Positionspapier. Elektromobilität und Sicherheit



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Transkript:

Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit November 2013

Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit 3 1 Zusammenfassung Der VDI sieht erhebliche Potenziale in der Elektromobilität und unterstützt das Ziel, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu entwickeln. Um die Elektromobilität zum Erfolg zu führen, müssen allerdings zahlreiche Herausforderungen gemeistert werden. Hierzu gehört auch die Gewährleistung eines Sicherheitsniveaus, das vergleichbar mit dem konventioneller Fahrzeuge ist und das von allen derzeit als Pkw der Kategorie M1 zugelassenen Elektrofahrzeugen auch erreicht wird. Das Vertrauen der Verbraucher in den Insassenschutz der Fahrzeuge ist für einen nachhaltigen Erfolg der Elektromobilität mitentscheidend. Gefährdungen durch Ursachen, die konventionelle Fahrzeuge nicht betreffen, insbesondere durch elektrische Hochspannung und durch die Besonderheiten der Energiespeicher, müssen bei Elektrofahrzeugen daher weitestgehend ausgeschlossen werden. Aus Sicht des VDI besitzen folgende Aspekte Priorität: Elektrofahrzeuge dürfen das erreichte Sicherheitsniveau auf unseren Straßen nicht gefährden. Zum Schutz aller Beteiligten im Straßenverkehr und zur Schaffung von Akzeptanz für Elektrofahrzeuge muss der Staat sicherstellen, dass die angebotenen Fahrzeuge im Falle eines Unfalls einen ausreichenden Schutz vor Unfallfolgen bieten. Die Entwicklung von Leichtfahrzeugen unterhalb der bisherigen Fahrzeugkategorie M1 (Pkw bis 3,5 Tonnen) kann die Verbreitung von Elektrofahrzeugen erleichtern. Jedoch muss der Insassenschutz dieser Fahrzeuge gegenüber bestehenden Bestimmungen auf ein angemessenes Niveau angehoben werden. Die Anforderungen sollten den Besonderheiten des Elektroantriebs, eines überwiegend städtischen Einsatzgebietes und dem Schutz beim Zusammenstoß mit schwereren Fahrzeugen Rechnung tragen. Der VDI empfiehlt die Einrichtung einer Fahrzeugkategorie M0 für Fahrzeuge zwischen 400 und 800 kg Leergewicht auf europäischer Ebene. Für diese Fahrzeuge sollte eine angemessene Geschwindigkeitsbegrenzung festgelegt werden, die der Fokussierung auf den urbanen Betrieb Rechnung trägt. Einfache Grundsätze der sicheren Handhabung der Elektrofahrzeuge und ihrer Besonderheiten sowie der Ladeinfrastruktur müssen ein Inhalt der Aufklärung und Verkehrserziehung werden wie die richtige Handhabung eines Fahrradhelms oder der Schulterblick. Gefährdungen durch Ursachen, die konventionelle Fahrzeuge nicht betreffen (insbesondere durch elektrische Hochspannung und durch die Besonderheiten der Energiespeicher), müssen bei Elektrofahrzeugen weitestgehend ausgeschlossen werden. Hier werden derzeit zahlreiche technische Regeln gesetzt, die derartige Risiken minimieren sollen. Der VDI empfiehlt, dass sich die Bundesregierung für die Einführung europaweit gültiger Standards für Systemkompontenten von Elektrofahrzeugen einsetzt.

