CORNELIA HEIDER-FRIEDEL, ANJA STROBEL, KARL WESTHOFF ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN



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Transkript:

ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN CORNELIA HEIDER-FRIEDEL, ANJA STROBEL, KARL WESTHOFF ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN EIN BERICHT AUS DER UNTERNEHMENSPRAXIS ZUR KOMBINATION DES BOTTOM-UP- UND TOP-DOWN-VORGEHENS BEI DER ANFORDERUNGSANALYSE Anforderungsprofile bilden die Grundlage für qualitativ hochwertige Personalauswahl und -entwicklung und ermöglichen ebenso die Vernetzung aller Personalprozesse im Unternehmen. Zur Entwicklung von Anforderungsprofilen existieren verschiedene methodische Vorgehensweisen, die gegenwartsorientiert, tätigkeitsspezifisch oder strategisch orientiert zukünftig relevante Anforderungen ermitteln. Im Rahmen einer Studie bei der Alcatel SEL AG wurden zwei Ansätze und deren Kombination untersucht: die Critical Incident Technique (CIT, Flanagan, 1954), die Anforderungen bottom-up aus konkreten erfolgskritischen Arbeitssituationen generiert, und eine Top-Down-Strategie, die erforderliche Kompetenzen aus Unternehmenszielen und Marktentwicklungen ableitet. Die Gesamtstichprobe umfasste 28 Account Manager und Führungskräfte der Alcatel SEL, die mündlich und schriftlich zu Positionsanforderungen befragt wurden. 50% der ermittelten 19 Anforderungen resultierten ausschließlich aus der CIT. Durch die Top-down- Strategie wurden wesentliche Inhalte für neun weitere Anforderungen generiert, eine weitere resultierte ausschließlich aus der strategischen Analyse. Die Vorteile beider Methoden wurden durch diesen Ansatz sinnvoll kombiniert. Dabei gewährleistete die CIT einen hohen Verhaltensbezug der Anforderungen, während durch die strategische Analyse zukünftige Verhaltensanforderungen Berücksichtigung fanden. Schlüsselwörter: Anforderungsanalyse, Eignungsdiagnostik, Critical Incident Technique Future-oriented and Systematic Development of Requirement Profiles A practice-report on the Combination of Bottom-up and Top-down Task Analysis Requirement profiles form the basis for highquality personnel assessment and development and allow the cross-linking of all personnel processes in an enterprise. There are different methodical procedures for the development of requirement profiles which are activity-specific or strategically oriented and which determine relevant requirements for the future. In the context of a study with Alcatel SEL AG, two approaches and their combination were examined. On the one hand the Critical Incident Technique (CIT, Flanagan, 1954) was used, which generates requirements bottom-up from concrete success-critical work situations. On the other hand, a top-down strategy, which derives essential skills from company targets and market tendencies, was used. The total sample contained 28 account managers and executives of the Alcatel SEL, who were asked verbally and in written form to position requirements. 50% of the 19 requirements determined resulted exclusively from the CITapproach. Substantial contents for nine further requirements were generated by the top-down strategy; a further resulted exclusively from the strategic analysis. So, the advantages of both methods were meaningfully combined by this procedure, with the CIT ensuring requirements which were very close to the concrete behavior while the strategic analysis provided requirements which targeted important future behavior. Key words: task analysis, personnel assessment, Critical Incident Technique 23

