Modellierung von Netzwerkstrukturen und Erfolgswirkungen individueller Netzwerkpositionierung



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Transkript:

Projektbericht Nr. 20 Westfälische Wilhelms-Universität Münster Dieter Ahlert (Hrsg.): Modellierung von Netzwerkstrukturen und Erfolgswirkungen individueller Netzwerkpositionierung Dieter Ahlert Brinja Meiseberg ISSN 1863-6438 Gefördert vom IMADI.net

Institut für Handelsmanagement und Netzwerkmarketing Univ.-Prof. Dr. Dieter Ahlert Universität Münster Fachbereich 4: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Am Stadtgraben 13-15, D 48143 Münster Tel.: ++49 (0) 251/ 83-22808 Fax: ++49 (0) 251/ 83-22032 Dieter Ahlert (Hrsg.): Modellierung von Netzwerkstrukturen und Erfolgswirkungen individueller Netzwerkpositionierung IMADI.net-Projektbericht 20 Dieter Ahlert Brinja Meiseberg IMADI.net IMADI.net (Internationale Markenführung in Dienstleistungsnetzwerken) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsvorhabens "Exportfähigkeit und Internationalisierung von Dienstleistungen" gefördert (Förderkennzeichen 01HQ0523) und vom Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.v. (DLR) betreut. Die Mitglieder des Projektteams danken für die großzügige Unterstützung ihrer Forschungs- und Transferarbeiten. Münster 2008 Alle Rechte vorbehalten.

Einordnung in das Forschungsprojekt IMADI.net Der vorliegende Projektbericht entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts Internationale Markenführung in Dienstleistungsnetzwerken (IMADI.net). Mit dem Projekt IMADI.net werden zwei grundsätzliche Zielsetzungen verfolgt: Zum einen sollen Maßnahmen ermittelt werden, mit denen deutsche Dienstleistungsunternehmen die Wahrnehmbarkeit und Präferenz für ihre Dienstleistungen im Ausland erhöhen können. Diese Zielsetzung stellt auf ein optimal angepasstes Markenmanagement ab. Zweitens geht es um die Verbesserung der Verfügbarkeit deutscher Dienstleistungen im Ausland. In diesem Kontext sollen Organisationskonzepte wie Netzwerke und Franchising analysiert und so die Frage nach einer potenziell optimalen Koordinationsform der Internationalisierung beantwortet werden. Im Sinne einer integrierenden Herangehensweise gliedert sich das Projekt IMADI.net in drei Handlungsfelder: Handlungsfeld 1: Markenführung in internationalen Dienstleistungsnetzwerken Handlungsfeld 2: Internationalisierung von KMUs Handlungsfeld 3: Internationalisierung im Textilhandel In einer zweiten Dimension lassen sich die Handlungsfelder in Bezug auf die Einflussfaktoren des Markenerfolgs gliedern: Welche Faktoren müssen berücksichtigt bzw. beeinflusst werden, um eine Unternehmens-, Produkt- oder Dienstleistungsmarke erfolgreich im Ausland zu managen? Dabei müssen Unternehmen sowohl externe, schwer beeinflussbare Faktoren als auch interne Faktoren beachten. Externe Einflussfaktoren liegen einerseits im Bereich der Konsumenten, wie bspw. die soziodemografischen, psychografischen oder kulturellen Merkmale potenzieller Kunden. Weiterhin sind als externe Größen das Wettbewerbsumfeld sowie die politischen, sozialen, rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen von Relevanz. Interne Faktoren können hingegen von der Unternehmung beeinflusst werden. Organisationsbezogene Faktoren umfassen bspw. die Wahl der Koordinationsform der Auslandsaktivität, Führungs- und Controllingfragen oder die internationale Personal-