4 Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit 2 Ziele der Politik für Elektromobilität und Verkehrssicherheit Die Elektromobilität kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Abhängigkeit der deutschen Volkswirtschaft von begrenzt verfügbaren fossilen Brennstoffen zu verringern. Sie kann zudem die Ziele des Klimaschutzes und der Luftreinhaltung unterstützen, da sie bei der Verwendung regenerativer Energiequellen zur Stromerzeugung den Straßenverkehr langfristig CO 2 -neutral machen kann. Angesichts dieser Potenziale verfolgt die Bundesregierung das Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen und Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu machen. Der VDI unterstützt diese Ziele. Andere Industriestaaten haben sich ebenfalls sehr ambitionierte Ziele gesetzt. Angesichts der Schlüsselrolle, welche die Fahrzeugindustrie hinsichtlich Wertschöpfung, Beschäftigung und Innovationen in Deutschland einnimmt, ist die langfristige Perspektive der Elektro mobilität von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Volkswirtschaft. Damit die deutsche Fahrzeug industrie ihre führende Rolle mit einem Weltmarktanteil von rund 20 Prozent halten kann, ist die erfolgreiche und frühzeitige Einführung neuer Antriebskonzepte, inklusive elektrischer Antriebe, strategisch wichtig. Der Markterfolg von Elektrofahrzeugen bleibt bisher allerdings deutlich hinter den Zielen und Erwartungen der Bundesregierung zurück. Bis zum Jahresende 2013 werden erst ca. 10.000 Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Als Elektrofahrzeuge zählen dabei reine batterieelektrische Fahrzeuge, Plug-In Hybridfahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge. Eine der Ursachen dieser verhaltenen Entwicklung liegt in der nur langsam zunehmenden Zahl verfügbarer Modelle. Darüber hinaus spielt eine Rolle, dass Elektrofahrzeuge durch ihren höheren Preis gegenüber konventionellen Fahrzeugen sowie ihre geringere Reichweite für den Käufer Nachteile aufweisen, denen bis jetzt erst wenige für den Nutzer spürbare und von ihm im Alltag als relevant bewertete Vorteile gegenüberstehen. Daher wird das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektrofahrzeugen sich nur schwer erreichen lassen, selbst wenn die angebotene Modellvielfalt in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Der Kauf eines Elektrofahrzeuges muss auch für den Käufer selbst unmittelbare Vorteile haben. Diese müssen die auf absehbare Zeit weiter bestehenden technischen Nachteile gegenüber dem konventionellen Fahrzeug zumindest teilweise aufwiegen, um die Attraktivität der Elektromobilität zu steigern. Die Politik sollte dazu beitragen, die Nutzung von Elektrofahrzeugen attraktiver zu machen, z. B. durch kostenneutrale Maßnahmen wie Ausnahmen von Verkehrsbeschränkungen. Neben den mit der Elektromobilität unmittelbar verknüpften politischen Zielen spielen für die Entwicklung, Akzeptanz und Nutzung dieser Technologie auch die Erwartungen an die Verkehrssicherheit eine entscheidende Rolle. Hier hat es generell in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gegeben. Seit 1970 konnte in Deutschland die Zahl der Toten im Straßenverkehr auf ein Sechstel reduziert werden, bei gleichzeitig stark gestiegener Gesamtfahrleistung. Zwischen 2000 und 2010 konnte die Zahl der Verkehrstoten in Europa fast halbiert werden. Die EU hat sich eine weitere Halbierung bis 2020 zum Ziel gesetzt. Nach Ansicht des VDI ist dies erreichbar. Voraussetzung ist allerdings, dass diesem Ziel auch weiterhin hohe Priorität eingeräumt wird. Mit Blick auf den geplanten massenhaften Einsatz von Elektrofahrzeugen stellen sich diesbezüglich ganz neue Herausforderungen, denen sich die Industrie sowie die Politik stellen müssen.

Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit 5 3 Spezifische Sicherheitsanforderungen der Elektromobilität Gegenüber konventionell angetriebenen Fahrzeugen ergeben sich bei Elektro- und Hybridfahrzeugen neue Risikopotenziale. Sie resultieren insbesondere aus dem Vorhandensein von Hochvolt-Bordnetz und Hochvolt-Energiespeichern. Stromschläge müssen vermieden werden, sowohl im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen als auch bei Transport, Wartung und Instandsetzung der Fahrzeuge. Die Besonderheiten, die Elektrofahrzeuge aufweisen, bergen im normalen Betrieb grundsätzlich keine hohen Risiken für die Sicherheit. Allerdings müssen sie Nutzern, Haltern und Verkehrsteilnehmern bewusst sein, damit diese potentielle Gefahren minimieren können. Notwendig ist dabei das Einhalten von einfachen Verhaltensregeln. Dies gilt im Zusammenhang mit der Hochvolt-Technik sowie dem besonders niedrigen Fahrgeräusch, das im städtischen Umfeld für andere Verkehrsteilnehmer irreführend sein kann, weil es sie nicht vor dem herannahenden Fahrzeug warnt. Der VDI sieht hier einen Bedarf an mehr Information und Aufklärung der Bevölkerung, um Verunsicherungen und Gefahren vorzubeugen. Bis die Öffentlichkeit sich an Elektrofahrzeuge und die damit verbundene neue Technik gewöhnt hat, wird sie besonders sensibel auf Anzeichen reagieren, die auf vermeintliche höhere, spezifische Risiken hindeuten. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit Unfällen relevant, bei denen das Hochvolt-System eines Elektrofahrzeugs betroffen ist. So fanden z. B. Unfälle in China und in den USA, bei denen Elektrofahrzeuge tatsächlich oder angeblich in Brand gerieten, bereits ein erhebliches Medienecho in Deutschland. Die Gewährleistung eines angemessenen Insassenschutzes bei Unfällen, bei denen das elektrische System eines Elektrofahrzeugs betroffen ist, ist eine besondere Herausforderung für die Hersteller. Sie erfordert ein hohes ein Maß an Know-how und ausreichend Erfahrung in der Crashauslegung. Dies gilt hinsichtlich der Integration adäquater Sicherheitsmaßnahmen in das Fahrzeugkonzept sowie der Auslegung der elektrischen Komponenten und des Fahrzeugkonzeptes unter Berücksichtigung der bei einem Unfall auftretenden Belastungen. Bei angemessener Berücksichtigung der Anforderungen ist das Elektrofahrzeug allerdings genauso sicher wie konventionelle Fahrzeuge. Um die Sicherheit der Nutzer von Elektrofahrzeugen im normalen Betrieb und bei Unfällen zu gewährleisten und den raschen Markterfolg der Elektromobilität zu ermöglichen, muss aus Sicht des VDI die Politik dafür sorgen, dass angemessene und verbindliche Sicherheitsstandards für Systemkomponenten von Elektrofahrzeugen international einheitlich angewendet werden. Dies gilt insbesondere für Schlüsselthemen, wie die Kompatibilität oder die Sicherheit von Hochvolt-Traktionsbatterien und anderer elektrischer Komponenten. Für Hochvoltsystem und Batterien sind geeignete Standards mit der UN-R100.02 bereits erarbeitet.