C. HEIDER-FRIEDEL, A. STROBEL, K. WESTHOFF 24 EINLEITUNG Anforderungsprofile bilden die Grundlage für Zuweisungen zu Stellen wie auch für eignungsdiagnostische Verfahren wie z.b. Einstellungsgespräche und Assessment Center. Sie ermöglichen eine fundierte und systematische Beurteilung und werden als qualitätssichernde Grundlage für viele arbeitsund organisationsbezogene Maßnahmen verstanden (Schuler, 2001). Auch Personalentwicklungsinstrumente wie 360 Feedback oder Development Center gründen auf klar definierten verhaltensbeschreibenden Anforderungen. Die Bedeutsamkeit von verhaltensbeschreibenden Anforderungsprofilen für die Vorhersage von Berufserfolg wurde mehrfach beschrieben und untersucht (Tett, Jackson & Rothstein, 1991; Schuler, 2002). Erkenntnisse der Interviewforschung zeigen, dass sich eine umfassende Anforderungsanalyse positiv auf die Validität und Reliabilität von Einstellungsinterviews auswirkt (Campion, Palmer & Campion, 1997; Westhoff, 2000). Kannheiser (1990) konstatiert, dass die gründliche Analyse der Anforderungen einer Position den ersten, entscheidenden Arbeitsschritt für die erfolgreiche und effiziente Personalauswahl darstellt. Hervorzuheben ist darüber hinaus die inhaltliche Bedeutung von Anforderungsprofilen. Nur bei transparenten Anforderungen lässt sich die Passung von Person und Tätigkeit beurteilen und Über- und Unterforderung vermeiden (Rosenstiel, 1980; Jetter, 1996). Einen wichtigen Einfluss auf die Qualität eines Anforderungsprofils hat die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Anforderungen. Im Wesentlichen kann man darunter einen systematischen Prozess der Informationssammlung bezüglich der wichtigen arbeitsrelevanten Aspekte einer Position verstehen. Schuler (2001) unterscheidet drei Ebenen der Anforderungsanalyse. Neben tätigkeitsspezifischen Anforderungen (Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse) werden tätigkeitsübergreifende Anforderungen, charakterisiert durch die Merkmale des Berufsumfeldes und der Organisation, sowie das Befriedigungspotenzial, d.h. Interessen, Werthaltungen und Ziele des Positionsinhabers, ermittelt. Die Spannweite der Vorgehensweisen zur Bestimmung der Anforderungen reicht von intuitiven Einschätzungen basierend auf Erfahrungen bis hin zu differenzierten, regelgeleiteten wissenschaftlichen Ansätzen. Eckhardt & Schuler (1992) unterscheiden erfahrungsgeleitet-intuitive, arbeitsplatzanalytischempirische und personenbezogen-empirische Methoden. In der Unternehmenspraxis steht häufig die schnelle und effiziente Ermittlung der Anforderungen für eine Gruppe von Tätigkeiten im Vordergrund. Oft wird auf wissenschaftlich entwickelte Verfahren verzichtet (Krumbach, 1999; Stephan & Westhoff, 2002). Anforderungen werden stattdessen durch mehr oder weniger erfahrene Personen subjektiv und unsystematisch abgeschätzt. Entscheidungen, die zu einem bestimmten Anforderungsprofil führen, sind dann nicht immer nachvollziehbar (Krumbach, 1999), und gerade im Auswertungsprozess herrscht häufig kein gemeinsames Verständnis darüber, was unter einer Anforderung zu verstehen ist, da konkrete Verhaltensbeschreibungen fehlen. Darüber hinaus werden Unternehmensziele, -strategie und Entwicklungen im Marktumfeld sowie daraus resultierende neue Anforderungen häufig nicht berücksichtigt (Krumbach, 1999). Wissenschaftlich entwickelte Verfahren ermöglichen neben regelgeleitetem Vorgehen und nachvollziehbaren Ergebnissen differenziertere Informationen. Es existiert eine Vielzahl von Verfahren, die sich hinsichtlich verschiedener Merkmale wie Standardisierungsgrad, Informationsquellen und Beschreibungsebenen (Schuler & Marcus, 2001) kategorisieren lassen. Übersichten finden sich unter anderem in Obermann (1992), Fisseni (1997) sowie Frieling und Sonntag (1999). Eine wesentliche Unterscheidung liegt im Bottom-up- vs. Top-down- Vorgehen (Krumbach, 1999). Im Bottom-up- Vorgehen werden die Anforderungen aus den konkreten gegenwärtigen Arbeitsbedingungen der Position abgeleitet. Im Vergleich dazu werden Anforderungen top-down nicht aus den konkreten Bedingungen der Tätigkeit hergeleitet, sondern aus strategischen Unternehmenszielen und Veränderungen des Markt- und Arbeitsumfeldes, z.b. mittels Szenario-Technik. Abhängig von der Fragestellung können Verfahren wie der Fragebogen zur Anforderungsanalyse (FAA, Frieling & Hoyos, 1978) oder eine Kombination von qualitativer und quantitativer Analyse (Schuler, 2002) gewählt werden.

ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN Bottom-up-Vorgehen Die Critical Incident Technique Für das letztere Vorgehen ist ein verbreitetes arbeitsanalytisch-empirisches Verfahren die Methode der kritischen Ereignisse (Critical Incident Technique, CIT, Flanagan, 1954). Sie gilt mittlerweile als eine der am häufigsten verwendeten Methoden der Anforderungsanalyse (Jetter, 1996; Schuler, 2002). Die CIT ist ein tätigkeitsspezifisches, verhaltensbezogenes Verfahren, das sich dem Bottom-up-Ansatz zuordnen lässt. Es werden Informationen über kritische Ereignisse einer Position erhoben. Darunter versteht man wichtige erfolgsentscheidende Arbeitssituationen, in denen sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Stelleninhabern in ihrem Verhalten unterscheiden. Die Verhaltensweisen der erfolgreichen Stelleninhaber werden in Verhaltensanforderungen übersetzt und zu Anforderungsgruppen gebündelt, d.h. es resultieren durch konkrete Verhaltensweisen operationalisierte Anforderungen. Für die diagnostische Nutzung des Anforderungsprofils ist dieser Verhaltensbezug eine maßgebliche Determinante. So können z.b. Fragen für Auswahlgespräche gezielter gestaltet werden (Westhoff & Kluck, 2003; Janz, Hellervik & Gilmore, 1982). Der Nachteil der CIT besteht allerdings in der ausschließlichen Orientierung auf derzeitige Anforderungen einer Position (Krumbach, 1999), die notwendigerweise durch das Erfragen vergangener erfolgskritischer Arbeitssituationen resultiert. Top-down-Vorgehen Der Einbezug von Anforderungen, die erst in Zukunft relevant werden, ist lange Zeit bei der Auswahl von Mitarbeitern vernachlässigt worden (Obermann, 1992). Heute existieren jedoch einige Verfahren, die eine zukunftsorientierte Analyse der Anforderungen beinhalten (u.a. Krumbach, 1999; Sonntag, 2002). Dieser strategische Ansatz erscheint gerade vor dem Hintergrund rascher wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen wichtig. Krumbach und Hübbe (1997) konstatieren, dass derzeitige Markttrends wie z.b. zunehmende Kundenorientierung, Qualitätsmanagement, Globalisierung und Dezentralisierung zu enormen Veränderungen auf der Anforderungsebene führen. Auch Visser und Altink (1997) weisen darauf hin, dass die Änderung vieler Arbeitsprozesse in komplexeren Aufgaben und Anforderungen münde. Strategische Anforderungsanalysen sind dem Top-down-Vorgehen zuzuordnen. Die Befragten werden hierbei gebeten, Zukunftsszenarien zu beschreiben, die durch technologische Entwicklung, Veränderungen des Marktes und der Unternehmensstrategie entstehen können und für diese künftige Anforderungen und erfolgreiche Verhaltensweisen abzuleiten. Es wird somit nicht nur der Ist-Zustand von Anforderungen abgebildet, sondern dem Einfluss von Unternehmenszielen und dem technisch-organisatorischen Strukturwandel Rechnung getragen (Sonntag, 2002). Kombination der Vorgehensweisen? Bisher konnte die Überlegenheit eines einzelnen Analyseverfahrens nicht gezeigt werden (Donat & Moser, 1989). Je nach intendierter Anwendung zeigen sich Stärken und Schwächen einzelner Verfahren (Ash & Levine, 1980). Der Gedanke, verschiedene Methoden der Anforderungsanalyse zu kombinieren, deren Vorteile zu aggregieren bzw. Schwächen zu kompensieren und Anforderungsanalysen unternehmensspezifisch zu gestalten, stammt bereits aus den 80er und 90er Jahren (Donat & Moser, 1989; Obermann, 1992) und wird heute als mögliche Methode der Wahl angesehen (Schuler, 2001). Die Forschungsfragen der vorliegenden Praxisstudie lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Lassen sich zwei Methoden der Anforderungsanalyse (CIT und strategische Analyse) zur Generierung eines Anforderungsprofils für Account Manager der Alcatel SEL AG sinnvoll kombinieren? 2. Wie gestalten sich die mit den beiden Vorgehensweisen ermittelten Anforderungen im Hinblick auf (a) Inhalte, (b) Vollständigkeit und (c) Differenziertheit? 3. Wie lässt sich eine effiziente und ökonomische Durchführung von Anforderungsanalysen gewährleisten? Aus diesem Grund wurde die Datenqualität und -quantität zweier Befragungsformen (schriftlich vs. mündlich) verglichen. 25

