NEWSLETTER EMPLOYMENT AND HUMAN RESOURCES ARBEITSRECHT. Juli 2011. Inhalt



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Transkript:

EMPLOYMENT AND HUMAN RESOURCES ARBEITSRECHT Zweifel ist eine Frage der Intelligenz (Klaus von Dohnanyi) Inhalt Fristwahrende Kündigung am Monatsultimo durch Übergabe an Ehepartner des Arbeitnehmers an dessen Arbeitsplatz Weitere Fallstricke der Kündigung durch Bevollmächtigte Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren als Regelfall einer personenbedingten Kündigung Keine Nutzung dienstlicher Tank-/Kreditkarten für private Zwecke

Höchstrichterliche Entscheidungen Fristwahrende Kündigung am Monatsultimo durch Übergabe an Ehepartner des Arbeitnehmers an dessen Arbeitsplatz Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2011, 6 AZR 678/09 Arbeitgeber können eine Kündigung auch durch Übergabe des Kündigungsschreibens an den Ehegatten des Arbeitnehmers außerhalb der Wohnung bewirken, wenn unter normalen Umständen mit der umgehenden Weiterleitung des Schreibens an den Arbeitnehmer nach der Rückkehr des Ehegatten in die gemeinsame Wohnung zu rechnen ist. Der Sachverhalt Die Klägerin war als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz war auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar. Nach einem Konflikt verließ die Klägerin am 31.01.2008 ihren Arbeitsplatz. Daraufhin setzte die Beklagte noch am selben Tag ein Schreiben auf, mit dem sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.02.2008 kündigte. Sie veranlasste, dass das Kündigungsschreiben dem Ehemann der Klägerin am Nachmittag des 31.01.2008 durch einen Boten an dessen Arbeitsplatz in einem Baumarkt ausgehändigt wurde. Der Ehemann der Klägerin ließ die Kündigung zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen und reichte das Schreiben erst am 01.02.2008 an die Klägerin weiter. Mit ihrer Klage wollte die Klägerin festgestellt haben, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht schon mit dem 29.02.2008, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende, also mit dem 31.03.2008, beendet worden ist. Aus ihrer Sicht war ihr die Kündigung erst am 01.02.2008 zugegangen und damit einen Tag zu spät für die Einhaltung der Kündigungsfrist. Die Entscheidung Die Klage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht ( BAG ) ohne Erfolg. Nach Ansicht des BAG ist das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 31.01.2008 der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat mit Wirkung zum 29.02.2008 beendet worden ist. Allgemein gilt, dass eine Willenserklärung unter Abwesenden nach 130 Abs. 1 BGB erst wirksam wird, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugegangen ist. Der Zugang ist in diesem Zusammenhang dann erfolgt, wenn die Kündigung so in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen konnte. - 2 -

Arbeitgeber können den Zugang eines Kündigungsschreiben auch dadurch in die Wege leiten, dass sie das Schreiben einer Person übergeben (oder übergeben lassen), die mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer in einer Wohnung lebt und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheint, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten. Nach der Verkehrsanschauung ist eine solche Person als Empfangsbote des Arbeitnehmers anzusehen. Nicht getrennt lebende Ehepartner gelten in der Regel als gegenseitige Empfangsboten, wobei ihnen diese Eigenschaft auch außerhalb der Wohnung zukommt. Die Kündigungserklärung des Arbeitgebers geht dem Arbeitnehmer allerdings nicht bereits mit der Übermittlung an den Empfangsboten zu, sondern erst dann, wenn mit der Weitergabe der Erklärung unter gewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist. Nach diesen Grundsätzen war der Ehemann der Klägerin bei der Übergabe des Kündigungsschreibens am Nachmittag des 31.01.2008 an seinem Arbeitsplatz der Empfangsbote der Klägerin. Entscheidend kam es im vorliegenden Fall darauf an, dass unter normalen Umständen mit der Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung noch am 31.01.2008 zu rechnen gewesen war. Praktikerhinweis: Falls aus Gründen der Zeitknappheit ein Kündigungsschreiben nicht mehr unmittelbar an den Empfänger übergeben werden kann oder nicht sicher gestellt ist, dass ein Einwurf in den Hausbriefkasten zu den postüblichen Auslieferungszeiten erfolgt, kann überlegt werden, ob möglicherweise der Ehepartner des Empfängers als Empfangsbote in Reichweite ist. Ist dessen Arbeitsplatz in erreichbarer Nähe, wäre zu empfehlen, dass dem Ehepartner an dessen Arbeitsstelle ein Umschlag übergeben wird, der das eigentliche Kündigungsschreiben enthält und mit den Namen beider Ehepartner als Adressaten beschriftet ist. Nicht ganz auszuschließen ist allerdings das Risiko, dass der Empfangsbote - ob berechtigt oder unberechtigt - die Annahme des (verborgenen) Kündigungsschreibens verweigert. Ute Bilger-Jung - 3 -

