Pflege von Streuobstwiesen Beweidung versus Mahd? Hintergründe, Empfehlungen und offene Fragen Dr. rer. nat. Hans-Georg Wagner Netzwerktreffen des LEADER-Projektes Kulturlandschaft Streuobst Heidekreis 13. September 2018 Breidungs Garten / Soltau
Gliederung Allgemeine Bedrohung der Biologischen Vielfalt Vergleich Mahd / Beweidung anhand von Literaturbefunden Drei Beispiele für spezifische Ressourcen von Weiden Offene Fragen, Empfehlungen und Fazit
Realität 1: FFH-Bericht 2013 für Deutschland Das Gros davon Offenlandarten und LRT!
Realität 2: Rote Liste gefährdeter Biotope der BRD aus: Finck et al. 2017
Zwischenbilanz: Gefährdung gilt summarisch also für fast alle Arten und Lebensräume des Offenlandes und wird unverändert im FFH- Bericht 2019 zu attestieren sein!
Übergeordnete Zielsetzung: Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt der Bundesrepublik Deutschland von 2007:
Ziel B 1 Schutz der biologischen Vielfalt: Bis 2010 ist der Rückgang der heute vorhandenen Vielfalt aufgehalten. Danach setzt eine Trendwende hin zu einer höheren Vielfalt heimischer Arten und Lebensräume in der Fläche ein.
Ziel B 5 Gesellschaftliches Bewußtsein: Im Jahre 2015 zählt für mindestens 75% der Bevölkerung die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu den prioritären gesellschaftlichen Aufgaben.
Höchster Bedarf an konkreten und effizienten Maßnahmen in der Fläche Höchster Bedarf an Öffentlichkeitsarbeit vom Kindesalter an
Wie können Maßnahmen und Ö-Arbeit in der Praxis aussehen, wenn sie - fachlich effizient - wirtschaftlich kostengünstig - inhaltlich vermittelbar und - gesellschaftlich akzeptiert sein sollen?
Beweidung als Mittel der Wahl?
Beweidung gilt als ein in der Regel wirkungsvolles Instrument für die Entwicklung von verschiedenen Vegetationstypen mit hoher Phytodiversität (Schwabe et al. 2013: 207). Diese kann in der Folge zu erhöhter Artenvielfalt beispielsweise der Insekten und diese wiederum entsprechender Folgenutzer führen (Zhu et al. 2015)
und ist besonders effizient, wenn sie als extensive (also in vergleichsweise geringer Besatzdichte) Ganzjahresbeweidung mit verschiedenen Weidetierarten durchgeführt wird (Krawczynski & Wagner 2008).
Zudem gelten Weidelandschaften als besonders ästhetisch und sind deshalb gesellschaftlich deutlich besser akzeptiert als radikale Einmalmaßnahmen wie Feuer, Kahlschläge oder Dynamiteinsatz (Reisinger & Sollmann 2015: 14-25)
Beispiel 1: Zikadenarten in Deutschland in unterschiedlich genutzten Lebensräumen aus: Nickel et al. 2016
Beispiel 2: Verluste von Arthropoden ( Insekten ) durch Mahdnutzung (diverse Literaturbefunde) aus: Nickel et al. 2016
Beispiel 3: Ähnlichkeit der Dungkäfergemeinschaften einer halboffenen Weidelandschaft Streuobstwiesen aus: Buse et al. 2014
unbeweidet beweidet beweidete Biotope sind nicht nur pflanzenartenreicher, sondern grundsätzlich artenreicher als unbeweidete! LRT 6210: Kalk-(Halb-)Trockenrasen
Resume: Auf Mähwiesen kommt nur ein Bruchteil der potenziell möglichen (Offenland-)Arten vor Mahd reduziert ferner die Individuenzahlen vorkommender Arten deutlich bis dramatisch In (gehölz-)strukturdurchsetzten Offenland- Habitaten gibt es deutlich mehr Arten als in reinen Gehölzhabitaten
Beispiele für spezifische Ressourcen von Weiden im Vergleich zu Mähwiesen Dung und dessen Folgenutzer Kadaver und deren Folgenutzer Von den Weidetieren verursachte Dynamik / Störungsökologie
Dung und Folgenutzer In Deutschland mehrere hundert Käferarten spezifisch oder fakultativ an Dung zu erwarten Ausser echten Dungkäfern oft auch wasserbewohnende Käfer oder Rosenkäfer sowieso Käfer-Prädatoren
Dungkäfer als zu erwartende Folgenutzer Gemeiner Dungkäfer Aphodius fimetarius
Dungkäfer als zu erwartende Folgenutzer Bespuckter Dungkäfer Aphodius consputus
Dungkäfer als zu erwartende Folgenutzer Stierkäfer Typhoeus typhaeus
Emus hirtus als hochgefährdetes Beispiel eines Folgenutzers von Dung
Weitere wertgebende Arten Förderung von Arten, die nicht in einem der Anhänge der FFH-RL gelistet sind Biodiversitäts- Konvention!!! Kugelfrüchtiges Schirmmoos Splachnum sphaericum Hedw. auf Dung von Pflanzenfressern in Mooren!