C. HEIDER-FRIEDEL, A. STROBEL, K. WESTHOFF METHODE Stichprobe Die Stichprobe umfasste 28 Personen, 14 Account Manager und 14 Führungskräfte mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung im Sales and Account Management der Alcatel SEL AG. Durch das Unternehmen wurden jeweils zwei Account Manager und zwei Führungskräfte aus jedem der sieben Unternehmensbereiche (Stand 2001) ausgewählt. Die vierzehn Führungskräfte und vierzehn Stelleninhaber wurden den beiden Erhebungsmethoden: strukturiertes mündliches Interview bzw. strukturiertes schriftliches Interview so zugeteilt, dass ein Stelleninhaber und eine Führungskraft pro Unternehmensbereich mündlich sowie ein Stelleninhaber und eine Führungskraft pro Unternehmensbereich schriftlich befragt wurden. Material Zur Ermittlung der Anforderungen wurde ein strukturierter Interviewleitfaden entwickelt. Der formale Aufbau des Leitfadens folgte den Regeln der Entscheidungsorientierten Gesprächsführung (Westhoff & Kluck, 2003; Kici & Westhoff, 2000). Inhaltlich orientierte sich der Interviewleitfaden an den gewählten Anforderungsanalyse-Verfahren. Im ersten Teil des Interviews, der Aufgabenanalyse, wurden zunächst die Ziele, Hauptaufgaben, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen der Tätigkeit erfragt. Der zweite Teil orientierte sich an der CIT und enthielt Fragen zu konkreten erfolgskritischen Arbeitssituationen und den darin erfolgreichen bzw. wenig erfolgreichen Verhaltensweisen. Im dritten Teil zur strategischen Anforderungsanalyse, beinhaltete der Leitfaden Fragen zu Marktentwicklungen, Unternehmenszielen und daraus abgeleiteten zukünftigen Situationen, die ein Account Manager zu bewältigen haben wird. Für diese Situationen wurde äquivalent zur CIT nach hierbei erfolgreichen bzw. wenig erfolgreichen Verhaltensweisen gefragt. Abbildung 1 verdeutlicht das methodische Vorgehen. Auf Basis des Interviewleitfadens wurde ein inhaltlich identischer Leitfaden für ein strukturiertes schriftliches Interview entwickelt. Die Bezeichnung,schriftliches Interview wurde gewählt, da der Leitfaden ausschließlich offene Fragen enthielt und daher eher Charakteristika eines Interviews mit offenen Fragen als eines Fragebogens mit geschlossenen Fragen aufwies. Die Inhalte des Gesprächseröffnungsteils des Interviews wurden in Form eines Anschreibens versandt. ABBILDUNG 1: Kombination der Critical Incident Technique und der strategischen Anforderungsanalyse 26

ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN Der Informationserhebungsteil beider Leitfäden war identisch. Durchführung Es wurden 14 mündliche und 14 schriftliche Befragungen (Rücklauf bei schriftlicher Befragung 50%, d.h. 7 Fragebögen) durchgeführt. Um die Vollständigkeit der Datenerhebung zu sichern und eine bessere Konzentration auf die Gesprächsführung zu ermöglichen, wurden alle mündlichen Befragungen mit Einverständnis der Befragten auf Tonband aufgezeichnet. Die schriftliche Befragung wurde per E-Mail an die ausgewählten Personen versandt. Auswertung Das auszuwertende Datenmaterial bestand aus den berichteten Arbeitssituationen sowie den ermittelten erfolgreichen Verhaltenweisen beider Analysemethoden (CIT und strategische Anforderungsanalyse). Die Entwicklung des Anforderungsprofils aus dem Datenmaterial erfolgte in drei Schritten. Zuerst wurden zwei auf dem gleichen Konzept beruhende Workshops mit per Zufall aus den Versuchspersonen ausgewählten Account Managern und Führungskräften durchgeführt. Den Workshop-Teilnehmern wurden alle erhobenen erfolgreichen Verhaltensweisen auf Karten mit jeweils einer Verhaltensweise vorgelegt. Die Aufgabe der Teilnehmer bestand darin, die Verhaltenskarten entsprechend ihrer Gemeinsamkeiten zu Gruppen zu ordnen. Im Anschluss wurde für jede dieser Gruppen ein passender Anforderungsbegriff, z.b. Strategisches Denken gebildet. Somit entwickelten sich alle Anforderungen aus den ermittelten Verhaltensweisen (Items). Die Workshop-Teilnehmer beurteilten außerdem die Bedeutsamkeit der in den Befragungen ermittelten kritischen