F&E Produktivitätssteigerung mit Entwicklungsmanagement aus der Krise von Ramona Koppik & Magnus Meier Zusammenfassung: In der aktuellen wirtschaftlichen Lage gehen bei vielen Unternehmen die Auftragseingänge zurück. Oft wird mit pauschalen Sparmaßnahmen, auch im Bereich Forschung und Entwicklung, auf diese kritische Situation reagiert. Dies kann kurzfristig die Unternehmensbilanz verbessern, langfristig wird dadurch aber die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Die Kombination aus Produkt- und Prozessoptimierungsmethoden sowie gezielten Maßnahmen zur Stärkung der Innovationsfähigkeit und damit Zukunftssicherung eines Unternehmens birgt weitaus größere Potentiale. Wie diesem Spannungsfeld aus Kostendruck einerseits und langfristiger Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit andererseits in der Krise entgegengewirkt werden kann, wird nachfolgend vorgestellt. Abschließend zeigen die Autoren mit welchen konkreten Maßnahmen dieser kombinierte Ansatz in der Praxis realisiert werden kann. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage gehen bei vielen Unternehmen die Auftragseingänge zurück. Häufig wird mit Sparmaßnahmen reagiert, auch im Bereich Forschung und Entwicklung. In einer aktuellen Studie 1 geben 34% der befragten Unternehmen an, 2009 ein geringeres Budget für F&E- Projekte als im Vorjahr zur Verfügung zu stellen (s. Abb. 1). Wie würden Sie Ihr F&E Budget 2009 mit dem aus 2008 vergleichen? Deutlich niedriger (Hälfte des Budgets von 2008) 6 Niedriger 28 In etwa gleich 43 Höher 19 Deutlich höher 2 Weiß ich nicht 3 Abb. 1: Das Budget für F&E-Investitionen ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich rückläufig Dies wird kurzfristig die Unternehmenssituation verbessern, langfristig jedoch dessen sind sich die Unternehmen bewusst wird dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. So erwarten laut Studie die Unternehmen folgende negative Begleiterscheinungen durch die Budgetkürzungen: 19% rechnen mit einem Verlust von Know-How in Kernkompetenzfeldern 1 Studie von McKinsey & Company
25% befürchten, wertvolles Wissen in F&E-Projekten zu verlieren 28% gehen davon aus, technologisch hinter Wettbewerber zurückzufallen Trotz dieser dramatischen Konsequenzen sehen vielen Unternehmen keine Alternative. Es gilt möglichst schnell Kosten zu reduzieren. Ziel im Entwicklungsmanagement muss es somit sein, sowohl die Produktivität des Unternehmens kurz- und mittelfristig zu steigern als auch gleichzeitig die Wettbewerbssituation zu verbessern. Ansatzpunkte zur schlanken und effizienten Produktentwicklung liegen sowohl im eigentlichen Engineering als auch im gesamten Produktentstehungsprozess F&E Check: der erste Schritt zur F&E Produktivitätssteigerung Entscheidungen über Projekt- oder Budgetkürzungen werden in der Praxis aufgrund von Managementvorgaben zur Kostensenkung getroffen. Die Auswirkungen auf das Gesamtgefüge werden dabei teilweise nicht ausreichend betrachtet. Fundierte Entscheidungen können aber nur auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten getroffen werden. Diese kann der F&E-Check der UNITY liefern (s. Abb. 2). Der erste Schritt im ganzheitlichen Entwicklungsmanagement besteht in einer Analyse der Ist-Situation des F&E Bereichs. Im F&E-Check werden in kurzer Zeit die wesentlichen Kostentreiber und Einsparpotentiale identifiziert. Ebenso werden die Ziele des Unternehmens bezogen auf die Produktentwicklung überprüft oder wenn nicht eindeutig vorhanden definiert. In einem nächsten Schritt müssen nun mögliche Lösungen und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation definiert werden. Dabei ist es wichtig, die Wirkungen dieser Lösungen auch zu diesem frühen Zeitpunkt bereits monetär zu bewerten. Nur so kann später eine klare Steuerung der