Positionen des Sozialverbands VdK Deutschland e.v. zu Änderungen im Sozialprozessrecht

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Transkript:

Positionen des Sozialverbands VdK Deutschland e.v. zu Änderungen im Sozialprozessrecht Sozialverband VdK Deutschland e.v. Bonn, den 26. April 2010 Abteilung Sozialpolitik Wurzerstraße 4a 53175 Bonn Telefon: 0228 82093-0 Telefax: 0228 82093-46 e-mail: kontakt@vdk.de

Inhaltsverzeichnis 1. Zum Hintergrund... 2 2. Grundsätzliche Position... 4 3. Einführung von Gerichtspauschalen... 5 4. Ärztliche Gutachterwahl durch den Betroffenen ( 109 SGG)... 5 5. Einführung einer Zulassungsberufung... 6 1. Zum Hintergrund 2

Die Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten ist in den letzten Jahren kontinuierlichen angestiegen. Allein zwischen 1995 und 2007 hat sich deren Zahl um 55 Prozent erhöht. Besonders drastisch ist die Belastung der Sozialgerichte im Bereich Hartz IV. Vor diesem Hintergrund gibt es immer wieder Initiativen aus dem Bereich der Bundesländer, Eingriffe in das Sozialprozessrecht zu Lasten von Versicherten, Leistungsempfängern und behinderten Menschen vorzunehmen, um die Klageflut und die Belastung der Gerichte in laufenden Verfahren einzuschränken. So hat das Land Baden-Württemberg mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II zum 1. Januar 2005 im Bundesrat einen Gesetzantrag eingebracht, der die Einführung von Gerichtsgebühren in der Sozialgerichtsbarkeit vorsah (Drucksache 663/03). Die Justizminister der Länder beschlossen im Juni 2006, die Prozessordnungen und Gerichtsverfassungen zu vereinheitlichen. Spätere Initiativen des Bundesrates sahen neben der Einführung von Gerichtsgebühren u.a. eine Option für die Länder vor, Verwaltungs- und Sozialgerichte zusammenzulegen und den 109 SGG wie die Übertragung von Instrumenten des verwaltungsgerichtlichen auf das sozialgerichtliche Verfahren abzuschaffen (z.b. Einführung einer Zulassungsberufung). Gegen diese Bundesratsinitiativen hat der VdK 2008 beim Bundesarbeitsministerium erfolgreich interveniert: Die Bundesregierung hat 2008 einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (Drucksache 16/7716) eingebracht, der ebenfalls die nachhaltige Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit zum Ziel hatte - allerdings ausdrücklich unter Beachtung der Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens. In diesem Gesetzentwurf, der später Gesetz wurde, hat die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, die Änderungsvorschläge des Bundesrates in das Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen. Trotz des Widerstandes des VdK wurde entsprechend dieses Gesetzesentwurfes allerdings in 106 a SGG eine Präklusionsregelung eingeführt. Hinsichtlich der Einführung von Gerichtsgebühren hat das Bundesarbeitsministerium bei Prof. Dr. Höland von der Universität Halle-Wittenberg und Prof. Dr. Welti von der Hochschule Neubrandenburg ein Gutachten in Auftrag gegeben, das untersuchen sollte, wie sich Pauschal-Gebühren auswirken würden. Das Gutachten kam zum Ergebnis, dass pauschale Gebühren nicht zu empfehlen seien, weil sozialschutzbedürftige Menschen davon abgehalten würden, berechtigte Klagen zu führen. Auch eine nachhaltige Entlastung der Sozialgerichte sei nicht zu erwarten, da Klagewillige dann Prozesskostenhilfe beantragen würden. Nach dem Ergebnis des Gutachtens gibt es auch wegen der konstant hohen Erfolgsquoten vor den Sozialgerichten keine Flut von vornherein aussichtslosen Klagen: Von 1995 bis 2006 ist der Anteil erfolgreicher Klagen von 31 auf 39 Prozent angestiegen. Bei Auseinandersetzungen um Leistungen bei Arbeitslosigkeit liege die Quote noch darüber. Diese hohen Erfolgsquoten sprechen 3

nach dem Gutachten für gravierende Defizite im Verwaltungsverfahren. Wirkungsvolle Alternativen zur Einführung von Gerichtsgebühren sind nach dem Gutachten die Verbesserung der Qualität der Hartz-IV-Verwaltungsverfahren durch bessere personelle Ausstattung, der Verbesserung der Qualität der Widerspruchsverfahren und die Nutzung der Möglichkeit, Mutwillenskosten nach 192 SGG anzudrohen. Laut einer Richterbefragung der Gutachter machen zwei Drittel der Sozialrichter von dem Instrument der Androhung von Mutwillenskosten nur selten oder nie Gebrauch. Aktuell hat eine Länderarbeitsgruppe im Rahmen der Justizministerkonferenz (JUMIKO) vom 19 Oktober 2009 Empfehlungen zur Entlastung der Sozialgerichte ausgesprochen. Diese Empfehlungen enthalten erneut die Forderungen nach der Einführung von Gebühren im sozialgerichtlichen Verfahren, der Einführung einer Zulassungsberufung sowie die Forderung nach der Abschaffung des sogenannten 109-Gutachtens. Die Empfehlungen sind der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) zur Kenntnis übermittelt worden. Es wurde dazu eine gemeinsame Arbeitsgruppe auf Amtschefebene von Sozial- und Justizministerien eingerichtet. 2. Grundsätzliche Position Der Sozialverband VdK sieht in zunehmenden Belastung der Sozialgerichte keine Legitimation, Eingriffe in das Sozialprozessrecht zu Lasten von Versicherten, Leistungsempfängern und behinderten Menschen vorzunehmen, um den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz und die Belastung der Gerichte in laufenden Verfahren einzuschränken. Ebenso ist die Vereinheitlichung der Prozessordnungen kein Selbstzweck, der eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes rechtfertigen würde. Vielmehr müssen die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens beachtet werden. In diesem Verfahren besteht eine besondere Klägerzentriertheit. Empfängern von Sozialleistungen, Versicherten und behinderten Menschen muss ein wirksamer Rechtschutz sichergestellt werden. Bei den Betroffenen geht es um Lebensbereiche, die häufig unmittelbar ihre materielle Existenz betreffen. Ihnen gegenüber steht eine hoch spezialisierte Verwaltung bei immer komplizierteren und unüberschaubareren Rechtsnormen. Die Fragestellungen haben häufig einen komplexen medizinischen Hintergrund mit stetigen Veränderungen im Gesundheitszustand der Betroffenen. Vor dem Vorliegen aktueller 4