politik. Marketing-Mix bezogene Faktoren umfassen schließlich Produkt- Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitische Entscheidungen der Unternehmung. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Projektberichte in Bezug auf den Publikationstyp als Grundlagenberichte, Vertiefungsberichte oder Cases eingeordnet. Im Rahmen der Grundlagenberichte werden allgemeine Fragestellungen behandelt, während in den Vertiefungsberichten auf Spezialaspekte der Internationalisierung fokussiert wird. Im Rahmen der Cases werden Projektergebnisse und Erfahrungen zur Internationalisierung in Form von Fallstudien praxisnah dargestellt. Hier fließen insbesondere die Erfahrungen der als Projektpartner beteiligten Unternehmen ein. Die Zielsetzung des vorliegenden Projektberichts besteht in der Untersuchung folgender Fragestellungen: Was ist unter Netzwerken vor dem Hintergrund der sozialen Netzwerkanalyse zu verstehen, auf welchen modelltheoretischen Überlegungen beruht die (Unternehmens-)Netzwerkanalyse, welche strukturellen bzw. kulturellen Dimensionen determinieren die (Unternehmens-)Netzwerk-Ausgestaltung, und wie lassen sich Netzwerkstrukturen mit Hilfe der sozialen Netzwerkanalyse abbilden und untersuchen? Welche Forschungsschwerpunkte beinhaltet und welches Erkenntnisinteresse verfolgt die soziale Netzwerkanalyse? Welche Aussagen hinsichtlich ökonomischer Erfolgswirkungen von Netzwerkstruktur und individueller Positionierung und welche Handlungsimplikationen lassen sich aus den Analyseergebnissen ableiten? Welche Analysetools stehen zur Verfügung? Besondere Berücksichtigung finden dabei die theoretische Fundierung und die Übertragbarkeit von Erkenntniszielen der sozialen Netzwerkanalyse auf real existierende ökonomische Netzwerke innerhalb oder zwischen Organisationen, wobei es sich um Marktteilnehmer derselben oder unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen handeln kann. Der Fokus liegt hier auf Darstellung von Methoden zur Strukturerkennung und -interpretation und der Ableitung individueller sowie gesamtnetzbezogener Implikationen für ökonomische Erfolgswirkungen der beobachteten Netzwerkkonfiguration.

Mit Hinblick auf das Gesamtziel des Projekts IMADI.net dient dieser Grundlagenbericht dazu, einen Überblick über theoretische Analyseebenen und das praktische Anwendungs- bzw. Erkenntnispotenzial der Netzwerkanalyse zu bieten. Damit ist dieser Grundlagenbericht in einem übergeordneten Bezug für die Handlungsfelder relevant. In einem nächsten Schritt kann die dargestellte Methodik auf ein Netzwerk angewandt werden, um ökonomische Implikationen hinsichtlich der Thematiken der drei wesentlichen Handlungsfelder zu generieren. Kapitel 4 bietet dabei eine praktische Anwendung der Netzwerkanalyse am Beispiel eines Franchisenetzwerks. Die Untersuchung ist damit befasst, Auswirkungen der Netzwerkkonfiguration auf den individuellen Erfolg der Netzwerkakteure hypothesengestützt zu überprüfen. Die Netzwerkanalyse lässt sich darüber hinaus im Rahmen des Projekts in verschiedensten Zusammenhängen anwenden. Um nur ein Beispiel zu nennen, könnten aufbauend auf dem Projektbericht 2 bestehende Netzwerkstrukturen in der Logistikbranche mit der vorgestellten Analysemethodik reflektiert werden, um ein Modellbeispiel für erfolgreiches Netzwerkmanagement aufzuzeigen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Vielzahl an brancheninternen M&A-Aktivitäten der letzten Jahre, wird besonders der Bezug zu Handlungsfeld eins deutlich: Die umfassende Integration von Akquisitionen in ein bestehendes (Logistik-)Unternehmen bedarf international erfolgreicher Markenführung, um den durch die Marke verkörperten Vertrauensanker der Kunden auch in Phasen des Umbruchs und der Eingliederung akquirierter Unternehmen zu erhalten. Hinsichtlich der zu untersuchenden Einflussfaktoren auf den Markenerfolg würde somit eine Konzentration auf das Handlungsfeld 1 erfolgen, wobei insbesondere organisations-, aber auch umwelt- und Marketing-Mixbezogene Faktoren Berücksichtigung finden. Die Einordnung in das Gesamtschema wird durch die blauen Würfel in der nachfolgenden Abbildung veranschaulicht.

Handlungsfeld Textilwirtschaft (3) KMU (2) Publikationstyp Markenführung (1) Case Vertiefungsbericht Grundlagenbericht Konsumenten Umwelt Marketing-Mix Organisation Einflussfaktor Abbildung E1: Einordnung des Grundlagenberichts in das Gesamtschema.

