Medizinisch-Psychologische Untersuchung kein Polizeiverhör



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Transkript:

Pressemitteilung 48. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2010 Arbeitskreis VI: Idiotentest auf dem Prüfstand ACE Auto Club Europa e. V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlich: Rainer Hillgärtner Schmidener Str. 227 70374 Stuttgart Tel.: 0711 / 53 03-266/277 Fax: 0711 / 53 03-288 www.ace-online.de E-Mail: presse@ace-online.de Medizinisch-Psychologische Untersuchung kein Polizeiverhör Stuttgart / Goslar (ACE) 28. Januar 2010 Der ACE Auto Club Europa hat Forderungen nach einer Verschärfung der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) als un-begründet zurückgewiesen. Wir wollen die MPU weiterhin als eine vertrauensbilden-de Einrichtung und nicht als eine Art Polizeiverhör, wo von Probanden Geständnisse abverlangt werden, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner auf dem Verkehrsge-richtstag in Goslar. Er erinnerte daran, dass erst vor einem Jahr die Methodik der MPU neu standardisiert worden sei. Insofern bestehe überhaupt kein dringender Handdlungsbedarf. Die jüngst erhobene Forderung, Leberwerte zu ermitteln und in der MPU zu bewerten, nannte Hillgärtner wenig hilfreich. Diese Daten flössen schon heute in die MPU ein. Der Test von Leberwerten sei allerdings wissenschaftlich längst überholt. Aus den fraglichen Erkenntnissen ließen sich keine sicheren Beweismittel ableiten, weil die jeweiligen Resultate etwa durch Medikamenteneinnahme beeinflusst werden könnten. Demgegenüber sei als Alkoholkonsummarker der sogenannte Ethylglucuronid-Wert (EtG) als zuverlässige Auskunft eher verwertbar. Der ACE verwies dabei auf den TÜV Süd, der neuerdings einen EtG-Test als Alkoholabstinenz-Check anbiete. Vom ACE abgelehnt wird der Vorstoß, MPU-Gespräche per Video aufzuzeichnen und bei Gericht zu verwenden. Damit werde der ganze Sinn und Zweck einer MPU auf den Kopf gestellt. Aufwand und Kosten einer solchen Maßnahme stünden zudem in kei-nem Verhältnis zum erzielbaren Nutzen. Schließlich gehe es bei der MPU auch nicht um Strafe, sondern um die Chance, sich wieder in die Verkehrswelt einzugliedern. Die MPU sei damit eine wichtige Einrichtung der Rechtspflege, diene der Verkehrssicherheit und leiste einen wesentlichen Beitrag zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer, so der ACE-Sprecher. Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar legte der ACE eine zehnseitige Studie zu MPU und Alkoholproblematik vor. Danach ist die Zahl der alkoholbedingten Unfälle von mehr als 53.000 (1978) auf 19.603 (2008) gesunken. Die Zahl der staatlich lizensierten MPU-Begutachtungsstellen habe sich in den vergangenen zehn Jahren mit jetzt bun-desweit 259 Einrichtungen mehr als verdoppelt. Zugleich ist die Zahl der polizeilich festgestellten Alkoholverstöße von 230.800 (2001) auf 190.000 (2008) zurückgegangen. Von den rund 100.000 Menschen, die jährlich zur MPU müssen, sind 96 Prozent Männer und lediglich vier Prozent Frauen.

Als unbedacht hat der ACE die im offiziellen Veranstaltungsheft des Verkehrsgerichtstags verwendete Wortwahl Idiotentest kritisiert. Der Begriff sei diskriminierend und werfe einen Schatten auf jene, die für sich selbst gerne eine sprachkulturelle Vor-bildrolle übernehmen wollten. Der ACE erinnerte an die jüngste Historie, der zufolge die MPU nach dem 2. Weltkrieg Anfang der 50er-Jahre entwickelt worden sei. Damals habe es viele Kriegsopfer gege-ben, die nicht nur körperlich versehrt waren, sondern auch Hirnschäden erlitten hatten. Mittels MPU wurde deren Fahreignung untersucht. Überkommene Klischees und un-terentwickelte Menschenachtung führten dann zu Redewendungen wie Idioten müs-sen zur MPU. In den 70er-Jahren wurden Fahrschüler einer MPU unterzogen, die dreimal durch die Führerscheinprüfung gefallen waren. Heute ist Alkohol mit 70 Pro-zent der Hauptgrund für die Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersu-chung, 20 Prozent entfallen auf Drogen. Die übrigen MPU-Teilnehmer kommen zur MPU, weil ihnen 18 Punkte in Flensburg zur Last gelegt worden sind. Die MPU stellt unter anderem Alkoholtätern eine Prognose zur Verkehrsbewährung aus. Den Fahrerlaubnisbehörden dienen die Ergebnisse der MPU zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Entziehung oder Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.

