Allgemeiner und betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch



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Transkript:

Allgemeiner und betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch Ein Seminar der Fortbildungs- und Service GmbH der Hessischen Rechtsanwaltschaft

Beschäftigungsanspruch Im laufenden Arbeitsverhältnis

Weiterbeschäftigungsanspruch Nach Ablauf der Kündigungsfrist

Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch BAG 27.2.1985

Interessenabwägung Bis zum Urteil 1. Instanz: Es überwiegen die Interessen des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung. Bei Stattgabe der Kündigungsschutzklage: Beschäftigung gem. Urteil. Bei abgewiesener Kündigungsschutzklage: Es verbleibt bei der Nichtbeschäftigung

Ausnahmen für Arbeitnehmer Kündigung ist offensichtlich unwirksam, etwa: - weil BR nicht angehört wurde - weil Integrationsamt nicht zugestimmt hat, - weil 9 MuSchG greift.

Ausnahmen für Arbeitgeber Wird der Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht stattgegeben, so überwiegen regelmäßig die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung, es sei denn, er hat seinerseits besondere Gründe für die Nichtbeschäftigung. Diese besonderen Gründe könnten nach der Rechtsprechung des BAG in einem Auflösungsantrag des Arbeitgebers bestehen. Durch einen zulässigen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach 9 KSchG soll nach der Auffassung des BAG wieder eine Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses begründet werden und ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses i.s. der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27. 2. 1985 bestehen.

Prozesstaktik Obsiegt der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage in erster Instanz und wird zugleich seinem (allgemeinen Weiter-) Beschäftigungsanspruch stattgegeben, dann sollte der Arbeitgeber - sofern greifbare Tatsachen vorliegen, die das Bestehen eines Auflösungsrechtes nach 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zumindest möglich erscheinen lassen - erwägen, mittels Auflösungsklage die Zwangsvollstreckung aus dem (Weiter-) Beschäftigungsurteil zu verhindern

Zeitpunkt des Antrags Spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der jeweiligen Instanz. Verspätung ist insoweit nicht möglich, denn

Keine Verspätung bei Angriffen Sog. verfahrensbestimmende Anträge wie Klageänderung, die Klageerweiterung, die Widerklage und deren Erweiterung sind Angriff oder Verteidigung, also nicht lediglich Angriffs- und Verteidigungsmittel gem. 56 Abs. 2 ArbGG (GK-ArbGG/Schütz 56 Rn. 54 mn).

Inhalt des Antrags Problematisch ist, dass Beschäftigung entsprechend des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts geschuldet wird ( 106 GewO)

Antrag BAG 15.4.2009 Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Angestellter über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Einstweilige Verfügung?

Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Beschäftigungsanspruch = ja Verfügungsanspruch = Arbeitsvertrag Verfügungsgrund erforderlich? = streitig

Nach Ablauf der Kündigungsfrist: Weiterbeschäftigungsanspruch Bei Vorliegen der Ausnahmefälle: ja Nach Urteil einer Instanz? Nach hm nein, weil Möglichkeit für einen Titel bestand.

Vergütungsfolgen

Vergütungsfolgen

Obsiegt der Arbeitnehmer in seinem Kündigungsschutzprozess, hat er selbstverständlich Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, denn die Kündigung hat dieses nicht wirksam beendet ( 611 Abs. 1, 615 S. 1 BGB).

Unterliegt der Arbeitnehmer Das BAG wendet für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch die Grundsätze der ungerechtfertigten Bereicherung an, so dass wie folgt zu differenzieren ist:

Gearbeitet Vergütung für geleistete Tätigkeit, - aber: keinen Urlaub - keine Vergütung im Krankheitsfalle weil keine Gegenleistung

Nicht gearbeitet Hat der Arbeitnehmer nicht gearbeitet und auch keine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber getroffen, hat er auch keinen Vergütungsanspruch. Nach der bereicherungsrechtlichen Lösung erhält der Arbeitnehmer ohne Gegenleistung keine Vergütung

Zwingende Konsequenz:

