Psychische Belastung in der Arbeitswelt im Spannungsfeld zwischen Individuum und Organisation

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Transkript:

Psychische Belastung in der Arbeitswelt im Spannungsfeld zwischen Individuum und Organisation Abschlusstagung des BMBF Förderschwerpunktes 4. April 2019, Berlin

Stimmungsbild Abstimmung: Wer verantwortet die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz? Individuum Organisation 2

Ablauf der Session Einführung: Psychische Belastung in der modernen Arbeitswelt Nadine Seiferling, Universität Heidelberg Impulsreferat: Organisation Simone Brandstädter, Universität Heidelberg Impulsreferat: Individuum Kurt-Georg Ciesinger, Deutsche Angestellten Akademie Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten: 4 Thesen Nadine Seiferling, Universität Heidelberg Themenwand: Organisation Projekt Dynamik 4.0 Dr. Mathias Diebig & Olaf Fischer Themenwand: Führung Projekt Prävention 4.0 Dr. Martina Frost & Anja Cordes Themenwand: Individuum Projekt BalanceGuard Emanuel Beerheide & Dr. Bernd R. Olma Themenwand: Ausbildung Projekt IntAGt Dr. Claudia Fenzl & Franz Flake Fishbowl-Diskussion: Welche Implikationen ergeben sich für die Prävention und Gestaltung psychischer Belastung in der Arbeitswelt? Alle Beteiligten und Teilnehmer 3

Agenda 1. Psychische Belastung in der modernen Arbeitswelt 2. Gefährdungspotenzial Industrie 4.0? Organisationen in der Verantwortung 3. Schneller, digitaler, vernetzter?! Eigenverantwortung der Mitarbeitenden 4. Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten: 4 Thesen 4

Veränderungen in der Arbeitswelt Auflösung Raum und Zeit Demographischer Wandel Flexibilisierung Informationsüberflutung Globalisierung Ständige Erreichbarkeit Digitale Transformation Industrie 4.0 Wertewandel Knowledge Workers 5

Veränderungen in der Arbeitswelt Veränderung psychischer Belastung Veränderungen in der Arbeitswelt (Werther & Bruckner, 2018; Werther & Stief 2016; Petry und Köster 2017) Volatility (Volatilität oder Flüchtigkeit) Uncertainty (Ungewissheit oder Unsicherheit) Complexity (Komplexität oder Vielschichtigkeit) Ambiguity (Ambivalenz oder Mehrdeutigkeit) Veränderungen der Arbeitsanforderungen Veränderung der psychischen Belastung Verschiebung von physischen zu psychischen Anforderungen soziale, kommunikative, kooperative Kompetenzen wichtiger (Neuhaus, Lechleiter & Sonntag, 2018; Bakhshi, Downing, Osborne & Schneider, 2017) 6

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Begriffsbestimmung Alltagssituationen, Aktuelle Ereignisse Freizeit, Sport, Hobby Arbeit, Beruf, Organisation Klima, Wetter Partner/in, Freunde, Familie Definition nach DIN EN ISO 10075-1 Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken Individuelle Voraussetzungen: -Fähigkeiten, Fertigkeiten -Erfahrungen -Gesundheit -Aktuelle Verfassung -Bewältigungsstrategien Definition nach DIN EN ISO 10075-1 Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit seiner jeweiligen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien 7

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Veränderungen psychischer Belastung Abb.: Anteil der abhängig Beschäftigten, die sich durch die Arbeitsbedingungen belastet fühlen BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2006, 2012 und 2018. N > 17.000 Beschäftigte (BIBB/BAuA, 2018) 8

Agenda 1. Psychische Belastung in der modernen Arbeitswelt 2. Gefährdungspotenzial Industrie 4.0? Organisationen in der Verantwortung 3. Schneller, digitaler, vernetzter?! Eigenverantwortung der Mitarbeitenden 4. Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten: 4 Thesen 9

