Paradigmenwechsel in der Behandlung des Lungenkarzinoms



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Transkript:

Paradigmenwechsel in der Behandlung des Lungenkarzinoms Medizinische Universität Innsbruck Universitätsk ersitätsklinik für Innere Medizin V Hämatologie und Onkologie A. Univ.-Prof. Dr. WolfgangW Hilbe Wien 2009

Inzidenz Bronchus CA- weltweit Jährliche Inzidenz: Jährliche Mortalität: (aus TAKO guidlines, W. Oberaigner) 340.000 Frauen 900.000 Männer 290.000 Frauen 810.000 Männer Altersstandardisierte Rate (/100.000) Mitteleuropa: 15 (F) 55 (M) Osteuropa: 9 (F) 70 (M) Nordeuropa: 19 (F) 44 (M) Nordamerika: 33 (F) 55 (M) Entwicklungsländer: <10 (F) <30 (M) Dramatische Zunahme in Entwicklungsländern! Ferlay J., Bray F., Pisani P., Parkin D.M. GLOBOCAN 2000: Cancer Incidence, Mortality and Prevalence Worldwide, Version 1.0. IARC CancerBase No. 5. Lyon, IARCPress: 2001. Simonato L., Agudo A., Ahrens W., et al. Lung cancer and cigarette smoking in Europe: an update of risk estimates and an assessment of inter-country heterogeneity. Int J Cancer. 2001 Mar 15;91(6):876-87. Oberaigner W., Kreienbrock L., Schaffrath Rosario A., et al. Radon und Lungenkrebs im Bezirk Imst/Österreich. In Fortschritte in der Umweltmedizin (Hrsg. Wichmann H.E., Schlipköter H.W., Fülgraff G.). Landshut:: ecomed Verlagsges 2002.

Bronchus CA- Österreich Jahr 2002: Inzidenz seit 1983: 2390 Männer/ 1023 Frauen an Bronchuskarzinomen erkrankt. (59 vs. 25/100.000) Männern um 31% abgenommen bei Frauen um 20% zugenommen Jahr 2000: ca. 27.000 stationäre Aufenthalte! Vutuc, Pneumologisch 5/2003

Karzinomindzidenz Tirol (aus TAKO guidlines, W. Oberaigner) Häufigkeit Tumorlokalisationen in Tirol (Männer Frauen) Inzidenzdaten Mortalität Mortalitätsdaten Frauen Männer Inzidenz Inzidenzdaten Mortalität Mortalitätsdaten Brust Darm Blutbildende Organe Darm Lunge Brust Prostata Lunge Prostata Lunge Lunge Magen Darm Darm Gebärmutterkörper Blutbildende Organe Blutbildende Organe Magen Eierstock Magen Gebärmutterhals Eierstock Gebärmutterhals Niere Magen Mund und Rachen Blutbildende Organe Harnblase Melanome Harnblase Harnblase Mund und Rachen Niere Harnblase Mund und Rachen Melanome Gebärmutterkörper Mund und Rachen Niere Melanome Niere Melanome 30 25 20 15 10 5 0 0 5 10 15 20 30 20 10 0 0 5 10 15 20 25 30 Anteil % Anteil % Anteil % Anteil %

Risikofaktoren 85% Rauchen 3-5% Passivrauchen 2-4% Radonbelastung Andere: Asbest, Chrom, Nickel, Arsen, polyzykl. aromatische Kohlenwasserstoffe (u.a. Metallerzeugung, Bergbau, Kunststoffindustrie, chem. Industrie Lacke, Glasindustrie, Dachdecker, Asphaltarbeiter) 2-3%: Luftschadstoffbelastungen (Risiko x 1.5) bes. Dieselruß. Peto, Lancet 1992 Janerich, NEJM 1990 Samet, NEJM 1989 Oberaigner, 2002 Genetik: z.b. verminderte Glutathiontransferaseaktivität führt zu verminderter Detoxifikation von aromatischen Kohlenwasserstoffen

Klinik: Bronchuskarzinom lange unbemerkt - asymptomatisch (ca. 50%!) meist unspezifisch - Raucherhusten, Verkühlung Zufallsbefund Lokale Auswirkungen: Husten (45-75%), Hämoptoe (27-57%) Atemnot (37-58%) Thoraxschmerzen (27-49%), Pleuritis, retrosternale Druck, subscapulär, je nach Tumorlokalisation Allgemeine Symptomatik: Nachtschweiß, Gewichtsverlust (8-68%), Appetitverlust

Bronchuskarzinom Klinik - fortgeschrittenes Stadium: Dyspnoe evtl. bestimmend durch Metastasen (epileptische Anfälle) Red. AZ, Gewichtsverlust, Kachexie Schmerzen - Intensive Medikation Sekundärprobleme: reaktive Depressio soziale Umfeld - vitale Bedrohung Thrombose - PE Komorbidität - Gefäßsklerose - KHK und Niereninsuff....

