Schulische Inklusion. Untersuchung zu Einstellungen zu schulischer Inklusion und Wirkungen im Bildungsverlauf. Kurzfassung

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Transkript:

Kurzfassung Schulische Inklusion Untersuchung zu Einstellungen zu schulischer Inklusion und Wirkungen im Bildungsverlauf Seite 1

Hintergrund der Studie Deutschland hat im Jahr 2009 die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) ratifiziert. Aber auch zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-BRK ist die Verpflichtung, ein inklusives Bildungssystem einzuführen, noch lange nicht verwirklicht. In der Öffentlichkeit, vor allem aber unter Pädagogen und Eltern, wird das Thema nach wie vor kontrovers diskutiert. Aus diesem Anlass hat die Aktion Mensch gemeinsam mit der Wochenzeitung Die Zeit und dem infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft eine Studie zum Thema durchgeführt. Zielsetzung der Studie Zentrale Fragen der Untersuchung waren: Wird die (schulische) Inklusion als wünschenswertes Ziel in unserer Gesellschaft anerkannt? Welche Erwartungen bestehen hinsichtlich der Auswirkungen von inklusivem Unterricht? Wie wird die gegenwärtige Umsetzung schulischer Inklusion bewertet? Wie entwickeln sich Schüler*innen in unterschiedlichen Lernumfeldern tatsächlich? Wie wurden die Daten erhoben? Zum einen hat das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft im Februar 2019 eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von rund 1.500 Erwachsenen nach ihren Einstellungen zu gesellschaftlicher und schulischer Inklusion und deren Folgen befragt. In der Stichprobe waren Eltern schulpflichtiger Kinder überproportional vertreten. Die Eltern wurden gefragt, ob ihr Kind eine Schule besucht, an der gleichermaßen Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen bzw. Behinderungen unterrichtet werden. Somit liegen Aussagen für Eltern mit und ohne Inklusionserfahrung vor. Zum anderen wurden für die Studie bestehende Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) ausgewertet. Für die NEPS-Studie wurden von 2009 bis 2016 unter anderem insgesamt 11.755 Schüler*innen mehrfach befragt. Zentrale Ergebnisse der Studie 1. Haltung zu Inklusion allgemein Zehn Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK besteht in der Breite der bundesdeutschen Bevölkerung ein hohes Maß an Zustimmung zu den Zielen einer vollen und wirksamen Teilhabe beeinträchtigter und behinderter Menschen in der Gesellschaft. Inklusion ist als wünschenswertes Ziel hoch akzeptiert: 85 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigung in unserer Gesellschaft gleichberechtigt zusammenleben sollten. *steht für alle Geschlechter. Seite 2

2. Haltung zu Inklusion im Bereich Freizeit und Schule Fast die gesamte Bevölkerung (94 Prozent) ist der Meinung, dass Kinder mit und ohne Beeinträchtigung in ihrer Freizeit die Möglichkeit haben sollten, gemeinsam aufzuwachsen. Gemeinsamen Unterricht in der Schule befürworten hingegen nur 66 Prozent der Gesamtbevölkerung. Betrachtet man hier die Gruppe der Eltern mit Inklusionserfahrung, ist die Zustimmung zu schulischer Inklusion mit 78 Prozent allerdings deutlich höher als bei Eltern ohne Inklusionserfahrung (61 Prozent). Zwei mögliche Gründe könnten hier zusammenspielen: Erstens wählen Eltern, die sich für inklusiven Unterricht aussprechen, möglicherweise bewusst diese Schulen aus, weil sie das Konzept befürworten. Zweitens könnten konkrete positive Erfahrungen mit dem Unterricht diese höhere Zustimmung erklären. 3. Einschätzung zu Auswirkungen schulischer Inklusion Mehr als drei Viertel der deutschen Bevölkerung sind von positiven Effekten schulischer Inklusion überzeugt. Die Befragten geben an, ein inklusives Schulsystem führe zu mehr Toleranz, einem besseren Miteinander sowie zu höherer Engagementbereitschaft und wirke sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Zurückhaltender wird der inklusive Unterricht jedoch dann beurteilt, wenn es um Fragen der Leistungsförderung der Kinder geht. Lediglich 60 Prozent der Gesamtbevölkerung sind der Meinung, dass ein inklusives Schulsystem gut auf das Berufsleben vorbereitet. Zudem besteht die Einschätzung, dass Kinder mit unterschiedlichen Leistungsniveaus nicht gleichermaßen gefördert werden können. Rund die Hälfte (52 Prozent) der Befragten denkt, das besonders leistungsstarke Kinder im fachlichen Lernen gebremst werden. Bemerkenswert ist, dass Eltern, die eigene Erfahrungen mit Inklusionsschulen gemacht haben, die Leistungsförderung in einem inklusiven Schulsystem differenzierter sehen als Eltern ohne Inklusionserfahrung. 55 Prozent der Eltern mit Inklusionserfahrung meinen, dass ein inklusives Schulsystem besonders leistungsstarke Kinder im fachlichen Lernen bremse. Dieser Meinung sind nur 47 Prozent der Eltern ohne Inklusionserfahrung. Lediglich 48 Prozent der Eltern mit Inklusionserfahrung erwarten eine Verbesserung der Bildungschancen für weniger leistungsstarke Kinder. In der Gruppe der Eltern ohne Inklusionserfahrung liegt dieser Anteil bei 64 Prozent. Seite 3

