Vorlesung Klinische Pharmakologie. Osteoporose



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Transkript:

Vorlesung Klinische Pharmakologie Osteoporose

Osteoporose: Definition Qualitative Definition Systemische Skelettkrankheit mit Verringerung der Knochenmasse und gleichzeitiger Zerstörung der Mikroarchitektur des Knochengewebes -> erhöhte Knochenfragilität Quantitative Definition (WHO) Knochendichte, die mehr als 2.5 SD (Standardabweichungen, T-Score) unter dem Mittelwert einer jungen gesunden Person des gleichen Geschlechtes liegt

Knochen: Aufbau Knochenhaut (Periost): Nerven und Blutgefäße Knochenrinde (Kortikalis) Schwammknochen (Spongiosa) Knochenmark normaler Knochen osteoporotischer Knochen

Formen der Osteoporose Primäre Osteoporose postmenopausale Osteoporose (Typ I) senile Osteoporose (Typ II) Sekundäre Osteoporose. endokrine Ursachen. gastrointestinale Erkrankungen. Malabsorption, Malnutrition. Malignome. diffuse Knochenmetastasierung. medikamentös bedingte Osteoporose Glucocorticoide (oral, >7,5 mg Prednisolon-Äquivalent, > 3 Monte) Glitazone Aromataseinhibitoren, anti-androgene Pharmaka Sedativa, Neuroleptika, Antidepressiva PPI

Estrogene: Inhibitorische Prinzipien Aromatase-Inhibitoren Aminogluthetimid (außer Handel) nicht spezifisch für Aromatase Testosteron OH CH 3 Aromatase Estradiol CH 3 OH Steroidale Aromatase Inhibitoren Exemestan (Aromasin ) O CH 3 H HO H H H Nicht-steroidale Aromatase Inhibitoren Anastrozol (Arimidex ) kompetitiv, peroral Letrozol (Femara ) Vorozol (noch nicht zugelassen) Anastrozol Indikation: ER-positives Mammakarzinom (Postmenopause) Risiken, UAW: Osteoporose?!, klimakterische Beschwerden, KHK?! mögl. Missbrauchspotential bei männlichen Leistungssportlern?!

Antiandrogene Androgenrezeptor-Antagonisten Cyproteronacetat (+ gestagener Effekt) Flutamid, Bicalutamid (reine Antagonisten) Ind/Dos (Mann) Prostatakarzinom: 100-200 mg CA/d, Monotherapie; reine AA: +/-GnRH-Super-Agonisten; Hypersexualität (hochdosiert) Ind/Dos (Frau) schwere Akne (1. Wahl), Hirsutismus, Androgenetische Alopezie (CA 2 mg/d + Ethinylestradiol)

Osteoporose: Risikofaktoren weibliches Geschlecht Postmenopause höheres Lebensalter Osteoporose in Familie geringe Calciumaufnahme Rauchen (Nikotin) Immobilität Untergewicht (BMI < 20)

Remodeling-Zyklus des Knochens Osteoblasten Osteoklasten Dauer: ca. 3 Monate

Remodeling-Zyklus des Knochens Osteoklasten

Calcium/Phosphat: Verteilung im Körper Die Calcium-Homöostase beeinflussende Hormone: Calcitonin Parathormon (PTH) Calcitriol (aktive Form Vitamin D 3 ) Calcium: tägliche Aufnahme: ca. 1 g 800-2000 IE/d Basistherapie 1000 mg/d Substitution

Therapie/Prophylaxe der Osteoporose 1. Bewegung, UV-Licht 2. Calciumreiche Ernährung: > 1g / dies 3. Vitamin D 4. Vermeidung von Risikofaktoren Calcium-reich: Milch, Käse,... Gemüse Mineralwasser Calcium-Verluste Fett Alkohol Phosphate Oxalsäure Koffein Brokkoli Fenchel Grünkohl Lauch

Osteoprotektiva (Antiresorptive Therapie) Wirkstoffe, die den Knochenabbau hemmen

Bisphosphonate Pyrophosphat-Analoga starke Säuren hohe Affinität zu Hydroxylapatit Halbwertszeit im Knochen: Monate bis Jahre Pyrophosphat Bisphosphonat Indikation: Postmenopausale Osteoporose Morbus Paget (Osteodystrophia deformans) Verdickung/Verkrümmung einzelner Röhrenknochen Knochenmetastasen (Prostata/MammaCA)

