Die Auswirkungen von Abwandlungen eines Kennzeichens auf dessen Zeitrang. Ralph Beier * I. Einleitung



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Transkript:

Die Auswirkungen von Abwandlungen eines Kennzeichens auf dessen Zeitrang I. Einleitung Ralph Beier * 1. Der Schutz von Marken und geschäftlichen Bezeichnungen kann unter anderem durch die Aufnahme der Benutzung begründet werden 1. Oftmals wird das jeweilige Kennzeichen jedoch nach der Schutzentstehung in etwas anderer Form benutzt als zum Zeitpunkt der Schutzentstehung, da das Kennzeichen beispielsweise modernisiert wird. Dies kann problematisch sein, wenn sich der Zeicheninhaber in einer Kennzeichenstreitsache gegenüber zwischenzeitlich entstandenen kollidierenden Kennzeichenrechten Dritter auf den Zeitrang der Schutzentstehung berufen muß 2, da die abgewandelte und tatsächlich benutzte Kennzeichenform möglicherweise nicht von dem ursprünglichen Zeitrang gedeckt ist. 2. Ein ähnliches Problem besteht, wenn der Inhaber einer eingetragenen Marke oder dessen Lizenznehmer die Marke in einer gegenüber der angemeldeten und eingetragenen Fassung abgewandelten Form benutzt und zwischenzeitlich kollidierende Kennzeichenrechte Dritter entstanden sind, so daß sich der Markeninhaber bzw. dessen Lizenznehmer zur Rechtfertigung der Markenbenutzung auf den Zeitrang der Markenanmeldung berufen muß 3. 3. Ferner ist bei einer Markenanmeldung unter Inanspruchnahme einer ausländischen Priorität 4 oder einer Ausstellungspriorität 5 zu beachten, daß Nachanmeldung einerseits und Voranmeldung bzw. Ausstellung andererseits dieselbe Marke betreffen müssen, so daß Abwandlungen der Marke in der Nachanmeldung grundsätzlich zu einem Verlust des Prioritätsrechts führen. 4. Schließlich muß bei einer internationalen Markenregistrierung nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) 6 oder dem zugehörigen Protokoll (PMMA) 7 grundsätzlich Identität zwischen der Basismarke und der darauf beruhenden internationalen * Diplom-Ingenieur, Patentanwalt in München 1 4 Nr. 2 MarkenG bzw. 5 II Satz 1 MarkenG 2 vgl. 6 MarkenG 3 vgl. INGERL/ROHNKE MarkenG 6 Rdn 15 4 34 I MarkenG ivm Art. 4 A PVÜ 5 35 MarkenG; Art. 11 II PVÜ 6 Art. 1 II MMA 7 Art. 2 PMMA Marke bestehen, so daß auch hierbei Abwandlungen der Marke zu Problemen führen können. 5. In den vorstehend aufgeführten Fällen ist zu prüfen, ob die Form des tatsächlich benutzten bzw. angemeldeten Kennzeichens trotz der Abwandlung durch den ursprünglichen Zeitrang gedeckt wird. Hierbei ist zunächst unklar, welche Abwandlungen zu einem Verlust des Zeitrangs führen und welche Abwandlungen noch von dem ursprünglichen Zeitrang gedeckt sind. Im folgenden soll deshalb diskutiert werden, welche Maßstäbe bei der Prüfung anzulegen sind, ob der abgewandelten Kennzeichenform trotz der Abwandlung gegenüber der ursprünglich schutzbegründenden Kennzeichenform noch der ursprüngliche Zeitrang zukommt. Dabei soll zwischen den vorstehend beschriebenen Fallkonstellationen unterschieden werden, um zu ermitteln, ob hierbei unterschiedliche Maßstäbe anzulegen sind. II. Abwandlungen zwischen Prioritätsanmeldung und Nachanmeldung 1. Die Gemeinschaftsmarkenverordnung 8 und die zugehörigen Prüfungsrichtlinien 9 stellen ausdrücklich klar, daß der Anmelder nur für die Anmeldung "derselben Marke" ein Prioritätsrecht genießt. Das deutsche Markengesetz 10 verweist diesbezüglich lediglich pauschal auf die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), ohne die Anforderungen an die Übereinstimmung von vor- und nachangemeldeter Marke näher zu definieren. Schließlich