gab viel zu diskutieren. Die zahlreichen BesucherInnen steckten noch lange die Köpfe zusammen. 212 standen viele Spitäler vor grossen Herausforderungen. Es bestand ein Nachholbedarf und jeder plante erst einmal für sich. Mittlerweile zeigen aber doch Beispiele, etwa in unserer Region, dass Gespräche über Kooperationen stattfinden und bereits interessante Projekte umgesetzt werden, etwa die Kooperation des Claraspitals und des Universitätsspitals Basel. Beide bündeln ihre Kräfte in der Viszeralchirurgie und Gastroenterologie. Sogar weiter gehen das Universitätsspital Basel und das Kantonsspital Baselland: Sie planen eine Fusion, über die voraussichtlich am 1. Februar 219 in beiden Basel abgestimmt wird (vgl. «clinicum» 4-18). Eine neue Herausforderung wird die Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) bedeuten. Es ist wichtig, dass die Kantone ihre aktive Mitwirkung behalten, da sie ja auch bei einem neuen Finanzierungsmodell einen hohen Anteil der Gesundheitskosten bezahlen werden. Mitbestimmen und -steuern entspricht zudem ihrem Demokratieverständnis. Das sollte künftig auch im ambulanten Bereich gelten, gerade weil die Kantone jährlich grosse Summen für die Prämienverbilligungen aufbringen. Der Kanton Basel-Stadt beispielsweise zahlt 2 % der Prämien seiner EinwohnerInnen.» Qualität bleibt sehr wichtig Qualität ist bei allem Handeln ein entscheidendes Element. Das betonte auch Susanne Hochuli, Präsidentin Schweizerische Stiftung Patientenschutz SPO. Sie bemängelte, dass heute in der Schweiz noch keine nachweisliche Überprüfung der Indikationsqualität bestehe und auch bloss wenige Register, die Angaben zur Indikations-, Prozess- und Ergebnisqualität zeigen. Für Susanne Hochuli wie auch Rolf Gilgen ist klar: Es muss über Kantonsgrenzen hinaus und in sogenannten Versorgungsregionen gedacht werden. Nur wenn alle Institutionen einer Versorgungsregion zusammenarbeiten und Patientenpfade untereinander koordiniert werden, führe das zu einer Qualitätssteigerung. Susanne Hochuli sehr direkt: «Statt nur zuzuschauen, wie sich marode Spitäler zuerst mit dem Bolzen von Fallzahlen über Wasser zu halten versuchen, um danach doch unterzugehen, wäre es klüger, man würde das vorhandene Wissen und die Erfahrungen aus anderen Politikbereichen nutzen, um antizipierend zu agieren statt nur noch hilflos reagieren zu können.» Mindestfallzahlen als Kostendämpfer? Zurück zu den Fakten: Grundversorgungsspitäler der Schweiz weisen teilweise sehr tiefe Fallzahlen aus und wirken preistreibend auf die Verhandlungen. HSK führte eine schweizweite Analyse durch, die an der Jahrestagung präsentiert wurde, um festzustellen ob ein Zusammenhang zwischen Kosten und Fallzahlen bestehe. Tatsache ist, dass es heute keine nennens werte Spezialisierung in der Schweizer Spitallandschaft gibt. Seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung 212 hat sich in der Spitallandschaft wenig verändert: Viele Spitäler machen von allem etwas, sodass immer noch keine Tendenz zur Spezialisierung erkennbar ist. Im Gegenteil: Das Behandlungsspektrum hat sich bei vielen Kliniken sogar leicht erweitert. Kleine Spitäler als Preistreiber Die Studie von HSK bringt es an den Tag: Spitäler mit tiefen Fallzahlen und kleiner Bettenanzahl 94 clinicum 5-18

weisen überdurchschnittlich hohe aus und sind daher ineffizient in der Leistungserbringung. Da gemäss Bundesverwaltungsgericht (BVGer) aber sämtliche, auch nicht wirtschaftlich arbeitende Spitäler in einen Benchmark zu integrieren sind, treiben diese Spitäler das Preisniveau nach oben. Für die Preisfindung ist diese Praxis insofern problematisch, weil unter diesen Hochkostenspitälern etliche Institutionen sind, deren Leistungsaufträge auf regionalpolitischen Gründen beruhen. Solche Kosten dürfen jedoch gemäss Artikel 49 Abs. 3 KVG nicht über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) finanziert werden. Diesen Aspekt hat HSK bei der Benchmarkberechnung 219 miteinbezogen und wird sie bei der individuellen Preisfindung für das kommende Tarifjahr berücksichtigen. Hohe Kosten geringen Fallzahlen: siamesische Zwillinge Der Kanton Zürich legt bereits seit 212 Mindestfallzahlen für einzelne spezialisierte Eingriffe fest. Es geht vor allem um die Behandlungsqualität, denn mehr Routine führe zu weniger Fehlern, argumentiert der Kanton. Anfang des Jahres wurde die Liste der Leistungsgruppen, für die Mindestfallzahlen vorgegeben werden, wieder erweitert. Ziel sei es, Gelegenheitsoperationen zu verhindern und eine Spezialisierung anzustossen. Nähe mag wohl Gesundheit schaffen, aber wie steht es mit den Kosten? Hier zeigt sich eindrücklich, dass sie bei kleinen Spitälern deutlich höher liegen. HSK führte eine Analyse bezüglich Mindestfallzahlen durch. Dabei wurden die Vorgaben der Gesundheitsdirektion Zürich auf die Spitäler der gesamten Schweiz ausgeweitet. Betrachtet man die Grundversorgungsspitäler, zeigt sich: Je nied- MFZ- Erreichung 1% 11 9% 8% 7% 6% 9 5% 4% 8 3% 2% 7 1% % Spitäler aus den Kantonen AG, GL, LU, OW, SZ, UR, ZG, ZH MFZ-Erreichung Trendlinie MFZ-Erreichung HSK-Benchmark Tarifjahr 218 6 Lernkurven (Abnahmen der Operationszeit in Minuten in Abhängigkeit vom Erfahrungsstand in Jahren) für drei Operationsverfahren clinicum 5-18 95

