ERA-Veranstaltung Antidiskriminierung: die Gleichbehandlungsrichtlinien von 2000, Trier, Oktober 2005

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Transkript:

ERA-Veranstaltung Antidiskriminierung: die Gleichbehandlungsrichtlinien von 2000, Trier, 24.-25. Oktober 2005 Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters Dr. Susanne Burri, Juristische Fakultät, Universität Utrecht, Niederlande Achter Sint Pieter 200 NL-3512 H Utrecht Tel.: +31-(0)30-253 79 65 E-Mail: S.Burri@law.uu.nl Einführung Eine Diskriminierung aufgrund des Alters unterscheidet sich von anderen Formen von Diskriminierungen, z.b. von solchen aufgrund der Rasse oder des Geschlechts. Da die Rasse oder das Geschlecht einer Person innewohnende und (im Allgemeinen) unveränderliche Merkmale darstellen, schadet eine derartige Diskriminierung einem genau umrissenen Personenkreis. Diese Kriterien sind auf den ersten Blick verdächtig. Doch das Alter ändert sich im Laufe des Lebens, und jemand kann darum in einem bestimmten Lebensabschnitt einer altersbedingten Diskriminierung unterliegen, in einem anderen jedoch nicht. Außerdem ist ein bestimmtes Alter relativ. Ein Mensch von 40 Jahren ist im Vergleich zu einem Achtzigjährigen jung, jedoch alt, stellt man ihm einen zehnjähriges Kind gegenüber. Es ist also nicht immer einfach, eine auf dem Alter beruhende Diskriminierung zu ermitteln, da verschiedene Gruppen nach unterschiedlichen Kriterien unter einer solchen Diskriminierung zu leiden haben können. Auch die betroffene Gruppe ist nicht immer klar erkennbar. Einige Beispiele für Kriterien, die eine eventuelle Diskriminierung aufgrund des Alters hervorrufen können, belegen dies: eine Bezugnahme auf ein bestimmtes Alter (z.b. 65 Jahre oder älter oder eine bestimmte Altersgruppe, zwischen 35 und 45 Jahren); eine bestimmte Gruppe (Jugendliche, Erwachsene oder Senioren); ein biologisches Merkmal (Frauen in den Wechseljahren) oder bestimmte Begriffe, die eine Beziehung zu einer bestimmten Gruppe andeuten (dynamisch, sehr erfahren). Diese Beispiele zeigen außerdem, dass eine auf dem Alter begründete Diskriminierung eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung bilden kann. Gemeinschaftliches und internationales Recht Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters ist im Gemeinschaftsrecht seit dem Inkrafttreten der Rahmenrichtlinie über die Verwirklichung der Gleichbehandlung Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) vom 2. Dezember 2003 enthalten. Allerdings verfügen die Mitgliedstaaten über eine Nachfrist von drei Jahren, um die Bestimmungen in Bezug auf Diskriminierung aufgrund des Alters (und einer Behinderung) umzusetzen. In der Präambel zur Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ist außerdem ein Hinweis auf das Verbot zu finden, (u.a.) aufgrund des Alters zu diskriminieren. Darüber hinaus erwähnt die Grundrechtecharta der Europäischen Union (zurzeit noch soft law) das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters und die Anerkennung von Rechten älterer Menschen (siehe insbesondere die Artikel 21 und 25).