6 Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit 4 Besondere Herausforderungen bei Elektroleichtfahrzeugen Der starke Rückgang der Verkehrstoten in Deutschland und Europa in den vergangenen Jahrzehnten ist vor allem auf verbesserten Insassenschutz bei den Pkw zurückzuführen. Das Schutzniveau wurde durch wirksame gesetzliche Crashnormen sowie verbraucherschutzorientierte Tests, wie z. B. dem EuroNCAP- Programm, gefördert. Die technischen Maßnahmen zur Verbesserung des Insassenschutzes haben allerdings auch das Gewicht der Fahrzeuge deutlich erhöht. Der Zusammenhang zwischen Insassenschutz und Fahrzeuggewicht spielt bei der weiteren Entwicklung der Elektromobilität eine entscheidende Rolle. Dies gilt insbesondere mit Blick auf Leichtfahrzeuge (bis ca 800 kg). Die Kategorie der Leichtfahrzeuge bietet grundsätzlich ein großes Potenzial für die rasche Verbreitung der Elektromobilität. Höhere Fahrzeuggewichte erfordern größere Energiespeicher an Bord und machen das Fahrzeug damit teurer und zusätzlich schwerer. Das Eigengewicht der Batterie bezogen auf ihren Energiegehalt ist einer der größten Nachteile des Elektrofahrzeugs im Vergleich zu konventionellen Antrieben. Elektrofahrzeuge erfordern daher besonders konsequenten Leichtbau. Die Entwicklung von Leichtfahrzeugen unterhalb der bisherigen Fahrzeugkategorie M1 ist daher aus Sicht des VDI grundsätzlich ein guter Ansatz, die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zu erleichtern. Sowohl etablierte als auch neue Fahrzeughersteller befassen sich intensiv mit der Erforschung und Entwicklung solcher Elektroleichtfahrzeuge, die entsprechend heute geltender Zulassungsbestimmungen als Leichtfahrzeuge (bis 400 kg) der Zulassungskategorien L6/7e in den Verkehr gebracht werden können. In dieser Kategorie werden in Deutschland bislang vorwiegend Sport- und Freizeitfahrzeuge angeboten, wie z. B. Quads, die lediglich einen sehr kleinen Anteil am gesamten Straßenverkehrsaufkommen ausmachen. Das könnte sich künftig ändern, wenn Leichtfahrzeuge als ein wesentlicher Weg zur Verbreitung der Elektromobilität genutzt werden sollten. Das geringe Gewicht dieser Elektroleichtfahrzeuge bildet dabei eine Sicherheitsanforderung ganz eigener Art, denn beim Zusammenstoß mit einem schwereren Fahrzeug steigt die Belastung für das leichtere Fahrzeug und seine Insassen entsprechend dem Verhältnis der Fahrzeugmassen zueinander. So ist in der L7e- Kategorie mit Leergewichten von 400 kg bei realen Verkehrsunfällen mit einem herkömmlichen Pkw (Leergewicht 1,6 Tonnen) zukünftig ein Massenverhältnis von 4:1 zu berücksichtigen. Bei der aktuellen Fahrzeugpopulation, deren leichteste Pkw ca. 800 kg wiegen, liegt diese Kompatibilitätsratio bei nur ca. 2:1 und führt bereits in einer derartigen Unfallkonstellation zu deutlich höheren Belastungen des kleineren Fahrzeugs. Es muss ein Weg gefunden werden, den Insassenschutz dieser Fahrzeuge auf ein Niveau zu heben, das zumindest annähernd an jenes konventioneller Pkw heranreicht. Insbesondere sollte der Schutz beim Zusammenstoß mit schwereren Fahrzeugen verbessert werden. Die notwendigen Voraussetzungen hierfür sind heute noch nicht gegeben. Denn das heutige Zulassungsrecht stellt an Leichtfahrzeuge nicht die gleichen hohen Sicherheitsanforderungen wie an normale Pkw der Zulassungskategorie M1. Bislang bleibt es dem jeweiligen Hersteller weitgehend selbst überlassen, welches Sicherheitsniveau er in der Zulassungskategorie L6/7e anbietet. Der VDI empfiehlt daher, zwischen den bereits bestehenden Kategorien L6/7e und M1 eine neue Fahrzeugkategorie M0 einzurichten für Fahrzeuge zwischen 400 kg und 800 kg (gemessen nach der EU- Richtlinie 92/21/EWG betreffend die Masse und Abmessungen von Kraftfahrzeugen der Klasse M1). Für diese neue Kategorie sollten adäquate Sicherheitsanforderungen unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen des Elektroantriebs formuliert werden. Die Unterschiede der Fahrzeuge der Kategorie M0 zu den Sport- und Freizeitfahrzeugen der darunter angesiedelten Kategorie L6/7e sollten für den Verbraucher nachvollziehbar sein und seine Kaufentscheidung im Sinne seiner Anforderungen an die Sicherheit des Fahrzeugs unterstützen. Die Fahrzeuge einer solchen neuen Zulassungskategorie M0 würden hauptsächlich im Stadtverkehr genutzt. Daher sollte für diese Fahrzeuge eine angemessene Geschwindigkeitsbegrenzung festgelegt werden, die der Fokussierung auf den urbanen Betrieb Rechnung trägt. Anpassungen der heute üblichen Sicherheitsanforderungen bei der Gestaltung der Vorschriften für diese neue Fahrzeugklasse entsprechend den mit der vorwiegend innerstädtischen Nutzung einhergehenden Unfallszenarien wären aus Sicht