Weitere Fallstricke der Kündigung durch Bevollmächtigte BAG, Urteil vom 14.04.2011, 6 AZR 727/09 Für das Inkenntnissetzen im Sinne des 174 Satz 2 BGB reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag des Gekündigten, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion zur Kündigung berechtigt sei, nicht aus. Erforderlich ist eine zusätzliche Information des Arbeitgebers, aus der für den Gekündigten erkennbar wird, dass der die Kündigung Erklärende auch diese Stelle/Funktion innehat. Die Problematik Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ( BAG ) betrifft die Kündigung durch Bevollmächtigte. Bei Bevollmächtigten kann es sich sowohl um Externe (zum Beispiel Rechtsanwalt) oder Mitarbeiter des Arbeitgebers handeln, die keine gesetzlichen Vertreter sind. Wird ein Arbeitsverhältnis von einem solchen Bevollmächtigten ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde gekündigt und wird deshalb die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen, so kann die Kündigung in der Regel nur noch dann gerettet werden, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er den Gekündigten von der Bevollmächtigung des die Kündigung Aussprechenden vorher in Kenntnis gesetzt hatte ( 174 Satz 2 BGB). Wie das Urteil des BAG vom 14.04.2011 jedoch zeigt, werden auch an dieses in Kenntnis setzen strenge Anforderungen gestellt. Der Sachverhalt Die Klägerin war als Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Klägerin bestimmte, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch durch den Objektleiter/Niederlassungsleiter ausgesprochen werden könne. Einer der Niederlassungsleiter des Arbeitgebers hat dann mit Kündigungsschreiben vom 25.08.2008 das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt. Im Kündigungsschreiben war in der Unterschriftzeile der Name des Niederlassungsleiters als auch die Bezeichnung Niederlassungsleiter wiedergegeben. Der Unterzeichner der Kündigung war tatsächlich auch zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit vielen Jahren der für den Arbeitsplatz der Klägerin zuständige Niederlassungsleiter. Die Klägerin wusste dies allerdings nicht und ihr war auch nicht vom Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung bekanntgegeben worden, dass der Unterzeichner des Kündigungsschreibens auch tatsächlich die Stellung des Niederlassungsleiters innehatte. Mit einem vier Tage nach Erhalt des Kündigungsschreibens dem Arbeitgeber zugegangenen Schreiben wies die Klägerin die Kündigung wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde nach 174 S. 1 BGB zurück. Der durch alle drei Instanzen gehende Streit der Parteien ging im Wesentlichen darum, ob die Bestimmung im Arbeitsvertrag - 4 -

