EuGH und Urlaubsabgeltung bei Dauererkrankung. Personalleiterkreis VHK Baden-Württemberg

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Transkript:

EuGH und Urlaubsabgeltung bei Dauererkrankung Personalleiterkreis VHK Baden-Württemberg vom 20.04.2010 Referent: RA Roland Weiler, Pliezhausen

Bisherige Rechtslage Urlaubsansprüche verfallen spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums Der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz ist grundsätzlich auf das Kalenderjahr beschränkt. Er wird bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz auf das nächste Kalenderjahr übertragen. Ein besonderer Antrag ist dafür nicht erforderlich, aber es müssen "dringende betriebliche Erfordernisse oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe" dies rechtfertigen. Allerdings (und da kommt dann doch ein Antrag wieder ins Spiel) spricht für das Vorliegen der dringenden betrieblichen Erfordernisse, wenn ein Arbeitgeber einen rechtzeitigen Antrag des Arbeitnehmers auf Urlaubsgewährung aus betrieblichen Gründen abgelehnt hat. Zum 31. März des Folgejahres soll der Urlaub aber nach 7 Abs. 3 BUrlG endgültig verfallen Ausnahme: betriebliche Übung.

Bisherige i Rechtssprechung h des Bundesarbeitsgerichts i Bisher ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass bei einem Arbeitnehmer, der das ganze Jahr über arbeitsunfähig erkrankt war und auch noch über den Übertragungszeitraum hinaus, der Urlaub dann auch am 31. März des Folgejahres verfallen ist. Das Bundesarbeitsgericht ging sogar noch weiter und hat auch den Anspruch auf Urlaubsabgeltung des nicht genommen Urlaubs genauso verfallen lassen. In 7 Abs. 4 BUrlG ist geregelt, dass nicht genommener Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist. War der Arbeitnehmer aber bei Beendigung arbeitsunfähig erkrankt und hielt diese Erkrankung ohne Unterbrechung auch noch über den 31. März des Folgejahres hinaus an, so war auch die Urlaubsabgeltung nicht zu leisten. Diese Rechtssprechung lässt sich im Hinblick auf die oben genannte EuGH Entscheidung wohl nicht mehr halten.

EuGH zu Abgeltung von Urlaub bei fortdauernder Krankheit Entscheidung vom 20.01.2009 C-350/06

Vorlagefrage zum EuGH (LAG Düsseldorf Schultz-Hoff ) Gerichte der Mitgliedstaaten können und müssen unter bestimmten Voraussetzungen Fragen, bei denen es um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht geht, dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. FRAGE: Ist es mit europäischem Recht vereinbar, dass der Jahresurlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Urlaubsjahrs, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde, oder während eines Teils davon arbeitsunfähig war.

Zusammenfassung Einzelstaatliche Regelungen, nach denen der Urlaubsanspruch auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt keine Möglichkeit hatte, seinen Urlaub zu realisieren, sind unwirksam. Die Regelungen in 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG sind daher mit europarechtlichen Vorgaben unvereinbar. Grund hierfür ist, dass die Regelungen keine Bestimmungen über die Frage treffen, wie der Urlaubsanspruch zu handhaben ist, wenn eine Arbeitsunfähigkeit (krankheitsbedingte Verhinderung) die Urlaubsnahme verhindert.

Die Entscheidung wirft eine Reihe von Fragen auf Frage: Bezieht sich die Entscheidung auf den gesamten Urlaubsanspruch oder nur auf den (europäischen) gesetzlichen Mindesturlaub? Da der EuGH seine Entscheidung maßgeblich mit dem in Artikel 7 Abs. 1 RL 2003/88 garantierten Mindesturlaubsanspruch begründet, spricht vieles dafür, nur den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen vor dem Verfall zu schützen. Diese Auffassung vertritt auch das LAG Düsseldorf (2.2.2009-12 Sa 486/06), das zusätzlich noch einen etwaigen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer vor dem Verfall schützen will. Darüber hinaus auf einzelvertraglicher oder tariflicher Grundlage gewährter Urlaub soll nach dieser Entscheidung nach wie vor auch ungeachtet einer etwaigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verfallen.