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Organisationen in der Verantwortung

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitgebers Hier [...] spüren wir es erheblich. Hier ist einfach, hier sind keine Arbeitskräfte mehr am Markt. (HR-Managerin) Das heißt, die die praktisch in der Lieferkette ein, zwei über uns sind. Es sind diejenigen, die diese ständige Erreichbarkeit fordern, die wir auch unterschreiben müssen. (HR-Managerin) N = 90 Experten aus 64 Unternehmen KMU-Experteninterviews und Bedarfsanalyse (Lechleiter, Purbs & Sonntag, 2017; 2018): KMU-Vertreter, vorrangig Geschäftsführer und HR-Manager Also wir müssen gucken, dass wir den Menschen mitnehmen, damit er leistungsfähig bleibt, sonst werden wir hier mit Burnouts und anderen Phänomenen wahrscheinlich stark belastet werden!" (Geschäftsführer) Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation werden die - psychischen Belastungen (69%) - physischen Belastungen (15%) zunehmen 11

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitgebers Alltagssituationen, Aktuelle Ereignisse Freizeit, Sport, Hobby Arbeit, Beruf, Organisation Klima, Wetter Partner/in, Freunde, Familie Kurzfristig (DIN EN ISO 10075-1) Anregung: - Aufwärmung - Aktivierung - Lernen Beeinträchtigung: - Ermüdung - Monotonie - vermind. Wachsamkeit - psych. Sättigung Beanspruchungsfolgen Langfristig - Stress - Psychosomatische Störungen - Burnout - Absentismus - Frühverrentung - Psych. Erkrankung 12

Prozent Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitgebers Tage der Arbeitsunfähigkeit (AOK-Mitglieder), Indexdarstellung 190 170 150 130 110 Psyche Herz/Kreislauf Atemwege Verdauung Muskel/Skelett Verletzungen 90 70 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Meyer, Wehner & Cichon, Fehlzeiten-Report 2017, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO) 13

Gesetzliche Grundlagen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers In Deutschland ergibt sich die Fürsorgepflicht aus 617 bis 619 BGB als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis Der Arbeitgeber ist danach gehalten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die jeden Beschäftigten vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit schützen Hierzu bestehen eine Reihe von gesetzlichen Schutzvorschriften, etwa Arbeitsstättenverordnung, Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsschutzgesetz 14

Gesetzliche Grundlagen Arbeitsschutzgesetz 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (ArbSchG) (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. (2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, 2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, 3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit, 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken, 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten, 6. psychische Belastungen bei der Arbeit 15

Gesetzliche Grundlagen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung Verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte für den Betriebs-bzw. Personalrat Verschiedene Verfahren (laut GDA Psyche ) - Befragung - Beobachtende Verfahren - Moderierte Verfahren - Besonders solche Verfahren geeignet, die an Belastung / Arbeitsgestaltung ansetzen 16

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung Verfahrensbeispiel - Die GPB Ziele 1. Objektive Erfassung psych. Belastungen durch den Einsatz eines Analyseteams 2. Konsensorientierte Beurteilung der Belastungsdimensionen 3. Ermittlung kritischer Belastungskombinationen, die ein erhöhtes Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen darstellen Auswertungsmatrix Ak Ak Hs Hs Va Va Zs Zs Ai Ai Vu Vu Au Au Ke Ke Koop Koop Ko Ko Er Er Kon Kon Ak Ak Hs Hs 9 Va 1 1 Va 1 1 Zs Zs 3 1 Ai 9 9 1 3 Ai Vu 3 3 1 1 3 Vu Au 3 3 1 1 3 1 Au Ke 3 3 1 1 3 1 1 Ke Koop 3 3 1 1 3 1 1 1 Koop Ko 3 3 1 1 3 1 1 1 1 Ko Er 3 3 1 1 3 1 1 1 1 1 Er Kon 3 3 1 1 3 1 1 1 1 1 1 Kon Ia Ia 3 1 3 1 1 1 1 1 1 1 Aufbau / Inhalte der GPB Allgemeine Daten Arbeitsaufgaben Anforderungsdimensionen 1. Arbeitskomplexität (Ak) 2. Handlungsspielraum (Hs) 3. Variabilität (Va) 4. Arbeitsintensität (Ai) 5. Zeitspielraum (Zs) 6. Verantwortungsumfang (Vu) 7. Arbeitsunterbrechungen (Au) 8. Konzentrationserfordernisse (Ke) 9. Kooperationserfordernisse (Koop) 10. Kundenorientierung (Ko) 11. Emotionsregulierung (Er) 12. Kontrollerfordernisse (Kon) 13. Informationsaustausch (Ia) Legende: Ausprägung der Anforderungsdimension: hoch ( ) : x 3,5 niedrig ( ) : x 2,5 Risiko negativer Beanspruchungsfolgen vorhanden, wenn kritische Kombinationen rot 17