Entweder vollstrecken

oder

Vereinbarung mit dem Arbeitgeber treffen:

Beispiel ohne Arbeitspflicht Zwischen den Parteien wird ein Kündigungsschutzrechtsstreit geführt, den das Arbeitsgericht Frankfurt am Main (oder: das LAG Hessen) unter dem Az. zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden und die Arbeitgeberin gleichzeitig verurteilt hat, den Arbeitnehmer auf Grundlage des Allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs vorläufig bis zum rechtskräftigen Ablauf des Verfahrens zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin wird gegen dieses Urteil gegebenenfalls Berufung (oder: Revision) einlegen und möchte den Arbeitnehmer vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht weiterbeschäftigen. Die Parteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer während des Bestehens des Allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach Maßgabe des bisherigen Arbeitsverhältnisses vergütet wird, ohne dafür eine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeitgeberin stellt den Arbeitnehmer in dieser Zeit unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, der Arbeitnehmer nimmt die unwiderrufliche Freistellung an. (Hier können bzw. sollten gegebenenfalls die Anrechnung von Urlaub, anderweitem Verdienst und das Wettbewerbsverbot geregelt werden. Die Vereinbarung endet, sobald eine entgegenstehende Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt, spätestens aber mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens.

Beispiel mit Arbeitspflicht 1. Die Arbeitgeberin weist den Arbeitnehmer an, am zur Arbeit zu erscheinen und seine bisherige vertraglich geschuldete Tätigkeit aufzunehmen. 2. Die Parteien vereinbaren im Hinblick auf den vor dem Arbeitsgericht anhängigen Rechtsstreit mit Blick auf die Entscheidung Az folgendes: das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom verkündet am, die Arbeitgeberin verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil und zur Erfüllung dieser Weiterbeschäftigungspflicht verpflichtet sich der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer als (Tätigkeitsbereich) solange weiter zu beschäftigen, bis eine entgegenstehende Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt. 3. Falls der anhängige Rechtsstreit zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden wird, endet die vorliegende Vereinbarung und der Arbeitnehmer wird ausschließlich auf der Grundlage des alten Vertrages vom weiterbeschäftigt. 4. Im Übrigen findet die Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Prozessbeschäftigung mit dem Inhalt des Arbeitsvertrages vom statt. 5. Die Arbeitgeberin hält an der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung(en) fest und begibt sich mit dieser Vereinbarung keinerlei Rechte.

Aufforderungsschreiben des Arbeitgebers

Sehr geehrter Arbeitnehmer, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat Ihrer Kündigungsschutzklage Az. am stattgegeben und uns auf Ihren Antrag hin zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses verurteilt. Allein zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen werden Sie gegen unseren Willen im Rahmen des vom Arbeitsgericht zugesprochenen Weiterbeschäftigungsanspruchs solange beschäftigt, bis eine entgegenstehende Entscheidung einer höheren Instanz oder ein anderer Beendigungstatbestand vorliegt. Mit freundlichen Grüßen

Weiterbeschäftigungsantrag des 102 Abs. 5 BetrVG Das schärfste Schwert

- 102 Abs. 5 BetrVG führt im Ergebnis zur Verlängerung der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens - Vergütungspflicht ist, anders als der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nicht vom Ausgang des Prozesses abhängig. Selbst wenn die Kündigungsschutzklage rechtskräftig in allen drei Instanzen abgewiesen wird, bleibt es beim Annahmeverzug aus 102 Abs. 5 BetrVG

Anspruchsvoraussetzungen 102 Abs. 5 BetrVG Die Voraussetzungen für den Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach 102 Abs. 5 BetrVG liegen vor, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- (eine Woche) und ordnungsgemäß widersprochen hat, der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage nach 4 KSchG erhoben und vom Arbeitgeber fristgerecht seine Weiterbeschäftigung verlangt hat.

Ordentliche Kündigung Der Weiterbeschäftigungsanspruch setzt zunächst eine ordentliche Kündigung voraus. Eine außerordentliche Kündigung führt nicht zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch, und zwar auch nicht die verbundene Kündigung (str.).