Studie des ACE Auto Club Europa (Stand: Januar 2010) MPU und Alkoholproblematik Bestandsaufnahme anlässlich des 48. Deutschen Verkehrsgerichtstages 27. 29. Januar 2010 in Goslar (AK VI: Idiotentest auf dem Prüfstand) 1. Zahl der Alkoholunfälle mit Personenschaden sinkt beständig 2. Starke regionale Unterschiede bei Alkoholunfällen 3. Alkoholunfälle 2008 nach Bundesländern 4. Alkoholverstöße gehen zurück die Überwachung auch 5. Männerdomäne Alkohol am Steuer 6. MPU-Begutachtungen: Alkohol-Auffälligkeit in Deutschland 7. MPU-Begutachtungen wegen Alkohol-Auffälligkeit 1999-2008 8. MPU als ungenutzte Chance a) Durchfall-Quoten bei erstmaliger Alkoholauffälligkeit b) Durchfall-Quoten bei wiederholter Alkoholauffälligkeit 9. MPU als Straferschwerung?

1. Zahl der Alkoholunfälle mit Personenschaden sinkt beständig In den vergangenen 30 Jahren ist das Risiko, in einen Alkoholunfall verwickelt zu werden, deutlich gesunken. Die Anzahl der durch Alkohol am Steuer bedingten Verkehrsunfälle mit Personenschaden hat sich seit 1978 von etwa 53.000 auf 19.600 verringert. In noch stärkerem Maße ging die Zahl der Verunglückten zurück: Vor 30 Jahren zählte man bei Alkoholunfällen noch über dreimal mehr Verkehrsopfer als heute. Die Gefahr, bei einem Alkoholunfall ums Leben zu kommen, ist heute nur noch ein Siebtel so groß wie Ende der 70er Jahre. Allein in den letzten zehn Jahren halbierte sich die Todesrate im Straßenverkehr um mehr als die Hälfte. Seit 1993 konnte die Anzahl der Schwerverletzten auf ein Drittel gesenkt werden. Eine Auswertung der Daten des statistischen Bundesamtes ergab, dass auch die Quote der Verunglückten seit 1978 deutlich gesunken ist. Kamen vor 30 Jahren pro Alkoholunfall mit Personenschaden durchschnittlich 1,45 Personen zu Schaden, waren 2008 nur noch 1,28 Verunglückte pro Unfall zu beklagen. Es darf angenommen werden, dass die seit 01.01.1999 gesetzlich in der StVO verankerte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) als Ahndung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr den bereits vorher bestehenden Trend zum trockenen Fahren unterstützt hat. Aus den vorliegenden Unfallzahlen lässt sich jedoch kein abrupter Rückgang der Alkoholunfälle durch die MPU erkennen. Neben den in den vergangenen 30 Jahren deutlich verbesserten Sicherheitseinrichtungen wie ABS, Seitenaufprallschutz und jüngst ESP dürfte eine verminderte gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Trunkenheitsfahrten sowie die kontinuierliche Anhebung der zu erwartenden Strafen für Alkoholdelikte im Straßenverkehr für einen anderen Umgang mit Alkohol geführt haben. Quelle: Statistisches Bundesamt, Zeitreihen 2008

