Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten zum Vorarlberger Landtag Klubobmann Johannes Rauch, Die Grünen 29.01.400 Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner Herrn Landesrat Ing. Erich Schwärzler Landhaus 6900 Bregenz Hauptsache abgeschoben egal wie? Menschenunwürdige Abschiebepraxis in Vorarlberg Anfrage gem. 54 der GO des Vorarlberger Landtages Bregenz, 28. November 2012 Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr geehrter Landesrat! Heute, Mittwoch, den 28. November 2012 wird am Nachmittag von Wien-Schwechat aus eine Maschine mit über 30 Asylsuchenden aus Tschetschenien in Richtung Moskau starten eine so genannte Charter-Abschiebung. Mit dabei sind zwei Personen, die zuvor in Vorarlberg untergebracht waren. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob auch nur ansatzweise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ein Grundsatz des österreichischen und internationalen Strafrechtes, eingehalten wurde. Fall 1: Herr Mamaev, ein tschetschenischer Flüchtling, hatte sich nach rechtsgültigem negativem Asylbescheid infolge Verurteilungen wegen Notwehr und versuchten Diebstahls ( 3 und 127 bzw. 15 StGB) vor einigen Wochen bereits in Wien in Schubhaft befunden, war dort nach zwanzigtägigem Hungerstreik unter der Auflage entlassen worden, sich dreimal wöchentlich bei der Fremdenpolizei zu melden. Er begab sich in der Folge nach Bregenz zu seiner schwangeren Ehefrau, Makka M. Am vergangenen Freitag, 23. November, kam er seiner Meldeverpflichtung nach. Am Montag, 26. November verständigte die Caritas die BH-Bregenz, dass Herr Mamaev, der nach dem Hungerstreik noch etwa 45 Kilo wog, krank sei und nicht persönlich bei der BH erscheinen konnte. Nachmittags brachte Makka M. bei den Behörden ein ärztliches Attest vorbei. Unmittelbar darauf begaben sich mehrere Polizeibeamte nach Aussage von Zeugen bis zu 30 Cobra-Einsatzpolizisten in schwarzer Montur zur Wohnung des Schwiegervaters von Herrn Mamaev, nahmen Herrn Mamaev in Anwesenheit seiner Ehefrau und ihres Kleinkinds fest. Er wurde noch am selben Abend in die Schubhaft nach
Wien verbracht. Die schwangere Frau Makka M. wurde zunächst im LKH Bregenz und dann im LKH Rankweil versorgt. Anzufügen ist, dass die Caritas eine Zusage des türkischen Generalkonsulats für eine Einreisegenehmigung in die Türkei als aufnahmebereitem Drittland erhalten und für Herrn Mamaev einen Flug in die Türkei gebucht hatte. Die Behörden haben die Abschiebung nach Russland, wo der Tschetschene um sein Leben fürchten muss, dennoch durchgeführt. Fall 2: Suliman A., seit 7 Jahren in Österreich, seine Frau seit 6 Jahren, beide Deutschkurse (LevelA-2) absolviert und mit zumindest gutem Erfolg bestanden; wohnhaft zuerst in der Galina, dann in Gais; 2 Kinder (1989 bzw. 1986 geboren); beide unbescholten. Herr A. wurde in Tschetschenien mehrfach gefoltert, die Abschiebung bedeutet mir hoher Wahrscheinlichkeit weitere Verfolgung, Folter und ziemlich sicher den Tod. Die Frau wurde in Abwesenheit von Herrn A. in Schubhaft genommen, unmittelbar darauf nach Wien gebracht und soll mit o.a. Transport heute abgeschoben werden. Wird Herr A. aufgegriffen, wird mit ihm in der selben Weise verfahren. Selbst wenn hier exakt nach dem Buchstaben des Gesetzes verfahren worden sein sollte (was schon deshalb schwer nachzuvollziehen ist, weil sich die einschlägige Gesetzgebung im Halbjahrestakt ändert), bleibt die schlichte Frage, ob man in einem zivilisierten Land so mit Menschen umgeht. Ich erlaube mir daher, gem. 54 der GO des Vorarlberger Landtages folgende an Sie als zuständiger Landesrat zu richten: Anfrage 1. Halten Sie im Lichte des geschilderten Sachverhaltes den Einsatz einer Spezialeinheit der Polizei zur Verbringung eines Asylsuchenden in Schubhaft für angemessen? 2. Halten Sie es für hinnehmbar, dass trotz laufendem Ansuchen auf humanitären Aufenthalt das Abschiebungsprozedere auf diese Art und Weise durchgezogen wird, ohne aufschiebende Wirkung? 3. Was werden Sie als zuständiger Landesrat unternehmen, um Abschiebungen, wenn sie durchgeführt werden, nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und Verhältnismäßigkeit durchgeführt werden? 4. Halten Sie den massiven Cobra-Einsatz im Fall Mamaev für verhältnismäßig? 5. Sie, Herr Landeshauptmann, haben gem. 3 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ihre Zuständigkeit an die Bezirksbehörden abgetreten und verzichten damit auf die Möglichkeit, in besonderen Fällen einen humanitäres Bleiberecht zu gewähren. Aus welchem Grund behalten Sie sich diese Möglichkeit nicht vor? Wie hätten Sie in den geschilderten Fällen gehandelt? 6. Wie beurteilen Sie die Delikte, die zu Verurteilungen des Herrn Mamaev führten, in Bezug auf die Ablehnung seines Asylantrags und des Bleiberechts?