Situationen anhand eines fünfstufigen Ratings. Im zweiten Schritt zur Entwicklung des Anforderungsprofils wurde das im Workshop entwickelte Anforderungsprofil drei in der Durchführung und Auswertung von Anforderungsanalysen erfahrenen Diagnostikern der TU Dresden vorgelegt, welche die Zuordnung der Verhaltensweisen zu den Anforderungsbegriffen auf ihre Plausibilität prüften und nötigenfalls änderten. Im dritten Schritt wurde das resultierende Anforderungsprofil an alle Untersuchungsteilnehmer der Alcatel rückgemeldet und eventuelle Änderungen oder Ergänzungen eingearbeitet. Abbildung 2 veranschaulicht die Schritte der Anforderungsanalyse. Zum Vergleich der Ergebnisse aus mündlicher und schriftlicher Befragung und dem Vergleich der Ergebnisse der Führungskräfte vs. Account Manager wurden alle ermittelten Daten einer quantitativen und qualitativen Analyse unterzogen. Um die beiden Erhebungsmethoden trotz des unterschiedlichen Datenrücklaufs vergleichen zu können, wurde die durchschnittliche Anzahl generierter Situationen pro mündlicher bzw. schriftlicher Befragung bestimmt. ABBILDUNG 2: Überblick zur Anforderungsanalyse 27

C. HEIDER-FRIEDEL, A. STROBEL, K. WESTHOFF ERGEBNISSE Inhalte der Anforderungsanalyse Die Kombination der verwendeten Methoden CIT und strategische Anforderungsanalyse erbrachte ein Anforderungsprofil mit 19 Anforderungen, die über Verhaltensbeschreibungen operationalisiert waren. Es wurden neun Anforderungen generiert, deren Items ausschließlich mit der CIT ermittelt wurden. Neun weitere Anforderungen resultierten aus beiden Methoden, wobei fünf Anforderungen zu 6-20% und drei Anforderungen zu 30-45% aus Items der strategischen Anforderungsanalyse hervorgingen. Die Anforderung,Strategisches Denken resultierte zu 61% aus Items der strategischen Anforderungsanalyse. Des Weiteren wurde eine eigenständige Anforderung,Lernbereitschaft ermittelt, die zu 100% top-down generiert wurde. Abbildung 3 veranschaulicht die Ergebnisse beider Analysemethoden. Quantitative Analyse Vollständigkeit der Situationsangaben Betrachtet man die Ergebnisse im Vergleich zwischen Führungskräften und Stelleninhabern sowie schriftlicher und mündlicher Befragung, so zeigen sich folgende Ergebnisse, die in Abbildung 4 im Überblick dargestellt sind. Im Interview wurden durch Account Manager und Führungskräfte insgesamt mehr Situationen generiert als in der schriftlichen Befragung. Beide Gruppen schilderten im Schnitt mehr Situationen insbesondere im CIT-Vorgehen (5,7 vs. 2,8). Führungskräfte berichteten in der schriftlichen Befragung im Durchschnitt etwas mehr Situationen in der strategischen Anforderungsanalyse als in der mündlichen Befragung (1,8 vs. 1,4). Bei den Account Managern war diese Anzahl etwa gleich. Insgesamt berichteten Account Manager mehr Situationen im CIT-Vorgehen als in der strategischen Anforderungsanalyse (4,4 vs. 1,3). Führungskräfte wiederum schilderten in der strategischen Analyse mehr als doppelt so viele Situationen wie Account Manager (1,8 vs. 0,7). In der mündlichen Befragung wurden fast dreimal so viele Arbeitssituationen in der CIT berichtet wie in der strategischen Anforderungsanalyse (5,7 vs. 2,0). In der schriftlichen Befragung gab es keine Unterschiede für die Vorgehensweisen. Insgesamt wurden 54% aller Situationen durch Führungskräfte und 46% durch Stelleninhaber generiert. ABBILDUNG 3: Prozentuale Verteilung der berichteten Verhaltensweisen auf CIT und strategische Anforderungsanalyse 28

ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN ABBILDUNG 4: Durchschnittliche Anzahl berichteter Arbeitssituationen bei mündlicher und schriftlicher Befragung Qualitative Analyse Differenziertheit der Situationsangaben Zur qualitativen Analyse der Daten wurden die Kriterien,Beschreibung der Vorgeschichte (nur für CIT-Situationen),,Detailliertheit der Situationsbeschreibung und,genauigkeit der Beschreibung von erfolgreichem und weniger erfolgreichem Verhalten herangezogen. Die Analyse ergab, dass die Situationsbeschreibung für 90% der schriftlich ermittelten CIT-Situationen genauer erfolgte, d.h. es wurde die Vorgeschichte der Situation häufiger beschrieben und der Situationsablauf genauer erläutert als in der mündlichen Befragung, wo nur 60% detaillierte Situationsbeschreibungen erfolgten. Die Analyse der Situationsinhalte zeigte, dass in der mündlichen Befragung mehr verschiedene Situationstypen angegeben wurden als in der schriftlichen Erhebung. In beiden Befragungsarten wurden zukünftige Arbeitssituationen eher ungenau beschrieben. Nur für 40% der mündlich und schriftlich berichteten zukünftigen Szenarien wurden detaillierte Angaben gemacht. Die Beschreibung des erfolgreichen und wenig erfolgreichen Verhaltens erfolgte für 90% der geschilderten Situationen in beiden Befragungsarten vergleichbar genau. Alle Situationen aus der schriftlichen und mündlichen Befragung wurden durch jeweils zwei Account Manager und Führungskräfte im Durchschnitt als sehr bedeutsam (4,3 auf einer fünfstufigen Skala) für die erfolgreiche Bewältigung der Position eingeschätzt. Im Rahmen der Entwicklung eines verhaltens- und zukunftsorientierten Anforderungsprofils für Account Manager der Alcatel wurde ein kombinierter Ansatz zweier Verfahren zur Anforderungsanalyse untersucht, der Critical Incident Technique und einer strategischen Anforderungsanalyse. Inhalte der Anforderungsanalyse Die Analyse der ermittelten 19 Anforderungen des Anforderungsprofils Account Manager ergab, dass insgesamt neun Anforderungen ausschließlich durch den Einsatz der CIT generiert wurden und neun weitere aus CIT und strategischer Anforderungsanalyse resultierten. Die Anforderung,Lernbereitschaft wurde vollständig aus der strategischen Anforderungsanalyse generiert, d.h. durch die ausschließliche Erhebung derzeitiger Positionsanforderungen wäre sie nicht in das Profil aufgenommen worden, obwohl die Inhalte im Nachhinein durch die befragten Experten der Firma als sehr bedeutsam eingeschätzt wurden. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Kombination verschiedener Ansätze eine Möglichkeit darstellt, einerseits Vorteile verschiedener methodischer Zugänge zu aggregieren, also Anforderungen zu erhalten, die durch direkt beobachtbare Verhaltensweisen untersetzt sind, die dann für den gesamten Personalauswahl- und entwicklungsprozess genutzt werden können, und andererseits Schwächen wie den ausschließlichen Gegenwartsbezug der CIT zu kompensieren (Donat & Moser, 1989; Visser, 1997). Die Aussage von Krumbach (1999), wonach die CIT als alleinige Informationsquelle nicht ausreicht, kann unterstützt werden. DISKUSSION Vollständigkeit und Differenziertheit der Situationsbeschreibungen mündliche vs. schriftliche Befragung Die qualitative und quantitative Analyse der Daten aus mündlicher und schriftlicher Befragung zeigte, dass die Aussage von Jonas- 29

C. HEIDER-FRIEDEL, A. STROBEL, K. WESTHOFF 30 sen (1989), wonach bei der Anforderungsanalyse die mündliche Datenerhebung der schriftlichen überlegen sei, nur teilweise unterstützt werden kann. Für die mündliche Befragung spricht die größere Anzahl ermittelter CIT-Situationen. Der Interviewer ist in der mündlichen Befragung in der Lage, die Durchführungsbedingungen besser zu kontrollieren, Störungen weitestgehend auszuschalten, den Interviewten durch gezieltes Nachfragen zu unterstützen und durch aktives Zuhören bei der Schilderung der Situationen zu motivieren. Insbesondere das Ergebnis der Generierung einer geringeren Anzahl ähnlicher Situationsklassen im Interview deutet darauf hin, dass die mündliche Befragung kognitive Prozesse tieferer Verarbeitungsebenen anregt, die zur Generierung einer größeren Anzahl neuer Situationsklassen führen können als bei der schriftlichen Befragung, wo keine Nachfragen des Interviewers möglich sind. Für die schriftliche Befragung wiederum spricht die genauere Schilderung der Critical-Incident-Situationen, was zum einen darauf zurückgeführt werden kann, dass die Befragten mehr Zeit zur Erinnerung konkreter Situationen aufwenden konnten, zum anderen aber das Ergebnis auch auf einem Selektionseffekt der Stichprobe beruhen kann, d.h. dass gerade die Personen