2. Starke regionale Unterschiede bei Alkoholunfällen Auch für das Jahr 2008 konnte ein Rückgang der durch Trunkenheit im Straßenverkehr bedingten Unfälle mit Personenschaden verzeichnet werden. Erstmals wurde die Schallmauer von 20.000 Alkoholunfällen pro Jahr durchbrochen mit 19.844 Unfällen fanden gegenüber dem Vorjahr (21.034 Unfälle) ganze 1.190 Havarien weniger statt. Im bundesdeutschen Durchschnitt bedeutet dies einen Rückgang auf 24,2 Alkoholunfälle pro 100.000 Einwohner. Wie im Vorjahr jedoch ist die Anzahl von Unfällen, bei denen Trunkenheit eine Rolle spielte, in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Gefahr, in einen Unfall mit einem alkoholisierten Fahrer verwickelt zu werden, ist noch immer in Mecklenburg-Vorpommern doppelt so hoch wie in Nordrhein-Westfalen. Wie schon 2007 nimmt Mecklenburg-Vorpommern mit 36,06 Alkoholunfällen pro 100.000 Einwohner den unrühmlichen Spitzenplatz ein. Unverändert hoch ist auch das Risiko, im Saarland (34,76) oder in Schleswig-Holstein (32,53) wegen Alkohol am Steuer einen Verkehrsunfall zu erleiden. Sachsen-Anhalt verschlechterte sich mit 30,73 alkoholbedingten Unfällen zum viertgefährlichsten Bundesland, während sich Hessen (28,82) um einen Rang verbesserte. Abgerutscht sind Rheinland- Pfalz (28,08) und Niedersachen, das mit 26,59 Alkoholunfällen auf 100.000 Einwohner gleich um vier Stufen nach unten rutschte. Verbessert dagegen hat sich die Situation in Thüringen letztes Jahr noch Platz sechs auf der schwarzen Unfallliste, 2008 nur noch auf Rang acht (25,31). Ins Mittelfeld abgestürzt ist Baden- Württemberg, wo nun auf 100.000 Einwohner 24,92 Trunkenheitsunfälle kommen. Die Hansestadt Bremen konnte mit 24,77 einen Rang gutmachen, Brandenburg liegt nun mit deutlich verbesserten Zahlen (24,39) nur knapp über dem Bundesschnitt, ebenso wie Sachsen (24,28). Sichtbar besser als der Durchschnitt präsentieren sich die Bundesländer Bayern (21,77), Berlin (21,42) und Hamburg (20,43). In der gleichen Reihenfolge wie im Vorjahr wird dort vorgeführt, dass Autofahren ohne Alkohol mehr Sicherheit bedeutet. Die Krone für die wenigsten Alkoholunfälle geht wie im vergangenen Jahr an Nordrhein-Westfalen. Mit 18,78 Unfällen auf 100.000 Einwohner wird zwischen Rhein und Weser der bundesweite Durchschnitt um knapp 25 Prozent unterboten.

3. Alkoholunfälle 2008 nach Bundesländern Basisangaben: Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 2009

4. Alkoholverstöße gehen zurück die Überwachung auch Auf den ersten Blick erfreulich erscheint der Rückgang der Alkoholverstöße im Straßenverkehr in den letzten acht Jahren: 40.000 weniger Delikte bedeuten einen Rückgang von fast 20 Prozent! Ein erster Sieg der Vernunft, auch ein Erfolg der zahlreichen Verkehrssicherheitskampagnen, die dem Alkohol am Steuer den Kampf angesagt haben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Polizei seit Jahren in verstärktem Maße unter Personalabbau zu leiden hat. Beamte, die aus Altersgründen aus dem aktiven Dienst ausscheiden, werden nicht in ausreichendem Umfang ersetzt, klagt die Gewerkschaft der Polizei. Eine engmaschige Verkehrsüberwachung sei an heißen Tagen kaum zu bewerkstelligen. Zahlen: KBA, BASt Alkoholkontrollen finden deshalb eher schwerpunktmäßig im zeitlichen und geografischen Rahmen von Veranstaltungen (z.b. Karneval, Feste, Vorweihnachtszeit) statt. Ansonsten beschränkt sich die Überprüfung der Verkehrsteilnehmer auf vom Streifendienst festgestellte Auffälligkeiten im Straßenverkehr.

