Univ.-Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer SS 2016. Mietrecht. b) Rechte und Pflichten des Mieters ( 535 Abs. 2, 556b Abs. 1)



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I. Einführung Mietrecht 1. Begriff und Rechtsnatur des Mietvertrags a) Rechte und Pflichten des Vermieters ( 535 Abs. 1) b) Rechte und Pflichten des Mieters ( 535 Abs. 2, 556b Abs. 1) [1] Fall Nr.1 [Schönheitsreparaturen]: Im Formular-Mietvertrag zwischen V und M heißt es in 8 [Schönheitsreparaturen]: Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen ausführen zu lassen und die Rollläden, Licht- und Klingelanlagen instand zu setzen. Bei Beendigung des Mietverhältnisses teilt M mit, dass er die Klausel für unwirksam halte und deswegen auch keine Schönheitsreparaturen übernehmen werde. V ist empört. [2] BGH, NJW 2015, 1594: Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält der Inhaltskontrolle am Maßstab des 307 Abs. 1, Absatz 2 Nr. 1 nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt. Unrenoviert oder renovierungsbedürftig ist eine Wohnung nicht erst dann, wenn sie übermäßig stark abgenutzt oder völlig abgewohnt ist. Maßgeblich ist, ob die dem Mieter überlassene Wohnung Gebrauchsspuren aus einem vorvertraglichen Zeitraum aufweist, wobei solche Gebrauchsspuren außer Acht bleiben, die so unerheblich sind, dass sie bei lebensnaher Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Es kommt letztlich darauf an, ob die überlassenen Mieträume den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln. 2. Regelungssystematik II. Die Haftung des Vermieters für Mängel 1. Einführung [3] Fall Nr.2 [Feinkost in Frankfurt]: Nach Beendigung seiner Fußballkarriere bei Borussia Dortmund eröffnet M am 01.07. im Rathauskeller in Frankfurt (Oder) das italienische Feinkostgeschäft "Da Mats". Der Mietvertrag wird auf fünf Jahre geschlossen. Die Miete beträgt 500,- Euro pro Monat. Kurz nach der Eröffnung stellt M fest, dass aus den gemauerten (unverputzten) Decken des Rathauskellers Sand rieselt. M gelingt es zwar, seine Lebensmittel durch Plastikplanen zu schützen; sein Feinkostgeschäft sieht jetzt jedoch wie eine Baustelle aus. Daraufhin mindert M die Miete um (angemessene) 200,- Euro im Monat und besteht auf Beseitigung des Mangels. Als die Stadt Frankfurt (F) als Vermieterin nicht reagiert, stellt M die Mietzahlung am 01.09. ein. Drei Monate verlangt Frankfurt (Oder) Schadensersatz: Sie müsse aufgrund der angespannten Haushaltslage ständig Kredite aufnehmen. Mit Blick auf die ausgebliebene Miete in Höhe von insgesamt (3 x 500,-) = 1500,- Euro seien Kredit- 1

zinsen in Höhe von 12% p.a. fällig geworden. Diese Kosten liquidiere sie als Schaden [nach: BGH, NJW-RR 2007, 1021]. [4] BGHZ 136, 102 [LS]: "Die mietrechtlichen Gewährleistungsregeln wegen eines Sachmangels sind grundsätzlich erst anwendbar, wenn die Mietsache übergeben worden ist" (vgl. 536a, 536 I 1: Mangel "zur Zeit der Überlassung an den Mieter"). 2. Der Mangel der Mietsache [5] Fall Nr.3 [Elegantes Einkaufen]: Bauunternehmer B baut in Berlin eine elegante Einkaufspassage und schließt bereits vor Fertigstellung langfristige Mietverträge ab. In der "Präambel" der Mietverträge heißt es: "B errichtet ein Handelszentrum. Im Erdgeschoss werden u.a. folgende Unternehmen vertreten sein: "Deutsche Bank, Bucherer, Hugo Boss, sowie ein Hotel der Hotelgruppe 'Hilton'." M, ein exklusiver Herrenausstatter, verspricht sich von dieser Mieterstruktur ein gehobenes Publikum und unterschreibt den Mietvertrag. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass B nicht an das Hilton, sondern an die Bundesagentur für Arbeit vermietet, so dass plötzlich auch Hartz-IV-Empfänger die Einkaufspassage betreten. Daraufhin mindert M die Miete [BGH, NJW 2006, 899; OLG Stuttgart, NZM 2007, 163]. a) Sachmangel ( 536 Abs. 1) [6] BGH, NJW-RR 2006, 1156: "Ein Mangel der Mietsache liegt dann vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist. Es sind allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs bestimmen, welchen Zustand die vermietete Sache spätestens bei Überlassung an den Mieter und von da ab während der gesamten Vertragsdauer aufweisen muss. Ein Mangel ist nur anzunehmen, wenn die "Ist"-Beschaffenheit von der "Soll"-Beschaffenheit der Mietsache abweicht" (std. Rspr.: BGH, NZM 2006, 582: vgl. auch: BGH, NJW 2000, 1714). [7] BGH, NJW 2006, 901: "Erforderlich ist, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit, wohingegen Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sind." [8] BGH, NJW 2004, 1947: Weist eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche auf, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, stellt dieser Umstand grundsätzlich einen Mangel der Mietsache im Sinne des 536 Abs. 1 Satz 1 dar, der den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es nicht. b) Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft ( 536 Abs. 2) [9] BGH, NJW 2006, 899, 901: "Als Eigenschaften kommen neben der physischen Beschaffenheit [der Mietsache] die tatsächlichen und rechtlichen Bezie- 2

hungen des Mietgegenstands zu seinem Umwelt in Betracht, die für die Brauchbarkeit und den Wert des Mietobjekts von Bedeutung sind. Diese Beziehungen müssen jedoch ihren Grund in der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst haben, von ihm ausgehen, ihm auch für eine gewisse Dauer anhaften und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten, die außerhalb der Mietsache liegen" (std. Rspr.). Dabei ist "von einer Zusicherung nur" auszugehen, "wenn der Zusichernde über allgemeine Anpreisungen und Beschreibungen hinaus bindend erklärt, die Gewähr für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu übernehmen und für alle Folgen ihres Fehlens eintreten zu wollen." c) Rechtsmangel ( 536 Abs. 3) [10] BGHZ 114, 273, 280: "Unter Rechten [i.s. des 536 III] werden nur Privatrechte verstanden." 3. Erheblichkeit des Mangsls [11] Bundesregierung, BT-Drucks.14/6875, S.66: "Hier kann der Mieter anders als im Kaufrecht bei unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigungen die Miete nicht mindern. Diese Einschränkung stellt im Interesse eines möglichst störungsfreien Ablaufs des Mietverhältnisses eine sinnvolle Begrenzung der Mängelhaftung dar, um Streitigkeiten über belanglose Kleinigkeiten zu verhindern." a) Flächenangaben [12] BGH, NJW-RR 2006, 801: "Ein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel der Mietsache liegt vor, wenn die gemietete Wohnung eine Wohnfläche aufweist, die mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt" (std. Rspr.; BGH, 2004, 1947). b) Mobilfunkanlagen [13] BGH, NJW-RR 2006, 880: In Rspr. und Literatur ist anerkannt, "dass eine Mietwohnung keinen Sachmangel aufweist, wenn eine in der Nähe gelegene Mobilfunksendeanlage die in der 26 BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet." Das gilt auch unter Berücksichtigung der Befürchtung eines gesundheitlichen "Restrisikos". 4. Rechte des Mieters bei Mängeln [14] Fall Nr.4 [Dahlem]: Robert Reich (R) gehört ein aufwendig saniertes Mietshaus in Dahlem. Kurt Konfliktscheu (K) bewohnt als Mieter eine Einzimmerwohnung unter dem Dach. Die Bruttomiete beträgt 1000,- Euro pro Monat. Eines Morgens entdeckt K, dass die Hauswände mit Graffiti verunstaltet worden sind. Er fordert R höflich auf, die Farbschmierereien zu beseitigen, bezahlt seine Miete aber in Kenntnis der Rechtslage weiter. Erst als das Graffiti vier Monate später noch immer nicht beseitigt ist, mindert er die Miete um (angemessene) 5% und rechnet mit seinem (angeblichen) Rückzahlungsanspruch in Höhe von 200,- Euro gegen den aktuellen Mietanspruch des R auf. 3