Fristgemäßer Widerspruch Nach 102 Abs. 3 i.v.m. Abs. 2 S. 1 BetrVG muss der Widerspruch binnen einer Woche beim Arbeitgeber erhoben werden.

Beschluss nach 33 BetrVG Formell Ordnungsgemäß ist nur der Widerspruch, der nach Beschlussfassung ( 33 BetrVG) schriftlich und begründet erhoben wird. Das bedeutet also, dass der nicht ordnungsgemäß zustande gekommene und damit nichtige Beschluss die Tatbestandsvoraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht erfüllt, so dass der Anspruch nicht besteht. Nichtige Betriebsratsbeschlüsse begründen keinen Vertrauensschutz für den Arbeitnehmer.

Widerspruchsgründe

Fehlerhafte soziale Auswahl ( 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG) Dieser nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht kommende - Widerspruchsgrund erfordert vom Betriebsrat die Darlegung, dass die vom Arbeitgeber getroffene soziale Auswahl fehlerhaft ist, weil soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden oder aber zu Unrecht Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen worden sind.

Beispiel Sehr geehrte/er Frau/Herr, der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom... beschlossen, Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben. Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchstatbestand des 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG und trägt hierzu im einzelnen folgende Punkte vor: Der zur Kündigung vorgesehene Herr A ist als Elektroschlosser in der Abteilung X beschäftigt. In den Abteilungen Y und Z werden ebenfalls mehrere Elektroschlosser beschäftigt, die über die gleiche Berufsausbildung wie Herr A verfügen und mit ihm deshalb vergleichbar sind. Im Übrigen ist dem Betriebsrat bekannt, dass in Urlaubsund Krankheitsfällen die Elektroschlosser der Abteilungen X, Y und Z sich gegenseitig vertreten haben, was ebenfalls deren Vergleichbarkeit belegt. In den Abteilungen Y und Z sind mindestens Elektroschlosser beschäftigt, die sowohl eine kürzere Betriebszugehörigkeit als auch ein jüngeres Alter als Herr A aufweisen. Des Weiteren ist zu beachten, dass Herr A insgesamt vier Kinder hat, von denen noch drei in Ausbildung stehen. Der Betriebsrat hält daher bei der Auswahl von Herrn A zur Kündigung die sozialen Gesichtspunkte nicht für ausreichend berücksichtigt.

Verstoß gegen Auswahlrichtlinie ( 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG) 95 BetrVG: Der Regelungsgegenstand einer Richtlinie zur sozialen Auswahl ist auf die Bewertung der sozialen Gesichtspunkte nach 1 Abs. 3 S. 1 KSchG begrenzt. Die Auswahlrichtlinie ordnet nicht verbindlich zu oder gruppiert verbindlich ein. Eine Regelung über die Festlegung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden oder der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer ist also nicht zulässig, denn die Betriebsparteien können eben nicht über die gesetzlichen Anforderungen für die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern disponieren.

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz ( 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG) Der Widerspruchsgrund kommt nicht nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht, sondern auch bei verhaltensbedingten Kündigungen, sofern die Gründe für die Kündigung auf dem neuen Arbeitsplatz entfallen. Bei personenbedingten Kündigungen ist namentlich die Rede von Krankheiten, die auf dem Arbeitsumfeld beruhen bzw. dort ausgelöst werden (Allergien) und die auf einem anderen Arbeitsplatz nicht mehr auftreten.

In Betracht kommen aber nur vorhandene und freie Arbeitsplätze, es besteht keine Verpflichtung, einen (leidensgerechten) Arbeitsplatz zu schaffen. Diesen freien Arbeitsplatz muss der Betriebsrat bezeichnen. Räumlich kommt auch ein anderer Betrieb im Unternehmen in Betracht, allerdings muss dann auch der aufnehmende Betriebsrat zustimmen. Mit der Zustimmungsverweigerung des aufnehmenden Betriebsrats entfällt der Widerspruchsgrund.

