Möglichkeiten der Umsetzung des EuGH-Urteils vom 09.09.2003 zum Bereitschaftsdienst in deutschen Kliniken



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Transkript:

Möglichkeiten der Umsetzung des EuGH-Urteils vom 09.09.2003 zum Bereitschaftsdienst in deutschen Kliniken Die Schlagzeilen in der Tagespresse und die Pressemitteilungen der Interessenvertreter lassen hinsichtlich der geplanten Reform des Arbeitszeitgesetzes erhebliche Konsequenzen in finanzieller Art sowohl für die Träger der Krankenhäuser, als auch für die Ärzteschaft befürchten 1. Insbesondere die Chefärzte werden hier als Schnittstelle zwischen dem Krankenhausträger und den nachgeordneten Ärzten erheblich in die Pflicht genommen werden, da sie maßgeblich daran beteiligt sind, das Arbeitszeitgesetz bei der Gestaltung der Dienstpläne zu beachten. Angesichts der knappen finanziellen Ressourcen und auch dem derzeit herrschenden Mangel an Ärzten und Studienabgängern ist dies sicherlich keine einfache Aufgabe. Durch die Eile, die die Bundesregierung nunmehr an den Tag legt, um dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)vom 09. September 2003 Rechnung zu tragen, wird dieses Problem noch gesteigert. Berücksichtigt man dabei, daß sich eine entsprechende Entscheidung spätestens seit dem SIMAP Urteil des EuGH 2 auch für Deutschland zu erwarten war, ist die späte und zunächst übereilt geplante Reaktion der Bundesregierung unverständlich. Der folgende Beitrag soll daher zum einen aufzeigen, daß mit der Reform des Arbeitszeitgesetzes sich die Situation verschlechtern, aber auch entspannen kann, wenn die Tarifvertagsparteien die geschaffenen Möglichkeiten einer schonenden Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes nutzen und eine maßvolle und somit für alle Beteiligten erträgliche Lösung schaffen. Die hierfür benötigte Zeit wurde den Beteiligten nunmehr vom Gesetzgeber eingeräumt. Zumindest die bestehenden tarifvertaglichen Regelungen und die anhand dieser entwickelten Arbeitszeitmodelle behalten bis zum 31.12.2005 ihre Gültigkeit. Zum anderen sollen mögliche Arbeitszeitmodelle dargestellt und auch Denkanstöße gegeben werden, wie die Widrigkeiten des geplanten Arbeitszeitgesetzes entschärft werden können. 1. Die neuen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes Die Reaktion auf das Urteil des EuGH liegt nunmehr in Form des neuen Arbeitszeitgesetzes vor. 1 vgl. etwa Süddeutsche Zeitung vom 10.09.2003 2 Urteil vom 03. Oktober 2000 ( SIMAP )

2 Daß die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundesregierung nicht gänzlich unvorbereitet auf die Entscheidung war, zeigt die Tatsache, daß nur einen Tag nach dem Urteil des EuGH zum deutschen Bereitschaftsdienst die Regierungskoalition am 10.09.2003 einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt eingebracht hat. Durch diesen Änderungsantrag wurde nun ein Artikel 4 b in das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt eingefügt 3. Der Drucksache 676/03 ist unter Artikel 4 b die Änderung des Arbeitszeitgesetzes zu entnehmen. Hier sind maßgeblich die 5, 7, 14,15 und 25 ArbZG betroffen 4. Es wird dabei hier darauf verzichtet, den Wortlaut der geplanten Änderungen wieder zugeben, denn maßgeblich und praxisrelevant sind allein die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Zunächst wird auch im neuen Arbeitszeitgesetz bestimmt, daß die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten darf (vgl. 3 Satz 1 ArbZG). Diese kann demnach nun auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Eine der relevanteren Neuerungen ist die Tatsache, daß der neue 5 ArbZG nunmehr keine Verkürzung der Ruhezeit bei Bereitschaftsdienst mehr zuläßt, da dieser nunmehr als volle Arbeitszeit gilt. Sie werden somit voll auf die gesetzliche Höchstarbeitszeit (48 Stunden pro Woche im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten oder von 24 Wochen) angerechnet. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, den Gestaltungsrahmen so weit, wie im Rahmen der EG-Arbeitszeitrichtlinie in der Auslegung durch den EuGH möglich, zu fassen und überläßt die konkrete Ausgestaltung der durch das EuGH-Urteil definierten Spielräume, wie bisher, über die Öffnungsklausel des 7 Arbeitszeitgesetz den Tarifvertragsparteien 5. Nach 7 können nunmehr in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung umfangreiche Änderungen zugelassen werden: Demnach können per Tarifvertrag Arbeitszeiten über 10 Stunden pro Tag hinaus zugelassen werden, wenn sie regelmäßig und zu einem erheblichen Teil Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst umfassen, die voll auf die gesetzliche Höchstarbeitszeit anzurechnen sind, wobei der Ausgleichszeitraum zur Erhaltung der durchschnittlichen 48 Stunden pro Woche von sechs auf 12 Monate verlängert werden darf 6. 3 Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vom 26.09.2003, Drucksache 676/03 4 Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vom 26.09.2003 Drucksache 676/03 5 L. Herrmann, EuGH Urteil und geändertes ArbZG. Die Konsequenzen, www.arbeitszeitberatung.de/dateien/publikationen 6 Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vom 26.09.2003 Drucksache 676/03

3 Bei einer Verlängerung der Tagesarbeitszeit über 12 Stunden hinaus muß im unmittelbaren Anschluß hieran eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden gewährt werden. Zudem können ebenfalls per Tarifvertrag diese Arbeitszeitverlängerungen über 10 Stunden pro Tag auch ohne Ausgleich auf durchschnittlich 48 Stunden pro Woche erfolgen, wenn die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird und der einzelne Beschäftigte schriftlich einwilligt; willigt er nicht ein, oder widerruft er seine Einwilligung (mit nunmehr sechs Monaten Frist), darf er deshalb nicht benachteiligt werden 7. Wenn die Tarifvertragsparteien die gesetzlich zulässigen Gestaltungsspielräume nutzen, ist nahezu nichts unmöglich. So wäre dann auch eine bis zu 24 Stunden lange Regeldienst-Bereitschaftsdienst Kombination zugelassen. Ebenfalls wäre es denkbar, daß diese Kombination sogar zu einer Erhöhung der 48 Stunden pro Woche führt, wenn der Arbeitnehmer einwilligt. Zudem läßt 14 ArbZG nach wie vor Abweichungen von der täglichen Höchstarbeitszeit zu. Diese Abweichungsmöglichkeit ist jedoch eng begrenzt, also auf besondere Situationen beschränkt und darf keinesfalls zur Regel werden. Zudem muß nunmehr erstmals dafür Sorge getragen werden, daß der Arbeitnehmer innerhalb von 6 Monaten auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche kommt. 8 Zuletzt wurde 25 ArbZG nunmehr doch nicht gestrichen. Dieser regelte bislang, daß Tarifverträge, die gegen ein neu erlassenes Arbeitszeitgesetz verstoßen so lange Gültigkeit behalten, bis neue Regelungen vereinbart werden. Allerdings wurde nunmehr eine Befristung bis zum 31.12.2005 aufgenommen. So daß letztlich über die Regelungen des neuen Arbeitszeitgesetzes hinausgehende, bereits bestehende tarifvertragliche Regelungen bis zum 31.12.2005 unberührt bleiben. Die dargestellten wichtigsten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes lassen, je nachdem inwieweit sie durch die Tarifvertragsparteien modifiziert werden, erheblich unterschiedliche Szenarien zu. 2. Denkbare Arbeitszeitmodelle ab dem 01.01.2006 Im Folgenden werden Arbeitszeitmodelle vorgestellt, wie sie zukünftig von den Krankenhäusern praktiziert werden könnten. Diese beruhen zum Großteil auf den sog. LASI-Modellen, also den Vorschlägen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik 9. 7 L. Herrmann, a.a.o. 8 Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages vom 26.09.2003 Drucksache 676/03 9 LASI, Arbeitszeitgestaltung in Krankenhäusern, 1. Auflage, März 2003