I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis I III IV V 1 Erfolgswirksame Charakteristika von Netzwerkstrukturen welches Erkenntnispotenzial tragen soziologische Modellierungskonzepte bei? 1 2 Ansatz und Struktur der Netzwerkanalyse 3 2.1 Analyserahmen und konzeptionelle Grundlagen 3 2.1.1 Prinzipien der Analyse und graphentheoretische Fundierung 3 2.1.2 Strukturen von Zufallsnetzen und skalenfreien Netzen 9 2.1.3 Eigenschaften von Small-World-Netzwerken 13 2.2 Systematisierung von Netzwerktypen und -strukturen 16 2.2.1 Interdependenzmuster unterschiedlicher Netzwerktypen 16 2.2.2 Beziehungs- und Netzwerkstrukturen 18 2.2.3 Zwischenfazit zu Typen und Strukturen in der Netzwerkanalyse 23 2.3 Analyseoptionen für Unternehmensnetzwerke 23 2.3.1 Definition und Charakteristika von Unternehmensnetzwerken 23 2.3.2 Strukturelle Dimensionen 24 2.3.3 Kulturelle Dimensionen 26 3 Analysekonzepte zur Aufdeckung und Interpretation von Beziehungen, Gruppen und Positionen innerhalb von Netzwerken 28 3.1 Kohäsion 28 3.1.1 Netzwerkdichte und Degreezahlen 28 3.1.2 Affektive Einstellungen von Akteuren 31 3.1.3 Zugehörigkeiten der Akteure 33 3.1.4 M-Cores 35 3.2 Brokerage 35 3.2.1 Egozentrierte Netzwerkanalyse 35 3.2.2 Informationsaustausch im Netzwerk und Broker-Analyse 39 3.2.3 Diffusionsprozesse 42

II 3.2.4 Bestimmung von Zentrums- und Peripherieakteuren 46 3.3 Rollentheorie in der sozialen Netzwerkanalyse 49 3.3.1 Sozialer Rang und Prestige 49 3.3.2 Die Äquivalenz von Rollen und Positionen im Netzwerk 50 3.3.3 Rollentheorie nach Cross und Prusak 53 3.3.4 Rollenidentifikation im Netzwerk 55 4 Praktische Anwendung der Netzwerktheorie: Erfolgswirkungen der Positionierung von Netzwerkakteuren Am Beispiel eines Franchisenetzwerks 57 4.1 Einleitung 57 4.2 Franchiseorganisationen als soziale Netzwerke 59 4.3 Hypothesen 63 4.4 Daten und Variablenkonkretisierung 69 4.4.1 Stichprobe 69 4.4.2 Methodik 69 4.4.3 Variablen 70 4.4.3.1 Abhängige Variable 70 4.4.3.2 Unabhängige Variablen 70 4.4.3.3 Kontrollvariablen 71 4.5 Ergebnisse 72 4.6 Diskussion 76 5 Fazit und Perspektiven 78 Literaturverzeichnis 81 Anhang 92 Anhang A Das Königsberger Brückenproblem 93 Anhang B Methodenkompass und Software 94 1. Typologisierung von Forschungsansätzen 94 2. Instrumente der sozialen Netzwerkanalyse 95 3. Software 99

III Abkürzungsverzeichnis BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung C Clusterkoeffizient CT Complete Triads F&E Forschung und Entwicklung IMADI Internationale Markenführung in Dienstleistungsnetzwerken M&A Mergers and Acquisitions NW Netzwerk OLS Ordinary Least Squares PL Path Length Q Small-World-Quotient U. Unternehmen vs. versus

IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entstehungsprozess eines Erdös-Renyi-Zufallsgraphen.... 10 Abbildung 2: Vergleichende Visualisierung eines homogenen Graphen (a) und eines skalenfreien Graphen (b) mit Hubs.... 12 Abbildung 3: Das Small-World-Paradigma bei Variation von P.... 14 Abbildung 4: Systematisierung von Netzwerktypen anhand ihrer Interdependenzmuster.... 17 Abbildung 5: Ausgewählte Strukturen in sozialen Netzwerken.... 19 Abbildung 6: Kennzeichnung aller möglichen Beziehungen für den mittleren Akteur durch jeweils eine Farbe in einer Fünfer-Kombination.... 21 Abbildung 7: Strukturelle und kulturelle Dimensionen der Organisiertheit eines Netzwerkes.... 27 Abbildung 8: Vollständig vernetzte Cliquen und die resultierende Netzwerkstruktur.... 30 Abbildung 9: Ego-Netzwerkdichte.... 37

V Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht über Zentralitätsmaße für Akteure.... 48 Tabelle 2: Hypothesen und Variablen.... 72 Tabelle 3: OLS-Regressionsergebnisse.... 73 Tabelle 4: Übersicht über Hypothesen und Ergebnisse.... 75 Tabelle 5: Korrelationen der Variablen.... 76 Tabelle 6: Formen der Netzwerkanalyse nach Burt (1980).... 94 Tabelle 7: Instrumente der sozialen Netzwerkanalyse.... 99 Tabelle 8: Softwareanwendungen für die soziale Netzwerkanalyse.... 104