a) Beseitigung des Mangels ( 535 Abs. 1 Satz 2) b) Minderung ( 536) [15] BGH, NJW 2011, 514: Nach 536 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels der Mietsache, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht nur unerheblich mindert, von der Entrichtung der Miete befreit bzw. zur Entrichtung einer angemessen herabgesetzten Miete verpflichtet. Die Minderung tritt kraft Gesetzes ein. Sie ist Ausdruck des das Schuldrecht prägenden Äquivalenzprinzips und hat daher die Aufgabe, die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen sicherzustellen. Die Hauptleistungspflicht des Vermieters besteht darin, dem Mieter während der gesamten Mietzeit den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache zu ermöglichen ( 535 Abs. 1 BGB). Als Gegenleistung schuldet der Mieter den vereinbarten Mietzins ( 535 Abs. 2 BGB). Das Äquivalenzverhältnis der Leistungen ist deshalb gestört, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch wegen eines Mangels nicht nur unerheblich beeinträchtigt ist. [16] BGH, Urt. vom 06.04.2005, XII ZR 225/03: Bemessungsgrundlage der Minderung nach 536 BGB ist die Bruttomiete (Mietzins einschließlich aller Nebenkosten). Dabei ist unerheblich, ob die Nebenkosten als Pauschale oder Vorauszahlung geschuldet werden. [17] Fall Nr.5 [Kühlschrank]: M mietet im Haus des V eine Wohnung. Am 15. November fliegt ein Ball in das große Wohnzimmerfenster der Wohnung, weil der Bengel (B) nebenan, unachtsam war. Der Ball zerstört die Glasscheibe. Weil es draußen sehr kalt ist, kann M die Wohnung für 3 Tage nicht nutzen. Fallabwandlung: M hat die Scheibe beim Putzen versehentlich selber zerstört. c) Schadensersatz ( 536a Abs. 1) [18] Fall Nr.6 [Denkmalschutz]: Lustig (L) vermietet am 02.09. ein Fachwerkhaus, das so umgebaut werden soll, dass Mieter M dort ein Restaurant betreiben kann. Kurz vor Beginn der Umbauarbeiten teilt die Denkmalschutzbehörde mit, dass das Fachwerkhaus unter Denkmalschutz stehe, so dass u.a. die geplante Einrichtung einer Küche unzulässig sei. Daraufhin weicht M auf einen alten Bauernhof aus, um sein Restaurant dort zu betreiben. Die Mehrkosten macht er als Schaden geltend. L wendet ein, er habe die Denkmal-Eigenschaft des Fachwerkhauses nicht gekannt und auch nicht kennen müssen [nach: BGH, NJW 1999, 635]. aa) Haftung für anfängliche Mängel ( 536a Abs. 1 Var. 1) [19] Bundesregierung, BT-Drucks.14/6875, S.66: "Ferner hält die Bundesregierung im Interesse des Mieterschutzes auch die besondere Garantiehaftung des Vermieters für anfängliche Mängel unabhängig vom Verschulden nach wie vor für richtig." [20] Fall Nr.7 [Mauerflickwerk]: M betreibt in den bei V gemieteten Räumen ein Elektronik-Fachgeschäft für hochwertige Fernsehgeräte. In der Nacht vom 16. auf den 17.12.kam es zu einem Einbruch, bei dem unbekannte Täter mehrere 4

HD-TV Fernseher entwenden konnten. Im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens stellt sich heraus, dass die Täter durch eine Fensteröffnung auf der Rückseite des Gebäudes eingestiegen sind, die V lange vor Beginn des Mietverhältnisses mit M ohne Verbund mit dem Restmauerwerk zugemauert hatte (s.: BGH, NJW-RR 2006, 1157). bb) cc) Haftung für nachträgliche Mängel, die der Vermieter zu vertreten hat ( 536a Abs. 1 Var. 2) Haftung für (nachträgliche) Mängel, falls der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug gerät ( 536a Abs. 1 Var. 3) d) Selbstvornahme und Aufwendungsersatz ( 536a Abs. 2) [21] Fall Nr.8 [Fürstenwalde]: Kommilitone S hat sich nach seinem Studium in Frankfurt (Oder) entschlossen, sich als Rechtsanwalt in Fürstenwalde niederzulassen und dort auch privat eine elegante, um 1900 erbaute Villa "mit Blick