geht auch die PVÜ 11 davon aus, daß Vor- und Nachanmeldung dieselbe Marke betreffen müssen. Keine dieser Rechtsquellen definiert jedoch eindeutig, welche Anforderungen an die Übereinstimmung von vor- und nachangemeldeter Marke zu stellen sind. 2. Vereinzelt 12 wird unter Hinweis auf die einschlägige patentrechtliche Kommentarliteratur der Eindruck erweckt, daß an die Übereinstimmung von vor- und nachangemeldeter Marke dieselben Maßstäbe anzulegen sind wie im Patentrecht bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Priorität. Dies erscheint jedoch problematisch, da die PVÜ eine besondere Prioritätsregelung 13 für Patente und Gebrauchsmuster enthält, die für Marken offensichtlich nicht anwendbar ist. Die umfangreiche patentrechtliche Rechtsprechung zu Prioritätsfragen kann deshalb 8 Art. 29 I GMVO 9 Prüfungsrichtlinien des HABM, Teil B, Abschnitt 5.1 10 34 I MarkenG 11 Art. 4 A 1; 4 C IV PVÜ 12 vgl. ALTHAMMER/STRÖBELE/KLAKA MarkenG 6.Aufl. 34 Fn. 4 13 Art. 4 F PVÜ

nicht ohne weiteres bei der Prüfung der Frage herangezogen werden, ob der Nachanmeldung die Priorität der Voranmeldung zukommt. 3. Es wäre jedoch denkbar 14, an die Übereinstimmung zwischen vor- und nachangemeldeter Marke die gleichen Maßstäbe anzulegen, die auch bei der Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke angelegt werden. So wird bekanntermaßen auch die Benutzung einer Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form als rechtserhaltend anerkannt, sofern die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter nicht verändern 15 bzw. die Unterscheidungskraft nicht beeinflussen 16. Es wäre dann beispielsweise in der Regel unschädlich, in der Nachanmeldung einen rein beschreibenden Zusatz ohne jede Unterscheidungskraft hinzuzufügen. Es erscheint jedoch unangebracht, beim Vergleich von vor- und nachangemeldeter Marke dieselben Maßstäbe anzulegen wie beim Vergleich der eingetragenen Marke mit der tatsächlich benutzten Marke, da die Interessenlage in beiden Fällen unterschiedlich ist 17. Dagegen spricht auch die Tatsache, daß die PVÜ getrennte Regelungen für die Prioritätsbeanspruchung 18 einerseits und die Anforderungen an die rechtserhaltende Benutzung einer eingetragenen Marke 19 andererseits enthält, so daß eine gegenseitige Berücksichtigung beider Regelungen zunächst als ungewollt erscheint. 4. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, beim Vergleich von vor- und nachangemeldeter Marke dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei der sogenannten Telle-Quelle-Regelung 20 der PVÜ, wonach im Heimatland eingetragene Marken auch dann in den übrigen Verbandsländern eintragbar sind, wenn dort bestimmte absolute Eintragungshindernisse bestehen. So gilt die Telle-Quelle-Regelung ausdrücklich 21 auch für abgewandelte Marken, sofern die Abwandlungen die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflussen und ihre Identität nicht berühren. Gegen die Anwendbarkeit der Grundsätze der Telle- Quelle-Regelung auf den Vergleich von vor- und nachangemeldeter Marke spricht zwar zunächst 14 vgl. INGERL/ROHNKE MarkenG 6 Rdn 15 15 26 III Satz 1 MarkenG 16 Art. 10 II a) EU-Markenrichtlinie 17 vgl. ALTHAMMER/STRÖBELE/KLAKA MarkenG 6. Aufl. 34 Rdn 8; Fn. 6 18 Art. 4 PVÜ 19 Art. 5 B PVÜ 20 Art. 6 quinquies PVÜ 21 vgl. Art. 6 quinquies C II PVÜ ebenfalls die Tatsache, daß die PVÜ getrennte Regelungen für die Prioritätsbeanspruchung einerseits und für den Telle-Quelle-Schutz andererseits enthält, so daß eine gegenseitige Berücksichtigung beider Regelungen zunächst als ungewollt erscheint. Andererseits enthält die