Fazit: Organisationen in der Verantwortung 1 2 3 Eigeninteresse des Arbeitgebers an Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Gesetzliche Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung Fazit Organisationen sind verantwortlich für die Gestaltung psychischer Belastung am Arbeitsplatz 18

Agenda 1. Psychische Belastung in der modernen Arbeitswelt 2. Gefährdungspotenzial Industrie 4.0? Organisationen in der Verantwortung 3. Schneller, digitaler, vernetzter?! Eigenverantwortung der Mitarbeitenden 4. Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten: 4 Thesen 19

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Mitarbeitende in der Verantwortung

oder Warum Beschäftigte gut daran tun, sich nicht auf die Unternehmen zu verlassen.

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Die Situation der Beschäftigten in der modernen Arbeit Arbeitsprozesse: schneller, vernetzter, komplexer Arbeitsverdichtung, Zeitdruck Mobilität, zeitliche und räumliche Flexibilität Vereinbarkeitsdruck Beruf, Familie und Privatleben kumulative Belastungen aus allen Lebensbereichen steigende psychische Belastungen mit mittel- bis langfristigen Folgen Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz ist wichtig zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit in der Lebensperspektive. 22

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Die formalen Rahmenbedingungen für präventiven Arbeitsund Gesundheitsschutz wurden bereits dargestellt. Die Frage ist aber nicht: Wer HAT die Verantwortung? Die Frage ist: Wer ÜBERNIMMT die Verantwortung? Motivlage für Unternehmen? It s the Economy, stupid! 23

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Die klassische Investitionsrechnung Abbildung nach: Fleig, J. (2016). Wirtschaftlichkeitsrechnung und Investitionsrechnung. https://www.businesswissen.de/hb/wirtschaftlichkeitsrechnung-undinvestitionsrechnung/ 24

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Die drei ökonomischen Grundprobleme der Prävention 1. Die Kosten fallen sofort und auch über einen langen Zeitraum an, der Nutzen kommt stark zeitverzögert. 2. Der Nutzen ist schwer zu beziffern und resultiert im Kern aus dem Nichteintreten krankheitsbedingter Kosten. 3. Die Nutzenerwartung basiert auf Statistik. Das Eintreten eines Nutzens für KMU ist nicht sicher. 25

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Es ist sogar unwahrscheinlich, dass der Nutzen von Prävention in KMU überhaupt eintritt. Arbeit ist zunehmend atypisch, diskontinuierlich. Unternehmen sind nur noch (kurze) Stationen der Erwerbsbiografie. Präventionseffekte kommen nicht mehr dem Unternehmen zugute, in dem die Prävention stattfand! 26

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Resümee eines emotionslosen Kalküls Betriebliche Prävention rechnet sich nur bei stabilen, langfristigen Arbeitsverhältnissen, bei denen Beschäftigte schwer ersetzbar oder unkündbar sind. Deshalb finden wir BGM und GPB auch (fast) nur in Großunternehmen und Behörden. 27