Möglicherweise sind Eltern, deren Kinder gegenwärtig eine Inklusionsschule besuchen, stärker dafür sensibilisiert, dass der Unterricht von heterogenen Klassen besondere Anforderungen an Schulen und Lehrpersonal stellt. Auch hier könnten die konkreten Erfahrungen zu diesem Meinungsbild führen. Auffällig ist auch, dass Eltern mit Inklusionserfahrung auf die Frage nach der Förderung leistungsstarker bzw. leistungsschwacher Kinder häufig mit teils/teils (mit 30 bzw. 42 Prozent) antworten, was darauf hindeutet, dass sie innerhalb ihrer Schulen unterschiedliche Erfahrungen mit der Leistungsförderung machen. Abbildung 1: Eltern: Leistungsförderung durch Inklusion Ein inklusives Schulsystem bereitet Kinder gut auf das Berufsleben vor. 66 16 18 Eltern ohne Inklusionserfahrung 73 15 12 Eltern mit Inklusionserfahrung erhöht die Chancen auf einen Bildungsabschluss für weniger leistungsstarke Kinder. 64 18 18 Eltern ohne Inklusionserfahrung 48 42 10 Eltern mit Inklusionserfahrung bremst besonders leistungsstarke Kinder im fachlichen Lernen. 47 25 28 Eltern ohne Inklusionserfahrung 55 30 15 Eltern mit Inklusionserfahrung Zustimmung Teils/teils Keine Zustimmung Angaben in Prozent, nur gültige Angaben, Differenz zu 100 Prozent: rundungsbedingt; Basis: Eltern n = 410, davon Eltern ohne Inklusionserfahrung n = 274, Eltern mit Inklusionserfahrung n = 136 Seite 4