Maßnahmen und eine eindeutige Erfolgskontrolle erfolgen. Ertrag optimiert Umsatz und Gewinn erhöht F&E-Check Kostentreiber identifizieren Ziele definieren: Produkte, Herstellkosten, Kernkompetenzen, Ressourcen Lösungsansätze in bewerten Produkt- und Projektportfolio aktiv managen Produkt- und Herstellkosten senken Funktionen und Produkte kundenorientiert entwickeln Plattformen und Module realisieren Varianten zielgerichtet steuern Prozesse an der Wertschöpfung ausrichten Verschwendungen reduzieren Leistungsstarke Projektorganisationen schaffen IT-Systeme und Infrastruktur optimieren Innovationen früher im Markt Prozesse vereinfacht Durchlaufzeiten verkürzt Kennzahlen etabliert Abb. 2: Im F&E-Check werden in kurzer Zeit Kostentreiber identifiziert und Handlungsempfehlungen zur Ertragsoptimierung monetär bewertet
Bei den Lösungsansätzen hat sich eine Kombination aus Produkt- und Prozessoptimierungen bei gleichzeitigem Ausbau des Innovationsmanagements bewährt. Diese Handlungsfelder bieten zahlreiche Stellhebel, die Produktivität des Unternehmens insgesamt zu steigern. Um die Produktivität und somit den Ertrag zu verbessern, sind nun konsequenterweise nur zwei grundsätzliche Stoßrichtungen möglich: Input reduzieren und/oder Output steigern (s. Abb. 3)! F&E-Produktivität = Reduzieren des Inputs durch... Eliminierung nicht marktrelevanter F&E-Aufgaben Strategische Projektauswahl unter Berücksichtigung von Kundenanforderungen garantiert, dass nicht am Markt vorbei entwickelt wird! Reduktion der Produktionskosten Mit konsequentem Lean Design und Herstellkostenmanagement im Entwicklungsprozess werden deutliche Einsparungen erzielt! Reduktion der Komplexität Intelligente und effiziente Reduktion und Beherrschung der Produktkomplexität sind zentrale Wettbewerbsvorteile! Etablierung von Management- und Prozessstandards Beschleunigung der Produktentwicklung durch bewährte Best Practice-Lösungen und Managementstandards! Output (Umsatz aus neuen Produkten) Input (Produktentstehungsaufwand) Steigern des Outputs durch... Erhöhung der Innovationsrate Ein attraktives Produktportfolio wird mit einem durchgängigen Innovationsprozess und einer schlüssigen Innovations- Roadmap sichergestellt! Erschließung neuer Marktsegmente Neue Märkte sind gezielt zu identifizieren und zu erschließen sowie die Produktpalette konsequent darauf auszurichten! Time-to-Market-Verkürzung Mit stringentem Prozessmanagement werden Durchlaufzeiten deutlich reduziert und ein schnellerer Markteintritt realisiert! Abb. 3: Durch Maßnahmen zur Reduktion des Inputs und Steigerung des Outputs systematisch die F&E Produktivität steigern So einfach diese Formel ist, so komplex und schwierig kann nun die Umsetzung sein. Wichtig bei der Umsetzung ist, dass der Erfolg nicht nur in einzelnen Handlungsfeldern und Maßnahmen gesucht wird, sondern dass je nach Unternehmenssituation basierend auf den Ergebnissen des F&E-Checks, eine optimale Kombination unterschiedlicher und ineinandergreifender Lösungen gefunden wird. 1 Inputreduktion durch Produkt- und Prozesseffizienz 1.1 Eliminierung nicht marktrelevanter F&E-Aufgaben Gerade in Krisenzeiten lohnt sich der Blick auf die aktiven Projekte im F&E-Bereich. Dabei sind sowohl die Produktprojekte als auch interne Projekte zu betrachten. Entwicklungsprojekte müssen aktiv gemanaged werden. Die Darstellung aller Projekte in einem Portfolio macht schnell deutlich, wo lukrative strategische Projekte gefördert und nicht marktrelevante Aufgaben eliminiert werden können. Erfolgreiche Unternehmen beispielsweise verfolgen im Vergleich zum Durchschnitt des Wettbewerbs wesentlich weniger, dafür größere F&E-Projekte. Ein weiterer Aspekt, den es in diesem Kontext zu berücksichtigen gilt, ist