2 Auf völkerrechtlicher Ebene ist der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu erwähnen, vor allem dessen Artikel 26, der eine Diskriminierung aufgrund des Alters nicht ausdrücklich verbietet, aber eine nicht erschöpfende Liste untersagter Diskriminierungen enthält. Dieser Artikel wurde in den Niederlanden genauso wie Artikel 1 der niederländischen Verfassung seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts mehrfach vor Gericht angeführt, um eine Diskriminierung aufgrund des Alters anzufechten. Die Rahmenrichtlinie über Gleichbehandlung Die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Annahme der erforderlichen Bestimmungen, damit das einzelstaatliche Recht der Richtlinie entspricht. 1 Die Richtlinie definiert unter anderem das Konzept der Diskriminierung, den Geltungsbereich, die Ausnahmen, bei denen eine auf einem der in der Richtlinie genannten Gründe beruhende unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, die Beweislast, den Schutz vor Viktimisierung und Sanktionen. Die meisten allgemeinen Bestimmungen sind bei den verschiedenen durch die Richtlinie verbotenen Diskriminierungen gleich (Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung). Die Richtlinie deckt im Wesentlichen den Zugang zur Beschäftigung und zur Berufsausbildung, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (einschließlich der Entlassungs- und Vergütungsbedingungen) und die Zugehörigkeit zu einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation (Artikel 3) ab. Aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausdrücklich ausgeschlossen sind die Systeme der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes sowie die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung des Rentenalters (Präambel und Artikel 3). Außerdem tut die Richtlinie den Maßnahmen keinen Abbruch, die in der einzelstaatlichen Gesetzgebung über öffentliche Sicherheit und die Verteidigung der Ordnung vorgesehen sind (Artikel 2). Eine Ungleichbehandlung (unter anderem) aufgrund des Alters ist nicht verboten, wenn sie mit beruflichen Anforderungen gerechtfertigt wird (Artikel 4). Die Mitgliedstaaten können außerdem Maßnahmen beibehalten oder einführen, mit denen Benachteiligungen (unter anderem) aufgrund des Alters verhindert oder ausgeglichen werden sollen, also eine Politik positiver Maßnahmen betreiben (Artikel 7). Bei der Definition des Grundsatzes der Gleichbehandlung in der Rahmenrichtlinie wird zwischen unmittelbarer Diskriminierung, mittelbarer Diskriminierung, Belästigung und Anweisung zur Diskriminierung (Artikel 2) unterschieden. Diese Definitionen gelten auch für die Diskriminierung aufgrund des Alters. Die Unterscheidung zwischen einer unmittelbaren Diskriminierung und einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Alters hat jedoch keine Folgen für die Möglichkeiten zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung, da die Möglichkeiten der Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung aufgrund des Alters ein offenes Rechtfertigungssystem beinhalten. Im Gegensatz zu dem Verbot der Diskriminierung z.b. aufgrund der Rasse (siehe insbesondere die Richtlinie 2000/43/EG) oder des Geschlechts (siehe u.a. die Richtlinien 76/207/EWG und 2002/73/EG) ist eine Ungleichbehandlung unmittelbar aufgrund des Alters nicht untersagt, wenn sie als objektiv und angemessen gerechtfertigt werden kann. Sie muss mit einem rechtmäßigen Gegenstand 1 Zu weiteren Informationen siehe z.b.: C. O Cinneide, Age discrimination, Luxemburg: Europäische Kommission, April 2005; Europäische Kommission, Gleichheit und Nichtdiskriminierung, Jahresbericht 2005, Luxemburg: Europäische Kommission, April 2005; Europäische Kommission, Kritische Übersicht über die wissenschaftliche Literatur zu den EU-Antidiskriminierungsrichtlinien, Luxemburg: Europäische Kommission, Juli 2004 und die in den Berichten erwähnte Literatur.

