Ihre Gesprächspartner: Dr. Johann Kalliauer Mag. Johannes Pointner Präsident der AK Oberösterreich Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik Gegen die Wirtschaftsflaute: Kräftige Lohnerhöhungen und Steuerreform! Pressekonferenz am Donnerstag, 4. September 2014, um 10 Uhr in der Arbeiterkammer Linz
In Österreich wie in ganz Europa stehen die Zeichen Richtung Wirtschaftsabschwung. Mehr Nachfrage durch eine Steigerung der Kaufkraft ist dringend nötig. Der Lohnanteil am Volkseinkommen sinkt in Österreich aber nicht nur tendenziell seit zwei Jahrzehnten, die Arbeitnehmer/- innen haben sogar nach Abzug von Steuern und Teuerung heute durchschnittlich um drei Prozent weniger Kaufkraft als vor zwanzig Jahren. Statt auf Kaputtspar-Rezepte bei Sozialstaat und den Löhnen zu setzen, was nur die Nachfrage schwächt und die Absatzaussichten der Unternehmen weiter eintrübt, braucht es eine Entwicklung nach oben. Wie das geht? Ganz einfach: mit kräftigen Bruttolohn- und -gehaltssteigerungen. Zudem braucht es Verbesserungen des Sozialstaats und eine spürbare Lohnsteuerentlastung finanziert durch Millionärssteuern. Jahr für Jahr wird die Wirtschaftsleistung Österreichs von allen aktiv Erwerbstätigen erarbeitet. Dabei entstehen Einkommen, die sich auf die verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft verteilen. Der Einkommensanteil der Lohnabhängigen wird durch die sogenannte Lohnquote gemessen. 2013 erhielten Österreichs Arbeitnehmer/-innen insgesamt nicht einmal 70 Prozent des von ihnen erwirtschafteten Volkseinkommens. Vor zwei Jahrzehnten war die Lohnquote noch 74,5 Prozent. Entwicklung der Lohnquote 1993 bis 2013, Prognose bis 2015 Anteil der Lohneinkommen am inländisch produzierten Volkseinkommen Quelle: Statistik Austria (VGR-Stand Juni 2014), AK OÖ; Lohnquote = Anteil der Arbeitnehmerentgelte (Bruttolohn- und Gehaltssumme plus Arbeitgeber-Sozialversicherungsabgaben) an inländischer Wertschöpfung (=Nettoinlandsprodukt); *WIFO Juni 2014 2
In den vergangenen 20 Jahren ist die Lohnquote mit Ausnahme der Krisenjahre ab 2008 kontinuierlich gesunken, obwohl der Anteil der lohnabhängig Beschäftigten an allen Erwerbstätigen mit im Schnitt 86 Prozent etwa gleich geblieben ist. Zuletzt, in den Jahren schwacher Wirtschaftsentwicklung 2012 und 2013, hat die gewerkschaftlich mitgestaltete Lohnpolitik stabilisierend auf die Einkommen gewirkt: Die Lohnquote ist um zwei Prozentpunkte von 67,5 Prozent im Jahr 2011 auf 69,6 Prozent 2013 angestiegen. Doch bereits ab 2014 ist auf Basis von Prognosen wieder ein sinkender Lohnanteil zu erwarten. Rückgang der Lohnquote entspricht drei Urlaubswochen Wäre die Lohnquote 2013 genauso hoch wie noch vor 20 Jahren hätte sich also die Verteilung zwischen Gewinn- und Besitzeinkommen einerseits und Lohneinkommen andererseits nicht verschlechtert, dann hätten die Unternehmen 2013 pro Arbeitnehmer/-in im Schnitt rund 3130 Euro mehr zahlen müssen (gesamte Arbeitskosten). In Summe hätten die Arbeitnehmer/-innen also ein deutlich größeres, milliardenschweres Stück vom gemeinsam gebackenen Kuchen erhalten. Statt mehr Lohn hätte auch der Urlaub ausgeweitet werden können. Bei einem Stundenlohn (inkl. Arbeitgeber-Sozialversicherung) von rund 27 Euro wären das 114 zusätzliche Urlaubsstunden, oder rund drei Wochen Urlaub mehr im Jahr! Sinkende Investitionsquote, steigende Gewinnquote In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das in Österreich erwirtschaftete gesamte Volkseinkommen fast verdoppelt (+96 Prozent). Während sich aber die Gewinne und Vermögenserträge überdurchschnittlich erhöht haben (+134 Prozent), blieb die Lohnentwicklung mit +83 Prozent unterdurchschnittlich. Der Einkommensanteil der Arbeitnehmer/-innen sinkt, weil Gewinn- und Besitzeinkommen unangemessen stark steigen