I IBW Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH Konjunkuturbelebung im Hochbau im Europäischen Vergleich Tragweite der Krise unterschätzt EU-Länder mit vielfältigen Maßnahmen Baukonjunkturimpulse in Österreich unzureichend Sperrfrist: 2. April 2009, 10.00 Uhr Rückfragen an: Dr. Wolfgang Amann, IIBW Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen Tel. 01 968 60 08, amann@iibw.at Dr. Carl Hennrich, Fachverband Stein- und keramische Industrie Tel. 01 50105 3531, steine@wko.at Mag. Herbert Klawatsch, Wienerberger Ziegelindustrie GmbH Tel. 01 60503 557, herbert.klawatsch@wienerberger.com Abg. z. NR Josef Muchitsch, Gewerkschaft Bau Holz Tel. 01 40147 246, josef.muchitsch@gbh.at
Konjunkturimpulse im Bauwesen mit doppeltem Effekt Wenngleich in der Medienberichterstattung der vergangenen Monate die Hilfspakete für den Finanzsektor im Vordergrund standen, zeigt eine aktuelle IIBW-Studie über Maßnahmen Europäischer Staaten zur Konjunkuturbelebung im Hochbau im Auftrag der Wienerberger AG, dass die Maßnahmen im Bausektor in den meisten EU-Ländern ebenfalls quantitativ umfangreich sind. Insgesamt wurden 15 EU-Staaten und die Schweiz analysiert Der Bausektor steht nicht nur wegen seiner Wertschöpfung und Bedeutung als Arbeitgeber im Fokus, sondern auch wegen der überwiegenden Inlandswirksamkeit, der raschen Wirksamkeit von Maßnahmen und der Hebelwirkung für andere Wirtschaftszweige. Tragweite der Krise vielfach unterschätzt Aktuelle Prognosen zur Bauproduktion in Europa sagen für einige Länder Entwicklungen voraus, die dem Realitäts-Check nicht standhalten. Insbesondere die Voraussagen für einige CEE-Länder unterschätzen die Tiefe der Krise massiv. Die deutlich zu moderaten Prognosen sind nicht dazu angetan, die Politik zu angemessen entschlossenem Handeln zu bewegen. Vorziehen von öffentlichen Investitionen In vielen Ländern werden öffentliche Investitionen forciert in Angriff genommen. Davon betroffen ist allerdings vor allem der Tiefbau, der deutlich weniger beschäftigungsintensiv ist als der Hochbau oder die Gebäudesanierung. Vielfach handelt es sich um Vorziehungen von ohnehin geplanten Investitionen. In einigen Ländern, wie in Belgien, Finnland, Österreich oder Ungarn wird verstärkt in Neubau und Sanierung von Schulen investiert. Baubezogene Bedingungen für Bankenhilfe Die Konjunkturprogramme betreffen schwerpunktmäßig den Bankensektor. Die Mitteilungen über die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe divergieren. Einige Länder berichten, dass die Kreditvergabe mehr oder weniger unverändert weiter geht, in anderen Ländern ist von durch Banken verursachte Investitionsblockaden die Rede. Um dem abzuhelfen wird z.b. in Österreich erwogen, dass die staatliche Förderbank neben den bisherigen Garantien und Haftungen in Zukunft Kredite auch direkt an private Unternehmen vergeben darf. In Belgien sollen staatliche Garantien die Kreditvergabe an Baufirmen und Bauprojekte ankurbeln. In Irland wurde die staatliche Kapitalstützung der Banken an deren Bereitschaft geknüpft, ihr Darlehensvolumen für Erstkäufer von Wohnungen und Eigenheimen bei wettbewerbsfähigen und transparenteren Konditionen um mindestens 30% auszuweiten. In Großbritannien stimmten die meisten Großbanken zu, die insgesamt sinkenden Zinsen als reduzierte Rückzahlungsraten an die Eigenheimbesitzer weiter zu geben. Forcierung von sozialem Wohnungsneubau Eine häufige Strategie ist die Forcierung von sozialem Wohnbau bzw. Mietwohnbau, etwa in Belgien, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden oder Spanien. Dies geschieht einerseits durch Neubauprogramme, andererseits durch Ankaufprogramme von Bestandswohnungen für soziale Zwecke. In den Niederlanden und Großbritannien wird der Sozialwohnungssektor heran gezogen, um ins Stocken geratene kommerzielle Projekte aufzukaufen und als Sozialwohnbauten fertig zu 2