Bindung spezifischer Dung-Pilzarten an spezifische (Mega-) Herbivoren? Forschungsmöglichkeiten für aufmerksame Studierende / Promovierende / ManagementplanerInnen und UmsetzerInnen Biodiversitäts-Konvention!!!
Foto: Michael Lüth Rudolphs Trompetenmoos Tayloria rudolphiana FFH-Anhang II Vorkommen fast ausschließlich auf Gewöllen von Eulenvögeln auf Bäumen in Wäldern und an Waldrändern Förderung durch Beweidung? Dung von Weidetieren Mehr Insekten Mehr Nagetiere Mehr Eulenvögel Mehr Gewölle
Weitere wertgebende Arten Förderung von Arten, die der Wissenschaft noch unbekannt sind Biodiversitäts- Konvention!!! Pleurophoma ossicola Crous, Krawczynski & H.-G. Wagner spec. nov. auf alten Knochen in einem brandenburgischen Heidegebiet
Störung als treibender Motor für Artenvielfalt aus: Connell 1976
Problempflanze Rosa rugosa mit Galloways unbeweidet
Problempflanze Calamagrostis epigeios mit Rindern und Pferden mit Schafen
Keine Patentlösung für alle Problempflanzen (Adlerfarn)
Probleme und offene Fragen: Kleinflächigkeit vieler Streuobstbestände Mindestgröße 5 ha oder Einbindung in größere Weidelandschaft Isolationsgrad fundierter Biotopverbund aus Brachestreifen, Streuobstgehölzen, Totholz oder Steinhaufen etc. Veterinärmedizinische Rahmenbedingungen standarsisierte Versorgungs-, Kontroll und Betreuungsverfahren zumindest bei Ganzjahresweiden und Kombinationen mehrerer Weidetierrassen
Fazit 1: Beweidung bewirkt in der Regel arten- und strukturreichere Biotope bzw. Ökosysteme als Mahd
Fazit 2: Entsprechend können beweidete Streuobstwiesen wesentliche Elemente (zum Bsp. als Trittsteinbiotope) in einem den Zielen der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt ebenso wie der internationalen Convention on Biodiversity dienenden Biotopverbund sein ganz im Sinne von 21 BNatSchG
Fazit 3: In Abhängigkeit von Lage im Naturraum, Exposition, Böden, Höhenlage und ggf. Kombination verschiedener Weidetierrassen sind für eine extensive (Ganzjahres-) Beweidung Besatzdichten von ca. 0,3 bis 0,8 GVE (maximal 1,0 in planar-collinen Flussauen oder auf Bördenstandorten) vorzusehen.
Quellen Buse, J., Herrmann, C. & Roth. S. (2014): Die Dungkäfer einer halboffenen Weidelandschaft mit einer Dauerbeweidung durch Rinder und Pferde. Mainzer naturwissenschaftliches Archiv 51: 309-315. Mainz. Connell, R. (1978): Diversity in tropical rain forests and coral reefs: high diversity of trees and corals is maintained only in a non-equilibrium state. Science199: 1302-1310. Finck, P., Heinze, S., Raths, U., Riecken, U. & Ssymank, A. (2017): Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands. Dritte, fortgeschriebene Fassung 2017. Naturschutz und biologische Vielfalt 156. 637 S. Bonn-Bad Godesberg. Krawczynski, R. & Wagner, H.-G. (2008): Förderung von Biodiversität durch Erprobung und Etablierung alternativer Nutzungsformen. Treffpunkt Biologische Vielfalt 8: 15-21. Bonn-Bad Godesberg.
Quellen Nickel, H., Sollmann, R., Unger, C. & Reisinger, E. (2016): Außergewöhnliche Erfolge des zoologischen Artenschutzes durch extensive Ganzjahresbeweidung mit Rindern und Pferden. Ergebnisse zweier Pilotstudien an Zikaden in Thüringen, mit weiteren Ergebnissen zu Vögeln, Reptilien und Amphibien. - Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 53 (1): 5 20 Schwabe, A., K. Suss & C. Storm (2013): What are the long-term effects of livestock grazing in steppic sandy grassland with high conservation value? Results from a 12-year field study. - Tuexenia 33: 189-212. Thyssen, B. (2010): Wann ist erheblich erheblich? Beurteilungskriterien für Gebietsbeeinträchtigungen nach der FFH- Richtlinie in Abgrenzung zum Artenschutz und zur Eingriffsregelung. - Natur und Recht 32: 9-17. Zhu, H., Wang, D., Guo, Q., Liu, J. & Wang, L. (2015): Interactive effects of large herbivores and plant diversity on insect abundance in a meadow steppe in China. Agriculture, Ecosystems and Environment 212: 245-252.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!