1 1 Erfolgswirksame Charakteristika von Netzwerkstrukturen welches Erkenntnispotenzial tragen soziologische Modellierungskonzepte bei? There is a clear evolution away from arm s length transactions and traditional hierarchical, bureaucratic forms of organization towards more flexible types of partnerships, alliances and networks. 1 Dieses Zitat spiegelt die seit Jahren zu beobachtende steigende Flexibilität unternehmensinterner Organisationsstrukturen und die zunehmende Affinität zur konzertierten Marktbearbeitung durch Kooperation mehrerer Unternehmen, die auf derselben Wertschöpfungsstufe oder auch auf unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen agieren. Ein probates Mittel zur Synergieerschließung, Leistungssteigerung und letztlich Sicherung der Unternehmensfortführung, ist die Organisationsform des Netzwerks. Demnach initiieren Unternehmen Netzwerke bzw. treten bestehenden Netzwerken bei, um Vorteile ökonomischer bzw. allgemein strategischer Art zu realisieren (vgl. Sonnek 2005, S. 17ff.). Die Position, die ein Unternehmen im Netzwerk einnimmt, bzw. seine Kontakte zu und Interaktionsintensitäten mit den Netzwerk- Partnern, können in diesem Zusammenhang die Erreichung individuell wie kollektiv angestrebter Ziele positiv, aber auch nachteilig, beeinflussen. Netzwerke bezeichnen eine abgegrenzte Menge sozialer Einheiten, im vorangehenden Beispiel Unternehmen, die Beziehungen zueinander unterhalten. Inhalt, Intensität und Form dieser Beziehungen können variieren (vgl. Jansen 2003, S. 59ff.). Die soziale Netzwerkanalyse bietet das Instrumentarium, verschiedenartige Netzwerke mit ihren inhärenten Beziehungsstrukturen zu untersuchen (vgl. De Nooy et al. 2005, S. 5ff.) und Aussagen aus der Konfiguration der Akteure abzuleiten. Das Vorhandensein von Beziehungen wie auch die Beziehungsausgestaltung determiniert die Vorteilhaftigkeit bzw. Nachteiligkeit individueller Positionierungen im Netzwerk und beinhaltet somit Implikationen für die Leistungsfähigkeit einzelner Netzwerk-Teilnehmer wie auch für die Funktionsfähigkeit des gesamten Netzwerks. 1 Webster 1992, S. 10.

2 Im Folgenden sollen Instrumente und Methoden der sozialen Netzwerkanalyse dargestellt und hinsichtlich ihrer Beiträge zur Modellierung von Netzwerken untersucht werden. Dabei steht im Zentrum des Interesses, einen selektiven Überblick über netzwerkanalytische Konzepte zu bieten. Entsprechend der Projektausrichtung wird darauf fokussiert, solche Anknüpfungspunkte dieser soziologischen Forschungsdisziplin aufzuzeigen, die insbesondere auf ökonomische Netzwerke Anwendung finden könnten. Der Schwerpunkt liegt auf der Herausstellung erfolgsbezogener Implikationen, die sich aus den Ergebnissen der dargestellten netzwerkanalytischen Untersuchungsmethoden ergeben, für das Gesamtnetzwerk wie auch für die einzelnen Netzwerk-Teilnehmer. Das Vorgehen gestaltet sich wie folgt: In Kapitel 2 werden die Grundlagen hinsichtlich des theoretischen und praktischen Ansatzes der Netzwerkanalyse und der Struktur der netzwerkanalytischen Betrachtung (sozialer bzw. unternehmerischer) Netzwerke gelegt. Darauf aufbauend werden in Kapitel 3 Methoden und Messzahlen zur Aufdeckung und Interpretation von Beziehungen, Gruppen und Positionen dargestellt und hinsichtlich ihrer Anwendungsmöglichkeiten zur Ableitung aussagekräftiger Ergebnisse aus der Untersuchung (ökonomischer) Netzwerke erläutert. Anschließend werden im vierten Kapitel einige der vorgestellten Instrumente auf ein real existierendes Netzwerk angewendet und aus diesem Praxiszusammenhang ökonomische Implikationen der Netzwerkstruktur bzw. der individuellen Positionierung für den Erfolg individueller Akteure abgeleitet. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen und gibt einen kurzen Ausblick. Im Anhang findet sich in Form eines Methodenkompasses ein kurzer Überblick über die dargestellten Instrumente, bevor Softwareanwendungen für die Durchführung der sozialen Netzwerkanalyse betrachtet werden.