Sehr geehrte/er Frau/Herr, der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom beschlossen, Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben. Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchsgrund des 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG und trägt hierzu im einzelnen folgende Punkte vor: Die zur Kündigung vorgesehene Frau A war bisher als Verkäuferin in der Lebensmittelabteilung der Filiale Bismarkstraße tätig, die zum 31. Dezember geschlossen wird. Innerhalb der von Ihnen angegebenen Kündigungsfrist (31. Dezember) werden in der Filiale Hansaring in der Lebensmittelabteilung derzeit beschäftigte Verkäuferinnen in den Vorruhestand treten, so dass deren Arbeitsplätze frei werden. Der im Unternehmen verwandte Standardarbeitsvertrag für Verkäuferinnen sieht die Möglichkeit zur Versetzung in alle Verkaufsfilialen vor, so dass Frau A auf einem der in der Filiale Hansaring frei werdenden Arbeitsplätze weiter beschäftigt werden kann. Mit freundlichen Grüßen

Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach Umschulung oder Fortbildung ( 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG) Voraussetzung für diesen Widerspruchsgrund ist, dass durch die Umschulung oder Fortbildungsmaßnahme der Kündigungsgrund entfällt. Der Arbeitnehmer muss damit einverstanden und die Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme für ihn zumutbar sein. Dabei handelt es sich um eine Interessenabwägung, für die ähnliche Kriterien heranzuziehen sind wie bei der Interessenabwägung im Rahmen des 1 Abs. 2 S. 2 und S. 3 KSchG. Der Betriebsrat muss darlegen, welche für den Arbeitgeber zumutbaren Umschulung und Fortbildungsmaßnahmen in Betracht kommen und welcher freie Arbeitsplatz (auch der bisherige) im Unternehmen in Betracht kommt.

Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen mit Einverständnis des Arbeitnehmers ( 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG) Diese letzte Widerspruchsvariante setzt voraus, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat sein Einverständnis damit erklärt, unter geänderten (schlechteren) Vertragsbedingungen zu arbeiten. Diese Einverständniserklärung kann genauso wie bei der Änderungskündigung unter dem Vorbehalt erklärt werden, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist.

Sehr geehrte/er Frau/Herr, der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom beschlossen, Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben. Zur Begründung beruft sich der Betriebsrat hiermit auf den Widerspruchsgrund des 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG und trägt hiermit hierzu im einzelnen folgende Punkte vor: Herr A war bisher als Schweißer in der Maschinenproduktion tätig, welche zum 30. Juni geschlossen wird. Durch die Einrichtung eines zentralen Ersatzteillagers innerhalb unseres Betriebes werden fünf zusätzliche Stellen für Lagerarbeiter eingerichtet, welche auch bereits am innerbetrieblich ausgeschrieben wurden. Herr A kann auf einem dieser fünf zusätzlichen Plätze für Lagerarbeiter bei Änderung seiner bisherigen Vertragsbedingungen weiter beschäftigt werden. Herr A ist bereit, einer Änderung seiner Arbeitsvertragsbedingungen auf eine Tätigkeit als Lagerarbeiter und der hierfür maßgebenden Vergütung gemäß Lohn Gruppe des LGTV zuzustimmen. Herr A kann daher zu geänderten Vertragsbedingungen als Lagerarbeiter weiter beschäftigt werden.

Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers Anwendungsbereichs des 4 KSchG

Verlangen des Arbeitnehmers - Spätestens am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündigungsfrist - Bei kürzerer Kündigungs- als Klagefrist muss der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung spätestens mit der Klageerhebung verlangt haben, also drei Wochen nach Zugang der Kündigung

Rechtsfolgen der Weiterbeschäftigung Der Weiterbeschäftigungsanspruch des 102 Abs. 5 BetrVG setzt also anders als der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch das alte Arbeitsverhältnis kraft Gesetz fort, auflösend bedingt durch die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage. Dem Arbeitnehmer stehen diejenigen Rechte zu, die ihm in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zugestanden haben.