EuGH-Urteil zu Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit gilt auch für Zusatzurlaub Schwerbehinderter LAG Düsseldorf Der EuGH (EuGH, Urteil vom 21.01.2009 - Aktenzeichen RS C-350/06 und C-520/06) hat entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaub auch arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern zusteht. Kann der gesetzliche Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden, muss er abgegolten, also ausgezahlt werden. Das LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009 2009 Aktenzeichen 12 Sa 486/06 hat jetzt entschieden, dass dies auch für den 5-tägigen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach 125 SGB IX gilt. Es hat den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs und des Zusatzurlaubs aus einer richtlinienkonformen Auslegung gdes Bundesurlaubsgesetzes hergeleitet und, weil der Kläger im öffentlichen Dienst beschäftigt war, außerdem aus einer unmittelbaren Anwendung der EG-Richtlinie. Quelle: Pressemitteilung Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2009 Aktenzeichen 12 Sa 486/06

Bundesarbeitsgericht im Verfahren Schultz-Hoff (EuGH, Urt. vom 20. Januar 2009, C-350/06) über den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und den tariflichen Urlaub bei Krankheit In seinem Urteil vom 23. März 2010 9 AZR 128/09 geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gem. 125 SGB IX dem Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubes folgt. Der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubes besteht nach Auffassung des BAG bei Arbeitsunfähigkeit ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs weiter. Damit teilt der Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruches. Die Tarifvertragsparteien können bestimmen, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann.

Frage: Führt die krankheitsbedingte kh Unmöglichkeit, i Urlaubsansprüche im Urlaubsjahr zu realisieren, zu einem Abgeltungsanspruch am Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums im laufenden Arbeitsverhältnis? Das hat der EuGH nicht entschieden! Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung ergibt sich nur, wenn ein Arbeitnehmer am Ende des Abi Arbeitsverhältnisses i noch offene Urlaubsansprüche Ul üh hat. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist die Abgeltung von Urlaubsansprüchen auch nach der Entscheidung des EuGH unzulässig und unwirksam. Wird dennoch Urlaubsabgeltung gezahlt, so führt dies nicht zu einem Erlöschen der Urlaubsansprüche! Im laufenden Arbeitsverhältnis ist von solchen Zahlungen daher dringend abzuraten!!!

Kündigungsrecht Wirken sich die neuen Regeln zum Erhalt des Urlaubs kündigungsrechtlich aus? Krankheitsbedingte Kündigung Das BAG prüft die Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung in drei Stufen: (1) negative Prognose (2) erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (3) umfassende Interessenabwägung.

Kündigung wegen langandauernder Erkrankung (hier: Stufe 2) Rechtfertigt die Belastung mit nicht verfallenden Urlaubsansprüchen eine Kündigung? g Auch besondere finanzielle Belastungen können betriebliche Beeinträchtigungen sein. Rechtsprechung BAG zu Entgeltfortzahlungskosten Nicht relevant sind Kosten innerhalb des 6 Wochen Zeitraumes je Jahr (Arg: Gesetzgeber wollte nicht das Einkommen des AN sichern und ihm gleichzeitig die Existenzgrundlage Arbeitsplatz - entziehen.) Auch das Verbot des Urlaubsverfalls dient dem Arbeitnehmerschutz. Der Richtliniengeber hat nicht gewollt dass zwar der Urlaub erhalten bleibt aber der Arbeitsplatz verloren geht.

