Steuerverfahrensrecht in der Insolvenz. RIBFH Prof. Dr. Matthias Loose

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Transkript:

Steuerverfahrensrecht in der Insolvenz RIBFH Prof. Dr. Matthias Loose

I. Steuerfestsetzung in der Insolvenz Überblick II. III. Wirkung der Tabelleneintragung und Korrekturvorschriften FG Düsseldorf Urteil vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U BFH-Beschluss vom 5.7.2018 XI B 18/18 Restschuldbefreiung und Steuerstraftat BFH-Urteile vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17 IV. Erbschaftsteuer im (Nachlass)Insolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14 BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15 2

I. Steuerfestsetzung in der Insolvenz Überblick II. III. IV. Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf Urteil vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U BFH-Beschluss vom 5.7.2018 XI B 18/18 Restschuldbefreiung und Steuerstraftat BFH-Urteile vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17 Erbschaftsteuer im (Nachlass)Insolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14 BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15 3

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Abgrenzung erfordert zunächst eine Einordnung der im Insolvenzverfahren geltend gemachten Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung (st. Rspr. vgl. z.b. BFH v. 31.10.2018 III B 77/18 ). Eine Steuerforderung ist insolvenzrechtlich in dem Zeitpunkt begründet, zu dem der Besteuerungstatbestand vollständig verwirklicht ist (BFH v. 31.10.2018 III B 77/18). 4

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Wegen Insolvenzforderungen darf das FA nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Steuerbescheide erlassen Erlässt das FA gleichwohl einen Steuerbescheid, ist dieser unwirksam ( 125 Abs. 1 AO i.v.m. 124 Abs. 3 AO) 5

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen FA berechnet Steuerforderung und meldet zur Tabelle an Kein Widerspruch von Insolvenzgläubiger oder Schuldner Feststellung zur Insolvenztabelle wirkt als Steuerfestsetzung und ist mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht mehr anfechtbar (BFH v. 5.7.2018 XI B 17/18, AO-StB 2018, 339). 6

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen FA berechnet Steuerforderung und meldet zur Tabelle an Legen der Insolvenzverwalter oder der Schuldner Widerspruch ein, kann das FA die Rechtmäßigkeit durch Insolvenzfeststellungsbescheid ( 251 Abs. 3 AO) selbst feststellen Dagegen Einspruch ggf. Klage - auch Feststellung möglich, dass Steuerfestsetzung bereits bestandskräftig ist, dass die Forderung auf Steuerhinterziehung beruht 7

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Ist bereits ein Einspruchsverfahren anhängig, ändert sich der Gegenstand des Verfahrens (EE = Bescheid nach 251 Abs. 3 AO) Ist bereits ein Klageverfahren anhängig, ist dieses mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst unterbrochen ( 155 FGO i.v.m. 240 ZPO; BFH v. 20.2.2018 XI B 110/17 ). Ein Urteil, das in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeht, ist ohne rechtliche Wirkung und aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben (z.b. BFH v. 10.10.2018 X R 18/16, AO-StB 2019, 15) 8

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Mit der Aufnahme wandelt sich das ursprüngliche Anfechtungsverfahren in ein Insolvenzfeststellungsverfahren Die Aufnahme des Verfahrens richtet sich danach, ob es sich bei dem Verfahren um einen Aktiv- oder Passivprozess handelt. Dabei kommt es nicht auf die verfahrensrechtliche Stellung als Kläger oder Beklagter an. Ein Aktivprozess ist dadurch gekennzeichnet, dass der Insolvenzschuldner eine Forderung geltend macht, die zur Insolvenzmasse gehört, und im Falle des Obsiegens die zur Verteilung stehende Masse vergrößern würde. 9

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Bei einer Klage gegen einen Steuerbescheid kommt es darauf an, ob der Insolvenzschuldner die Steuer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt hat. Er verfolgt dann mit seiner Klage wirtschaftlich einen Erstattungsanspruch, so dass ein Aktivprozess vorliegt. Nimmt der Insolvenzverwalter den Aktivprozess nach 85 Abs. 1 S. 1 InsO nicht auf, können sowohl der Insolvenzschuldner als auch die beklagte Finanzbehörde den Rechtsstreit aufnehmen ( 85 Abs. 2 InsO ). 10