3 gerechtfertigt werden, insbesondere durch legitime Zielsetzungen in den Bereichen Beschäftigung, Arbeitsmarkt und Berufsausbildung und die zur Erreichung dieses Ziels eingesetzten Mittel müssen angemessen und erforderlich sein (Artikel 6). Dieser Test entspricht dem, den der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen des Konzepts der auf dem Geschlecht beruhenden mittelbaren Diskriminierung erarbeitet hat. 2 Die Richtlinie erwähnt außerdem einige mögliche spezifische Ausnahmen, die auf dem Alter beruhende Unterschiede im Rahmen des Zugangs zur Beschäftigung oder zur Berufsausbildung, Mindestaltersvoraussetzungen, Mindestanforderungen an die berufliche Erfahrung oder das Dienstalter oder bestimmte Vorteile der Rennen, die mit der Beschäftigung bestimmter Gruppen zusammenhängen. Sie erlaubt darüber hinaus die Festsetzung des Beitritts- oder Zulassungsalters für Renten- oder Invaliditätsleistungen (Artikel 6). Die Rahmenrichtlinie enthält nur Mindestvorschriften und untersagt die Absenkung des Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen (Artikel 8). Die allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie Rechtsschutz (Artikel 9), zur Beweislast (Artikel 10), zum Schutz vor Viktimisierung (Artikel 11), zur Verbreitung von Informationen (Artikel 12), zum sozialen Dialog und zum Dialog mit Nichtregierungsorganisationen (Artikel 13 und 14) sind ebenfalls umzusetzen. Das betrifft auch Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten ergriffen werden müssen sowie Sanktionen (Artikel 16, 17 und 18). Die Umsetzung der Rahmenrichtlinie in den Niederlanden im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters Die meisten Mitgliedstaaten haben erst in jüngster Zeit eine spezifische Gesetzgebung zum Verbote der Diskriminierung aufgrund des Alters angenommen. 3 So war es auch in den Niederlanden. Ein Gesetz über Gleichbehandlung aufgrund des Alters trat am 1. Mai 2004 in Kraft. 4 Mit diesem Gesetz sollen die Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG über das auf dem Alter gründende Verbot umgesetzt werden. Ihr Geltungsbereich ist genau wie der der Richtlinie noch auf Beschäftigung, Arbeit und Berufsausbildung beschränkt. Die niederländische Regierung hat es nicht als zweckmäßig angesehen, den Geltungsbereich auf Waren und Dienstleistungen, das Unterrichtswesen und das Wohnen auszudehnen, wie die Zweite Kammer des Parlaments es gewünscht hatte. Die dafür genannten Hauptgründe waren die Komplexität der Thematik und der Wunsch, mehr Klarheit über die praktischen Auswirkungen des Gesetzes auf dem Gebiet der Arbeit zu erhalten. Ungleichbehandlung aufgrund des Alters ist in der Gesetzgebung und der Reglementierung in den Niederlanden sowie in Tarifverträgen und Verordnungen über Renten, Ruhegehälter usw. häufig anzutreffen. Oft dienen solche Unterscheidungen zum Schutz bestimmter Altersgruppen oder dazu, ihnen mehr Möglichkeiten zu bieten, Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten oder dort tätig zu bleiben. Lange Zeit schien eine auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung nahe liegend zu sein und wurde allgemein akzeptiert. Seit einigen Jahren werden auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen immer häufiger diskutiert, und Fehlvorstellungen in Bezug auf bestimmte Gruppen werden infrage gestellt. So ist zum Beispiel nicht mehr ohne weiteres 2 Siehe insbesondere das Urteil Bilka, Rechtssache 170/84. 3 Siehe z.b. www.age-platform.org und http://europa.eu.int/comm/employment_social/fundamental_rights. 4 Wet gelijke behandeling op grond van leeftijd (Gesetz über Gleichbehandlung aufgrund des Alters), Stb. 2004, 30. Die Bestimmungen über die Entlassung vor dem 65. Lebensjahr sowie über die Streitkräfte werden am 2. Dezember 2006 beziehungsweise am 1. Januar 2008 (oder ggf. früher) in Kraft treten.

4 klar, dass bestimmte Aufgaben nach Erreichen eines bestimmten Alters nicht mehr erfüllt werden können und über diese Fragen hat es bereits Gerichtsverfahren gegeben. 5 Mit dem niederländischen Gesetz werden die Bestimmungen der Richtlinie recht getreu umgesetzt, auch wenn bestimmte Unterschiede der Erwähnung bedürfen. So untersagt der niederländische Text einen auf dem Alter beruhenden Unterschied, ohne dass der Begriff der Diskriminierung verwendet würde. Ein auf dem Alter beruhender Unterschied kann direkt oder indirekt sein. Ein klares Beispiel eines mittelbaren Unterschieds ist das Kriterium, das sich auf das Dienstalter bezieht, was die Gewährung bestimmter Rechte für Arbeitnehmer angeht ein in den Niederlanden oft angewandtes Kriterium, das sich im Allgemeinen zugunsten der ältesten Arbeitnehmer auswirkt. Oft steigt das Gehalt eines Beschäftigten regelmäßig je nach den aufgelaufenen Dienstjahren. Das Gesetz untersagt nicht nur eine auf dem Alter beruhende unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung, sondern wie die Richtlinie auch die Anweisung zur Diskriminierung und eine Belästigung. So nimmt ein Arbeitgeber z.b. eine Diskriminierung vor, wenn er von einer Zeitarbeitsagentur verlangt, nur Personen unter 30 Jahren für eine bestimmte Aufgabe auszuwählen, ohne dass