Kündigungsrechtlich relevant erst wenn Urlaubsansprüche von mehreren Jahren (und somit auch Krankheit in dieser Größenordnung) vorliegt. Dann ist Nachweis der betrieblichen Beeinträchtigung nicht mehr relevant da BAG auf die zweite Prüfungsstufe verzichtet. Ist AN dauerhaft nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, ist bereits aus diesem Grunde das Arbeitsverhältnis auf Dauer erheblich gestört (Grund: Dauernde Unmöglichkeit das Direktionsrecht auszuüben). Über die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit hinausgehende Betriebsbeeinträchtigungen müssen nicht dargelegt werden.

Interessenabwägung (Stufe 3) dürfte nur in besonderen Ausnahmefällen zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen (Bsp.: Vom AG verschuldeter Arbeitsunfall hat zur AU geführt). Fazit: Durch die Rechtsprechung des EuGH hat sich an der Beurteilung von Kündigungen wegen Langzeiterkrankung nichts geändert. Um Belastungen nicht zu sehr anwachsen zu lassen sollte AG früher als sonst zu der Kündigung wegen langandauernder Erkrankung greifen.

Handlungsempfehlungen Die Entscheidung des EuGH ist unserer Auffassung nach nicht auf Arbeitsverhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten anzuwenden. Dies gilt deswegen, weil der Anspruch im vom EuGH entschiedenen Fall auf eine EU-Richtlinie gestützt wurde, Richtlinien aber im Privatrechtsverkehr keine unmittelbare Geltung entfalten. Insofern sollte im Streitfall argumentiert werden, dass die Entscheidung im Privatrechtsverkehr erst relevant wird, wenn der deutsche Gesetzgeber die Vorgabe des EuGH durch eine Änderung des Bundesurlaubsgesetzes umsetzt. Diese Auffassung wird auch durch die BDA gestützt. Selbst wenn sich eine sofortige Umsetzungsverpflichtung auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitnehmern und nicht öffentlichen Arbeitgebern erstrecken sollte, blieben die Verpflichtungen aus der EU-Richtlinie auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch (20 Tage pro Jahr bei einer 5-Tages-Woche) beschränkt und wären nicht auf den darüber hinausgehenden tariflichen Anteil des Urlaubsanspruchs auszudehnen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Urlaubsansprüche als auch auf Urlaubsabgeltungsansprüche.

Die jährliche Addition der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer lässt sich nicht rechtsgestaltend verhindern, soweit es um den gesetzlichen Mindesturlaub geht. Hier kann nur durch den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung die Notbremse gezogen werden. Die zusätzlichen vertraglichen Urlaubsansprüche können hingegen durch Aufnahme einer geeigneten Klausel für den Fall der Erkrankung ausgeschlossen oder unter die Verfallvorschrift des 7 Abs. 3 BUrlG gestellt werden. Wichtig ist bei der Formulierung der Klausel darauf zu achten, dass sprachlich genau zwischen dem gesetzlichen und vertraglichen Urlaub unterschieden wird.

Formulierungsbeispiel Ziff. 1: Der Mitarbeiter erhält den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Für eine Übertragung und den Verfall des Urlaubs gelten die gesetzlichen bzw. tariflichen Bestimmungen. Ziff. 2: Zusätzlich gewährt der Arbeitgeber einen Urlaubsanspruch von weiteren... Wochen/Tagen pro Kalenderjahr. Abweichend von Ziff. 1 verfällt dieser vertragliche Mehrurlaub nach Ablauf des Übertragungszeitraums (31.3.) auch dann, wenn der Urlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr und/oder im Übertragungszeitraum nicht genommen werden konnte. Eine Abgeltung wird insoweit ausgeschlossen. Ziff. 3: Durch die Gewährung von Urlaub erfüllt der Arbeitgeber zunächst gesetzliche und nach deren Erfüllung erst die weitergehenden vertraglichen Urlaubsansprüche.