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Bei der Eigenverwaltung wird kein Insolvenzverwalter bestellt. Das mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. 240 ZPO unterbrochene Verfahren kann durch den Schuldner selbst wirksam aufgenommen werden. Der Insolvenzschuldner behält trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Prozessführungsbefugnis (BFH v. 27.2.2014 V R 21/11, UStB 2014, 160). 11

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Insolvenzforderungen Ein Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft nicht unterbrochen (BFH v. 7.6.2018 IV R 11/16, GmbHR 2018, 1079) Einzelheiten Uhländer, AO-StB 2018, 373. 12

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Masseverbindlichkeiten Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg für die Massegläubiger zu befriedigen ( 53 InsO ). Sonstige Masseverbindlichkeiten sind insb. die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden ( 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ). 13

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Masseverbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis muss das FA nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch (normalen) Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter als Bekanntgabeadressat festsetzen vornehmen Inhaltsadressat ist die Insolvenzmasse (Gemeinschaft der Gläubiger) (Einzelheiten vgl. Uhländer, AO-StB 2018, 324 ff.). 14

Steuerfestsetzung in der Insolvenz - Überblick - Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen Steuerforderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen muss das FA auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mittels Steuerbescheid gegen den Insolvenzschuldner festsetzen. Übt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können ( 35 Abs. 2 S. 1 InsO; Freigabe; vgl. auch BGH v. 25.1.2018 IX ZA 19/17). 15

I. Steuerfestsetzung in der Insolvenz Überblick II. III. IV. Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf Urteil vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U BFH-Beschluss vom 5.7.2018 XI B 18/18 Restschuldbefreiung und Steuerstraftat BFH-Urteile vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17 Erbschaftsteuer im (Nachlass)Insolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14 BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15 16

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 1. Mit der widerspruchslosen Feststellung einer Steuerforderung zur Insolvenztabelle haben sich die zugehörigen Steuerbescheide auf andere Weise i.s.d. 124 Abs. 2 AO erledigt. Eine Änderung der Steuerfestsetzungen ist damit nicht mehr möglich. 2. Die Feststellung zur Insolvenztabelle ist nicht mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) anfechtbar und unterliegt auch nicht den für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden geltenden Vorschriften ( 172 ff. AO). Sie kann jedoch unter den Voraussetzungen des 130 AO geändert werden. 17

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Sachverhalt: - Kläger ist Insolvenzverwalter, Verfahren war im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht beendet - Insolvenzschuldner erzielte in den Streitjahren 2010 und 2011 u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft. - Mangels Abgabe von Steuererklärungen erließ das FA Schätzungsbescheide zur ESt und USt 2010 und 2011. 18

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Sachverhalt: - Schuldner legte gegen die Bescheide am Einspruch und reichte fehlenden Steuererklärungen ein. - FA wies darauf hin, dass nach Insolvenzeröffnung nur der Insolvenzverwalter befugt sei, Einsprüche einzulegen und Erklärungen abzugeben. - Anmeldung der offenen Steuerforderungen zur Tabelle Forderungen wurden nicht bestritten und als festgestellt in die Insolvenztabelle eingetragen. 19

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Sachverhalt: - Kläger reichte Steuererklärungen beim FA ein und beantragte, die Tabellenanmeldungen entsprechend zu ändern. - FA lehnte dies wegen der widerspruchslosen Eintragung in die Tabelle ab. 20

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Entscheidung: - Mit der widerspruchslosen Feststellung zur Insolvenztabelle haben sich die zugehörigen Steuerbescheide auf andere Weise i.s.d. 124 Abs. 2 AO erledigt. - Eine Änderung ist damit nicht mehr möglich. 21

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Entscheidung: - Hatten der Insolvenzschuldner oder der Insolvenzverwalter gegen den der Insolvenzforderung zugrunde liegenden Steuerbescheid Einspruch oder Klage erhoben, führt die widerspruchslose Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle dazu, dass sich das Einspruchs- bzw. Klageverfahren in der Hauptsache erledigt. 22