dieses Kriterium objektiv gerechtfertigt ist. Lehnt die Zeitarbeitsagentur es ab, dieser Forderung zu entsprechen und entsteht ihr dadurch ein Schaden, ist der Arbeitgeber zivilrechtlich haftbar. Eine Belästigung aufgrund des Alters wird genauso wie in der Richtlinie definiert und lässt sich nicht rechtfertigen. Das niederländische Gesetz biete die Möglichkeit, einen Unterschied aufgrund des Alters in der Beschäftigungspolitik für bestimmte Gruppen zu rechtfertigen, um ihnen die Teilnahme am Arbeitsmarkt zu erleichtern, wenn sich dies auf eine gesetzliche Bestimmung stützt. So kennt das niederländische Recht spezifische Bestimmungen in Bezug auf junge Arbeitnehmer unter 23 Jahren. Nach dem niederländischen Gesetz über das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters ist auch eine Entlassung bei Erreichen des Rentenalters (65 Jahre) gerechtfertigt. 6 Das niederländische Gesetz bietet ferner die Möglichkeit, eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in Bezug auf Renten- und Invaliditätszahlungen zu rechtfertigen. Wie die Richtlinie sieht das niederländische Gesetz eine Möglichkeit vor, eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters zu rechtfertigen, wenn diese in Übereinstimmung mit den in der Richtlinie (Artikel 6) erwähnten Kriterien objektiv und angemessen begründet wird. Das niederländische Gesetz enthält keine Bestimmungen über positive Maßnahmen. Die Regierung hat eine Liste der auf dem Alter beruhenden Unterschiede in der Gesetzgebung und den Rechtsvorschriften erstellt eine sich aus Artikel 16 der Richtlinie ergebende Verpflichtung. Der niederländischen Regierung zufolge sind diese Unterschiede aufgrund des Alters objektiv gerechtfertigt. Es ist allerdings festzustellen, dass die Regierung in erster Linie der Frage nachgegangen ist, ob die verfolgten Ziele legitim sind und sich kaum damit auseinander gesetzt hat, ob die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und notwendig sind (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit), wie die Richtlinie es verlangt (Artikel 6). Es wird sich darum zeigen müssen, ob künftig alle auf dem Alter beruhenden Unterschiede in der niederländischen Gesetzgebung und den Rechtsvorschriften des Landes 5 Siehe z.b. Hof Amsterdam v. 28. Februar 2002, LJN AD9696 (in Bezug auf eine nicht gerechtfertigte Altersgrenze von 70 Jahren für einen Schiedsrichter), HR 1. November 2002, LJN AE7356 (in Bezug auf eine gerechtfertigte Altersgrenze von 65 Jahren für einen Berater) und HR 8. Oktober 2004, LJN AP0424 (in Bezug auf eine gerechtfertigte Altersgrenze von 56 Jahren für Verkehrspiloten). Diese Urteile sind (in niederländischer Sprache) im Internet einsehbar siehe www.rechtspraak.nl und stammen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über Gleichbehandlung aufgrund des Alters. 6 Eine solche Ausnahme ist in den Bestimmungen der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen, wird aber in der Präambel ( 14) erwähnt.

5 den Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG in Bezug auf Diskriminierungen aufgrund des Alters entsprechen werden. Rechtsprechung Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Mai 2004 hat die Gleichstellungskommission ein mit der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beauftragtes Fachorgan, das (unter anderem) für die Abgabe von Stellungnahmen zur Anwendung dieses Grundsatzes zuständig ist 84 Stellungnahmen zu einer Unterscheidung aufgrund des Alters veröffentlicht. 7 2004 veröffentlichte die Kommission 179 Stellungnahmen zu Diskriminierungsverboten aus verschiedenen Gründen (Rasse und Staatsangehörigkeit, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Teilzeitarbeit, Vertragscharakter, Behinderung und Alter), von denen 18 sich auf eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters bezogen. Seit Oktober 2005 betreffen mehr als ein Drittel der 180 im Jahre 2005 veröffentlichten Stellungnahmen eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters. Es liegt auf der Hand, dass die Zahl der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die um eine Stellungnahme zur Anwendung des Gesetzes in Bezug auf das Verbot von Unterscheidungen aufgrund des Alters bitten, geradezu spektakulär zugenommen hat. Häufig gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass eine von dem Gesetz verbotene Diskriminierung stattgefunden hat. Bestimmte Stellungnahmen haben die Aufmerksamkeit der nationalen Medien gefunden und zahlreiche Diskussionen ausgelöst. So ist die Kommission zum Beispiel der Auffassung, dass es gesetzeswidrig ist, Arbeitnehmern eines bestimmten Alters (über 45 Jahre oder über 50 Jahre) zusätzliche Urlaubstage zuzusprechen. 