4 Dabei wird jedoch nur auf diejenigen Möglichkeiten eingegangen, die tatsächlich im Hinblick auf das neue Arbeitszeitgesetz auch ab dem 01.01.2006 noch zulässig sind. Denn auch wenn derzeit noch bestehende tarifliche Regelungen bis zum 31.05.2005 Gültigkeit behalten, müssen ab dem 01.01.2006 die Regelungen des neuen Arbeitszeitgesetzes bei der Dienstplangestaltung berücksichtigt werden. Problematisch ist zudem, daß derzeit an Kliniken mit öffentlich-rechtlichen Trägern die EG-Arbeitszeitrichtlinie unmittelbar zur Anwendung kommen muß 10. So wurde dies vom Bundesarbeitsgericht im Februar 2003 entschieden 11. Angesichts des Vorgenannten erscheint es daher nicht indiziert, die noch zulässigen Regelungen darzustellen, da es sich insoweit wohl um Auslaufmodelle handelt. 2.1 Drei-Schicht-Modell Zunächst wird angenommen, daß die Tarifvertragsparteien keine Einigung über abweichende Regelungen erzielen und daher allein ab dem 01.01.2006 die gesetzlichen Regelungen anwendbar sind. Unter dieser Annahme ist als einziges denkbares Organisationsmodell noch das Drei-Schicht-Modell zulässig. Nach diesem Modell liegen hintereinander ein Früh-, Spät- und Nachtdienst. Jede Schicht dauert dabei 8,5 Stunden inkl. einer halben Stunde Pause. Da hier kein Bereitschaftsdienst geleistet wird, kann auch in der Nacht Vollarbeit geleistet werden. 10 Heberer, Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit - Bleibt nach der Entscheidung des BAG alles beim Alten?, Der Chirurg, Heft 03 / 2003 11 Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 18.02.2003, Az.: 1 ABR 2/02

5 Obgleich dieses Modell das kostenintensivste ist, wird es an einigen Unikliniken, sowie in der ambulanten Notaufnahme von Krankenhäusern der Grund- und Maximalversorgung, bereits praktiziert. Die finanziellen Auswirkungen dieses Modells sind das wichtigste Gegenargument. Zum einen soll dieses Modell nach Berechnungen der DKG rund 3,35 Mrd./Jahr an Kosten verursachen und man würde weitere 61 000 Arbeitskräfte benötigen 12. Auch für Teile der Ärzteschaft ist dieses Modell wenig attraktiv, da es zu erheblichen Verdiensteinbußen führen kann. Die Konsequenz, die sich aus der Wertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit für die Frage der Vergütung ergibt, ist derzeit noch offen. Das BAG wollte hierzu zunächst bereits im September 2003 eine Entscheidung getroffen haben, welche jedoch auf Januar 2004 vertagt wurde. 2.2. Spätdienstmodell Bei einer Einigung der Tarifvertragsparteien gibt es weitere Alternativen. Als wichtigste ist hier das Spätdienstmodell zu nennen. D a b e i!" h ä D i Dieses Modell sieht vor, daß der Dienst 1 Spätdienst von 15.00 Uhr bis 21.00 Uhr, der Dienst 2 Bereitschaftsdienst von 20.30 Uhr bis 6.00 Uhr und der Tagdienst 3 von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr versieht. Obgleich dieses Modell bisher nicht umgesetzt wurde, bietet es den Vorteil, daß ein Arzt bis 21.00 Uhr voll arbeiten kann, so daß die Belastung während des Bereitschaftsdienstes geringer wird. Nach angestellten Berechnungen soll diese Möglichkeit ca. 823 Mio/ Jahr kosten und 17500 neue Vollkräfte benötigen 13. 2.3 Modell Marburger Bund Ebenfalls denkbar und sicherlich auch praktisch umsetztbar ist das Arbeitszeitmodell des Marburger Bundes. 12 Walger/Molitor, Die geplante Änderung des Arbeitszeitgesetzes und ihre Konsequenzen, Das Krankenhaus, Heft 11/2003, Seite 841 ff. 13 Walger/Molitor, a.a.o.

6 Dieses unterteilt die tägliche Arbeitszeit in zwei Zeitabschnitte à 12 Stunden. Die Vollarbeit, die bisher acht Stunden umfaßt, wird nach den Vorstellungen des Marburger Bundes auf 12 Stunden ausgedehnt. Der Tagdienst kann durch zwei Ärzte mit normaler Arbeitszeit in der Zeit von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr und von 12.30 Uhr bis 21.00 Uhr geleistet werden. Ein von 20.30 Uhr bis 8.30 Uhr anschließend andauernder Bereitschaftsdienst schließt die 24-stündige Patientenversorgung dann ab. Durch das Überlappen der Dienstzeiten können alle Aufgaben, vor allem die Patientenversorgung in besonders arbeitsintensiven Stunden, besser bewältigt werden. Wer Bereitschaftsdienst leistet, darf weder vorher noch nachher zur normalen Arbeitszeit herangezogen werden. An Wochenenden und Feiertagen leistet ein Arzt Bereitschaftsdienst von 8.00 Uhr bis 21.00 Uhr, ein zweiter Arzt von 20.30 Uhr bis 8.30 Uhr. Diese Bereitschaftsdienste können also 13 Stunden betragen. Durch dieses Modell trägt der Marburger Bund den eigenen Wünschen Rechnung, daß innerhalb eines 24 Stunden Zeitraums immer 11 Stunden Ruhezeit beinhaltet sind. Zudem wird durch dieses Modell deutlich, daß der Marburger Bund nicht grundsätzlich gegen eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu 13 Stunden ist.!"!" 2.4 Kombination Drei-Schicht-Modell / Modell Marburger Bund Als letzte Möglichkeit wäre noch an eine Kombination des 3-Schicht Modells mit dem Modell des Marburger Bundes zu denken. Dies würde bedeuten, daß von Montag bis Freitag das 3-Schicht-Modell gefahren wird und an den Wochenenden leistet ein Arzt jeweils Bereitschaftsdienst von 20.30 Uhr bis 8.30 Uhr und von 8.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Diese drei Modelle können aber erst dann praktiziert werden, wenn die Tarifvertagsparteien sich einigen.