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung FG Düsseldorf vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U, EFG 2018, 1250 Entscheidung: - Soweit die Klage auf die Änderung der Eintragungen zur Insolvenztabelle gerichtet ist, ist sie bereits unzulässig. Es fehlt an einem entsprechenden Vorverfahren. - zwar ist die Feststellung zur Insolvenztabelle nicht mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, NZB, Revision) anfechtbar (vgl. BFH v. 27.9.2017 XI R 9/16, BFH/NV 2018, 75). - auch unterliegt sie nicht 172 ff. AO - aber 130 AO? 23

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung BFH vom 5.7.2018 XI B 18/18, BFH/NV 2018, 1284 Wenn für den Steuerpflichtigen im Insolvenzverfahren die Möglichkeit bestand, durch einen Widerspruch gemäß 178 Abs. 2 i.v.m. 201 Abs. 2 Satz 1 InsO den Eintritt der Urteilswirkung des Tabelleneintrags zu verhindern, ist es grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn das FA einen auf 130 AO gestützten Antrag auf Änderung des Tabelleneintrags ablehnt. 24

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung BFH vom 5.7.2018 XI B 18/18, BFH/NV 2018, 1284 Sachverhalt - Klägerin betrieb im Streitjahr (2007) einen Einzelhandel. - AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und bestellte Insolvenzverwalter. - FA meldete USt zur Tabelle an und übersandte dem Insolvenzverwalter eine "Berechnung für Umsatzsteuer 2007 (wie Bescheid nur mit der Erläuterung, dass es sich nicht um eine Steuerfestsetzung, sondern um eine Steuerberechnung handele) 25

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung BFH vom 5.7.2018 XI B 18/18, BFH/NV 2018, 1284 Sachverhalt - Angemeldete Forderung wurde im Prüfungstermin weder vom Insolvenzverwalter noch von der Klägerin bestritten - In der Folgezeit reichte die Klägerin eine USt-Erklärung ein - Klägerin beantragte einen "Widerruf" des Tabelleneintrags gemäß 130 bis 132 AO - FA lehnte ab, Einspruch und Klage blieben erfolglos 26

Rechtsfolgen der Tabelleneintragung BFH vom 5.7.2018 XI B 18/18, BFH/NV 2018, 1284 Entscheidung Keine Divergenz! FG hat zu Recht angenommen, das FA habe sein Ermessen im Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. FA habe zu Recht berücksichtigt, dass weder die Klägerin noch der Insolvenzverwalter der Forderungsanmeldung des FA widersprochen hätten, obwohl die Möglichkeit bestanden habe, mit dem Bestreiten des Tabelleneintrags Einwendungen gegen die vom FA zur Tabelle angemeldete Umsatzsteuer vorzubringen. 27

I. Steuerfestsetzung in der Insolvenz Überblick II. III. IV. Wirkung der Tabelleneintragung FG Düsseldorf Urteil vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U BFH-Beschluss vom 5.7.2018 XI B 18/18 Restschuldbefreiung und Steuerstraftat BFH-Urteile vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17 Erbschaftsteuer im (Nachlass)Insolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14 BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15 28

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 1. Das FA darf durch Verwaltungsakt gemäß 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist. 2. Der Steuerpflichtige ist auch dann wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, wenn in einem Strafbefehl neben dem Schuldspruch eine Strafe bestimmt und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist. 3. Die Feststellung darf sich auf den Zinsanspruch beziehen, selbst wenn die strafrechtliche Verurteilung nicht wegen der Zinsen erfolgt ist. 29

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Sachverhalt - Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärungen nicht oder erst - FA setzte Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Die Bescheide wurden bestandskräftig. - FA leitete Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin ein 30

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Sachverhalt - AG erließ einen Strafbefehl wegen USt-Hinterziehung. Die hinterzogene Umsatzsteuer wird im Strafbefehl mit insgesamt 20.596,57 angegeben; Zinsen sind nicht aufgeführt. - Klägerin wurde gemäß 59 StGB verwarnt und die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen zu je 15 blieb für den Fall vorbehalten, dass sich die Klägerin binnen zwei Jahren nicht bewähre. Dagegen erhob die Kl. keinen Einspruch. - AG stellte mit Beschluss fest, dass es mit der Verwarnung im Strafbefehl sein Bewenden habe. 31