8 Auch die Weigerung, es einem 59-jährigen Arbeitslosen zu erlauben, an einer Lehrerausbildung teilzunehmen, stellt eine gesetzlich verbotene Diskriminierung aufgrund des Alters dar. 9 Mehrere niederländische Urteile des Obersten Gerichtshofs betreffen eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie. 10 Der Oberste Gerichtshof gelangt oft zu dem Schluss, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters objektiv gerechtfertigt ist. Der angewandte Test ist weniger streng als der in Artikel 6 der Rahmenrichtlinie beschriebene Test. Seit dem 1.5.2004 haben mehrere niederländische Richter das Gesetz über Gleichbehandlung aufgrund des Alters angewandt. In diesen Fällen ist der Test strenger. Bisher hat der Europäische Gerichtshof noch kein Urteil über eine Diskriminierung aufgrund des Alters veröffentlicht. Allerdings hat das Arbeitsgericht München Vorlagefragen zur Vereinbarkeit eines einzelstaatlichen Gesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht (insbesondere den Richtlinien 99/79/EG und 2000/78/EG) gestellt, das Verträge begrenzter Dauer mit über 52 Jahre alten Beschäftigten uneingeschränkt zulässt. 11 Generalanwalt Tizzano gelangt zu dem Schluss, dass der allgemeine Grundsatz der Nichtdiskriminierung und Artikel 6 der Richtlinie 2000/78/EG einer solchen Regelung entgegenstehen, weil die eingesetzten Mittel unverhältnismäßig sind, selbst wenn das verfolgte Ziel rechtmäßig ist. Einige Schlussfolgerungen Ungleichbehandlung aufgrund des Alters nimmt vielfältige Formen an und wird immer offensichtlicher und diskussionswürdiger. Dabei geht es nicht nur um Formen der 7 Siehe www.cgb.nl und www.age-platform.org. 8 Stellungnahmen 2004-118, 2004-150. 9 Stellungnahmen 2005-172 und 173. 10 Siehe z.b. HR 11. November 2002, LJN AE7356; HR 8. Oktober 2004, LJN AP0424. 11 Rechtssache C-144/04.

6 unmittelbaren Ungleichbehandlung, wenn ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Altersgruppe erwähnt wird, sondern auch um mittelbare Unterschiede, wie das Kriterium des Dienstalters. Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner, die Arbeitgeber und alle, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festlegen, auf dem Alter beruhende Unterschiede zu überarbeiten. Es geht um den Kampf gegen Klischees über verschiedene Altersgruppen. Der gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2000/78/EG anzuwendende Test ist streng. Es kommt also darauf an, dass die für eine altersbedingte Differenzierung vorgebrachten Beweggründe klar und explizit sind. In der Fachliteratur wird auf das Problem der Mehrfachdiskriminierung hingewiesen. So kann eine Altersgrenze von 30 Jahren für die Besetzung einer bestimmten Position eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters, jedoch auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen, wenn diese Bestimmung zum Beispiel jungen Frauen schadet, die aufgrund familiärer Aufgaben den Arbeitsmarkt vorübergehend verlassen. Ein solches Kriterium kann auch Behinderten Schaden zufügen, wenn ihre Ausbildung mehr Zeit verlangt und sie deshalb später auf den Arbeitsmarkt kommen. Bisher hat es nicht den Anschein gehabt, dass solche Probleme in den Stellungnahmen der Gleichstellungskommission oder den Urteilen niederländischer Richter klar zum Ausdruck kommen. Es wird sich zeigen müssen, in welcher Richtung die Rechtsprechung über Diskriminierung aufgrund des Alters sich weiter entwickeln wird. Es ist für Schlussfolgerungen selbst auf einzelstaatlicher Ebene noch viel zu früh. Außerdem werden Vorabentscheidungsersuchen nationaler Richter und die Rechtsprechung des Gerichtshofs abzuwarten sein, um mehr Klarheit über die Auslegung der Gemeinschaftsbestimmungen zu erhalten. Mehrere Fragen stellen sich jedoch schon heute. Wie soll eine Ungleichbehandlung festgestellt werden, wenn die benachteiligte Gruppe nicht klar umrissen ist? Welche Gruppe dient als Bezug? Welche Ziele neben den in der Richtlinie erwähnten können als rechtmäßig betrachtet werden? Wie soll der Test, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in der Praxis angewandt werden? Welche Behandlung ist anzuwenden, wenn eine Bestimmung oder eine Praxis dem Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft? Wie sind die Nichtrückschrittsklauseln zu interpretieren? Zur Diskriminierung aufgrund des Alters sind somit noch viele Fragen zu erwarten.