4. Umsetzung der schulischen Inklusion Während die Bevölkerung die Auswirkungen von inklusivem Unterricht auf das soziale Miteinander positiv einschätzt, fällt das Urteil über die Umsetzung schulischer Inklusion skeptischer aus. 40 Prozent aller Befragten bezweifeln, dass Lehrer*innen die Herausforderungen des Unterrichts an Inklusionsschulen bewältigen können. 57 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Lehrer*innen nicht ausreichend für die Herausforderungen schulischer Inklusion ausgebildet sind, und 63 Prozent der Befragten meinen, dass die Klassen für inklusiven Unterricht zu groß sind. Ein weiteres Problem wird in fehlendem Personal gesehen. 55 Prozent aller Befragten sind der Ansicht, dass es an Inklusionsschulen nicht ausreichend Sozial- und Sonder pädagog*innen sowie Schulpsycholog*innen für die Gestaltung des Unterrichts gibt. 68 Prozent der Befragten glauben sogar, dass es an den Schulen nicht genügend Lehrer*innen für die Gestaltung inklusiven Unterrichts gibt. Eltern, deren Kinder eine Inklusionsschule besuchen, sagen deutlich häufiger (82 Prozent) als Eltern ohne Inklusionserfahrung (70 Prozent), dass es nicht genügend Lehrkräfte zur Gestaltung des inklusiven Unterrichts gibt. Möglicherweise machen Eltern, deren Kinder inklusiv unterrichtet werden, die Erfahrung, dass die Belastung für einzelne Lehrer*innen zu hoch ist. Dies zeigt sich auch bei den Fragen nach zu großen Klassen und der ausreichenden Lehrerausbildung: Auf beide Fragen antworten Eltern mit Inklusionserfahrung jeweils zu 40 Prozent mit teils/teils. Das deutet darauf hin, dass diese Eltern sehr unterschiedliche Erfahrungen in ihren jeweiligen Schulen machen. Abbildung 2: Eltern: Umsetzung schulischer Inklusion Die Klassen sind für den inklusiven Unterricht zu groß. 67 15 18 Eltern ohne Inklusionserfahrung 38 40 22 Eltern mit Inklusionserfahrung Lehrer*innen sind nicht ausreichend für die Herausforderungen schulischer Inklusion ausgebildet. 62 24 14 Eltern ohne Inklusionserfahrung 39 40 21 Eltern mit Inklusionserfahrung Zustimmung Teils/teils Keine Zustimmung Angaben in Prozent, nur gültige Angaben, Differenz zu 100 Prozent: rundungsbedingt; Basis: Eltern n = 410, davon Eltern ohne Inklusionserfahrung n = 274, Eltern mit Inklusionserfahrung n = 136 Seite 5

5. Zusatzanalyse: Tatsächliche Wirkung schulischer Inklusion auf den Übergang ins Ausbildungssystem Die in Deutschland aktuell umfangreichste Datengrundlage zur Analyse von Bildungschancen und Bildungsverläufen bilden die Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Betrachtet wurden 11.755 Jugendliche, die 2010 die 9. Klasse besucht haben und seitdem regelmäßig befragt werden. Die Daten zeigen, ob sich die Ausbildungschancen für Schüler*innen, die in unterschiedlichen Klassenkontexten unterrichtet wurden, tatsächlich unterscheiden. Die befragten Schüler*innen verteilen sich wie folgt auf die verschiedenen Schulformen: Tabelle 1: Schulformen Jahrgangsstufe 9 Häufigkeit Prozent Hauptschule 2.853 24,3 % Realschule 2.302 19,6 % Schule mit mehreren Bildungsgängen/ integrierte Gesamtschule 1.897 16,1 % Gymnasium 3.876 33,0 % Förderschule 827 7,0 % Gesamt 11.755 100,0 % Quelle: NEPS-Startkohorte 4, Wellen 1 bis 9, Angaben zur Schulform aus Welle 1 (2010) Aus den Daten lässt sich ermitteln, ob in den Klassen auch Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet wurden. Dadurch konnten in der Analyse folgende Gruppen unterschieden werden: Schüler*innen, die an Regelschulen in nicht inklusiven Klassen unterrichtet wurden Schüler*innen, die an Regelschulen in inklusiven Klassen unterrichtet wurden Schüler*innen, die an Förderschulen unterrichtet wurden Seite 6