die Entwicklung von Produkten, die eindeutig die Kundenanforderungen treffen. Was technisch möglich ist, ist nicht immer das, was der Kunde fordert. Hier ist ein stringentes Anforderungsmanagement notwendig. Idealerweise unter Einbeziehung des Kunden. 1.2 Reduktion Produkt- und Herstellkosten Durch konsequentes Produkt- und Herstellkostenmanagement sowie Lean Design in der Produktentwicklung können deutliche Einsparungen erzielt werden. Die Produktwertanalyse beispielsweise ist ein wirksames Instrument, mit dem konkrete Maßnahmen zur Senkung der Produktkosten erarbeitet werden können. Wichtige Methoden und Vorgehensweisen wie z.b. die Wertanalyse müssen fest im Produktentstehungsprozess verankert werden. Nur so kann garantiert werden, dass eine kontinuierliche Optimierung der Produkt- und Herstellkosten erfolgt und immer wieder kostengünstige Alternativen entwickelt werden. 1.3 Reduktion der Produktkomplexität Die Berücksichtigung einzelner Kundenwünsche durch vielfältige Customizing-Angebote führt zu einer konstanten Steigerung der Produktvarianten, deren Komplexität es zu beherrschen und zu standardisieren gilt. Gerade in diesem Thema verbirgt sich großes Potenzial, wenn es darum geht, die Effizienz und Effektivität der Entwicklung zu steigern. Speziell in der Automobilindustrie wird verstärkt an modularen Konzepten gearbeitet. Verblockungs- und Gleichteilemanagement kann auf zwei unterschiedlichen Betrachtungsebenen erfolgen, sowohl kosten- als auch teilebasiert. In beiden Vorgehensweisen sind vom Management frühzeitig eindeutige Zielvorgaben hinsichtlich einer Gleichteilequote zutreffen. Um ein langsames Aufweichen der Ziele zu verhindern, ist ein konsequentes und stringentes Controlling, Monitoring und Reporting im Verlauf der Entwicklungsprojekte unerlässlich. Wird die Reduktion der Produktkomplexität durch Gleichteilemanagement konsequent umgesetzt, verbergen sich hier enorme Potentiale und es können erhebliche Skaleneffekte erzielt werden. 1.4 Prozesse an Wertschöpfung ausrichten und Verschwendung eleminieren Neben Maßnahmen zur Optimierung des Produktes ist es unerlässlich, die Prozesse rund um die eigentliche Produktgestaltung zu betrachten und stringent an der Wertschöpfung auszurichten. Doch reine Prozessoptimierungsmaßnahmen ohne Belege für wirtschaftlich messbaren Erfolg genügen heute nicht mehr. Bei den Prozessveränderungen müssen immer entsprechende Kennzahlen integriert werden. Für eine Erfolgskontrolle der durchgeführten Optimierungen können dann Methoden wie Six Sigma hilfreich sein. Eine Beschleunigung der Produktentwicklungsprozesse kann auch durch bewährte Referenzmodelle erreicht werden. CMMI und Automotive SPICE stellen Standards zur Verfügung, so dass schnell und leicht bewährte Elemente übernommen werden können. Unabhängig davon, welche Methode angewandt wird, gelingt es Unternehmen dann, ihre Produktivität zu steigern, wenn sie Verschwendungen erfolgreich reduzieren und dadurch den Anteil an
nicht produktiven Aufgaben senken. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt in der Konzentration auf wertschöpfende Kernkompetenzen. 1.5 Standardisiertes Projektmanagement Ein standardisiertes Entwicklungsprojektmanagement ist die Basis für eine effiziente und effektive Produktentwicklung. Projektorganisation und Projektmanagement sind wesentliche Stellhebel zur Produktivitätssteigerung. Werden hier unternehmenseigene Standards konsequent genutzt, erhöht sich deutlich die Flexibilität der Produktentwicklung. Neue Projekte werden schnell produktiv, Mitarbeiter können problemlos in mehreren Projekten tätig sein oder Projekte wechseln. Ein standardisiertes Projektmanagement führt zu einer höheren Produktqualität, kürzeren Durchlaufzeiten sowie zur besseren Nutzung der Ressourcen und Kapazitäten. 