Die Gewinne werden nicht im gleichen Ausmaß für produktive Investitionen verwendet. Denn diese sind mit +73 Prozent nur halb so stark gestiegen wie die Gewinne. Wird aber zu wenig investiert, bleibt auch die Wirtschafts-, und Beschäftigungsentwicklung schwach. Die Investitionsquote das ist jener Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der für echte Sachinvestitionen genutzt wird betrug 1993 noch fast ein Viertel des BIP. Zwei Jahrzehnte später wurden nur mehr 21 Prozent des BIP investiert. Produktivitäts- und Lohnschere geht auseinander Der pro Kopf geschaffene reale Wert, die Produktivität der Arbeit, ist in den letzten zwei Jahrzehnten mit Ausnahme der besonders wirtschaftsschwachen Jahre 2008, 2012, 2013 sowie der 3
Krise 2009 jedes Jahr größer geworden. Doch der von den Unternehmen gezahlte Bruttolohn hielt mit dieser Entwicklung nicht Schritt. Der durchschnittliche jährliche Lohnzuwachs brutto und preisbereinigt lag in 16 von 20 Jahren unter dem Produktivitätszuwachs. Die Produktivitäts- und Lohnschere ging auseinander: Produktivität und Entlohnung der Arbeit 1993 bis 2013 kumulierter Zuwachs bzw. Rückgang in Prozent seit 1993, preisbereinigt Die Arbeit im Jahr 2013 ist um knapp 24 Prozent ergiebiger als 1993, die Entlohnung der Arbeit aber ist, abzüglich der Inflation, nur um etwa drei Prozent höher. Netto, also nach Abzug von Steuern und Abgaben, bleibt den Arbeitnehmern/-innen pro Kopf im Schnitt sogar um drei Prozent weniger als 20 Jahre zuvor. Dieser Kaufkraftverlust gilt für eine durchschnittliche Betrachtung aller Branchen und Arbeitszeitausmaße. 2002 bis 2012: Lohnsteuer wuchs um 300 Millionen Euro zu schnell Nicht jedes Bruttolohnplus erhöht die Kaufkraft. Durch die Teuerung und das Wirken der steuerlichen Progression kann netto und real (preisbereinigt) ein Minus entstehen. Das passiert, weil auf einen höheren Anteil des Einkommens die (gestaffelt steigenden) Steuersätze angewandt werden. 4
Schon ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund 1200 Euro greift derzeit der viel zu hohe Einstiegssteuersatz von 36,5 Prozent. Eine Ursache für die schlechte Reallohnentwicklung ist auch steuerlich begründet, wie die Lohnsteuerstatistiken der Jahre 2002 und 2012 zeigen. Demnach erhöhte sich die gesamte Bruttolohnund -gehaltssumme um 40,2 Prozent, die davon bezahlte Lohnsteuersumme aber wuchs um mehr als zwei Prozentpunkte schneller (+42,6 Prozent). Hätte sich im letzten Jahrzehnt die Lohnsteuersumme genauso entwickelt wie die Bruttolöhne, dann hätten die Arbeitnehmer/-innen allein im Jahr 2012 österreichweit um 307 Millionen Euro weniger Steuer bezahlt (OÖ: 98 Millionen Euro). Pro Kopf gerechnet sind das österreichweit etwa 70 Euro, in Oberösterreich sogar fast 140 Euro im Jahr 2012. Lohnentwicklung (2002 bis 2012, Durchschnitt) Jahresbezüge aller Beschäftigten Quelle: AK OÖ auf Basis von Statistik Austria, Lohnsteuerstatistiken Werden von den moderat gestiegenen Bruttolöhnen Steuern und die Teuerung abgezogen, dann bleibt real und netto in Oberösterreich im Schnitt nur wenig Kaufkraftzuwachs übrig (3,3 Prozent). Bundesweit ergibt sich pro Kopf sogar ein Minus von 0,7 Prozent. Das bedeutet, dass sich Österreichs Arbeitnehmer/-innen des Jahres 2012 durchschnittlich weniger leisten können als jene zehn Jahre zuvor. Rückgang bei Niedrigeinkommen um zehn Prozent Auch innerhalb der Gruppe der Lohn- und Gehaltsbezieher/-innen werden die Einkommensunterschiede größer. Das Einkommen genau in der Mitte ( Median ) die Hälfte der Arbeitnehmer/-innen verdient weniger, die andere mehr ist 2012 netto und preisbereinigt um zwei Prozent geringer als zehn Jahre zuvor. Bei den Niedriglohnbeziehern/-innen ist die Entwicklung aber noch schlechter, denn das am schlechtesten verdienende Viertel der Arbeitnehmer/-innen erhielt 2012 real ein um zehn Prozent niedrigeres Netto-Einkommen als die vergleichbare Gruppe im Jahr 2002. Nur an der Grenze zum mittel- bis gutverdienenden Einkommensviertel gab es ein leichtes reales Plus. In dieser Einkommensverteilung sind die Spitzengagen der Manager/-innen oder die Dividenden der Unternehmenseigner/-innen nicht enthalten. 5