Telle-Quelle-Regelung der PVÜ einen Verweis 22 auf die Prioritätsregelung der PVÜ, so daß eine Übertragung der Gedanken der Telle-Quelle-Regelung auf die Auslegung der Prioritätsregelung nicht ausgeschlossen erscheint. Im folgenden wird deshalb davon ausgegangen, daß die Telle-Quelle-Regelung der PVÜ auch bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Markenpriorität heranzuziehen ist. Die Telle-Quelle-Regelung der PVÜ sieht vor, daß solche Abwandlungen einer Marke unschädlich sind, bei denen die nachangemeldete Marke nur in solchen Bestandteilen von der vorangemeldeten Marke abweicht, welche die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflussen und die Identität der Marke nicht berühren. Leider läßt die PVÜ jedoch zunächst offen, wie diese beiden unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen sind. a) Bei der Beurteilung der ersten Voraussetzung der trotz der Abwandlung unveränderten Unterscheidungskraft ist von Bedeutung, daß die Regelung der PVÜ 23 zur rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke ebenfalls in wörtlicher Übereinstimmung die Voraussetzung enthält, daß durch die Abwandlung der tatsächlich benutzten Markenform gegenüber der eingetragenen Markenform die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflußt wird. Dies legt den Schluß nahe, daß die Regelung des Markengesetzes zur rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke sehr wohl bei der Prüfung der Frage heranzuziehen ist, ob die Abwandlung eines Kennzeichens zu einem Prioritätsverlust führt, wobei die unveränderte Unterscheidungskraft von vor- und nachangemeldeter Marke eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Priorität ist. b) Unklar bleibt jedoch zunächst, wie die zweite Voraussetzung für die Wirksamkeit der Priorität auszulegen ist, wonach die Identität der Marke durch die Abwandlungen nicht berührt werden darf. Leider bringt auch die französische Fassung der Telle-Quelle-Regelung 24 der PVÜ wenig erhellendes 22 Art. 6 quinquies F PVÜ 23 Art. 5 C II PVÜ 24 Art. 6 quinquies C II PVÜ - 2 -

zur Auslegung des Rechtsbegriffs der unberührten Identität der Marke, da dort von "ne touchant pas à l'identité des marques" die Rede ist, was der deutschen Fassung nichts wesentliches hinzufügt. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unberührtheit der Markenidentität ist jedoch zu berücksichtigen, daß es kaum Sinn machen würde, in der Telle-Quelle-Regelung zwei Voraussetzungen kumulativ miteinander zu verknüpfen, wenn durch die Erfüllung der einen Voraussetzung stets auch die andere Voraussetzung gegeben wäre. Es liegt deshalb der Schluß nahe, daß die beiden Voraussetzungen der Telle-Quelle-Regelung nicht dekkungsgleich sind, so daß auch Fallkonstellationen denkbar sein müssen, in denen die Abwandlung einer Marke zwar die Identität der Marke unberührt läßt, trotzdem aber die Unterscheidungskraft beeinflußt. Umgekehrt könnte es auch möglich sein, daß eine Markenabwandlung zwar die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflußt, aber trotzdem die Markenidentität berührt. Andernfalls wäre es nämlich ausreichend gewesen, in der Telle-Quelle-Regelung der PVÜ ausschließlich darauf abzustellen, ob die Abwandlung der Marke die Markenidentität unberührt läßt, da diese Voraussetzung strenger zu sein scheint. Derartige Fallkonstellationen sind denkbar, wenn man annimmt, daß die Unterscheidungskraft einer Marke auch in diesem Zusammenhang jeweils konkret für die jeweiligen Waren bzw. Dienstleistungen zu beurteilen ist, wohingegen die Identität einer Marke unabhängig von den jeweiligen Waren bzw. Dienstleistungen abstrakt zu ermitteln ist. Auch sind entsprechende Fallkonstellationen denkbar, wenn man bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft konkret auf die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise abstellt, die Identität der Marke aber unabhängig von den angesprochenen Verkehrskreisen abstrakt beurteilt. 