ins Grüne" zu mieten. Nachdem er mehrere Mietobjekte besichtigt hat, schließt er im April einen Mietvertrag mit A über eine Doppelhaushältfe in der vornehmen Dorfstraße 1. Das Mietverhältnis soll im Mai beginnen. Da A den S im Laufe der Mietvertragsverhandlungen auf das hohe Alter der Heizung aufmerksam gemacht hat, wird folgende Verpflichtung des A in den Mietvertrag aufgenommen: "Heizung muss kontrolliert werden". Besonderer Handlungsbedarf besteht aber zunächst nicht, weil S in den folgenden Sommermonaten nicht zu heizen braucht. Als S im Oktober die Heizung in Betrieb nehmen will, verweigert sie ihren Dienst. S beauftragt deswegen umgehend, ohne A zur Reparatur der Heizung aufzufordern, den Installateur E. E gelingt es, die Heizung wieder zum Laufen zu bringen, indem er mehrere defekte Teile ersetzt. E wird von S bezahlt. S verlangt nunmehr von A, dem die Leistung des E im Ergebnis ja zugute komme, Kostenerstattung. Zu Recht? [22] BGH, NJW 2008, 1216: Beseitigt der Mieter eigenmächtig einen Mangel der Mietsache, ohne dass der Vermieter mit der Mangelbeseitigung in Verzug ist ( 536a Abs. 2 Nr. 1) oder die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist ( 536a Abs. 2 Nr. 2), so kann er die Aufwendungen zur Mangelbeseitigung weder nach 539 Abs. 1 noch als Schadensersatz gem. 536a Abs. 1 vom Vermieter ersetzt verlangen. e) Kündigung ( 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1) 5. Ausschluss der Rechte des Mieters bei Mängeln a) Kraft Gesetzes aa) Kenntnis des Mieters ( 536b) bb) Unterlassen der Mängelanzeige ( 536c II 2) b) Kraft Vertrags 5

6. Konkurrenzen [23] BGH, NJW-RR 2007, 1021, 1022: [24] Der Anspruch des Mieters auf Erfüllung ( 535 Abs. 1 Satz 2) besteht neben der Minderung und kann dem Vermieter nach 320 entgegengehalten werden... Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags hindert den Eintritt des Verzugs mit der Folge, dass eine außerordentliche Kündigung wegen Verzugs nicht möglich ist... [29] Grundsätzlich gewährt 320 ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem gesamten Mietzinsanspruch. Allerdings kann der Mieter gegen Treu und Glauben verstoßen ( 242), wenn er einen unangemessen hohen Teil der Miete einbehält. Was als angemessen zu gelten hat, ist in erster Linie eine Frage des tatrichterlichen Ermessens und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab." III. Das Vermieterpfandrecht ( 562 ff.) IV. Schutz des Mieters bei Veräußerung der Mietsache ( 566 Abs. 1) V. Beendigung des Mietverhältnisses 1. Kündigung ( 542) [24] BGH, NJW 2006, 220: "Eine wirksame Kündigung beendet das Mietverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist; deshalb ist der Mieter zur Rückgabe der Mietsache an den Vermieter zu diesem Zeitpunkt verpflichtet ( 546). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so schuldet er dem Vermieter die vereinbarte Miete nicht mehr als die ihm obliegende vertragliche Leistung, sondern kraft Gesetzes als Entschädigung für die Dauer der Vorenthaltung ( 546 a Abs.1)." [25] BGH, NJW 2015, 473: Die Kündigung des Vermieters gem. 564 hat gegenüber sämtlichen Erben als Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mieters zu erfolgen. a) Ordentliche Kündigung; insb. bei Mietverhältnissen über Wohnraum [26] Fall Nr.9 [Eigenbedarf]: E aus Erfurt ist Eigentümer eines Penthouses in Neu- Beresinchen, das seit drei Jahren an Professor P vermietet ist. Da E den Ratskeller in Frankfurt (Oder) übernehmen will, braucht er die Penthouse-Wohnung künftig selbst und will P loswerden. aa) Form und Frist ( 568, 573c); insb.: asymmetrische Kündigungsfristen bb) Berechtigtes Interesse des Vermieters ( 573 Abs. 1) cc) Sozialklausel ( 574) b) Außerordentliche Kündigung; bei Mietverhältnissen über Wohnraum ( 569) 2. Zeitablauf 6