mit gründlichem Arbeitsstil die schriftliche Befragung überhaupt bearbeiteten und auch die Situationen entsprechend umfassend und genau schilderten. Im Interview hatten die Befragten teilweise Schwierigkeiten, sich an konkrete Situationen zu erinnern. Sie schilderten dann entweder direkt Anforderungen, die ein Account Manager aus ihrer Sicht erfüllen müsse, oder versuchten allgemeine Szenarien anzugeben, mit denen Stelleninhaber konfrontiert werden. Die Situationsbeschreibung erfolgte dann trotz Nachfrage allgemein und knapp. Sowohl die geschilderten Situationen der mündlichen als auch die der schriftlichen Befragung wurden als sehr bedeutsam für die erfolgreiche Bewältigung der Position eingeschätzt, die Datenqualität der schriftlichen Befragung ist der mündlichen also gleichzusetzen. In der schriftlichen Befragung wurde zudem eine größere Anzahl zukünftiger Arbeitssituationen durch Führungskräfte generiert. Das Verhältnis generierter Situationen mit der CIT und in der strategischen Anforderungsanalyse von 3:1 in der mündlichen und 1:1 in der schriftlichen Befragung weist darauf hin, dass insbesondere in der mündlichen Befragung die Schilderung vergangener erfolgskritischer Arbeitssituationen im Vordergrund stand und zukünftige Szenarien weniger häufig generiert wurden als in der schriftlichen Befragung. Die Gemeinsamkeiten der schriftlichen und mündlichen Befragung liegen in der vergleichbar genauen Beschreibung erfolgreicher und wenig erfolgreicher Verhaltensweisen für beide Analysevorgehen sowie der eher ungenauen Situationsschilderung. Es fiel den Befragten leichter, erfolgreiche und wenig erfolgreiche Verhaltensweisen anzugeben als die Situationen konkret zu erläutern. Vollständigkeit der Situationsbeschreibungen Stelleninhaber vs. Führungskräfte Der Vergleich generierter Situationen von Account Managern und Führungskräften ergab, dass insgesamt mehr Situationen durch Führungskräfte als durch Stelleninhaber generiert wurden. Führungskräfte schilderten im Durchschnitt mehr als doppelt so viele zukünftige Arbeitssituationen wie Account Manager. Dagegen berichteten Account Manager im Durchschnitt mehr vergangene erfolgskritische Arbeitssituationen. Die Aussage von Krumbach (1999), dass Stelleninhaber derzeitige Positionserfordernisse gegenüber zukünftigen Anforderungen in den Vordergrund stellen, kann anhand der vorliegenden Ergebnisse unterstützt werden. Die im Vergleich zu Führungskräften niedrigere Anzahl zukünftiger Arbeitssituationen unterstützt die Betonung des Status quo durch Stelleninhaber. Diese Ergebnisse legen die Schlussfolgerung nahe, dass neben der Befragung der Stelleninhaber die Einbindung von Führungskräften mit einschlägigen, mehrjährigen Erfahrungen in der geführten Position in die Anforderungsanalyse einer Position essenziell wichtig ist, um die im Vergleich zu Stelleninhabern längerfristige, strategische Orientierung zur Erhebung zukünftiger Arbeitssituationen und damit zukünftiger Anforderungen zu nutzen. Insgesamt betrachtet stellt die Kombination aus Critical Incident Technique und strategischer Analyse unter Einbezug von Stelleninhabern ebenso wie Führungskräften eine sinnvolle und wichtige Ergänzung dar, um inhaltlich umfassende, vollständige und differenzierte und damit längerfristig hilfreiche Anforderungsprofile zu generieren. Bei der Wahl der Befragungsart kann auch die schriftliche Befragung als ökonomische und flexibel einsetzbare Variante zu ausführli-

ANFORDERUNGSPROFILE ZUKUNFTSORIENTIERT UND SYSTEMATISCH ENTWICKELN chen Informationen über Positionsanforderungen führen und darüber hinaus zukünftig wichtige Verhaltensweisen gut erfassen. LITERATUR Ash, R. & Levine, E.L. (1980). A framework for evaluating job analysis methods. Personnel, 57, 53-59. Biehal, F. (2002). Anforderungsprofile. In: Handbuch Personalentwicklung, 76. Erg.