Nierentransplantation: Was leistet die Biopsie?



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Transkript:

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr 2000;130:952 6 S. Hailemariam Departement Pathologie, Institut für klinische Pathologie, Universitätsspital Zürich Nierentransplantation: Was leistet die Biopsie? Summary Renal transplantation: what can biopsy contribute? Kidney biopsy is an important diagnostic tool for the evaluation of kidney transplantation. Histological evaluation of the donor kidney serves to identify risk factors for recurrent disease, neoplasia and/or graft failure due to numerous factors such as damage to the donor kidney during surgical removal or implantation, injury sustained during the transport process between the donor and recipient, and less than optimal allograft perfusion during the intra- and postoperative period. The most important question for the pathologist is the cause of renal dysfunction (rejection) after transplantation. The value of renal allograft biopsy has been significantly enhanced by several developments: improved, internationally accepted classification of kidney transplantation pathology (Banff 1997) and the development of molecular biological techniques such as RT-PCR evaluation of perforin, granzyme B and Fas ligand, which can be applied to renal allograft tissue to obtain a diagnosis of acute rejection with high sensitivity and specificity, are very promising but not used in routine diagnosis. Keywords: kidney; transplantation; rejection Zusammenfassung Die Nierenbiopsie ist ein wichtiges diagnostisches Werkzeug bei der Nierentransplantation. So können vorbestehende Veränderungen eines möglichen Spenderorgans durch die sogenannte Nullbiopsie (intraoperativ entnommenes Gewebe) erfasst werden. Mittels einer Schnellschnittuntersuchung z.b. bei Verdacht auf Tubulusnekrose bei Schock, bei malignem Tumor oder einer anderen schwerwiegenden Erkrankung können somit im Spenderorgan vorliegende Krankheiten erfasst und von später auftretenden Schäden abgegrenzt werden. Die wichtigste Frage an den Pathologen ist jedoch die nach der Ursache einer postoperativen primären oder sekundären Organdysfunktion: Liegt eine Abstossungsreaktion oder eine andere Erkrankung vor? Zudem werden am Eigenorgan die Diagnose der Grundkrankheit bestätigt bzw. gestellt sowie zusätzliche Veränderungen erfasst, welche das Risiko für ein Rezidiv der Grundkrankheit im Transplantat beeinflussen. Das Eigenorgan wird jedoch nur in Ausnahmefällen entfernt, so z.b. bei Tumoren, Infektherden und Raumproblemen bei übergrossen, polyzystischen Nieren. Der Stellenwert der Nieren-Allograft-Biopsie wurde in der letzten Zeit deutlich erhöht: 1. Es wurden neue molekularbiologische Techniken entwickelt, wie z.b. RT-PCR zur Bestimmung von Perforin, Granzym B und Fas-Ligand, welche mit hoher Sensitivität und Spezifität zur Diagnose der akuten Ab- Korrespondenz: PD Dr. med. Seife Hailemariam Departement Pathologie Institut für klinische Pathologie UniversitätsSpital Zürich Schmelzbergstrasse 12 CH-8091 Zürich e-mail: seife.hailemariam@pty.usz.ch 952

Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 25 Fortbildung stossung verwendet werden können (allerdings noch nicht routinemässig eingesetzt). 2. Ebenso wurden bedeutende, neue Erkenntnisse bezüglich spezifischer Pathologie der chronischen Abstossung gewonnen. 3. Nicht zuletzt wurde eine verbesserte, international akzeptierte Klassifikation der Nierentransplantationspathologie (Banff-Klassifikation) entwickelt. Keywords: Niere; Transplantation; Abstossung Abstossungsdiagnose und Graduierung Die Abstossungsreaktionen manifestieren sich histologisch teilweise ziemlich unterschiedlich (vgl. unten), obwohl die biologischen Grundlagen wahrscheinlich dieselben sind. Anfänglich verwendete jedes Zentrum eigene Kriterien zur histologischen Diagnose und Graduierung der Abstossung. Wegen der zunehmenden Verbreitung der Transplantation wurden aber grosse Anstrengungen unternommen, die einzelnen Kriterien international zu standardisieren. Dies geschah und geschieht in sogenannten Konsensus-Konferenzen, von denen die Banff-Konferenz wohl die bekannteste ist (Banff: Stadt in Alberta, Kanada). Sie ist die gebräuchlichste einer Reihe von Klassifikationen und setzt sich auch in Europa zunehmend durch. Sie unterscheidet gegenwärtig 5 Schweregrade der akuten Abstossung und die sogenannte «Borderline»-Veränderung [1, 2]. Hyperakute Abstossung/ Reperfusionsschaden Histologisch findet sich ein kapillärer Endothelschaden mit Thrombosen, welche zu Parenchymnekrosen führen können. Akute Abstossung Nur die sogenannte Tubulitis (= Infiltration der Tubuli durch mononukleäre Entzündungszellen; Abb. 1a und b) und die intimale Arteriitis (im wesentlichen Synonym zu «Endotheliitis»; Abb. 1c) gelten als diagnostisch für eine akute Abstossung. Das primär lymphozytäre Infiltrat, zum Teil mit aktivierten sogenannten blastären Lymphozyten, führt zu einer zunehmenden Organschädigung. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Angriff der Lymphozyten auf die Gefässe zu (erste Barriere), welcher zu einer «Vaskulitis» führt. Die praktisch immer vorhandene interstitielle Entzündung wird zwar mitberücksichtigt, genügt aber per se nicht für die Diagnose einer akuten Abstossung, da sie nicht mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion einhergehen muss. Der Schweregrad der akuten Abstossung wird im Hinblick auf eine allfällige Therapie graduiert. Die Abstossungsdiagnostik, welche auf molekularbiologischen Techniken basiert, wurde 1997 durch Strehlau et al. diskutiert [3]. Im untersuchten Biopsiematerial dieser Studie konnte mittels RT-PCR von Perforin, Granzyme B und Fas-Ligand mit 100prozentiger Sensitivität und Spezifizität eine akute Abstossung nachgewiesen werden. Dies auch in Proben mit Banff-Borderline-Veränderungen, die klinisch Abstossung zeigten. Borderline-Schaden: fokale, milde Tubulitis (1 4 mononukleäre Zellen pro Querschnitt) ohne gleichzeitige intimale Arteriitis. Grad IA: signifikante interstitielle Infiltration (>25% des Parenchyms betroffen) und fokale, mässige Tubulitis (>4 mononukleäre Zellen pro tubulären Querschnitt oder 10 tubuläre Zellen). Grad IB: signifikante interstitielle Infiltration Abbildung 1 a Lymphozytäre Infiltrate der Tubuli (Tubulitis). b Schematische Darstellung derselben (gelbe Farbe). c Arterie mit Endothelschwellung, Schaumzellen und Endotheliitis. 953

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 25 Abbildung 2 a, b Unregelmässig konturierte glomeruläre Kapillarschlingen mit Doppelkonturen. c Teil einer Glomerulumschlinge mit Verbreiterung des subendothelialen Raumes, Ablösung des Endothels. Abbildung 3 Vereinfachtes Banff-Schema. 