Terminvorschau BAG 4. Mai 2010 Neunter Senat Urlaubsabgeltung b lt nach langandauernder d und fortdauernder d Arbeitsunfähigkeit - 9 AZR 183/09 - Der Kläger war seit dem 1. August 2006 als Verkaufsfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Er hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 26 Tagen. Seit dem 26. Mai 2007 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 15. Juli 2007. Diese Kündigung griff der Kläger mit am 5. Juli 2007 eingegangener Kündigungsschutzklage an und verlangte später im Wege der Klageerweiterung Urlaubsabgeltung für 26 Urlaubstage. In einem am 16. Mai 2008 geschlossenen gerichtlichen Teilvergleich vereinbarten die Parteien ua., dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis i mit Ablauf des 31. Juli 2007 sein Ende gefunden habe. Mit seiner Klage begehrt der Kläger, dessen Arbeitsunfähigkeit über den 13. Juni 2008 hinaus andauerte, die noch streitig gebliebene Urlaubsabgeltung ihv. 2.427,88 Euro. Er ist der Auffassung, die frühere ständige Rechtsprechung, wonach ein Urlaubsabgeltungsanspruch verfalle, wenn er bis zum Ablauf des Kalenderjahrs bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden könne, sei mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht zu vereinbaren. Diesbezüglich nimmt er in der Revisionsinstanz Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Januar 2009 in Sachen Schultz-Hoff. Zumindest der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen sei ihm daher abzugelten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. LAG Köln, Urteil vom 26. Januar 2009-5 Sa 944/08 -

Kurzinformationen

Verlängerte Kurzarbeit bis März 2012 gefördert Die Sonderregelung zur Förderung der Kurzarbeit wird nach einem Kompromiss der schwarz-gelben Koalition bis März 2012 verlängert. Bis dahin können sich Arbeitgeber Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld vom siebten Monat an voll durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstatten lassen.

19.04.2010 Selbst wenn der Mitarbeiter eine schriftliche Erklärung abgegeben hat, das Internet nur zu dienstlichen Zwecken zu nutzen, ist die private Nutzung nicht ohne weiteres ein Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber muss eine erheblichen Beeinträchtigung der geschuldeten Arbeitsleistung beweisen. Surfen verboten! Ein Mitarbeiter im Satzbetrieb einer Druckerei hatte folgende Erklärung unterzeichnet: "Der Zugang zum Internet und E-Mail ist nur zu dienstlichen Zwecken gestattet. Jeder darüber hinausgehende Gebrauch insbesondere zu privaten Zwecken ist ausdrücklich verboten. Verstöße gegen diese Anweisung werden ohne Ausnahme mit arbeitsrechtlichen Mitteln sanktioniert und führen insbesondere bei Nutzung von kriminellen, pornographischen, rechts- oder linksradikalen Inhalten zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses."...gesurft hatte er trotzdem und war prompt "gefeuert" worden. Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte er Erfolg. Ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt Zwar habe der Kläger hatte eine sogenannte Mitarbeitererklärung unterschrieben, mit der er sich verpflichtete, das Internet am Arbeitsplatz nur dienstlich zu nutzen. Die ordentliche Kündigung hielt das LAG jedoch, insbesondere ohne entsprechende Abmahnung, nicht ihfür sozial gerechtfertigt.

Erheblichen Beeinträchtigung der geschuldeten Leistung? Der Arbeitgeber müsse auch nachweisen, dass es durch die Internetnutzung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gekommen sei. Diesen Nachweis sei der Arbeitgeber hier schuldig geblieben. Es fehlt dazu auch an der Darstellung der Verweildauer im Internet, dies wäre erforderlich gewesen, um die Schwere der behaupteten Pflichtverletzungen entsprechend der weiteren Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 27.04.2006, 2 AZR 386/05) festzustellen. Nur harmlose Seiten Ebenso wenig rechtfertigte der Inhalt der vom Kläger aufgerufenen Seiten eine Kündigung, g, zumeist hatte er den Kontostand bei seiner Bank abgefragt. g (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 26.02.2010, 6 Sa 682/09).