3 2 Ansatz und Struktur der Netzwerkanalyse 2.1 Analyserahmen und konzeptionelle Grundlagen 2.1.1 Prinzipien der Analyse und graphentheoretische Fundierung Die soziale Netzwerkanalyse gilt insbesondere aufgrund ihres leistungsfähigen Methodenarsenal[s] (vgl. Jansen/Schubert 1995, S. 10) als eine der vielversprechendsten Forschungsrichtungen in der Soziologie. 2 Die weit verbreitete Anwendung dieser Analyserichtung in verschiedensten Disziplinen wird u.a. auf die intuitive Anziehungskraft des Konzepts zurückgeführt (vgl. Keupp 1987), die daraus resultieren mag, dass Netzwerke in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Dabei dient der Begriff des Netzwerks zunächst als Metapher zur Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge sozialer Einheiten. Obwohl der Ausdruck eine gewisse Stabilität bzw. Erfassbarkeit nahe legt, handelt es sich doch um einen virtuellen Begriff: Wer zu einem Netzwerk gehört und woraus ein ganzes Netzwerk besteht, ist stets eine Frage der Definition (vgl. Hollstein 1997, S. 13ff.). Dies verlangt, für weitere Analysen aus der Menge sozialer Elemente eine Auswahl entsprechend dem Untersuchungsfokus zu treffen. Die Entwicklung des modernen Analyserahmens lässt sich auf die britische Sozialanthropologie (Manchester School um Max Gluckman, John Barnes, u.a.) der 1950er und 60er Jahre sowie die Harvard School um Harrison C. White zurückführen. Die heutige Netzwerkanalyse fußt auf fünf methodologischen Hauptprinzipien (vgl. Diaz- Bone 1997, S. 25ff.): Strukturierte soziale Beziehungen stellen in vielfältigen Zusammenhängen eine bessere Erklärungsgrundlage dar als persönliche Merkmale von Mitgliedern eines Systems. Normen entstehen aus der Positionierung ( Location ) von Individuen in strukturierten Systemen sozialer Beziehungen.

4 Soziale Beziehungen bestimmen das Verhalten ( Operation ) von dyadischen 3 Beziehungen. Die Welt setzt sich aus Netzwerken, und nicht aus Gruppen zusammen. 4 Strukturale Methoden können individualistische Methoden ergänzen und verdrängen (bezogen auf die soziologisch-analytische Perspektive). 5 Die der Netzwerkanalyse zugrunde liegenden Theoreme, Postulate und Handlungstheorien bieten keinen geschlossenen, einheitlichen theoretischen Bezugsrahmen (vgl. Hollstein 2006). Allerdings weisen sie grundlegende Gemeinsamkeiten auf, die die sogenannte strukturale Analyse (vgl. Wellman/Berkowitz 1988) ausmachen. Fokussiert wird hierbei die soziale Struktur, die als Netzwerk formal als die durch Beziehungen eines bestimmten Typs verbundene Menge von sozialen Einheiten (vgl. Pappi 1987) determiniert ist, wobei die visuelle Darstellung durch Graphen und Matrizen erfolgt. In der Netzwerk-Terminologie werden diese sozialen Einheiten als Akteure bezeichnet (vgl. Schnegg/Lang 2002, S. 7). Der Begriff Akteur kann sich beispielsweise auf Personen, Gruppen, Organisationen, Märkte oder Nationen beziehen. Beziehungen mögen sich in Freundschaften, Kollaborationen oder gemeinsamer Zugehörigkeit manifestieren (vgl. Newman 2001b). Die Netzwerkanalyse bietet die Methodologie, zusammengesetzte und intern strukturierte Einheiten mit ihren emergenten, systemischen Eigenschaften zu beschreiben (vgl. Jansen 2003, S. 51ff.), d.h. Muster in diesen Beziehungen aufzudecken und zu interpretieren. Entsprechend der Projektausrichtung soll im Folgenden der Schwerpunkt der Ausführungen auf Unternehmensnetzwerke (interorganisational), bzw. Netzwerke 2 Vgl. Emirbayer und Goodwin (1994) bezüglich eines Rückblicks auf 50 Jahre soziologischer Forschung; zur Organisationsforschung vgl. Perrow (2000). 3 Eine Dyade ist die kleinste Einheit in einem Netzwerk: Sie umfasst zwei Akteure und die Beziehung zwischen ihnen. 4 Die Netzwerkanalyse untersucht ein weitaus komplexeres Beziehungsmodell als das der Gruppe ; sie integriert die Gruppenbildung sowie gruppenexterne Beziehungsgefüge von Gruppenmitgliedern in arbeitsteiligen und funktional differenzierten Gesellschaften. Zum sozialwissenschaftlichen Gruppenbegriff, vgl. Mangold (1982). 5 Burt (1982) argumentiert, dass individuelles Handeln (das durch individualistische Methoden untersucht wird) hinsichtlich seiner Möglichkeiten und seiner Orientierungen durch die Netzwerkstruktur (das durch strukturale Analysemethoden erfasst wird) bedingt sei, wohingegen umgekehrt die soziale Netzwerkstruktur durch die individuellen Handlungsvollzüge reproduziert werde (vgl. Burt 1982).