5. Betrachtet man beispielsweise eine Wortmarke, die für die Waren "Blindenstöcke" angemeldet ist, so bestehen die einschlägigen Verkehrskreise hauptsächlich aus Blinden. Falls sich Vor- und Nachanmeldung in einem solchen Fall durch eine unterschiedliche Farbgebung unterscheiden, so wird dies von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht bemerkt, so daß die Unterscheidungskraft in dem vorstehend beschriebenen Sinne durch die Abwandlung nicht beeinflußt wird. Bei der Beurteilung der Unberührtheit der Identität von vor- und nachangemeldeter Marke darf dagegen nach dem vorstehend beschriebenen Verständnis nicht nur auf die möglicherweise beschränkte Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise abgestellt werden. Vielmehr sind vor- und nachangemeldete Marke bei dieser Prüfung unabhängig von den einschlägigen Waren bzw. Dienstleistungen und den Verkehrskreisen abstrakt zu vergleichen, so daß die unterschiedliche Farbgebung von vor- und nachangemeldeter Marke die Identität der Marke beeinflussen kann, was die Priorität unwirksam macht. 6. Die beiden Voraussetzungen der unveränderten Unterscheidungskraft einerseits und der Unberührtheit der Markenidentität andererseits fallen beispielsweise auch in Fällen auseinander, bei denen sich die nachangemeldete Marke von der vorangemeldeten Marke durch die Weglassung rein beschreibender Warenangaben unterscheidet. Es ist im Zusammenhang mit der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke anerkannt 25, daß eine derartige Abwandlung die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflußt. Die Weglassung einer rein beschreibenden Warenangabe wird aber die Markenidentität sehr wohl beeinflußen, da diese nach der hier vertretenen Auffassung unabhängig von den einschlägigen Waren bzw. Dienstleistungen abstrakt zu beurteilen ist, so daß die beschreibende Bedeutung des weggelassenen Markenbestandteils bei der Prüfung der Markenidentität unerheblich ist. III. Zwischenergebnis Es wird deshalb hier die Auffassung vertreten, daß bei der Prüfung der Wirksamkeit der Priorität einer Markenanmeldung dieselben Maßstäbe anzulegen sind wie bei der Telle-Quelle-Regelung der PVÜ, wobei die Unterscheidungskraft von vor- und nachangemeldeter Marke konkret in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen sowie die angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen ist, wohingegen die Identität der Marken unabhängig von diesen äußeren Faktoren abstrakt zu ermitteln ist. IV. Abwandlungen einer internationalen Marke gegenüber ihrer Basismarke 1. Das Madrider Markenabkommen (MMA) 26 und das Protokoll zum Madrider Markenabkommen (PMMA) 27 gehen davon aus, daß die Basismarke und die darauf beruhende internationale Marke 25 ALTHAMMER/STRÖBELE/KLAKA MarkenG 6. Aufl. 26 Rdn 83 26 Art. 1 II MMA 27 Art. 2 PMMA - 3 -