Bisphosphonate Aufnahme in Osteoklasten Hemmung der Osteoklasten-Aktivität Bildung toxischer ATP-Derivate (1. Generation)

Bisphosphonate (2.+3. Generation) Bisphosphonate H 3 C CH 3 CH 3 HO CH 3 CH 3 Hemmung der Proteinprenylierung

Bisphosphonate: relative Potenz 1. Generation 2. Generation 3. Generation

Bisphosphonate: Pharmakokinetik

Bisphosphonate Alendronsäure (z.b. Fosamax R ) Osteoporose Etidronsäure (z.b. Diphos R ) Osteoporose, M. Paget Risedronsäure (Actonel R ) Osteoporose Zoledronsäure (Aclasta R ) Osteoporose, Knochenmetastasen, M. Paget Clodronsäure (z.b. Bonefos R ) Knochenmetastasen Ibandronsäure (z.b. Bondronat R ) Knochenmetastasen Pamidronsäure (z.b. Aredia R ) Knochenmetastasen Tiludronsäure (Skelid R ) M. Paget Stand 2009

Bisphosphonate: Wirkungen Knochendichte (Veränderung in %)

Bisphosphonate: Nebenwirkungen Lokale Schleimhautschäden Erbrechen Ösophagitis Ösophagus- und Magenblutungen Abdominalschmerzen perforierendes Ulcus ventriculi Bisphosphonate nur in aufrechter Position mit 200 ml Wasser einnehmen. Mindestens 30 Minuten nicht hinlegen!

Estrogene als Antiresorptiva Indikationen Estrogene: Zyklusstörungen (+ Gestagen) Ovulationshemmung (+ Gestagen) Substitution (+ Gestagen) Osteoporose-Prophylaxe (+ Gestagen) Unterbrechung des Längenwachstums Mädchen Prostata-Carcinom postmenopausale Hormonersatztherapie Substitutionstherapie Estradiol

Estrogene/SERMs als Antiresorptiva Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren Bindung von SERMs (und Östrogenen) an Estrogen- Rezeptoren verändert deren Konformation, so dass weitere Proteine mit dem Rezeptor interagieren können Die Wirkung der SERMs ist abhängig vom Gewebe Estrogen-agonistisch oder antagonistisch

Estrogene/SERMs als Antiresorptiva CH 3 OH H 3 C N H 3 C O O N O HO CH 3 HO S OH Östradiol Tamoxifen Raloxifen Endometrium agonistisch agonistisch antagonistisch Mamma agonistisch antagonistisch antagonistisch Knochen agonistisch agonistisch agonistisch Lipide agonistisch agonistisch agonistisch

Osteoanabolika Wirkstoffe, die den Knochenanbau stimulieren

Parathormon Wirkstoff: Teriparatid rhpth (1-34) rekombinantes humanes Parathormonfragment (Forsteo ) s.c. 20 mg/dies, 18 Monate Inzidenz vertebraler Frakturen bei postmenopausalen Frauen > 1 neue Fraktur > 2 neue Frakturen Placebo n= 448 14,3 % 4,9 % Forsteo n= 448 5,0 % 1,1 % Basis: 1000 mg Ca 2+ + 400 IE Vit. D p.o. Indikation: manifeste Osteoporose postmenopausaler Frauen

Fluoride Dinatriumfluorophosphat, Natriumfluorid Zunahme der Knochenmasse keine Verminderung der Frakturhäufigkeit Strontiumranelat (Protelos ) Hemmung des Knochenabbaus Förderung des Knochenaufbaus Dosierung: 2g / Tag per os Einnahme vor dem Schlafen, 2 Stunden nach der letzten Mahlzeit Indikation: Osteoporose postmenopausaler Frauen Zusätzlich zu Kalzium (1 g / Tag) und Vit. D (400-800 IE / Tag) Klinische Wirkung: (Thiazid-Diuretika) Zunahme der Knochenmasse Verminderung der Frakturhäufigkeit der Wirbelsäule (- 40%)

Effektive Osteoporosemedikamente Calcium plus Vitamin D Alendronat (Tages oder Wochentablette) Risedronat (Tages oder Wochentablette) Ibandronat (Monatstablette oder Vierteljahresspritze) Zolendronat (Jahresinfusion) Strontium-Ranelat Teriparatid oder Parathormon HRT (Estrogen + Gestagen) Raloxifen DVO-Leitlinie http://www.dv-osteologie.org