5. Männerdomäne Alkohol am Steuer Von den knapp 20.000 Beteiligten an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden waren gut 17.500 männlichen Geschlechts. Dabei war es keinesfalls so, dass es nur das eine Glas Bier oder Wein gewesen sein kann, das zum Unfall führte. Nur bei knapp 13 Prozent der alkoholisiert in einen Unfall verwickelten Männer wurde bei der Blutprobe ein Wert unter 0,8 Promille festgestellt. Mehr als 17 Prozent dagegen saßen noch mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 2, 0 und 2,5 Promille am Steuer. Fast 63 Prozent der Beteiligten beiderlei Geschlechts kamen in einem Pkw zu Schaden, immerhin 26 Prozent auf dem Fahrrad. Je etwa acht Prozent entfielen auf Fußgänger und Mofafahrer. Äußerst gering ist der Anteil alkoholisierter Fahrer von Motorrädern (3,5 %) sowie Güterkraftfahrzeugen (2,5 %). 6. MPU-Begutachtungen: Alkohol-Auffälligkeit in Deutschland Bereits seit 1912 werden in Deutschland verkehrspsychologische Untersuchungen durchgeführt. Von 1952 an kümmerten sich medizinisch-psychologische Institute für Verkehrssicherheit maßgeblich um Führerschein-Aspiranten, die ohne die dort gebotene Hilfe kaum Aussicht auf eine Erlangung einer Fahrerlaubnis gehabt hätten. Später wurde die MPU mittels Straßenverkehrsgesetz (StVG) in der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) verankert. Die Begutachtungs-Leitlinien werden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) vorgelegt. Bis auf Teilbereiche fand die letzte Überarbeitung der Richtlinien im Jahr 2000 statt. Zur Anordnung einer MPU können verschiedene Gründe vorliegen, nur ein Bruchteil davon befasst sich mit dem Thema Alkohol im Straßenverkehr. Dennoch stellen Alkoholsünder den Großteil derer, die sich zur Wiedererlangung ihres Führerscheins den sowohl medizinischen als auch psychologischen Tests stellen müssen. Eine MPU wird regulär angeordnet, wenn bei einer Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,6 Promille gemessen wurde oder jemand bereits wiederholt wegen Alkohol (am Steuer) aufgefallen ist oder 18 Punkte im Flensburger Verkehrszentralregister angesammelt hat oder beim Verkehrsteilnehmer ein erhöhtes Aggressionspotenzial festgestellt wurde. In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der Begutachtungen stetig abgenommen. Lag die Anzahl der MPU noch 1999 bei etwa 130.000, konnte für das Jahr 2008 ein Rückgang auf nur noch 103.000 Untersuchungen festgestellt werden. Der Anteil der MPU mit Alkohol-Problematik beträgt zurzeit etwas über 56 Prozent.

7. MPU-Begutachtungen wegen Alkohol-Auffälligkeit 1999-2008 Zahlen: BASt

8. MPU als ungenutzte Chance 8.a. Durchfall-Quoten bei erstmaliger Alkoholauffälligkeit Die Anzahl der MPU-Fragestellungen bei erstmaliger Alkoholauffälligkeit ist in den vergangenen acht Jahren um fast ein Drittel gesunken. Wurden 2001 immerhin 51.515 Verkehrsteilnehmer wegen ihres Alkoholkonsums auf ihre Fahrtauglichkeit hin überprüft, waren es 2008 nur noch 32.610 Personen. Dies deutet auf eine großflächige Akzeptanz hin, Trinken und Fahren voneinander zu trennen. Im Gegenzug hat sich der Anteil der Untersuchten gesteigert, die als geeignet für die weitere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr eingeschätzt wurden. Wurde 2001 nur knapp 40 Prozent der Prüflinge eine sofortige Wiedererlangung ihrer Fahrerlaubnis zugestanden, war es im vergangenen Jahr bereits fast die Hälfte. Gesunken dagegen ist die Quote derer, die als nachschulungsfähig eingestuft wurden sprich: nach einer weiteren Aufbauschulung grünes Licht für den Führerschein bekamen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Anteil jener, die direkt oder nach erfolgreich absolvierter Schulung wieder ans Steuer dürfen, von 59 Prozent in den Jahren 2001 und 2002 auf fast 64 Prozent angewachsen ist. Im Gegenzug muss festgestellt werden, dass zwar nicht mehr 41 Prozent, aber immer noch mehr als ein Drittel der Prüflinge als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs angesehen werden. MPU-Fragestellungen bei erstmaliger Alkoholauffälligkeit Zahlen: BASt