der Klägerin, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch vom Niederlassungsleiter ausgesprochen werden kann, die Zurückweisung der Kündigung nach 174 Satz 2 BGB ausschloss, weil der Arbeitgeber die Klägerin so über die Kündigungsberechtigung des kündigenden Niederlassungsleiters informiert habe. Die Entscheidung Das BAG entschied, dass die Kündigung der Klägerin nach 174 Satz 1 BGB unwirksam sei, weil der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war, die Klägerin die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen und der Arbeitgeber die Klägerin auch nicht ordnungsgemäß über die Kündigungsberechtigung des Niederlassungsleiters vorab informiert habe. Für ein wirksames Inkenntnissetzen von der Kündigungsberechtigung des Niederlassungsleiters im Sinne des 174 Satz 2 BGB fehlte dem BAG ein wichtiges Glied in der Kette. Zwar war die Klägerin aufgrund der Bestimmung im Arbeitsvertrag darüber informiert worden, dass eine Kündigung auch durch den Niederlassungsleiter ausgesprochen werden darf, dieser also zur Kündigung berechtigt sei. Die Klägerin hätte aber darüber hinaus - so das BAG - auch darüber informiert werden müssen, wer die Position des Niederlassungsleiters innehat. Erforderlich wäre es also gewesen, dass der Klägerin der Name des Niederlassungsleiters vor der Kündigung bekannt gemacht worden wäre. Da dies nicht geschehen war und die Klägerin auch vorher noch keinen unmittelbaren Kontakt mit der Person des Niederlassungsleiters hatte und daher nicht positiv wusste, dass der Unterzeichner der Kündigung der Niederlassungsleiter war, fehlte dem BAG damit ein entscheidendes Glied in der Kette. Zumindest so das BAG hätte der Klägerin vor der Kündigung vom Arbeitgeber aufgezeigt werden müssen, auf welche Weise sie den Namen des aktuellen Niederlassungsleiters erfahren könne (z.b. durch Hinweis im Arbeitsvertrag, dass der Name des aktuellen Niederlassungsleiters durch Aushang an der Arbeitsstelle bekannt gemacht werde). Praktikerhinweis: Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung. Sie zeigt erneut, dass bei Kündigungen durch Bevollmächtigte, also bei allen Kündigungen, die nicht durch den Arbeitgeber persönlich oder bei Gesellschaften nicht durch den einzelvertretungsberechtigten gesetzlichen Vertreter ausgesprochen/unterschrieben werden, höchste Vorsicht geboten ist. Wenn ein Arbeitnehmer sich nach Erhalt einer Kündigung rechtlich beraten lässt, ist immer damit zu rechnen, dass bei Kündigungen, die nicht durch den Arbeitgeber persönlich (bei natürlichen Personen als Arbeitgeber) oder durch den einzelvertretungsberechtigten gesetzlichen Vertreter (bei Kapitalgesellschaften) unterschrieben sind und denen keine Original-Vollmacht zum Ausspruch von Kündigungen beigefügt ist, die Kündigung zurückgewiesen wird. Eine Zurückweisung kann dann bei außerordentlichen - 5 -

Kündigungen schwerwiegende Folgen haben und dazu führen, dass eine erneute Kündigung nicht mehr die 2-Wochen-Frist wahren kann und daher nur noch der Weg einer ordentlichen Kündigung bleibt. Schlimmstenfalls, z.b. bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündigung, ist nach Ablauf der 2-Wochen-Frist selbst eine ordentliche Kündigung nicht mehr rechtswirksam möglich. Wichtig ist ferner, dass die vom BAG verlangte zweigliedrige Form des Inkenntnissetzens auch für Personalleiter gilt. Es reicht also nicht aus, jemanden die Position eines Personalleiters zu übertragen (interner Vorgang). Erforderlich für das Inkenntnissetzen im Sinne des 174 Satz 2 BGB ist vielmehr auch, dass dem Gekündigten vor der Kündigung bekannt gemacht wurde, wer die Position des Personalleiters bekleidet, indem also der Name des Personalleiters bekannt gemacht wird (äußerer Vorgang) oder dem Gekündigten zumindest ein Weg aufgezeigt wurde, wie er den Namen des jeweils aktuellen Personalleiters erfahren kann. Ludwig Schleder Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren als Regelfall einer personenbedingten Kündigung BAG, Urteil vom 25. 11. 2010, 2 AZR 984/08 Der Sachverhalt Ein Lagerarbeiter im Ersatzteileversand eines größeren Unternehmens der Automobilindustrie war unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, die er anzutreten hatte. Das dem Freiheitsentzug zugrundeliegende Strafurteil hat er nicht vorgelegt, aber angegeben, die Verurteilung sei wegen des Handelns mit Betäubungsmitteln erfolgt. Die Entscheidung In Bestätigung und Weiterentwicklung seiner bisherigen Rechtssprechung hat das Bundesarbeitsgericht ( BAG ) klargestellt, dass eine Würdigung dieses Sachverhalts unter verhaltensbedingten Gründen nur dann in Frage kommt, wenn die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten einen Bezug zum Arbeitverhältnis haben oder der Arbeitnehmer damit sonstige arbeitsvertragliche Pflichten, wie etwa die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers, verletzt hat. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommt die haftbedingte Arbeitsverhinderung jedoch durchaus in Betracht. Zwar kann nicht jede Freiheitsstrafe ohne Rücksicht - 6 -