In der Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen LAbg. KO Johannes Rauch
AUSSERPARLAMENTARISCH BEANTWORTET DURCH LANDESRAT ING. ERICH SCHWÄRZLER Bregenz, am 11. Dezember 2012 Herrn Klubobmann LAbg. Johannes Rauch Landtagsklub Die Grünen Landhaus 6901 Bregenz Betrifft: Bezug: Hauptsache abgeschoben egal wie? Menschenunwürdige Abschiebepraxis in Vorarlberg Ihre Anfrage vom 28. November 2012, Zl. 29.01.400 Sehr geehrter Herr Klubobmann Rauch, Ihre an Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner und an mich gerichtete Anfrage gemäß 54 der Geschäftsordnung des Vorarlberger Landtages betrifft Angelegenheiten des Sicherheitspolizei-, Fremdenpolizei-, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, welche in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind. Nach Kontaktnahme mit der Landespolizeidirektion Vorarlberg sowie den zuständigen Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Feldkirch nehme ich im Einvernehmen mit Herrn Landeshauptmann Mag. Markus Wallner zu diesen Fragen außerparlamentarisch wie folgt Stellung: 1. Halten Sie im Lichte des geschilderten Sachverhaltes den Einsatz einer Spezialeinheit der Polizei zur Verbringung eines Asylsuchenden in Schubhaft für angemessen? 4. Halten Sie den massiven Cobra-Einsatz im Fall Mamaev für verhältnismäßig? Laut Mitteilung der Sicherheitsbehörden war aufgrund der vorangegangenen Demonstrationen und Hungerstreiks von einem nicht einfachen Einsatz auszugehen und dementsprechend Vorsorge zu treffen. 2. Halten Sie es für hinnehmbar, dass trotz laufendem Ansuchen auf humanitären Aufenthalt das Abschiebungsprozedere auf diese Art und Weise durchgezogen wird, ohne aufschiebende Wirkung?
- 2 - Nach den gesetzlichen Bestimmungen im Fremdenrecht schafft ein gestellter Antrag auf humanitäres Bleiberecht von sich aus noch kein Bleiberecht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Laut Auskunft der Fremdenpolizeibehörden wird in Verfahren, in denen berechtigt eine Möglichkeit auf Erteilung des humanitären Aufenthaltstitels besteht, mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen zugewartet. In den konkreten Fällen haben die Antragsteller wenig zu einer humanitären Lösung beigetragen. Laut Auskunft der Asylbehörden hat der Asylgerichtshof in beiden Fällen je dreimal rechtskräftig negativ über die eingebrachten Asylanträge entschieden. 3. Was werden Sie als zuständiger Landesrat unternehmen, um Abschiebungen, wenn sie durchgeführt werden, nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und Verhältnismäßigkeit vorzunehmen? In vielen Fällen wird die von der Caritas-Flüchtlingsbetreuung angebotene Rückkehrhilfe in Anspruch genommen. Die zuständigen Sicherheitsbehörden sind nach meinem Wissensstand bemüht, die Grundsätze der Menschlichkeit und Verhältnismäßigkeit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Weiters ist durch die Bundeskompetenz kaum noch eine Mitwirkungsmöglichkeit des Landes gegeben. 5. Sie, Herr Landeshauptmann, haben gem. 3 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ihre Zuständigkeit an die Bezirksbehörden abgetreten und verzichten damit auf die Möglichkeit, in besonderen Fällen einen humanitäres Bleiberecht zu gewähren. Aus welchem Grund behalten Sie sich diese Möglichkeit nicht vor? Wie hätten Sie in den geschilderten Fällen gehandelt? Im Sinne einer bürgernahen Vorgangsweise im Niederlassungs- und Aufenthaltswesen wird die Zuständigkeit von den Bezirkshauptmannschaften wahrgenommen. Hierbei ist festzuhalten, dass es mit 1. Jänner 2014 nach dem Bundesgesetz über die Einrichtung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu einer Änderung der Behördenzuständigkeit im humanitären Bereich kommt. So kommt das humanitäre Aufenthaltswesen von den Niederlassungsbehörden zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. 6. Wie beurteilen Sie die Delikte, die zu Verurteilungen des Herrn Mamaev führten, in Bezug auf die Ablehnung seines Asylantrags und des Bleiberechts? Laut Information der Bezirkshauptmannschaft Bregenz hat der genannte Asylwerber in Österreich nach dreimal rechtskräftig negativer Entscheidung des Asylgerichtshofes kein Asyl erhalten. Ich habe davon auszugehen, dass der Asylgerichtshof die Asylanträge korrekt geprüft und entschieden hat. Die Ablehnung eines Antrags auf humanitäres Bleiberecht stützt sich auf insgesamt neun Parameter, die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur
- 3 - festgelegt wurden und mittlerweile auch in den fremdenrechtlichen Gesetzen verankert sind. Im konkreten Fall konnte der vorliegende Antrag auf das humanitäre Bleiberecht nach eingehender Prüfung durch die zuständigen Fremdenrechtsbehörden nicht positiv erledigt werden. Mit freundlichen Grüßen Landesrat Ing. Erich Schwärzler