8.b. Durchfall-Quoten bei wiederholter Alkoholauffälligkeit Der Anteil an Aspiranten, die wegen wiederholter Alkoholauffälligkeit zur medizinisch-psychologischen Untersuchung gebeten werden, ist mit etwa 17,5 Prozent seit Jahren etwa gleich hoch geblieben. Auch die relative Zahl ist mit 18.095 im Jahr 2008 zu 19.669 acht Jahre zuvor nicht einmal um zehn Prozent gesunken. Die Steigerung der Erfolgsquote, wie sie bei den erstmaligen Alkoholfragestellungen der Fall ist, kann hier nicht verzeichnet werden. Gerade mal 2,5 Prozent höher als 2001 lag der Anteil der Prüflinge, die als geeignet angesehen wurden, 2008 schaffte nur gut jeder vierte Prüfling den Test ohne Einschränkungen. Geringer als in der Vergleichsgruppe fällt auch die Anzahl der als nachschulungsfähig erachteten MPU-Teilnehmer aus. Im vergangenen Jahr wurde nur 12,84 Prozent der Prüflinge, die wegen wiederholter Alkoholauffälligkeit eine MPU absolvierten, die Chance auf eine Nachschulung eingeräumt. Wer mehrfach wegen Trunkenheit im Straßenverkehr aufgefallen ist, hat offenbar weniger Chancen, seinen Führerschein zurückzuerlangen. Mehr als 45 Prozent dieser Untersuchungen fielen negativ aus. Was für die Betroffenen jedoch nicht bedeutet, den Gedanken, wieder ans Steuer zu dürfen, endgültig begraben zu müssen. Die Ergebnisse einer MPU werden dem Prüfling mitgeteilt, nicht aber an die zuständige Straßenverkehrs-Behörde weitergeleitet. Wer durchgefallen ist, kann sich später, wenn die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, erneut zur MPU anmelden. MPU-Fragestellungen bei wiederholter Alkoholauffälligkeit Zahlen: BASt

9. MPU als Straferschwerung? Bei ihrer Einführung im Jahre 1999 diente die medizinisch-psychologische Untersuchung als zusätzliche Maßnahme, den Straßenverkehr sicherer zu gestalten. Wer sich als untauglich zum Führen eines Kraftfahrzeugs erwies, sollte auch nicht am motorisierten Verkehr teilnehmen. Auf der anderen Seite bot die MPU eine Chance, durch eigene Verhaltensänderung den Führerschein wiederzuerlangen. Auch dann, wenn der Anlass der MPU sowohl Verkehrsauffälligkeit als auch eine strafrechtliche Komponente beinhaltete. Die Untersuchungen allgemeiner Verkehrsauffälligkeit in Kombination mit sonstiger strafrechtlicher Auffälligkeit sind zwischen 2002 und 2007 von 1.533 auf 1.930 Fälle angestiegen eine Steigerung von fast 26 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der MPU aus gleichem Anlass, doch mit gleichzeitiger Alkohol-Problematik von 10.751 auf 7.226, also um knapp 33 Prozent. Seit einigen Jahren droht allerdings auch eine Instrumentalisierung der MPU als zusätzliche Strafe bei der Ahndung von Delikten, die außerhalb des Straßenverkehrs begangen wurden. Bereits jetzt werden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Bayern Führerscheinentzug und Anordnung einer MPU auch gegenüber Straftätern angewendet, deren Delikte nichts mit dem Straßenverkehr zu tun hatten. Die Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) belegen, dass es in diesem Bereich zu einer deutlichen Zunahme der Fragestellungen gekommen ist: Wurde im Jahr 2002 der Besitz des Führerscheins wegen sonstiger strafrechtlicher Auffälligkeit noch 2.457 Mal infrage gestellt, waren es 2008 schon 3.505 MPU, die sich mit der Frage beschäftigten, ob sich Straffälligkeit auch auf die Teilnahme am Straßenverkehr auswirkt eine Zunahme von mehr als 42 Prozent. Rechtlich liegt der Führerscheinentzug in Zusammenhang mit Straftaten außerhalb des Straßenverkehrs in einer Grauzone. Der Arbeitskreis VII Junge Fahrer soll auf dem Verkehrsgerichtstag 2010 diese Problematik erörtern. Zahlen: BASt