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Sachverhalt - Insolvenzgericht eröffnete das Insolvenzverfahren. - FA meldete USt.-Forderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) in Höhe von 24.859,50 zur Tabelle an und fügte den Strafbefehl bei. - Nach Übersendung der USt-Bescheide stellte der Insolvenzverwalter die Forderungen wie angemeldet fest. 32

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Sachverhalt - Klägerin widersprach der "Behauptung des Finanzamts dass die Forderung in einem Rechtsgrund begründet sei, der nach 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sei - FA stellte im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid die USt.-Forderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) in Höhe von insgesamt 24.859,50 als Insolvenzforderungen i.s. des 174 Abs. 2 InsO fest. 33

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Entscheidung - FA war berechtigt, auf den gemäß 184 Abs. 1 InsO erhobenen Widerspruch der Klägerin gegen die Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen) zur Insolvenztabelle nach 251 Abs. 3 AO festzustellen, dass es sich dabei um Forderungen i.s. des 174 Abs. 2, 175 Abs. 2, 302 Nr. 1 3. Alternative InsO handelt. 34

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Entscheidung - BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass ein isolierter Widerspruch gegen den Rechtsgrund möglich ist (BGH-Urteile vom 18. Mai 2006 IX ZR 187/04, NJW 2006, 2922; vom 18. Januar 2007 IX ZR 176/05, NJW-RR 2007, 991; BGH- Beschluss in ZInsO 2014, 1055). - Dies ist auf die Fälle der Steuerstraftaten nach 302 Nr. 1 3. Alternative InsO zu übertragen. 35

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Entscheidung - Bei 302 Nr. 1 3. Alternative InsO geht es nicht um die Feststellung einer Steuerstraftat, sondern um die Feststellung einer rechtskräftigen Verurteilung geht. Gesetzgeber wollte dem Gericht ersparen, selbst die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Straftat feststellen zu müssen (BTDrucks 17/11268, S. 32). 36

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Entscheidung - Da die Klägerin gegen den Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, steht der Strafbefehl einem Urteil gleich ( 410 Abs. 3 StPO). - Die Klägerin ist wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, obwohl neben dem Schuldspruch eine Strafe zwar bestimmt, die Verurteilung zu dieser Strafe jedoch lediglich vorbehalten blieb. - Trotz Tilgung der Eintragung im Bundeszentralregister ( 12 Abs. 2 Satz 2 BZRG) liegt weiterhin eine Verurteilung nach 302 Nr. 1 3. Alternative InsO vor. 37

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten BFH vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BStBl II 2019, 19 Entscheidung - Obwohl Zinsen im Strafbefehl nicht aufgeführt worden sind, fallen sie unter 302 Nr. 1 3. Alternative InsO. Zu den Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis gehören nach 37 Abs. 1, 3 Abs. 4 AO nicht nur der Steueranspruch selbst, sondern auch die steuerlichen Nebenleistungen wie Verzögerungsgelder, Säumniszuschläge Zwangsgelder und Zinsen. 38

I. Steuerfestsetzung in der Insolvenz Überblick II. III. IV. Wirkung der Tabelleneintragung FG Düsseldorf Urteil vom 8.5.2018 10 K 1385/15 E,U BFH-Beschluss vom 5.7.2018 XI B 18/18 Restschuldbefreiung und Steuerstraftat BFH-Urteile vom 7.8.2018 VII R 24/17, VII R 25/17 Erbschaftsteuer im (Nachlass)Insolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14 BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15 39

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.v.m. 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die vom FA als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann. 40

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Sachverhalt - Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 8. Mai 2009 verstorbenen Erblassers. - Erben sind je zur Hälfte die Tochter und die Lebensgefährtin des Erblassers. - Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde am 25. Mai 2010 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt. 41

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Sachverhalt - FA stellte den Grundbesitzwert für ein Grundstück des Erblassers durch Feststellungsbescheid vom 8. Juni 2010 in Höhe von 332.628 gesondert fest. (Schätzungsbescheid!) 42