Mehr Wettbewerb, Transparenz und Kompetenz führt auch zu mehr Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Qualität - dem KVG gilt es, Nachachtung zu verschaffen. riger die Mindestfallzahl-Erreichung, desto höher die kalkulatorischen Kosten. Und wie steht es effektiv mit der Qualität? Tiefe Fallzahlen lassen ausserdem ein Qualitätsproblem vermuten. In der Schweiz stehen aber noch zu wenig Daten zur Verfügung, um diese Aussage zu untermauern. Eine Studie des Kantonsspitals St. Gallen vom Frühjahr hingegen zeigt erstmals, dass die Fallzahlen eines Spitals einen signifikanten Einfluss auf das Behandlungsresultat haben. Unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Güller wurden Hochrisiko-Krebsoperation (Speiseröhren-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen- und Mastdarmkrebs) unter die Lupe genommen. Es konnte belegt werden, dass bei einer Behandlung der Patienten durch ein erfahrenes Team das Sterberisiko signifikant reduziert wird. Mindestfallzahlen: ein Traktandum bei Preisverhandlungen Mindestfallzahlen beschäftigen zur Zeit die gesamte Schweiz. Die verschiedenen Parteien des Gesundheitswesens betrachten und bewerten sie aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Gemäss der erwähnten Analyse von HSK arbeiten etliche kleine Spitäler mit geringen Fallzahlen unwirtschaftlich und ineffizient. So wäre es im Sinne der Preisverhandlungen, Mindestfallzahlen gesamtschweizerisch einzuführen oder zumindest diesen Aspekt bei der Preisfindung zu berücksichtigen. HSK ist ausserdem der Meinung, dass künftig in Versorgungsregionen geplant werden sollte. Auch in diesem Fall wäre es im Sinne der Preisverhandlungen, Mindestfallzahlen gesamtschweizerisch einzuführen oder zumindest diesen Aspekt bei der Preisfindung zu berücksichtigen. Allerdings wäre eine Marktregulierung über den Wettbewerb zwischen den Spitälern einem staatlichen Eingriff vorzuziehen. Ohne den Versorgungsauftrag aus den Augen zu verlieren, sollten die Spitäler ihre Leistungen vermehrt bündeln und sich auf bestimme Kernbereiche fokussieren. Es besteht Handlungsbedarf Eliane Kreuzer, Geschäftsführerin der Einkaufsgemeinschaft HSK, unterstrich, dass Handlungsbedarf bestehe. Sie verwies auf die deutlich höheren kleinerer Spitäler und beharrt auch für künftige Tarifverhandlungen auf dem zweistufigen Preisfindungsmodell: erstens Benchmarking und zweitens individuelle Preisverhandlung. Wir stellten ihr ein paar Fragen: Welche Auswirkungen werden Ihre neusten Erkenntnisse konkret auf die Verhandlungen haben? Als erste Massnahme hat die Einkaufsgemeinschaft HSK den Perzentil-Wert für den Benchmark verschärft. Für die Preisfindung wird HSK bei Spitälern mit hohen und geringen Fallzahlen ein weiteres Argument gegen überdurchschnittliche Preisforderungen vorweisen können. HSK befürchtet allerdings, dass viele Kantone die eigenen Spitäler weiterhin vor dem Wettbewerb zu schützen versuchen. Der vom KVG geforderte Wettbewerb scheint einmal nur auf dem Papier zu stehen. Welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung, dem Gesetz mehr Nachachtung zu verschaffen? Die Einkaufsgemeinschaft HSK verfolgt keine politischen Zwecke. Aus diesem Grund sind ihre Möglichkeiten beschränkt. Mittels transparentem und datenbasiertem Verhandeln, sowie konsequenter Umsetzung der Verhandlungsstrategie kann HSK auf Missstände aufmerksam machen. Diese müssen jedoch durch die Politik auf nationaler Ebene gelöst werden. Regionalspitäler fürchten bei einem harten Mindestfallzahlen-Regime um ihre Attraktivität und damit ein kaltes Ausschalten vom Markt. Wie beurteilen Sie das? Das Problem ist, dass der Markt nicht spielt. Sonst wären bereits verschiedene Spitäler entweder vom Markt verschwunden oder hätten ihr Leistungsangebot konzentriert. Wenn ein Kanton Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen aufrechterhält, dann sind diese Leistungen anderweitig zu finanzieren nicht über die Sozialversicherungsprämien. 96 clinicum 5-18