auf ihre Dauer und ihre Auswirkung zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen. Wenn der Arbeitnehmer aber für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und dies sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, ist eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt. Ausgehend davon, dass der Arbeitnehmer die haftbedingte Arbeitsverhinderung in aller Regel selbst zu vertreten hat, sind bei der haftbedingten Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber zur Überbrückung in aller Regel nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten, wie dies etwa bei einer längerfristigen Erkrankung der Fall ist. Im hier entschiedenen Fall musste der Arbeitgeber damit rechnen, dass der Arbeitnehmer für die Dauer von mehr als zwei Jahren an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann, argumentierte der 2. BAG-Senat. Das Freihalten des Arbeitsplatzes für einen derart langen Zeitraum war dem Arbeitgeber hier nicht zumutbar, zumal keinerlei Anhaltspunkte für eine alsbaldige Vollzugslockerung durch Freigang vorgetragen waren. Das BAG hat von der Pflicht des Arbeitgebers zur Darlegung konkreter Betriebsablaufsstörungen im entschiedenen Fall abgesehen, weil angesichts der 30-monatigen Störung des ständigen Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung der Arbeitgeber bei einer so langen Haftzeit nicht damit rechnen kann, die Abwesenheit des Arbeitnehmers problemlos überbrücken zu können. Praktikerhinweis: Grundsätzlich muss nach Verhängung längerer Freiheitsstrafen immer eine Gesamtwürdigung der Umstände auch unter Einbeziehung der Arbeitnehmerinteressen erfolgen. Bei einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren sind dem Arbeitgeber jedoch regelmäßig keine Überbrückungsmaßnahmen mehr zumutbar. Klaus Uwe Benneter - 7 -

Entscheidungen der Instanzgerichte Keine Nutzung dienstlicher Tank-/Kreditkarten für private Zwecke LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.03.2011, 2 Sa 526/10 Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Kredit- und Tankkarten, so darf dieser nur Ausgaben für dienstliche Zwecke tätigen. Eine Berechtigung zur Nutzung der Karten auch für private Zwecke muss der Arbeitnehmer im Streitfall darlegen und beweisen. Der Sachverhalt Der Kläger war in den Jahren 2009/2010 als Disponent beschäftigt; ihm war zur Ausübung seiner Tätigkeit eine Vollmacht für ein Firmenkonto erteilt worden. Außerdem wurden ihm eine firmeneigene Kredit- und eine Tankkarte zur Verfügung gestellt. Er nutzte beide auch für außerdienstliche Zwecke. Mit der Kreditkarte kaufte er unter anderem im Supermarkt ein und bestellte Kinderkleidung und Haushaltsgegenstände bei einem Versandhandel und erwarb ein privates Flugticket. Mit der Tankkarte bezahlte er verschiedene Tankfüllungen und Motoröl im Wert von rd. 2.400. Nachdem die Arbeitgeberin dies bemerkt hatte, stellte sie die Lohnzahlung ein und erklärte im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Aufrechnung der Entgeltansprüche des Klägers für 2,5 Monate mit eigenen Schadensersatzansprüchen. Der Kläger klagte die ausstehende Vergütung ein und trug zur Begründung vor, die Aufrechnung sei unzulässig. Er habe ohne Beschränkung über die Arbeitgeberkonten verfügen dürfen; die Beklagte müsse das Gegenteil beweisen. Die Entscheidung Die Klage wurde vom Landgericht ( LAG ) ebenso wie in der Vorinstanz abgewiesen. Das LAG vertrat die Auffassung, der Kläger könne keine Vergütungszahlungen verlangen. Die Beklagte habe zu Recht mit Schadensersatzansprüchen wegen missbräuchlicher Verwendung der Kredit- und Tankkarte aufgerechnet. Wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Bank- und Kreditkarten zur Verfügung stelle, dürften diese grundsätzlich nur für die Bestreitung arbeitsvertraglicher Pflichten und für dienstliche Belange genutzt werden. Das gelte auch dann, wenn hierüber nicht ausdrücklich gesprochen wurde. Zudem sah der Arbeitsvertrag ausdrücklich vor, dass erforderliche Auslagen im Interesse des Arbeitgebers durch die Erstattung der tatsächlich anfallenden Kosten ausgeglichen würden. Durch das Überlassen der Karten erfülle der Arbeitgeber nur seine Vorschusspflicht. Sollte eine andere Vereinbarung über die Nutzung der Karten bestehen, müsse dies von dem Arbeitnehmer, der Karten und Kontovollmacht auch für private Zwecke nutzt, dargelegt und bewiesen werden. Der Kläger konnte nicht darlegen, dass er zur pri- - 8 -