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Sachverhalt - Nachdem das FA die Tochter und die in Weißrussland wohnende Lebensgefährtin des Erblassers vergeblich zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert hatte, schätzte es die Besteuerungsgrundlagen unter Einbeziehung des Grundbesitzwerts und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Lebensgefährtin durch Bescheid vom 30. August 2010 auf 48.990 fest. - Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt und nicht mit dem Einspruch angefochten. 43

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Sachverhalt - Am 9. September 2010 teilte die Tochter des Erblassers dem FA mit, die Lebensgefährtin des Erblassers habe ihren Erbteil auf sie unentgeltlich übertragen und der Nachlass sei überschuldet. - FA meldete die ErbSt als Nachlassforderung zur Insolvenztabelle an. - Kläger widersprach der Anmeldung im Prüfungstermin. - FA erließ einen auf 251 Abs. 3 AO gestützten Feststellungsbescheid. 44

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Entscheidung - Nachlassinsolvenzverfahren ist als besonderes Insolvenzverfahren innerhalb der Insolvenzordnung geregelt (vgl. 315 ff. InsO). Die Vorschriften der InsO gehen der Verwaltungsvollstreckung nach den Vorschriften der AO vor ( 251 Abs. 2 Satz 1 AO). - Im Nachlassinsolvenzverfahren können nur Nachlassverbindlichkeiten als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden ( 325 InsO). 45

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Entscheidung - Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann. Das war (und ist) sehr umstritten! 46

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Entscheidung - FA konnte die Erbschaftsteuer im Nachlassinsolvenzverfahren durch Insolvenzfeststellungsbescheid nach 251 Abs. 3 AO geltend machen. - FG hatte nicht erkannt, dass das FA die Erbschaftsteuer nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens am 25.5.2010 nicht mehr wirksam gegenüber der Erbin festsetzen konnte. 47

Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren BFH-Urteil vom 20.1.2016 II R 34/14, BStBl II 2016, 482 Entscheidung - Bei der Feststellung, ob die Erbschaftsteuer in der festgestellten Höhe besteht, wird das FG zu beachten haben, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts vom 8. Juni 2010 ebenfalls keine Bindungswirkung entfaltet. - Dieser Bescheid hätte nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht mehr gegen die Erben erlassen werden dürfen, denn er stellt Besteuerungsgrundlagen fest, die für eine Insolvenzforderung von Bedeutung sind (vgl. Loose in Tipke/ Kruse, a.a.o., 251 AO Rz 46). 48

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Die Erbschaftsteuer auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist Masseverbindlichkeit i.s. des 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO und als solche gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen 49

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Sachverhalt - Kläger ist Insolvenzverwalter des Insolvenzschuldners (A). - Das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen wurde im April 2010 eröffnet. - A ist Alleinerbe der im Oktober 2010 verstorbenen Erblasserin. Er nahm die Erbschaft im Mai 2012 an. 50

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Sachverhalt - FA setzte die Erbschaftsteuer in Höhe von 23.490 gegen den Kläger als Insolvenzverwalter fest. - Zugleich meldete das FA (sicherheitshalber) die Erbschaftsteuer zur Insolvenztabelle an. - Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine Insolvenzforderung i.s. des 38 InsO, die nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden könne. 51

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können gegen den Insolvenzverwalter nur festgesetzt werden, wenn sie Masseverbindlichkeiten und keine Insolvenzforderungen sind. - Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. - Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an 52

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören ( 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) 53

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass zunächst vorläufig in die Insolvenzmasse (BGH-Urteil vom 11. Mai 2006 IX ZR 42/05, BGHZ 167, 352). - Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern ausschließlich dem Schuldner zu ( 83 Abs. 1 InsO). 54

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Hat der Insolvenzschuldner die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder gilt die Erbschaft nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen, kann er sie nicht mehr ausschlagen ( 1943 BGB) - Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse. 55

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, 1975 ff. BGB 56

Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit in der Insolvenz des Erben BFH-Urteil vom 5.4.2017 II R 30/15, BStBl II 2017, 971 Entscheidung - Die ErbSt auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist keine Insolvenzforderung, weil der Grund für ihr Entstehen erst durch den Erbanfall und damit nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist. - Die ErbSt ist Masseverbindlichkeit i.s.d. 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Sie wird i.s. des 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet. 57

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 58