2 Outputmaximierung durch Innovation Die bisher beschriebenen Maßnahmen dienen dazu, Produkte und Prozesse wirtschaftlicher zu gestalten. Dies ist notwendig und wichtig, allein aber noch nicht ausreichend, um auch nach der Krise den Erfolg zu sichern. Die Innovationskraft eines Unternehmens ist nachhaltig zu stärken. Abb. 4: Portfolio zur Darstellung der Innovationsfähigkeit So wie der Innovationsgrad der Produktentwicklung eines Unternehmens durch die Produktinnovation beschrieben wird, verhält es sich mit der Marktinnovation eines Unternehmens (s. Abb. 4). Sie beinhaltet die Themen Marktentwicklung bzw. Erschließung von neuen Marktsegmenten. In Summe werden diese beiden Aspekte zur Geschäftsinnovation zusammengefasst. Ein weiteres Innovationsthema ist die so genannte Technologieinnova-
tion. Sie beschreibt den Grad der Technologieentwicklung bezogen auf Fertigungstechnologien bzw. prozesse. In verschiedenen Kundenprojekten der UNITY konnte nachgewiesen werden, welches ungenutzte Potential sich im Bereich Innovationsmanagement insgesamt verbirgt. Über die Strategie, die Konzeption und unternehmensweite Einführung des Innovationsmanagement gelang es, den gesamten Entwicklungsprozess von der Idee bis zum Produkt den Time-to-market zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. Durch die systematische Bewertung und Priorisierung von Ideen und Innovationen gelingt eine schnelle und eindeutige Fokussierung sowohl bei der Produktdefinition und Produktumsetzung als auch bei der Erschließung neuer Märkte. Heute verfügen die Unternehmen über ein etabliertes Innovationsmanagement mit entsprechender Innovationskultur. Fazit Die Industrie ist aktuell in einer sehr schwierigen Situation. Einfache Maßnahmen zur Kostenreduzierung, die vor einigen Jahren noch gut funktioniert haben, reichen heute nicht mehr aus. Wer heute an der falschen Stelle spart, wird morgen Know-how in Kernkompetenzfeldern einbüßen und technologisch hinter seine Wettbewerber zurückfallen. Die Lösung zur Überwindung dieser Krise besteht in einem ganzheitlichen Entwicklungsmanagement. Bausteine aus den Handlungsfeldern Produkt, Prozess und Innovation sind notwendig, um die Produktivität im F&E-Bereich zu steigern. Ganzheitliches Entwicklungsmanagement liefert damit einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg und zum erfolgreichen Bestehen wirtschaftlicher Krisen! Quellenangaben: Gausemeier, J.; Plass, C.; Wenzelmann, C.: Zukunftsorientierte Unternehmensgestaltung Strategien, Geschäftsprozesse und IT-Systeme für die Produktion von morgen, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2009, S.165-168 Gausemeier, J.; Tönshoff, H.K. (Hrsg.): Migration von Wertschöpfung zur Zukunft von Produktion und Entwicklung in Deutschland, Fraunhofer IRB Verlag, Hannover, 2007, S.25-28 Musso, C.; Padhi, A.; Schorling, C.: McKinsey Global Survey Results: R&D in the downturn, in: McKinsey Quarterly, April 2009
Autorenbiographien Ramona Koppik Die Autorin Ramona Koppik, geb. 1984, ist Dipl.-Betriebswirtin und als Beraterin der UNITY tätig. Ihre Branchenspezialisierung liegt im Bereich Automobil mit Beratungsschwerpunkt auf Entwicklungsmanagement und Qualitätsthemen wie Lean Development und Six Sigma. Beratungserfahrung sowie ihre Qualifizierung zum Six Sigma Greenbelt hat sie bereits in der zweijährigen Beschäftigung als Consultant eines Automobildienstleisters erlangt. Seit Januar dieses Jahres ist sie in verschiedenen Projekten der UNITY aktiv. Dipl.-Wirt.-Ing. Magnus Meier ist Partner bei der UNITY. Dort ist er verantwortlich für die Stuttgarter Niederlassung und leitet innerhalb der UNITY das Competence Center Lean Development. Seit über zehn Jahren leitet Herr Meier Beratungsprojekte im Bereich der Produktentwicklung, schwerpunktmäßig in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Fertigungsindustrie.