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers præview 2/2010 28

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Millenials verändern die Welt Der Fachkräftemangel ist real. Die Arbeitskraft ist wertvoller. Die Gen Y/Me ist selbstbewusst. Die individuellen und gesellschaftlichen Werte verschieben sich von Arbeit nach Leben. Gesundheitsangebote werden Teil des Employer Branding. Prävention rechnet sich in Marketing und Recruiting. 29

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Langfristig angelegte betriebliche Präventionsansätze sind aber weiterhin selten und fragil. Präventionsangebote sind anders als Arbeits- und Gesundheitsschutz freiwillige Leistungen des Arbeitgebers. Freiwillige Leistungen werden bei ökonomischem Druck schnell wieder gestrichen. If you want to be sure... Take care of yourself. 30

Psychische Belastung in der Arbeitswelt Aus Sicht des Arbeitnehmers Individuelle Prävention für die moderne Arbeitswelt mehr als Ernährung, Entspannung, Bewegung: individuelles Stressmanagement Arbeitsgestaltung Work-Life-Balance Erwerbsbiografieplanung Auch Verhältnisprävention wird zur Aufgabe der Beschäftigten! 31

Agenda 1. Psychische Belastung in der Arbeitswelt 2. Gefährdungspotenzial Industrie 4.0? Organisationen in der Verantwortung 3. Schneller, digitaler, vernetzter?! Eigenverantwortung der Mitarbeitenden 4. Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten: 4 Thesen 32

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen Organisation Die Organisation ist in der (Fürsorge-)Pflicht die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten Beschäftigte Die Beschäftigten selbst haben die größte Verantwortung für ihre Gesundheit Führung Die Führungskraft ist in der Mitverantwortung, die psychische Belastung ihrer Mitarbeitenden optimal zu gestalten Ausbildung Die/der Beschäftigte muss im Rahmen der Ausbildung auf psychische Gefährdungen vorbereitet werden 33

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen 34

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen Organisation Projekt Dynamik 4.0 Dr. Mathias Diebig, Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf Olaf Fischer, HANNING ELEKTRO- WERKE GmbH & Co. KG Ergebnisse und Statements Nur weil es die Pflicht der Organisation ist auf die Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu achten, heißt es nicht, dass die Aufgabe auch gut ausgeführt wird. Das Thema Gesundheit muss gut in Organisationen vorangetrieben werden. Es muss ein kontinuierlicher Prozess sein, um den Auftrag richtig zu gestalten. 35

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen Beschäftigte Projekt BalanceGuard Emanuel Beerheide, LIA.nrw Dr. Bernd R. Olma, CARITASVERBAND HANNOVER E.V. Ergebnisse und Statements Die Selbstkompetenz der Beschäftigten muss gefördert werden. Beschäftigte brauchen Wissen über Zusammenhänge und müssen ihre Rahmenbedingungen kennen, um psychische Belastungen rechtzeitig zu erkennen und gut für sich entscheiden zu können. Daher braucht der Beschäftigte Unterstützung (z.b. durch Führungskraft, Kollegen, etc.). 36

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen Führung Projekt Prävention 4.0 Dr. Martina Frost, ifaa Anja Cordes, Institut für Technik der Betriebsführung Ergebnisse und Statements Die Führungskraft ist Opfer und Täter zugleich. Sie wird angehalten Ressourcen und Potentiale der Mitarbeiter zu aktivieren und rechtzeitig Grenzen ziehen. Um Belastungen zu erkennen, braucht die Führungskraft entsprechende Kompetenzen; es müssen Kommunikationskultur, Vertrauenssituationen und Kontakt geschaffen werden. 37