7 2.5 Weitere Möglichkeiten der schonenden Umsetzung des ArbZG Jenseits dieser Arbeitszeitmodelle bieten sich noch eine Reihe von Maßnahmen an, um die negativen Auswirkungen des neuen Arbeitszeitmodells in Grenzen zu halten. So bestünde etwa die Möglichkeit, daß die Aufsichtsbehörde gemäß 15 ArbZG eine von 3, 6 Abs. 2 und 11 Abs. 2 abweichende längere tägliche Höchstarbeitszeit zuläßt. Dies wäre z. B. möglich mit einem Zweischichtmodell à 12 Stunden. Aber auch jede andere Lösung wäre dann denkbar. Auch kann eine Ausweitung der Nebentätigkeit erfolgversprechend sein. So könnte man beispielsweise den Notarzteinsatz in den Bereich der Nebentätigkeit verlagern. Dies würde bedeuten, daß das Krankenhaus als Arbeitgeber nicht gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt, wenn Notarzteinsätze gefahren werden, da dann der Arbeitnehmer beispielsweise bei einem Dritten einer weiteren Beschäftigung nachgeht. Ob dies jedoch einer gerichtlichen Überprüfung standhält und nicht als klassischer Umgehungstatbestand qualifiziert werden wird, bleibt abzuwarten. Bedenken diesbezüglich sind sicherlich angebracht. Auch könnte man den Gedanken so weit spinnen, daß man einzelne Bereiche der Klinik, wie beispielsweise die Intensivstation ausgliedert und somit unterschiedliche Arbeitgeber schafft, bei denen die Arbeitnehmer angestellt sind. Auch dann wäre für den einzelnen Arbeitgeber zwar das Arbeitszeitgesetz zu beachten, unterschiedliche Tätigkeiten würden jedoch bei unterschiedlichen Arbeitgebern verrichtet werden. Allerdings bestehen bei dieser Konstellation sicherlich erhebliche Probleme hinsichtlich der Praktikabilität und auch des Umgehungstatbestandes. 3. Ausblick Die vorbenannten Möglichkeiten der Umsetzung müssen aufgrund der bestehenden befristeten Gültigkeit der Tarifverträge also erst zum 01.01.2006 in vollem Umfang berücksichtigt werden. Ob aber ab dem 01.01.2006 tatsächlich die nunmehr bekannten Regelungen des neuen Arbeitszeitgesetzes in der derzeit gültigen Form noch Anwendung finden bleibt abzuwarten. Denn auf EU Ebene sind bereits Bestrebungen im Gange, den Mitgliedstaaten die Gestaltung der Arbeitszeit weitestgehend selbst zu regeln. Überdies werden bereits jetzt Stimmen laut, die der Meinung sind, das neue Arbeitszeitgesetz sei immer noch nicht Richtlinien konform. So daß insoweit mit weiteren Prozessen gerechnet werden muß. Auch bleibt abzuwarten wie die Rechtsprechung darauf reagiert, daß wie bereites erwähnt in privat geführten Kliniken die EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht zur Anwendung kommt, in öffentlich-rechtlichen Häusern aber schon. So daß letztlich derzeit von Rechtssicherheit, wie man sie von einem neuen Gesetz eigentlich erwarten

8 darf, nicht gesprochen werden kann. Auch heute muß man nach wie vor gespannt auf die zukünftige Entwicklung sein. Dr. jur. Jörg Heberer / P.Hüttl Rechtsanwälte München, Justitiar Berlin