Positionspapier Elektromobilität und Sicherheit 7 des VDI sinnvoll und möglich. Es kann in der Kategorie M0 damit ein der Kategorie M1 vergleichbares Sicherheitsniveau erreicht werden, wenn Kompatibilitätsaspekte, Kreuzungsunfälle sowie Fußgänger- und Radfahrerkollisionen bei der Sicherheitskonzeption der Fahrzeuge angemessen berücksichtigt werden. Ergänzend können auch Unfallvermeidungssysteme, die auf die Erfordernisse des Stadtverkehrs ausgelegt sind, einen signifikanten Beitrag leisten, diese neuen Elektroleichtfahrzeuge und zugleich den gesamten Stadtverkehr sicherer zu machen. Der VDI Sprecher, Gestalter, Netzwerker Ingenieure brauchen eine starke Vereinigung, die sie bei ihrer Arbeit unterstützt, fördert und vertritt. Diese Aufgabe übernimmt der VDI Verein Deutscher Ingenieure. Seit über 150 Jahren steht er Ingenieurinnen und Ingenieuren zuverlässig zur Seite. Mehr als 12.000 ehrenamtliche Experten bearbeiten jedes Jahr neueste Erkenntnisse zur Förderung unseres Technikstandorts. Das überzeugt: Mit über 150.000 Mitgliedern ist der VDI die größte Ingenieurvereinigung Deutschlands.

Verein Deutscher Ingenieure e.v. Thomas Albrecht Technik und Wissenschaft Tel. +49 211 6214-619 albrecht@vdi.de www.vdi Verein Deutscher Ingenieure e.v. Christian Krause Strategie und Kommunikation Leitung VDI-Büro Berlin Tel. +49 30 27595713 Krause_c@vdi.de www.vdi