NSCLC - Stage at Diagnosis Inoperabel: 63% Stage IV: 42,6% Stage I: 14,6% Stage II: 7,8% Stage IIIA: 14,1% Stage IIIB: 20,4% Blanchon: Rev Mal Resp 2002;

BRONCHUSKARZINOM Prognose 5-Jahres Überlebensrate für alle Patienten beträgt 10% medianes 5-Jahres 5JÜR nach RO Überleben (Mo) Überleben % Resektion Stadium I 36 40 68% Stadium II 18 25 36% Stadium IIIA 14 15 20% Stadium IIIB 9 5 12% Stadium IV 6 <2 8%

Chemotherapy vs. Supportive Care (N = 778) Warum Chemotherapie? Behandlung vs. best supportive care (BSC) verbessert klinische Symptomatik verbessert Lebensqualität Überlebensgewinn: 1,5-3 Monate Medianes Überleben 9 Monate 1 Jahresüberlebensrate von 35-40% Meta-Ananlysis - NSCLC Colloborative Group BMJ 311: 899-909, 1995 Cullen et al. JCO 99, Italien Study Group JNCI 99; Rozkowski, LC 2000; Ranson, JNCI 2000; Review: Ecco, 2

ECOG 1594 : Overall Survival Joan H. Schiller, et al.. NEJM 346: 92-98; 2002 n=1155 Cis 75 mg/m 2 d2+ PXL 135/m 2 d1/24h Cis 100 mg/m 2 d1+ Gem 1000 mg/m 2 d1,8,15 Cis 75 mg/m 2 d1+ DXL 75 mg/m 2 d1 Carbo AUC6 d1+ PXL 225 mg/m 2 /3h/d1 d21 d28 d21 d21

Toxicities O 3/4 in % Cis/Gem Ca/PXL Cis/Nav Neutropenie: 8 26 41 Thrombopenie: 17 4 0,5 Anämie: 2 0 2 Neuropathie 1/2: 4 30 7 Alopezie 1/2: 10 52 11 Übelkeit 3/4: 6 0,5 13 Efficacy and endpoints were not significantly different, although toxicities showed differences. Chemotherapy in NSCLC has reached a therapeutic plateau. Scagliotti, JCO 2002

vor 2005 90iger Jahre Chemotherapie Tumor Biopsie bei Verdacht auf NSCLC lichtmikroskopisch NSCLC bestätigt Alle Subtypen Therapie mit Platin + Drittgenerations-chemotherapie

2005-2009 Chemotherapie + Antikörper Tumor Biopsie bei Verdacht auf NSCLC NSCLC bestätigt Histologischer Subtyp (Immunhistochemie) Plattenepithelkarzinom Therapie mit Platin + Drittgenerations-chemotherapie Nicht- Plattenepithelkarzinom Therapie mit Platin + Drittgenerations-chemotherapie + Bevacizumab oder Platin + Pemetrexed

2009 Tumor Biopsie bei Verdacht auf NSCLC Molekulare Analyse EGFR mutation? Histologischer Subtyp (Immunhistochemie) JA Therapie mit EGFR-TKI bis zur Progression NEIN Therapie entsprechend der Histologie Plattenepithelkarzinom Therapie mit Platin + Drittgenerations-chemotherapie Nicht- Plattenepithelkarzinom Therapie mit Platin + Drittgenerations-chemotherapie + Bevacizumab oder Platin + Pemetrexed

Paradigmenwechsel Vergleich von Iressa und Chemotherapie, bei Patienten mit einer nachgewiesenen aktivierenden EGFR-Mutation und fortgeschrittenem NSCLC Diagnostik Applikation Art der Therapie Ort der Therapie Iressa molekular oral kontinuierlich zuhause Chemotherapie Lichtmikroskop intravenös Pulstherapie Krankenhaus Ansprechrate 70% 30-40% Pat. Selektion 15% 85% Toxiztät Lebensqualität gering höher hoch niedriger

Take Home Message - Bei Nachweis einer aktivierenden EGFR-Mutation (in 10-15%) beim NSCLC soll als Erstlinientherapie Gefitinib angeboten werden. - Auf diese orale Behandlung sprechen doppelt so viele PatientInnen an, wie mit einer herkömmlichen Chemotherapie. - Die Therapie mit Gefitinib ist für PatientInnen besser verträglich als eine Chemotherapie - Daher ist heute eine routinemäßige molekulare Typisierung von Tumorproben zu fordern.