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten 4 Thesen Projekt IntAGt Ausbildung Dr. Claudia Fenzl, ITB Universität Bremen Franz Flake, Honeywell Elster GmbH Ergebnisse und Statements Die Herausforderung für Auszubildende ist es, das Thema Psychische Belastung am Arbeitsplatz als relevant wahrzunehmen. Aufgabe der Ausbildung ist es diese Wahrnehmung zu schaffen. Ausbildende müssen gut informiert werden/sein, um für sich selbst gute Entscheidungen zu treffen. 38

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten Fishbowl-Diskussion Welche Implikationen ergeben sich aus den unterschiedlichen Perspektiven für die Prävention und die Gestaltung psychischer Belastung am Arbeitsplatz? 39

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten Fishbowl-Diskussion Vertrauen ist die Basis für eine gute Zusammenarbeit und Führungskräfte sollten als positives Vorbild auftreten. Sie stehen vor dem Dilemma, dass entgeltrelevant nur die harten Kriterien sind (z.b. Projektabschluss). Daran knüpft sich aber auch die Frage: Müssen Führungskräfte zukünftig anders ausgewählt werden? Die Ressource Erholung muss einen anderen Stellenwert haben. Doch leider leben wir in einer klassischen Leistungsgesellschaft. Ein Beispiel: Wenn jemand erzählt, dass er in seiner Freizeit für einen Marathon trainiert, so hat es im Ohr des Zuhörers meistens einen anderen Wert, als wenn dieser jemand erzählt, er liegt in seiner Freizeit unter einem Baum und zählt die Blätter. Hier braucht es ein Umdenken. Erholung ist Erholung und sollte daher den gleichen Wert haben. Wir gehen mit physischer Belastung anders um, als mit psychischen Belastung. Ein Beispiel: es ist in Ordnung zu sagen: Ich kann keine 30 kg schleppen (Physische Belastung). Weniger akzeptiert sind Aussagen wie: Nein, das neue Projekt wird mir zu viel (Psychische Belastung). Es braucht eine nachhaltige Organisationsentwicklung Richtung Arbeit 4.0. Es ist eine zentrale Frage, der sich Betriebe stellen müssen: Was braucht mein Betrieb jetzt gerade, damit meine Führungskraft die Aufgaben von morgen gut bearbeiten kann? Jeder hat einen gewissen Sinn dafür, was einem guttut. Aber wenn der eigene Leidensdruck groß wird, ist es für Prävention schon zu spät. Andere (z.b. Kollegen, Führungskräfte) können als Wegweiser auftreten, müssen aber dafür sensibilisiert werden. 40

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt gewährleisten Fishbowl-Diskussion Informieren und Gestalten. Wir müssen Technologien verstehen und ihre Auswirkungen auf psychische Gesundheit kennen. Erst dann sind Chancen nutzbar. Die Arbeitsplätze, die es heute gibt, wird es in der Form nicht mehr geben. Wir müssen das Instrument der Gefährdungsbeurteilung besser nutzen, um Prozesse zu überwachen. Es hängt vom Zusammenspiel aller ausführenden Organe ab. Es ist ein globaler Prozess, den jeden betrifft. Es ist schwierig einen Konsens zu finden. Es bleibt eine Herausforderung für alle. Wir müssen Individuen bereits in der Ausbildung befähigen psychische Belastungen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Wir brauchen eine andere Form der Organisation. Wir leben noch mental als Maschine, immer alles schneller und effizienter. Die Digitalisierung ist eher eine Matrix, sie muss gestaltet werden. Ressourcen stärken. Die Entscheidung, ob eine Beanspruchung vorliegt oder nicht, hängt von Ressourcen ab. Hier gilt zunächst zu klären, was Ressourcen sind. 41

Stimmungsbild Abstimmung: Wer verantwortet die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz? Individuum Organisation 42

Psychische Belastung in der Arbeitswelt im Spannungsfeld zwischen Individuum und Organisation Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und produktive Mitarbeit! Vielen Dank an alle Moderator/-innen und Diskutant/- innen der Themenwände! Vielen Dank an Marie Muhr für die Gestaltung der Metaplanwände!