identisch sein müssen. Der von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) herausgegebene Leitfaden für IR-Marken 28 ergänzt lediglich, daß die Wiedergabe der IR-Marke in dem IR-Markengesuch identisch mit der Basismarke sein muß, so wie diese in der Basisanmeldung bzw. -eintragung erscheint. Beispielhaft fordert der Leitfaden, daß die IR-Marke bei einer farbigen Basismarke ebenfalls farbig sein muß, während die IR-Marke bei einer schwarzweißen Basismarke entsprechend schwarz-weiß sein muß. Keine der vorstehend genannten Rechtsquellen definiert jedoch Kriterien zur Beurteilung der Identität von Basismarke und IR-Marke. 2. Die einschlägige Kommentarliteratur 29 geht davon aus, daß unbedeutende Abweichungen zwischen Basismarke und IR-Marke unbeachtet bleiben, sofern diese die Kennzeichnungskraft der Marke nicht beeinflussen. Hierbei wird auf die Regelung des Markengesetzes zur rechtserhaltenden Markenbenutzung verwiesen, wonach die Benutzung einer Marke auch in abgewandelter Form rechtserhaltend wirkt, sofern die Abwandlung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert 30 bzw. deren Unterscheidungskraft nicht beeinflußt 31. 3. Das Bundespatentgericht hat in dem vorstehend beschriebenen Sinne in einem konkreten Fall 32 entschieden, daß es sich bei der Hinzufügung eines Bindestrichs zwischen zwei Wörtern nicht um eine unbedeutende Abwandlung handelt, die den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. 4. Es ist also festzustellen, daß die Rechtsprechung an die Identität von Basismarke und IR- Marke geringere Anforderungen stellt als an die Identität von vor- und nachangemeldeter Marke. So wurde vorstehend dargelegt, daß es bei der Prüfung der Identität von prioritätsbegründender Marke und nachangemeldeter Marke nicht ausreicht, daß die Abwandlungen den kennzeichnenden Charakter der Marken nicht verändern bzw. die Unterscheidungskraft nicht beeinflußen. Vielmehr wird bei der Identitätsprüfung von vor- und nachangemeldeter Marke zusätzlich gefordert, daß die Abwandlungen die Identität der Marke nicht berühren. Es sind deshalb Fälle denkbar, in denen Abwandlungen einer Marke bei einer Nachanmeldung unter Inanspruchnahme einer PVÜ-Priorität zu einem Verlust der Priorität 28 Guide to the international registration of marks under the Madrid Agreement and the Madrid Protocol, Part B, Chapter II, Item 7, 14.01 29 FEZER MarkenG 2. Aufl. Art. 1 MMA Rdn 5 30 26 III MarkenG 31 Art. 10 II a) EU-Markenrichtlinie 32 BPatG 29 W (pat) 145/88 vom 14. Dezember 1988 führen, während dieselben Abwandlungen bei einer nachfolgenden IR-Marke als belanglos akzeptiert werden. Dies erscheint jedoch aus verschiedenen Gründen problematisch, wie im folgenden dargelegt wird. 5. Zum einen bilden das MMA und das PMMA 33 Sonderabkommen im Sinne von Art. 19 PVÜ, so daß eine einheitliche Beurteilung des Rechtsbegriffs der Markenidentität als gewünscht erscheint. Darüber hinaus enthält das MMA zahlreichen Bezüge 34 auf die PVÜ, die eine konventionsrechtliche Auslegung des Begriffs der Markenidentität auch im MMA und im PMMA nahelegen. 6. Zum anderen legt das MMA 35 ausdrücklich fest, daß eine IR-Marke die Priorität ihrer Basismarke genießt, sofern die Prioritätsfrist eingehalten wird. Es wäre deshalb widersprüchlich, wenn an die Identität von Basismarke und IR-Marke geringere Anforderungen gestellt werden als an die Identität von vor- und nachangemeldeter Marke. V. Zwischenergebnis Bei der Prüfung der Identität von Basismarke und IR-Marke wird in Literatur und Rechtsprechung davon ausgegangen, daß solche Abwandlungen unschädlich sind, die den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Es wird jedoch hier die Auffassung vertreten, daß auch bei der Prüfung der Identität von Basismarke und IR-Marke zusätzlich zu fordern ist, daß die Identität der Marke durch die Abwandlung nicht berührt wird. VI. Abweichungen zwischen eingetragener Marke und tatsächlicher Benutzungsform 1. Es wurde bereits eingangs dargelegt, daß sich ein ähnliches Problem stellt, wenn der Inhaber einer eingetragenen Marke oder dessen Lizenznehmer die eingetragene Marke in abgewandelter Form benutzt und sich in einem Markenverletzungsverfahren gegenüber zwischenzeitlich entstandenen Kennzeichenrechten Dritter auf das positive Benutzungsrecht der Markeneintragung und deren Zeitrang berufen möchte. 2. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn es sich bei dem zwischenzeitlich entstandenen kollidierenden Kennzeichenrecht ebenfalls um eine eingetragene Marke handelt, die wegen einer zwischenzeitlichen Nichtbenutzung 36 der älteren Marke 33 Art. 1 I MMA; Art. 1 PMMA 34 Art. 2; 3 V; 4 II; 9 ter IV MMA 35 Art. 4 II MMA 36 vgl. 51 IV Nr. 1 MarkenG - 4 -

oder aufgrund einer Duldung 37 durch den Inhaber der älteren Marke Bestandskraft erlangt hat und von dem Inhaber der älteren Marke deshalb nicht mehr angegriffen werden kann. In einem solchen Fall kann sich der Benutzer der abgewandelten Marke in einem Markenverletzungsverfahren nur damit verteidigen, daß auch die abgewandelte Benutzungsform durch den Zeitrang der Markeneintragung gedeckt ist 38. 3. Nach der jüngeren BGH-Entscheidung "SUBWAY/Subwear" 39 reicht es für die Berufung auf den Zeitrang einer Markenanmeldung nicht aus, wenn zwischen der eingetragenen Marke und der tatsächlich benutzten Marke lediglich eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht. Die umfangreiche Rechtsprechung zur Frage der Verwechslungsgefahr läßt sich also nicht bei der Prüfung der Frage heranziehen, ob die Abwandlungen des Kennzeichens zu einem Zeitrangverlust führen. 4. Es wäre jedoch auch bei dieser Fallkonstellation denkbar 40, an die Übereinstimmung der angemeldeten und eingetragenen Markenform einerseits und der abgewandelten und tatsächlich benutzten Markenform andererseits die gleichen Maßstäbe anzulegen, die auch bei der Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke angelegt werden. So wird bekanntermaßen auch die Benutzung einer Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form als rechtserhaltend anerkannt, sofern die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter nicht verändern 41 bzw. die Unterscheidungskraft nicht beeinflussen 42. Nach der bereits erwähnten BGH-Entscheidung "SUBWAY/Subwear" sagen die für die rechtserhaltende Benutzung maßgebenden Regelungen jedoch nichts darüber aus, was Gegenstand des durch die Eintragung begründeten Markenrechts ist, so daß sich an diese Regelung nicht unmittelbar anknüpfen läßt. Es reicht also für den Erhalt des Zeitrangs nicht aus, daß die Abwandlungen einer eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft bzw. den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht beeinflussen. 5. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß sowohl die Regelung der PVÜ 43 zur rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke als auch die Telle-Quelle-Regelung der PVÜ 37 vgl. 51 II Satz 1 MarkenG 38 vgl. 6 MarkenG 39 BGH Mitt. 2000, 504 SUBWAY/Subwear 40 vgl. INGERL/ROHNKE MarkenG 6 Rdn 15 41 26 III Satz 1 MarkenG 42 Art. 10 II a) EU-Markenrichtlinie 43 Art. 5 C II PVÜ in wörtlicher Übereinstimmung die Voraussetzung enthalten, daß durch die Abwandlung der tatsächlich benutzten Markenform gegenüber der eingetragenen Markenform die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflußt wird. Dies legt den Schluß nahe, daß die Regelung zur rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke sehr wohl bei der Prüfung der Frage heranzuziehen ist, ob die Abwandlung eines Kennzeichens zu einem Verlust des Zeitrangs führt. Der BGH wollte in der Entscheidung "SUBWAY/Subwear" möglicherweise nur zum Ausdruck bringen, daß die unveränderte Unterscheidungskraft keine hinreichende Voraussetzung für den Erhalt des ursprünglichen Zeitrangs ist, aber gleichwohl eine notwendige Voraussetzung hierfür bildet. Demzufolge führen solche Abwandlungen eines Kennzeichens zu einem Verlust des ursprünglichen Zeitrangs, welche die Unterscheidungskraft beeinflussen, so daß sehr wohl auf die einschlägige Rechtsprechung zur rechtserhaltenden Benutzung von eingetragenen Marken zurückgegriffen werden kann. 6. In den früheren höchstrichterlichen Entscheidungen "Mampe" 44 und "Wyeth" 45 wurde die Auffassung vertreten, daß solche Abwandlungen einer Marke zu einem Zeitrangverlust führen, welche die Unterscheidungskraft und die Identität der Marke nicht unbeeinflußt lassen, wobei diese beiden Voraussetzungen wiederum von der bereits vorstehend diskutierten Telle-Quelle-Regelung der PVÜ abgeleitet sind. Es kann deshalb zur Auslegung dieser beiden unbestimmten Rechtsbegriffe auf die vorstehenden Ausführungen zu Abwandlungen zwischen vor- und nachangemeldeter Marke verwiesen werden. VII. Zwischenergebnis Bei der Prüfung des Erhalts des Zeitrangs einer Markenanmeldung sind also in Anbetracht von Abwandlungen einer gegenüber der angemeldeten und eingetragenen Markenform abgewandelten Benutzungsform dieselben Maßstäbe anzulegen, wie bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Markenpriorität in Anbetracht von Abwandlungen zwischen vor- und nachangemeldeter Marke. Die Abwandlungen der tatsächlich benutzten Markenform gegenüber der angemeldeten und eingetragenen Markenform dürfen also den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern und die Identität der Marke nicht berühren, damit sich der Markenbenutzer gegenüber 44 RG GRUR 1937, 221 - Mampe 45 BGH GRUR 1958, 185 - Wyeth - 5 -

Zwischenrechten auf den Zeitrang der Markenanmeldung berufen kann. VIII. Abwandlungen bei Benutzungsmarken und geschäftlichen Bezeichnungen 1. Es wurde bereits eingangs dargelegt, daß sich ein ähnliches Problem stellt, wenn ein durch Benutzung erworbenes Kennzeichenrecht, wie eine Benutzungsmarke oder eine geschäftliche Bezeichnung, nach dem Zeitpunkt der Schutzentstehung in abgewandelter Form benutzt wird und sich der Benutzer gegenüber zwischenzeitlich entstandenen verwechslungsfähigen Kennzeichenrechten Dritter auf den Zeitrang der rechtskonstituierenden Benutzungsaufnahme berufen muß. Auch in einem solchen Fall stellt sich die Frage, welche Abwandlungen gegenüber der ursprünglichen Kennzeichenform zu einem Zeitrangverlust führen. 2. In der BGH-Entscheidung "Metrix" 46 wurde klargestellt, daß auch in solchen Fällen darauf abzustellen ist, ob die Abwandlung die Unterscheidungskraft des Kennzeichens beeinflußt und dessen Identität berührt, was ebenfalls von der Telle-Quelle- Regelung der PVÜ abgeleitet wird. Es kann also auch in diesen Fällen auf die vorstehenden Ausführungen zur Auslegung dieser beiden unbestimmten Rechtsbegriffe verwiesen werden. IX. Zwischenergebnis Auch bei der Prüfung des Erhalts des Zeitrangs von durch Benutzung erworbenen Kennzeichenrechten, wie Benutzungsmarken und geschäftlichen Bezeichnungen, ist also darauf abzustellen, ob die Abwandlungen zwischen der ursprünglichen rechstkonstituierenden Benutzungsform einerseits und der tatsächlichen Benutzungsform andererseits die Unterscheidungskraft des Kennzeichens beeinflußen oder die Identität des Kennzeichens berühren. X. Zusammenfassung 1. Es läßt sich deshalb zusammenfassend sagen, daß im Kennzeichenrecht unabhängig von der Kennzeichenart einheitliche Maßstäbe bei der Beantwortung der Frage anzulegen sind, ob eine Kennzeichenabwandlung zu einem Verlust des ursprünglichen Zeitrangs führt. 