unparteiischer medizinischer Beurteilungen ist eine Prognose über die Erfolgsaussichten einer Klage häufig nicht möglich. Gewahrt bleiben muss deshalb für den Bürger insbesondere der niederschwellige kostenfreie Zugang zum Sozialgericht, die zulassungsfreie Beibehaltung von zwei Tatsacheninstanzen und eine größtmögliche Waffengleichheit gegen Verwaltungsträger, die an personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen überlegen und im Hinblick auf vorgegebene Einsparungsziele in den Haushalten in ihren Entscheidungen nicht unabhängig sind. Eine umfassende Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes muss vor Entscheidungen gewährleistet sein. 3. Einführung von Gerichtspauschalen Der Sozialverband VdK fordert, dass der Grundsatz der Gebührenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren für die vom VdK vertretenen Personengruppen uneingeschränkt und umfassend beibehalten wird. Die Gebührenfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Sozialstaates und ist notwendig, um den durch das Grundgesetz abgesicherten Justizgewährungsanspruch verwirklichen zu können. Sie ermöglicht Versicherten, Leistungsempfängern und behinderten Menschen, ohne finanzielle Hürden, unabhängig von einem individuellen Kostenrisiko ihre sozialrechtlichen Ansprüche zu klären. Wegen der konstant hohen Erfolgsquoten vor den Sozialgerichten gibt es keine Flut von vornherein aussichtslosen Klagen. Ursache für die Zunahme der Klageverfahren sind die zahlreichen Änderungen im Sozialrecht der letzten Jahre einhergehend mit einer nicht ausreichenden Verwaltungsqualität, die zu einer großen Rechtsunsicherheit und zu einer Vielzahl falscher Bescheide geführt haben. 4. Ärztliche Gutachterwahl durch den Betroffenen ( 109 SGG) Der Sozialverband VdK lehnt eine Streichung der Regelung des 109 SGG strikt ab. Diese Vorschrift besteht seit Inkrafttreten des SGG und gibt dem Betroffenen das Recht, dass das Gericht auf seinen Antrag einen von ihm bestimmten Arzt als Sachverständigen anhören muss. 5

Entgegen der Auffassung von Ländervertretern handelt es sich um keine systemwidrige Verfahrensvorschrift, die nur zu Verfahrensverzögerungen führe. Auch ist der Hinweis auf die dann bestehende Möglichkeit der Einholung eines Privatgutachtens keine Alternative, weil diesem nur ein geringerer Beweiswert zukommt. Der Grundsatz der Waffengleichheit im sozialgerichtlichen Verfahren gebietet, dass der Kläger das Recht hat, dass das Gericht einen Arzt seines Vertrauens bei der Beweisaufnahme einbezieht. Selbst wenn ein solches Gutachten nicht zu einer Wende im Prozess führen sollte, dient es dem Rechtsfrieden, weil der Kläger dann eher einen negativen Verfahrensausgang akzeptiert. Des Weiteren können durch Gutachten nach 109 SGG im Verlauf des Rechtsstreits eingetretene Veränderungen noch in das Verfahren eingebracht werden, die ansonsten ein neues Antragsverfahren gegenüber dem Leistungsträger erforderlich machen würden. 5. Einführung einer Zulassungsberufung Der Sozialverband VdK lehnt die Einführung einer Zulassungsberufung nach dem Vorbild der Verwaltungsgerichtsbarkeit ab. Eine Zulassungsberufung lässt sich nicht sachgerecht mit einer Harmonisierung der Prozessordnungen begründen und widerspricht den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens. Wegen dieser Besonderheiten muss eine zweite Tatsacheninstanz bestehen bleiben. Anders als im Verwaltungsrecht betreffen die Verfahren häufig medizinische Sachverhalte, die unterschiedlich begutachtet werden oder sich noch während des Verfahrens verschlimmern. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die streitigen Leistungen für den rechtsuchenden Bürger häufig existenzielle Bedeutung haben. Hinzuweisen ist auch auf die hohe Erfolgsquote in den Berufungsverfahren die deutlich für deren Beibehaltung spricht. Diese Erfolgsquote ist unter anderem auch auf die Besetzung der Berufungsgerichte mit mehreren Berufsrichtern zurückzuführen. 6