-Lfg., September 2002. Kapitel 5.29. Campion, M.A., Palmer, D.K. & Campion, J.E. (1997). A review of structure in the selection interview. Personnel Psychology, 50, 655-702. Donat, M. & Moser, K. (1989). Arbeits- und Anforderungsanalyse. In: C. Lattmann (Hrsg.) Das Assessment CenterVerfahren der Eignungsbeurteilung (S. 155-162). Heidelberg: Physica-Verlag. Eckhardt, H.H. & Schuler, H. (1992). Berufseignungsdiagnostik. In: R.S. Jäger & F. Petermann (Hrsg.) Psychologische Diagnostik (2. Aufl., S. 533-551). Weinheim: Psychologie Verlags Union. Fisseni, H.-J. (1997). Das Assessment Center. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie. Flanagan, J. C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin, 51, 327-358. Frieling, E. & Hoyos C.G. (1978). Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA): Deutsche Bearbeitung des Position Analysis Questionnaire (PAQ). Bern: Huber. Frieling, E. & Sonntag, Kh. (1999). Lehrbuch Arbeitspsychologie (2. Aufl.). Bern: Huber. Janz, T., Hellervik, L., Gillmore, D.C. (1986). Behavior description interviewing. Boston: Allyn & Bacon. Jetter, W. (1996). Effiziente Personalauswahl. Durch strukturierte Einstellungsgespräche die richtigen Mitarbeiter finden. Stuttgart: Schaeffer-Poeschel. Jonassen, D. H. (1989). Handbook of task analysis procedures. New York: Praeger. Kannheiser, W. (1990). Erfassung der Anforderungen einer konkreten Position. In: W. Sarges (Hrsg.) Management Diagnostik (S. 112-119). Göttingen: Hogrefe. Kici, G. & Westhoff, K. (2000). Anforderungen an psychologisch-diagnostische Interviews in der Praxis. Report Psychologie, 7, 428 436. Krumbach, P. (1999). Aktuelle Methoden und Einsatzgebiete der Anforderungsanalyse. In: W. Jochmann (Hrsg.) Innovationen im Assessment-Center (S. 87-108). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Krumbach, P. & Hübbe, E. (1997). Trends im Markt Folgen für Personalentwicklungsinstrumente. In: J. Kienbaum (Hrsg.) Benchmarking Personal: von den Besten lernen (S. 191203). Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Obermann, C. (1992). Assessment Center: Entwicklung, Durchführung, Trends. Wiesbaden: Gabler. Rosenstiel, L. von (1980). Grundlagen der Organisationspsychologie. Stuttgart: Poeschel. Schoon, D. & Halbach, J. (2002). KompetenzmanagementStudie. Cell Consulting. [online] verfügbar: http:// www.competence-site.de/wissensmanagement.nsf/ 3c26e7f55f24138ac125691800380650/631e241fc50051 43c1256ba400475bc4 Schuler, H. & Marcus, B. (2001). Biographieorientierte Verfahren in der Personalauswahl. In: H. Schuler (Hrsg.) Lehrbuch der Personalpsychologie (S.175-212). Göttingen: Hogrefe. Schuler, H. (2002). Das Einstellungsinterview. Schriftenreihe. Göttingen: Hogrefe. Sonntag, K. (1999). Personalentwicklung in Organisationen: Psychologische Grundlagen, Methoden und Strategien. (2.Aufl.) Göttingen: Hogrefe. Sonntag, K. (2002). Personalentwicklung und Training: Stand der psychologischen Forschung und Gestaltung. Zeitschrift für Personalpsychologie, 2, 59-79. Stephan, U. & Westhoff, K. (2002). Personalauswahlgespräche im Führungskräftebereich des deutschen Mittelstandes: Bestandsaufnahme und Einsparungspotential durch strukturierte Gespräche., 4, 3-17. Tett, R.P., Jackson, D.N. & Rothstein, M. (1991). Personality measures as predictors of job performance: A metaanalytic review. Personnel Psychology, 44, 703-742. Visser, C. F. & Altink, W. M. (1997). From job analysis to work profiling. In: N. Anderson, C. Ostroff (Hrsg.) International handbook of selection and assessment (S. 441-454). New York: John Wiley & Sons. Westhoff, K. (2000). Das psychologisch-diagnostische Interview. Ein Überblick über die Forschung für die Praxis. Report Psychologie, 1, 18-24. Westhoff, K. & Kluck, M.-L. (2003). Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen. (4.vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage). Berlin: Springer. DIPL.-PSYCH. CORNELIA HEIDER-FRIEDEL Alcatel SEL AG Alcatel University / Personal- und Organisationsentwicklung Lorenzstr. 10 70435 Stuttgart E-mail: cornelia.heider-friedel@alcatel.de DR. ANJA STROBEL Fachrichtung Psychologie Technische Universität Dresden E-mail: terra@psychomail.tu-dresden.de PROF. DR. KARL WESTHOFF Fachrichtung Psychologie Technische Universität Dresden 01062 Dresden E-mail: westhoff@psychologie.tu-dresden.de 31