2. Hierbei ist darauf abzustellen, ob durch die Kennzeichenabwandlung die Unterscheidungskraft des Kennzeichens beeinflußt oder die Identität des Kennzeichens berührt wird. 3. Ferner wird hier die Auffassung vertreten, daß die Unterscheidungskraft bei dieser Prüfung konkret anhand der einschlägigen Waren, Dienstleistungen bzw. der Branche und unter Berücksichtigung der angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen ist, wohingegen die Identität des Kennzeichens abstrakt zu ermitteln ist, ohne auf diese äußeren Faktoren einzugehen. XI. Schlußfolgerung 1. Falls durch Benutzung erworbene Kennzeichenrechte wie geschäftliche Bezeichnungen 47 und Benutzungsmarken 48 in abgewandelter Form benutzt werden, so besteht die Gefahr, daß die Abwandlungen zu einem Verlust des ursprünglichen Zeitrangs führen. Der Benutzer des abgewandelten Kennzeichens kann sich dann gegenüber zwischenzeitlich entstandenen kollidierenden Kennzeichenrechten Dritter nicht mehr auf seinen ursprünglichen Zeitrang berufen und wird demzufolge in einer möglichen Kennzeichenstreitsache unterliegen. Bei einer Abwandlung von nicht registrierten Kennzeichenrechten sollte deshalb sorgfältig geprüft werden, ob die Abwandlung zu einem Verlust des ursprünglichen Zeitrangs führt und die Benutzung des abgewandelten Kennzeichens möglicherweise zwischenzeitlich entstandene Kennzeichenrechte Dritter verletzt. 2. Bei der Abwandlung eingetragener Marken ist diese Gefahr zwar in gleicher Weise gegeben, jedoch führt dies in der Praxis zu geringeren Problemen, wie im folgenden dargelegt wird. a) So kann der Markeninhaber das kollidierende Kennzeichenrecht während der Benutzungsschonfrist unabhängig von der tatsächlichen Benutzungsform der eingetragenen Marke angreifen und ist somit zu seiner Verteidigung nicht darauf beschränkt, sich auf den Zeitrang der Markenanmeldung zu berufen. b) Nach Ablauf der Benutzungsschonfrist setzt ein derartiger Gegenangriff auf das kollidierende Kennzeichenrecht zwar eine rechtserhaltende Benutzung der eingetragenen Marke voraus, jedoch wurde vorstehend dargelegt, daß bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung einer abgewandelt benutzten eingetragenen Marke großzügigere Maßstäbe angelegt werden als bei der Prüfung der Frage, ob die Abwandlungen zu einem Verlust des Zeitrangs führen. 46 BGH GRUR 1973, 661 - Metrix 47 gemäß 5 MarkenG 48 gemäß 4 Nr. 2 MarkenG - 6 -

Es können deshalb Fälle auftreten, in denen die abgewandelte Benutzungsform nicht in den Genuß des Zeitrangs der zugehörigen Markeneintragung kommt, obwohl dieselbe Benutzungsform für die Markeneintragung als rechtserhaltend anerkannt wird. In solchen Fällen kann sich der Benutzer der abgewandelten Kennzeichenform zwar in einem Markenverletzungsverfahren gegenüber zwischenzeitlich entstandenen Kennzeichenrechten Dritter nicht auf den Zeitrang der Markeneintragung berufen, jedoch hat er die Möglichkeit, das anspruchsbegründende Kennzeichenrecht beispielsweise im Wege der Widerklage mit seiner älteren und trotz der Abwandlungen rechtserhaltend benutzten eingetragenen Marke anzugreifen. 3. Dies hat praktisch zur Folge, daß eine eingetragene Marke weitergehend abgewandelt werden kann als ein nur durch Benutzung erworbenes Kennzeichenrecht. Auch aus diesem Grund empfiehlt es sich, durch Benutzung erworbene Kennzeichenrechte wie geschäftliche Bezeichnungen und Benutzungsmarken stets durch eine Markenanmeldung abzusichern. * * * * * - 7 -