5 innerhalb von Unternehmen (intraorganisational, vorstellbare Akteure wären hier einzelne Arbeitnehmer, Abteilungen, oder Gesellschaften innerhalb einer Holdingstuktur usw.) gelegt werden. Insbesondere im Bereich von Unternehmensnetzwerken, die häufig nicht auf der Grundlage einer eindeutigen vertraglichen Bindung agieren, ist eine primäre Schwierigkeit das Abgrenzen des Untersuchungsgegenstandes ( Boundary Specification Problem ). Dies bedeutet die Entscheidung zu treffen, welche Akteure für die Analyse zu berücksichtigen sind. Werden Akteure ausgeschlossen, die zum Netzwerk gehören, kann man nur von einer Teilerhebung der relevanten Dimensionen ausgehen. Werden zu viele Akteure eingeschlossen, kann dies die Aussagekraft erzielter Ergebnisse ebenfalls mindern. Für die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes bestehen verschiedene Optionen: Es kann auf qualitative Überlegungen entsprechend dem Untersuchungszweck abgestellt werden (bspw. auf das Vorliegen bestimmter Eigenschaften der Akteure oder Beziehungstypen) oder eine quantitativ messbare Mindest-Interaktion mit den anderen Akteuren zu Grunde gelegt werden. Eine Abgrenzung kann aber auch auf der Tätigkeit potenzieller Netzwerk-Teilnehmer innerhalb festgelegter geographischer Grenzen oder der Teilnahme an bestimmten Ereignissen beruhen. Definiert der Forscher, welche Akteure aufgrund eines bestimmten Merkmals einem Netzwerk angehören, handelt es sich um eine nominalistische Abgrenzungsmethode (bspw. bei Durchführung einer Untersuchung der Beziehungen zwischen allen Wissenschaftlern, die in den letzten drei Jahren in den drei renommiertesten Journals einer Disziplin veröffentlicht haben; vgl. Diaz-Bone 1997, S. 48). Im Gegensatz dazu setzt die realistische Methode an der Perzeption bzw. dem Verhalten der Akteure selbst an und betrachtet das Netzwerk als Komposition der Akteure, die sich gegenseitig als zusammengehörig betrachten (vgl. Jansen 2003, S. 72f.). Betrachtet man mögliche Abgrenzungskriterien für die Identifikation von Untergruppen im Netzwerk, ergeben sich zwei grundsätzliche Herangehensweisen. Einerseits können solche Akteure zusammengeordnet werden, zwischen denen enge Beziehungen bestehen. Dieses Vorgehen wird als Cliquenkonzept bezeichnet. Andererseits lassen sich solche Akteure einander zuordnen, die ähnliche Beziehun-

6 gen zu allen anderen Akteuren im Netzwerk haben. In diesem Fall spricht man von Blockmodellen bzw. struktureller Äquivalenz hinsichtlich der sozialen Position der Akteure gemäß der von ihnen unterhaltenen Beziehungen. Ein Beispiel für strukturell äquivalente Akteure wären Nachrichtenredaktionen verschiedener Zeitungen, die auf dieselben Nachrichtenagenturen zugreifen. Entsprechend der gewählten Methode können Netzwerk-Teilnehmer in Partitionen geordnet werden. Als Netzwerk- Partition wird eine Klassifikation der Netzwerkakteure bezeichnet. Jeder Akteur wird einer Klasse bzw. (synonym gebraucht) einem Cluster zugeordnet. Cluster können die Zugehörigkeit eines Akteurs beispielsweise zum Netzwerkzentrum oder zur -peripherie ausdrücken. Um komplizierte Netzwerkstrukturen zu erfassen, kann eine Reduktion des Netzwerks angezeigt sein. Hierbei unterscheidet man zwei Verfahren, die auf Partitionen beruhen: Extraktion und Shrinking. Der Begriff der Extraktion bezeichnet die Auswahl eines Subnetzes innerhalb des gesamten Netzwerks. Letztere Betrachtung eines Netzwerkteils wird als Local View bezeichnet. Hingegen bezeichnet Shrinking die Bündelung mehrerer Akteure zu einem Knoten (beispielsweise können die einzelnen Mitglieder eines Filmteams zu einem Knoten unter dem Oberbegriff Filmteam gebündelt werden). Werden alle Cluster derart gebündelt, wird eine Global- View -Perspektive eingenommen. Wenn alle Cluster gebündelt werden bis auf dasjenige, auf dem der Analysefokus ruht, wird eine Contextual-View -Analyse vorgenommen (vgl. De Nooy et al. 2005, S. 36ff.). Wichtige Erhebungsverfahren für die Gewinnung von Netzwerkdaten in der Soziologie stellen einerseits Beobachtungen des tatsächlichen Verhaltens, andererseits Befragungen der Akteure zu ihren Beziehungsnetzen dar. Erhebungen von Relationen können bspw. auf Grundlage des Emailverkehrs erfolgen. Befragungen können frei oder als Listenabfragen mit free bzw. fixed choice (bezüglich der Anzahl zu berücksichtigender Beziehungen) durchgeführt werden (vgl. Jansen 2003, S. 76ff.). Erhobene Beziehungen können sich dabei auf Themenbereiche wie den Informationsaustausch ( Mit wem sprechen Sie häufig über arbeitsbezogene Fragestellungen? An wen wenden Sie sich für technische Ratschläge? ), den Ressourcentransfer (bspw. Finanzmittel, Forschungsergebnisse), die Bewertung einer Person durch andere (bspw. hinsichtlich Einflussstärke oder Reputation), auf affektive Beziehungen