stellen. In Frankreich liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt bei der Ausweitung des Bestands an Notfallwohnungen. Steuerliche Maßnahmen In einzelnen Fällen wird z.t. zeitlich befristet die MWSt. auf Wohnungsneubau oder Sanierung reduziert, z.b. in Belgien oder Spanien. Diese Maßnahme steht im Kontext der kürzlich vom ECOFIN Rat beschlossenen Zulässigkeit reduzierter MWSt.-Sätze für einerseits sozialen Wohnungsneubau und andererseits Renovierungen im sozialen und privaten Bereich. Der Bau und Kauf von Eigenheimen wird vielfach durch steuerliche Förderungen angeregt, etwa in Belgien oder Irland. In den Niederlanden wird andererseits die vorhandene Absetzbarkeit von Darlehenszinsen für den Hauskauf kontroversiell diskutiert. Konjunkturimpuls durch Sanierung In vielen Fällen betreffen Anreizprogramme die Wohnhaussanierung oder die Stadterneuerung, etwa in Finnland durch 10prozentige verlorene Zuschüsse, in Frankreich durch hoch dotierte Sonderprogramme oder in Spanien. In Schweden werden Sanierungen und Erweiterungen von Eigenheimen und Eigentumswohnungen steuerlich absetzbar gemacht. In einigen Ländern werden Konjunkturprogramme mit Maßnahmen zur thermischen Sanierung gekoppelt. Dies ist ein besonderer Schwerpunkt in Österreich, Frankreich, Irland und Luxemburg. In einzelnen neuen Mitgliedsländern, z.b. Litauen, sind derartige Maßnahmen mit dem expliziten Ziel einer Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten gekoppelt. Hilfe für Häuslbauer In zahlreichen Ländern werden Eigenheimbesitzer unterstützt, die aufgrund der Krise Schwierigkeiten mit der Bedienung der offenen Hypothekardarlehen haben, z.b. in Großbritannien, der Slowakei oder Ungarn. Ungarn plant die gebührenfreie Umwandlung von Fremdwährungskrediten in Forint-Kredite. Bürokratieabbau Mehrere Länder wollen die Baukonjunktur durch Bürokratieabbau und eine Beschleunigung der Behördenwege ankurbeln, z.b. Bulgarien oder Litauen. In die Pflicht nehmen der Kommunen In einigen Ländern wird die Umsetzung von Konjunkturprogrammen durch Vereinbarungen zwischen Staat und Gemeinden forciert, z.b. in Irland, Lettland, Luxemburg oder Spanien. In Großbritannien werden die Gemeinden bei der Schaffung und Ausweitung von Bauland finanziell unterstützt. 3
EU-Fördertöpfe In einigen CEE-Ländern wird die 2007 geschaffene Möglichkeit, Mittel des Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) für Maßnahmen des Wohnbaus zu verwenden, bereits aktiv genutzt. Mag. Herbert Klawatsch, Geschäftsführer der Wienerberger Ziegelindustrie GmbH, weist auf den dringenden Handlungsbedarf der Politik hin: Aus der Sicht eines international tätigen Baustoffkonzerns möchte ich auf die vielfältigen Maßnahmen verweisen, die die Länder in der gesamten EU zur Stimulierung der Baukonjunktur eingeleitet haben. Im internationalen Vergleich sind die baukonjunkturellen Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung bestenfalls im Mittelfeld. Eine Maßnahme, von der wir uns als Wienerberger europaweit besonders viel versprechen, ist eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Bauleistungen, und zwar nicht nur für die Sanierung, sondern auch für den Neubau. Dies wäre ein Maßnahme zur deutlichen Stimulierung der Bautätigkeit. Nicht übersehen dürfen wir den Aspekt der Leistbarkeit. Eine MWSt.-Senkung würde es wieder vielen Menschen ermöglichen, zu leistbaren Wohnungen zu kommen. Baukonjunkturimpulse für Österreich In Österreich vertraut man hinsichtlich der Bewältigung der heutigen Krise auf bewährte Instrumente, v.a. die Wohnbauförderung. Zusätzliche Impulse für den Hochbau nehmen sich im europäischen Vergleich eher bescheiden aus: Die ausgelagerten Rechtsträger, insbesondere die BIG - Bundesimmobiliengesellschaft, ist angehalten, Investitionen vorzuziehen. Geplant ist die Ausweitung des Investitionsvolumens für 2009/10 um fast 900 Mio.. Die vorgezogenen Investitionen sollen insbesondere in den Neubau und die Sanierung von Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Bauten fließen. In der Umsetzung zeigen sich allerdings Hindernisse bei einer Vorverlegung der öffentlichen Investitionen. Im aktuellen Regierungsprogramm ist ein Konjunkturpaket für die thermische Gebäudesanierung von 100 Mio. für 2009 und 2010 dotiert, die Hälfte für den Wohnbereich, die andere Hälfte für den gewerblichen Bereich. Es wird ein Modell umgesetzt, bei dem