954 (>25% des Parenchyms betroffen) und fokale, mässige Tubulitis (>10 mononukleäre Zellen pro tubulärer Querschnitt oder 10 tubuläre Zellen). Grad IIA: signifikante interstitielle Infiltration mit milder bis mässiger intimaler Arteriitis. Grad IIB: signifikante interstitielle Infiltration und mässige initimale Arteriitis (>25% des Gefässlumens). Grad III: transmurale Arteriitis oder fibrinoide Veränderungen und Nekrosen der glatten Muskelzellen der Media. Chronische Abstossung Sie manifestiert sich histologisch als sogenannte Transplantat-Glomerulopathie (Abb. 2a, b und c), tubuläre Atrophie, interstitielle Fibrose, Arterio- und Arteriolosklerose und Hyalinose als Folge einer zunehmenden Ischämie. Dazu gehört auch die Lamellierung der peritubulären kapillären Basalmembran (Banff-Klassifikation; Abb. 3). Grad I: Zeichen einer geringen chronischen Ischämie mit leichter Transplantat-Glomerulopathie, geringer interstitieller Fibrose und tubulärer Atrophie. Grad II: Zeichen einer mässigen chronischen Ischämie mit mässiger Transplantat-Glomerulopathie, mässiger interstitieller Fibrose und tubulärer Atrophie. Grad III: Zeichen einer schweren chronischen Ischämie mit schwerer Transplantat-Glomerulopathie, ausgedehnter interstitieller Fibrose und tubulärer Atrophie. Therapieschäden (Ciclosporin bzw. Tacrolimus) Sie manifestieren sich entweder als akute, Ciclosporin-assoziierte Vaskulopathie mit Gefässveränderungen wie bei thrombotischer Mikroangiopathie (hämolytisch-urämisches Syndrom), persistierende, akute Tubulusnekrose ohne wesentliche Entzündungsinfiltrate oder als hyaline Arteriolosklerose (kaum abzugrenzen von Arteriolosklerose, z.b. bei Diabetes mellitus). Andere Veränderungen am Transplantat Ein Rezidiv der Grundkrankheit (Diabetes, Glomerulonephritis) oder eine De-novo-Glomerulonephritis kann im Transplantat auftreten, ohne dass der Patient früher an einer solchen gelitten hat. Des weiteren sind zu nennen: Infektionen mit Polyomaviren oder Zytomegalovirus (selten) und lymphoproliferative Erkrankung [4]. Anforderungen an die Biopsie Die Gewebsentnahme aus dem transplantierten Organ kann schwierig sein. Es kommen deshalb häufig kleine oder sehr kleine Gewebsfragmente zur Untersuchung, mit denen

Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 25 Fortbildung Schlussfolgerung oft keine ausreichende diagnostische Sicherheit erreicht werden kann. Als Minimalanforderung an das Gewebe für die histologische und elektronenmikroskopische Untersuchung muss das Vorhandensein von Rinde und Mark sowie genügend Glomerula (2 bis 3) und Gefässstrukturen (mindestens 3 Gefässanschnitte) gestellt werden. Die Rolle des Pathologen im Transplantationsteam Der Pathologe gehört zum engen Kreis des Transplantationsteams. Für ein erfolgreiches Management der Transplantation ist eine histologische Evaluation der transplantierten Niere unerlässlich. Beispiel Bei einem 27jährigen Mann wurde im jugendlichen Alter die Diagnose eines Morbus Fabry (X-chromosomal vererbte Speicherkrankheit) gestellt [5]. Im Alter von 14 Jahren wurde auffällig, dass seine Schweisssekretion nicht funktionierte. Deshalb konnte er keinen Sport treiben. Unter Sonnenexposition stieg seine Körpertemperatur bis 41 C an. Später begann er unter epileptischen Anfällen zu leiden. Auch wies er für diese Krankheit typische kutane Läsionen auf, sogenannte Angiokeratome. Die Bestimmung der α-galaktosidase-aktivität der Blutleukozyten wurde durchgeführt und zeigte sehr tiefe Werte von 0,024 mu/mg (Normwert 0,41 0,76) an. Dies bestätigte den enzymatischen Defekt. Ein Jahr vor seiner Klinikeinweisung betrug der Serum-Kreatinin- Wert 312 µmol/l. 11 Monate später war dieser auf 602 µmol/l angestiegen. Die Proteinurie lag bei 2 g / 24 h. Die Kreatinin-Clearance betrug zu diesem Zeitpunkt 12 ml/min. Der Patient wurde somit Dialyse-pflichtig. Bei seinem 4 Jahre jüngeren Bruder wurde ebenfalls ein M. Fabry diagnostiziert. Er wurde im Alter von 17 Jahren erfolgreich nierentransplantiert. Sein gesunder Vater