7 und Vertrauensverhältnisse, physische Verbindungen (bspw. Gütertransportwege), auf die konkrete Interaktion (bspw. gemeinsame Projekte, Besuche) (vgl. Wasserman/Faust 1994, S. 18) oder auf die Entscheidungsfindung konzentrieren. Dabei kann die Antwortbereitschaft der analysierten sozialen Einheiten zunächst anhand eines kleinen Kreises Befragter evaluiert werden. Falls angezeigt, kann daraufhin weitere Aufklärungsarbeit über die Zwecke der Erhebung geleistet werden. Sollte die Befragung als ungerechtfertigter Eingriff in private Beziehungen gewertet werden seitens der untersuchten Individuen, sind weniger aussagekräftige Ergebnisse zu erwarten. Dementsprechend sollte auf die Vertraulichkeit der Erhebung hingewiesen werden, zusammen mit der Ankündigung, Querverweise zu ziehen hinsichtlich Beziehungseinschätzungen unter den Beteiligten. Zuletzt sind ausführliche Interviews mit den Key-Role-Playern interessant: Beziehungen lassen sich dann teils aus der netzwerkanalytischen Untersuchung und Netzwerk-Visualisierung ablesen, und zusätzlich um persönliche Erfahrungen und Einschätzungen der Beteiligten erweitern. Zu den Befragungs- und Beobachtungsoptionen kommen Möglichkeiten der Sekundäranalyse von Wirtschaftsstatistiken, Geschäftsberichten oder Datenbanken zu ökonomischen Daten wie Handelsströmen, Unternehmensallianzen, Patenten oder Aufsichtsratsverflechtungen (vgl. Jansen 2003, S. 70). Zur Validierung von Ergebnissen kann es sinnvoll sein, verschiedene Quellen und Verfahren zu kombinieren. Sind mehr als ca. 50 Akteure zu berücksichtigen, kann die Analyse auf Subnetzstrukturen verlagert werden (vgl. Cross/Prusak 2002). Sollte eine Totalerhebung aufgrund von Kosten- oder Zeitrestriktionen nicht in Frage kommen, kann demnach mit Hilfe der Stichprobentheorie eine repräsentative Untersuchungsgrundlage bestimmt und extrahiert werden. 6 Im Rahmen der Datenerhebung kann eine Erfassung von Strukturen in Netzwerken durch Matrizen erfolgen, eine insbesondere für kleinere Netzwerke 7 wie Unternehmensnetzwerke geeignete Methode. Dazu wird eine quadratische Matrix he- 6 Zu den Besonderheiten der Stichprobentheorie für Netzwerkdaten, vgl. Jansen 2003, S. 78ff. 7 Angelehnt an die einschlägige Literatur werden in diesem Bericht Netzwerke mit maximal einigen hundert Akteuren als klein bezeichnet.