über die Bausparkassen insgesamt mindestens 10.000 thermische Sanierungen von Eigenheimen durchgeführt werden sollen. Über den Hebel von Annuitätenzuschüssen von je bis zu 5.000 sollen Investitionsvolumina von jeweils mindestens 25.000 ausgelöst werden. Positiv an dem Modell ist, dass die Bausparkassen aufgrund ihres Kundenzugangs und ihrer Werbemacht äußerst effizient in der Umsetzung solcher Programme sind. Tendenziell wird versucht, konjunkturelle Maßnahmen mit Maßnahmen zum Klimaschutz zu verbinden, insbesondere im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung. Die Länder haben sich zu einer massiven Ausweitung der thermischen Sanierung verpflichtet. Mehrere Bundesländer haben zuletzt ihre diesbezüglichen Förderungsmodelle deutlich attraktiviert. 4
Dazu Dr. Carl Hennrich, Geschäftsführer des Fachverbands Stein- und keramische Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich: Die eingeleiteten Maßnahmen sind ein wirkungsvoller Impuls für die Bauwirtschaft und tragen zu der dringend notwendigen Ankurbelung der thermsichen Sanierung bei. So wichtig die Sanierung ist, darf aber der Wohnungsneubau nicht aus den Augen verloren werden. Die Wirtschaftskrise hat nichts daran geändert, dass wir einen Neubaubedarf von zumindest 50.000 Wohnungen pro Jahr haben. Dieses Volumen ist ernsthaft in Gefahr, wenn für die Sanierung nicht weiteres frisches Geld aufgebracht wird. Eine Umschichtung der Wohnbauförderung vom Neubau zur Sanierung ist keine Antwort. Damit verbauen wir uns im wörtlichen Sinne die Wohnversorgung der Zukunft. Ruhige Wohnungsmärkte mit stabilen Preisen haben wir nur bei ausreichendem Neubau. Große Sorge bereitet mir darüber hinaus die neue Freiheit der Bundesländer bei der Verwendung der Förderungsmilliarden. Die Bau-Sozialpartner wünschen sich dringend einen Mechanismus zur Sicherstellung des nachhaltig notwendigen Neubaus im Rahmen der Wohnbauförderung der Länder. Nutzung der Krise als Chance? Der europäische Vergleich zeigt, dass in der heutigen Situation wesentlich mehr möglich wäre, um die österreichische Bauwirtschaft langfristig auf Erfolgskurs zu halten. Angesichts dessen appelliert die Bauwirtschaft mit ihren Partnern an die Bundesregierung und die Bundesländer, folgende zusätzliche Maßnahmen zur Stützung der Baukonjunktur umzusetzen: Rasche Umsetzung wohnrechtlicher Maßnahmen zur Forcierung thermischer Sanierungen im Mietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht über die Festlegungen im Regierungsprogramm hinaus; Zeitlich befristete Senkung der Mehrwertsteuer auf Bauleistungen, insb. bei Sanierungen; Steuerliche Förderungen insbesondere für Eigenheimbesitzer; Sicherung des Wohnungsneubaus im Rahmen der Wohnbauförderung durch eine Selbstbindung der Länder unter Heranziehung von Wohnungsbedarfsprognosen. Forcierung von Bauinvestitionen in Gemeindeinfrastruktur durch günstige Darlehen; Öffentliche Förderanreize zur Aktivierung von Privatkapital für Bauinvestitionen von KMU. Abg. z. NR Josef Muchitsch, Stv. Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), fordert die Bundesregierung auf, rasch weitere Konjunkturimpulse zu starten: Ich bin überzeugt davon, dass die nunmehr beschlossenen 100 Mio. Euro für die thermische Gebäudesanierung rasch von Förderwerbern abgeholt werden. Gerade diese beschäftigungsintensive Maßnahme, die dazu noch große Umwelt- und Wirtschaftseffekte bringt, darf aber nicht nur kurzfristig gesetzt werden. Weiters ist es wichtig, den Wohnungsneubau zu sichern und zu forcieren sowie die beabsichtigten Straßen- und Schienenbauprojekte möglichst rasch umzusetzen. Auch neue Baukonjunkturimpulse durch Gemeinden und KMU mit Unterstützung durch den Bund muss man offensiv vorbereiten. Ziel muss es hier sein, mit wenig öffentlichen Mitteln viel Privatkapital in Bauinvestitionen zu aktivieren. Es wird unumgänglich sein, dazu `frisches Geld einzusetzen, wobei jedoch gewährleistet sein soll, dass es zu einem mehrfachen Rückfluss der Mittel durch Sozialversicherungsbeiträge und Abgaben kommt. Es muss rasch gehandelt werden, denn 2010 könnte es für viele Bauunternehmen bereits zu spät sein! 5