Ausgehend von dieser Klassifizierung wurden die weiteren Bildungsverläufe sechs Monate nach Verlassen des allgemeinen Schulsystems betrachtet: Der Anteil derer, die innerhalb der ersten sechs Monate nach der Schulzeit eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, ist bei ehemaligen Schüler*innen aus inklusiven Klassen mit 54 Prozent etwas geringer als bei denjenigen aus nicht inklusiven Klassen (58 Prozent). Mit 16 Prozent ist der Anteil der ehemaligen Förderschüler*innen, die eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, deutlich geringer. Diese besuchen mit rund 65 Prozent besonders häufig eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Tabelle 2: Übergang ins Ausbildungssystem abhängig vom Klassenkontext Klassenkontext, ehemalige Schüler*innen an Regelschulen Nicht inklusiver Kontext Inklusiver Kontext Ehemalige Schüler*innen an Förderschulen Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Ausbildung/Studium 3.430 57,5 % 531 53,6 % 135 16,3 % Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme 736 12,3 % 183 18,5 % 538 65,1 % Erwerbstätigkeit 1.008 16,9 % 139 14,0 % 44 5,3 % Arbeitslosigkeit 104 1,7 % 24 2,4 % 24 2,9 % Etwas anderes 690 11,6 % 114 11,5 % 86 10,4 % Gesamt 5.968 100 % 991 100 % 827 100 % Differenz zur Gesamtanzahl der Startkohorte: Für 3.969 Schüler*innen liegen keine Angaben zum Klassenkontext vor. Quelle: NEPS-Startkohorte 4, Wellen 1 (2010) bis 9 (2015/2016) In den unterschiedlichen Regelschulformen gelingt der tatsächliche Übergang in eine Ausbildung oder ein Studium nach inklusiver Beschulung ebenso gut wie bei nicht inklusiver Beschulung mit Ausnahme der Hauptschule. Die Ergebnisse der Zusatzanalyse zeigen, dass es hier größere Unterschiede gibt: Nach nicht inklusiver Beschulung nehmen 54 Prozent eine Ausbildung auf, nach inklusiver Beschulung sind es 46 Prozent. Gleichzeitig ist in dieser Gruppe der Anteil an Teilnehmer*innen an einer berufsvorbereitenden Maßnahme höher. Seite 7

Tabelle 3: Übergang ins Ausbildungssystem abhängig vom Klassenkontext nach Schulformen Klassenkontext, ehemalige Schüler*innen an Regelschulen Nicht inklusiver Kontext Inklusiver Kontext Anzahl Prozent Anzahl Prozent Schulform: Hauptschule Ausbildung/Studium 928 54,1 % 156 46,2 % Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme 463 27,0 % 110 32,5 % Erwerbstätigkeit 164 9,6 % 29 8,6 % Arbeitslosigkeit 37 2,2 % 12 3,6 % Etwas anderes 122 7,1 % 31 9,2 % Gesamt 1.714 100 % 338 100 % Schulform: Realschule Ausbildung/Studium 814 65,2 % 59 62,1 % Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme 109 8,7 % 7 7,4 % Erwerbstätigkeit 190 15,2 % 17 17,9 % Arbeitslosigkeit 17 1,4 % 2 2,1 % Etwas anderes 118 9,5 % 10 10,5 % Gesamt 1.248 100 % 95 100 % Schulform: Gesamtschule und Schule mit mehreren Bildungsgängen Ausbildung/Studium 566 58,7 % 229 57,7 % Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme 134 13,9 % 62 15,6 % Erwerbstätigkeit 120 12,4 % 54 13,6 % Arbeitslosigkeit 29 3,0 % 8 2,0 % Etwas anderes 115 11,9 % 44 11,1 % Gesamt 964 100 % 397 100 % Schulform: Gymnasium Ausbildung/Studium 1.122 54,9 % 87 54,0 % Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme 30 1,5 % 4 2,5 % Erwerbstätigkeit 534 26,2 % 39 24,2 % Arbeitslosigkeit 21 1,0 % 2 1,2 % Etwas anderes 335 16,4 % 29 18,0 % Gesamt 2.042 100 % 161 100 % Differenz zur Gesamtanzahl der Startkohorte: Keine Angaben zum Klassenkontext bzw. ehemalige Schüler*innen von Förderschulen. Quelle: NEPS-Startkohorte 4, Wellen 1 (2010) bis 9 (2015/2016) Seite 8

Fazit Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Befragung, dass in der Gesamtbevölkerung ein hohes Maß an Zustimmung zu Inklusion besteht. Die bisherige Umsetzung des inklusiven Schulsystems wird dagegen skeptischer beurteilt, vor allem wegen fehlenden Personals oder wegen zu großer Klassen. Die Analyse auf Basis der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) gibt jedoch Hinweise darauf, dass trotz derzeit noch schwieriger Rahmenbedingungen schulischer Inklusion der Übergang in eine Ausbildung bzw. ein Studium bei inklusiv beschulten Jugendlichen häufig genauso gut gelingt wie bei nicht inklusiv Beschulten. Dies deckt sich mit dem Befund der inklusionserfahrenen Eltern, von denen fast drei Viertel sagen, dass ein inklusives Schulsystem gut auf das Berufsleben vorbereitet. Seite 9

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