hat ihm eine seiner Nieren gespendet. Wegen des günstigen Verlaufs der Nierentransplantation wurde auch die Mutter als Donorin für ihren 27jährigen Sohn in Betracht gezogen. Die Mutter des Patienten ist eine 48jährige gesunde Trägerin der Fabry-Krankheit. Ihre α-galaktosidase-a-aktivität in den Blut- Leukozyten ist mit 0,38 mu/mg unter dem normalen Wert, entspricht aber dem Bereich, der bei einem heterozygoten gesunden Status vorliegt. Sie war asymptomatisch und wurde deswegen als Donorin evaluiert. Eine sorgfältige ophthalmologische Untersuchung zeigte aber bei der Spaltlampenuntersuchung diskrete korneale Trübungen (verdächtig auf Cornea verticillata). Eine nephrologische Untersuchung zeigte ein normales Urinsediment ohne Proteinurie, einen normalen Serum-Kreatinin- Wert und einen blanden Ultraschallbefund. Eine Inulin- und PAH-Clearance zeigte eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von 120/ml/min/1,73m 2 und einen «renal plasma flow» (RPF) von 563 ml/min/m 2 (beide im Normbereich). Es erfolgte eine sogenannte Nullbiopsie. Die histologische und auch die elektronenmikroskopische Untersuchung der Abbildung 4 a Glomerulum: viszerale Epithelien mit klaren Vakuolen (Pfeile). b Einzelne Tubulusepithelien mit klaren Vakuolen. c Elektronenmikroskopische Aufnahme der sogenannten Myelin-Figuren in den Podozyten. d Lamellierte Myelin- Figuren. 955

Fortbildung Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 25 Nierenbiopsie zeigte in epithelialen Zellen der Glomerula der proximalen Tubuli typische klare Vakuolen in einem Mosaik-Pattern als Zeichen der Glykosphingolipid(GSL)-Ablagerung. Die Elektronenmikroskopie zeigte typische Vakuolen mit lamellierten elektronendichten Myelin-Figuren (Abb. 4a d). Diese Situation eines heterozygoten männlichen Krankheitsträgers des M. Fabry mit einer asymptomatischen Mutter, die aus naheliegenden Gründen des Verwandtheitsgrads als Spenderin theoretisch in Frage kommt, illustriert das Problem der Transplantationsmedizin sehr deutlich: Obwohl die Mutter keinerlei Symptome zeigt und die Laborwerte in der gängigen Routineuntersuchung keinerlei Auffälligkeiten zeigen, wurden bei ihr osmiophile elektronendichte Einschlüsse im glomerulären Epithel und in einigen proximalen Tubuluszellen gefunden. Infolge der histopathologischen und elektronenmikroskopischen Befunde kommt die Frau als Nierenspenderin nicht in Frage. Literatur 1 Solez K, Axelsen RA, Benediktsson H, Burdick JF, Cohen AH, Colvin RB, et al. International standardization of criteria for the histologic diagnosis of renal allograft rejection: the Banff working classification of kidney transplant pathology. Kidney Int 1993;44:411 22. 2 Gaber LW, Moore LW, Gaber AO, First MR, Guttmann RD, Pouletty P, et al. A multicenter report on the utilization of Banff grading in acute renal rejection. The 1995 Efficacy Endpoints Conference. Transplant Proc 1996;28:441 4. 3 Strehlau J, Pavlakis M, Lipman M, Shapiro M, Vasconcellos L, Harmon W, et al. Quantitative detection of immunactivation of transcripts as a diagnostic tool in kidney transplantation. Proc Natl Acad Sci U S A 1997;94:695 700. 4 Nickeleit V, Klimkait T, Binet IF, Dalquen P, Del Zenero V, Thiel G, et al. Testing for polyomavirus type BK DNA in plasma to identify renal-allograft recipients with viral nephropathy. N Engl Med 2000;342:1309 15. 5 Desnick RJ, Ioannou YA, Eng CM. Alpha-galactosidase A deficiency: Fabry s disease. In: Scriver R, Beaudet AL, Sly WS, Valle D. The Metabolic and Molecular Basis of Inherited Disease. 7th ed. New York: McGraw-Hill; 1995. p. 2742 84. 956