Reale Einkommensentwicklung 2002 bis 2012 in Österreich Preisbereinigter, kumulierter Zuwachs bzw. Rückgang in Prozent seit 2002 Die Höhe der persönlichen Einkommen 2013 Das mittlere Männereinkommen in Oberösterreich beträgt brutto rund 2500 Euro, jenes der Frauen ist mit rund 1500 Euro um 40 Prozent niedriger. Im Vergleich zum Vorjahr sind die mittleren Einkommen um 3,1 Prozent (Männer) bzw. 2,6 Prozent (Frauen) gestiegen. Am meisten verdienen die männlichen Angestellten in Steyr-Stadt mit rund 3900 Euro, gefolgt von Perg und Braunau (rund 3400 und 3300 Euro). Am niedrigsten sind die Einkommen der Arbeiterinnen in Rohrbach, Freistadt und Eferding mit etwas mehr als 1000 Euro. 90 Prozent der Arbeitnehmer/-innen in Oberösterreich verdienen brutto weniger als rund 4000 Euro. Und nur knapp sechs Prozent haben ein Monatsbruttoeinkommen über der Höchstbeitragsgrundlage von 4440 Euro. 6
Bruttomonatseinkommen in Oberösterreich Verteilung 2013 7
Unbezahlte Überstunden kosten die Beschäftigten 1,3 Milliarden Euro Da 2013 mangels ausreichender Nachfrage die Wirtschaftsleistung faktisch nicht wuchs (nur um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr), entwickelte sich auch das benötigte Arbeitsvolumen schwach und die Zahl der Überstunden sank. Mit insgesamt 270 Millionen Stunden wurden um knapp zehn Prozent weniger Über- und Mehrarbeitsstunden erbracht als 2012. Knapp jede/jeder Fünfte rund 690.000 Arbeitnehmer/-innen musste regelmäßig Überstunden leisten. Das sind um fast fünf Prozent weniger als im Vorjahr. In Oberösterreich haben 120.600 Beschäftigte rund 45 Millionen Überstunden erbracht. Ein Fünftel der Überstunden wird den Arbeitnehmern/- innen nicht abgegolten, weder in Zeit noch in Geld. Dadurch wurden den Arbeitnehmern/-innen 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro vorenthalten. Umgelegt auf eine 38,5-Stundenwoche entspricht alleine der unbezahlte Überstunden-Teil rund 27.000 Arbeitsplätzen, in Oberösterreich etwa 4500. 8
Forderungen der Arbeiterkammer OÖ Bessere Lohn- und Gehaltsentwicklung - Kräftige Lohn- und Gehaltssteigerungen zur Stärkung der Kaufkraft - Wiederherstellung der Verhandlungsgemeinschaft in der Metallindustrie - Mindestlohn von wenigstens 1500 Euro brutto bei Vollzeit in allen Branchen - Korrekte Einstufung bei der Entlohnung - Abschaffung der kurzen Verfallsfristen für Ansprüche der Arbeitnehmer/-innen Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen brauchen menschliches Maß - Einführung einer Überstunden- und Mehrarbeitsabgabe für Unternehmen in Höhe von einem Euro pro Stunde, korrekte Abgeltung und Abbau von Überstunden - Sechs Wochen Urlaub für alle, die 25 Jahre lang gearbeitet haben egal, ob durchgehend im gleichen Betrieb oder in unterschiedlichen Betrieben - Bonus-Malus-System: Unternehmen sollen für gute Arbeitsbedingungen belohnt werden und für krankmachende zahlen Begrenzung der Managergagen - Variable Bezüge ( Boni ): Beschränkung auf maximal 50 Prozent des Fixgehalts - Dynamische Deckelung: die maximale Höhe von Managergagen über einen Faktor an die Lohn- und Gehaltsstruktur des jeweiligen Unternehmens koppeln Gerechte Steuern - Senkung des niedrigsten Lohnsteuersatzes (derzeit 36,5 Prozent), Erhöhung der Negativsteuer (Steuergutschrift für Niedrigstverdienende), jährliche Anpassung der Steuerstufen an die Teuerung - Einführung einer Millionärssteuer auf Netto-Privatvermögen ab einer Million Euro 9