8 rangezogen. In dieser werden die Akteure in derselben Anordnung jeweils in Spalten und Zeilen gelistet. Die Beziehung von A zu B würde im Weiteren in der Matrixzelle am Schnittpunkt der Zeile von A und der Spalte von B eingetragen, bspw. eine 1 für einen bestehenden Kontakt, eine 0, falls kein Kontakt vorhanden ist. Die Zeilen geben damit den Sender, die Spalten den Empfänger einer Kontaktaufnahme an. Diese Struktur wird Adjacency Matrix (auch Adjazenzmatrix oder Nachbarschaftsmatrix ) genannt, weil sich aus ihr die Nähe von Akteuren anhand ihrer Kontakte ablesen lässt (vgl. De Nooy et al. 2005, S. 317). Die erhobenen Daten können dann für die Aufdeckung und Interpretation von Netzwerkstrukturen verwendet werden. Die Darstellung von Netzwerkstrukturen greift dabei auf die Graphentheorie zurück, deren Hintergründe nachfolgend erläutert werden sollen. In Rahmen der sozialen Netzwerkanalyse können Strukturen, die aus einer abgegrenzten Menge von Akteuren (auch Knoten bzw. Vertices genannt) und zwischen den Akteuren bestehenden Relationen 8 (auch Kanten bzw. Edges ) bestehen, als Netzwerk aufgefasst werden. Diese Form der Netzwerkanalyse ist auf die Untersuchung dreier Aspekte ausgerichtet: Eigenschaften der Akteure (wie dargestellt, können Akteure bspw. Personen, Unternehmen, oder Organisationen sein), Arten bzw. Eigenschaften der Beziehungen zwischen den Akteuren (wie Inhalt, Intensität und Form), und Eigenschaften der Netzwerkstruktur (z.b. die Netzwerk-Dichte, d.h. der Vernetzungsgrad, oder die Identifikation von Teilnetzen, z.b. speziellen Kundensegmenten) (vgl. Jansen 2003, S. 59ff.). Dafür werden verschiedene formale Methoden herangezogen. Formal besteht ein Netzwerk N=(V,L,P,W) aus einem Graphen G=(V,L), wobei V die Gesamtheit der Akteure und L die Gesamtheit der Relationen bezeichnen. P repräsentiert die Eigenschaften der Akteure (d.h. bietet weitere Informationen über die Akteure) und W die 8 Die Begriffe Relation und Beziehung werden im Folgenden synonym verwendet, ebenso wie die Begriffe Akteur, Knoten, Netzwerk-Teilnehmer oder Vertex.

9 Eigenschaften der Beziehungen (z.b. ihre Intensität; die Formalisierung ist angelehnt an Batagelj (2005)). Die Graphentheorie gibt die Menge aller Akteure an als V={v 1,v 2,,v N }, die Menge der Beziehungen ergibt sich aus den Paaren der Menge E={(v i,v j ) v i,v j V}. Die im Weiteren dargestellten Untersuchungsmöglichkeiten von Netzwerkstrukturen basieren auf der Graphentheorie, deren Anfänge bis ins Jahr 1736 auf den Schweizer Mathematiker Leonhard Euler und das bekannte Königsberger Brückenproblem (siehe Anhang) zurückgehen (vgl. Newman et al. 2006, S. 1f.). Während zahlenmäßig kleine Probleme wie das bekannte Brückenproblem sich graphisch lösen lassen können, werden für größere Datenmengen Algorithmen bzw. Softwarelösungen herangezogen. Auf Grundlage der Graphentheorie 9 können Ausprägungen von Netzwerkstrukturen beschrieben werden. Wesentliche Modellierungsgrundlagen hinsichtlich der Art der Bildung und Evolution von Netzwerken und der resultierenden Eigenschaften sind Zufalls- oder skalenfreie Netze, die als Vergleichsmaßstab für die Beschreibung und Analyse realer Strukturen herangezogen werden können. 2.1.2 Strukturen von Zufallsnetzen und skalenfreien Netzen Die ersten Zufallsgraphen mit konstanter Beziehungswahrscheinlichkeit wurden in den Jahren 1950-1960 von Erdös und Rényi untersucht (vgl. Erdös/Rényi 1960, S. 25f.). In Zufallsnetzen werden die Verbindungen zwischen zwei beliebigen Akteuren zufällig gesetzt, d. h. jeder Knoten hat die gleiche Wahrscheinlichkeit p mit einem anderen Knoten der Menge N verbunden zu werden (siehe Abbildung 1). Diese Charakteristik wirkt sich auf die Netzwerkdichte (den Vernetzungsgrad der Akteure), und die Pfadlängen im Netzwerk (Pfadlängen beschreiben die Distanzen der Akteure im Netzwerk 10 ) aus. Durch die Gleichverteilung der Verbindungen bedingt, weisen Zufallsnetze einen niedrigen Verdichtungskoeffizienten (Clusterkoeffizienten) auf. Die maximale Pfadlänge ist zudem sehr gering, da auch entfernt liegende Kno- 9 Zur Graphentheorie, vgl. Iacobucci 1994, S. 93-97.