vaten Nutzung befugt war. Wieso er auch nur vom Ansatz her annehmen durfte, dass er sich der Karten privat bedienen durfte, sei nicht offensichtlich. Praktikerhinweis: Die Entscheidung stellt unmissverständlich klar, dass der Arbeitgeber die missbräuchliche Verwendung der dem Arbeitnehmer zum dienstlichen Gebrauch überlassenen Gegenstände für private Zwecke nicht dulden muss. In der Regel liegt zugleich ein Betrug i.s. des 263 StGB vor, wie etwa das Landgericht Bonn bereits 1999 für die missbräuchliche Verwendung einer Mobilfunkcodekarte zu privaten Zwecken entschieden hat. Soweit es sich, wie im vorliegenden Fall, nicht um ein Bagatelldelikt handelt, dürfte die missbräuchliche Verwendung zugleich als Grund für eine außerordentliche Kündigung genügen. Reinhold Kopp - 9 -

Über diesen Newsletter Die Autoren dieser Ausgabe sind in der Praxisgruppe Employment and Human Resources unserer Kanzlei tätig. Mit unserem Newsletter möchten wir unsere Mandanten und interessierte Dritte über aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur informieren. Sollten Sie an diesen Informationen nicht interessiert sein, bitten wir Sie, uns dies per E-Mail mitzuteilen. Sofern Sie zu bestimmten Themen oder zum Newsletter insgesamt Fragen oder Anregungen haben, können Sie sich jederzeit gerne an die Ihnen bekannten Ansprechpartner wenden. Gerne greifen wir auch Ihre Ideen für künftige Beiträge oder weitere Empfänger des Newsletters auf. Bitte wenden Sie sich an: reinhold.kopp@heussen-law.de (Büro Berlin), ralf.busch@heussen-law.de oder renate.dendorfer@heussen-law.de (Büro München), oder ute.bilger-jung@heussen-law.de (Büro Stuttgart). Weitere Informationen Besuchen Sie auch unsere Homepage unter der URL http://www.heussen-law.de Herausgeber Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbh Amtsgericht Frankfurt am Main, HRB: 46524 Geschäftsführer: Christoph Hamm Verantwortlich i.s.d. MDStV und des Presserechts: Dr. Ralf Busch Prof. Dr. Renate Dendorfer LL.M. MBA Büro München: Brienner Straße 9 / Amiraplatz 80333 München Telefon: +49 (0) 89 29 09 7-0 Telefax: +49 (0) 89 29 09 7-200 Ludwig Schleder Büro Frankfurt: Platz der Einheit 2 60327 Frankfurt am Main Telefon: +49 (0) 69 15 242-0 Telefax: +49 (0) 69 15 242-111 Ute Bilger-Jung Büro Stuttgart: Friedrichstraße 14 70174 Stuttgart Telefon: +49 (0) 711 2 28 40-0 Telefax: +49 (0) 711 2 28 40-111 Reinhold Kopp Büro Berlin: Joachimstaler Straße 12 10719 Berlin Telefon: +49 (0) 30 7009 49-10 Telefax: + 49 (0) 30 7009 49-89 Haftungsausschluss Dieser Newsletter stellt ausgewählte Themen aus dem Arbeitsrecht im Überblick dar und ersetzt nicht die rechtliche Beratung im Einzelfall. Wir bitten um Ihr Verständnis dafür, dass wir für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Newsletter enthaltenen Angaben trotz sorgfältiger Recherche keine Haftung übernehmen. - 10 -