Kein Weiterbeschäftigungsverlangen Verlangt der Arbeitnehmer trotz Vorliegens der Voraussetzungen des 102 Abs. 5 BetrVG keine vorläufige Weiterbeschäftigung (etwa weil er die Möglichkeit überhaupt oder die Frist übersehen hat), kann er für die Prozessdauer gleichwohl Entgeltfortzahlung nach 615 BGB verlangen, wenn er im Kündigungsschutzprozess obsiegt.

Weiterbeschäftigungsverlangen Macht der Arbeitnehmer aber die Weiterbeschäftigung geltend (1. Stufe) und lehnt der Arbeitgeber ab, dann steht dem Arbeitnehmer (unter den Voraussetzungen des 102 Abs. 5 BetrVG) der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach 611, 615 BGB unabhängig vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits für die Prozessdauer, also auch dann zu, wenn er in allen Instanzen (!) unterliegt. Die 2. Stufe wäre die gerichtliche Durchsetzung der Beschäftigung.

Durchsetzung der tatsächlichen Weiterbeschäftigung durch den Arbeitnehmer Kann, muss aber nicht!

Problem des Rechtsschutzbedürfnisses Arbeitnehmer lässt sich während des Laufs der Kündigungsfrist freistellen. Nach Ablauf der Kündigungsfrist begehrt er im Wege der einstweiligen Verfügung Weiterbeschäftigung nach 102 Abs. 5 BetrVG?

Arbeitsgericht Frankfurt v. 7.4.2010 5 Ga 59/10 n.v Kein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschäftigung (hat nichts mit der Vergütung zu tun!)

. Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Angebot der Beschäftigung Der Arbeitgeber kann in die Offensive gehen und den Annahmeverzug dadurch beenden, dass er dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung aus 102 Abs. 5 BetrVG bis zur Rechtskraft des Kündigungsschutzprozesses anbietet und hofft, dass der Arbeitnehmer ablehnt. Mit dem Verlangen der Weiterbeschäftigung wird nämlich nicht nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung, sondern auch seine Verpflichtung hierzu begründet. Der Arbeitnehmer, der das nicht möchte, muss entweder selber kündigen oder die Kündigungsschutzklage zurücknehmen. Die Ansprüche aus 615 S. 1 BGB nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess bleiben selbstverständlich erhalten.

Erneute Kündigung Der Arbeitgeber kann ferner das Arbeitsverhältnis (nicht isoliert den Weiterbeschäftigungsanspruch) erneut kündigen.

Entbindungsverfügung Die Entbindungsverfügung betrifft nicht die Anspruchsvoraussetzungen aus 102 Abs. 3 BetrVG (die der Arbeitgeber immer in Abrede stellen kann), sondern sie dient der Befreiung von den (bestehenden) Anspruchsvoraussetzungen aus besonderen, in 102 Abs. 5 Satz 2 Ziff. 1-3 BetrVG genannten Gründen.

Darlegungs- und Beweislast Für die Anspruchsvoraussetzungen des 102 Abs. 5 BetrVG liegt beim Arbeitnehmer, die Sphärentheorie greift nicht.

Auf Befreiung von der Weiterbeschäftigung Will der Arbeitgeber sich hingegen auf einen Befreiungsgrund des 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG berufen, muss er ein gesondertes eigenes einstweiliges Verfügungsverfahren beantragen ( 102 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 3 BetrVG).

Gem. Ziff. 1 Gemäß Ziff. 1 ist der Arbeitgeber von der Weiterbeschäftigungspflicht zu entbinden, wenn die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gem. Ziff. 2 Sehr schwierig ist es, die unzumutbare wirtschaftliche Belastung des 102 Abs. 5 S. 2 Ziff. 2 BetrVG darzustellen.

Gem. Ziff. 3 Nicht weniger problematisch ist der dritte Entbindungsgrund, nämlich das Vorliegen eines offensichtlich unbegründeten Widerspruchs des Betriebsrats. Auch insoweit gilt ein strenger Maßstab. Nur dann, wenn sich seine Grundlosigkeit bei unbefangener Beurteilung geradezu aufdrängt, greift dieser Entbindungstatbestand.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit