Arbeitsrecht Ausgabe 2/2008



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Transkript:

Arbeitsrecht Ausgabe 2/2008 I. Neue Entscheidungen 1. Kündigung eines Low Performers BAG vom 17.01.2008, 2 AZR 536/06, PM Nr. 5/08 Die verhaltensbedingte Kündigung eines leistungsschwachen Arbeitnehmers ( Low Performer") kann nach 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten durch fehlerhaftes Arbeiten schuldhaft verletzt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er die geschuldete qualitative Leistung vorwerfbar und erheblich unterschreitet. Das Urteil, zu dem bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, ist soweit ersichtlich die erste Entscheidung des BAG zu einer qualitativen Minderleistung in der industriellen Massenproduktion. Die Arbeitsleistung des gekündigten Arbeitnehmers konnte durch entsprechende technische Einrichtungen über einen längeren Zeitraum genauestens erfasst und dokumentiert werden. Dadurch war feststellbar, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hat. Der Arbeitgeber konnte vortragen, welche Fehler der Arbeitnehmer nach Art und Ursache begangen, welcher Beobachtungszeitraum zugrunde gelegen und inwieweit die durchschnittliche Fehlerquote (tatsächliche Fehlerzahl, Art, Schwere sowie Folgen) die Leistung der Vergleichsgruppe unterschritten hat. Dieser Vortrag ist notwendig. Wichtig ist auch, ob die Schlechtleistung bereits anderweitig sanktioniert ist, z.b. durch Prämienabzug. In der Praxis ist die Kündigung eines Low Performers weiterhin äußerst schwierig. Die Anforderungen an den Nachweis einer schuldhaften Schlechtleistung sind sehr hoch. Regelmäßig können Arbeitgeber die Schlechtleistung nicht hinreichend konkret und detailliert vortragen. 2. Kein Abfindungsanspruch nach 1a KSchG bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage BAG vom 13.12.2007, 2 AZR 971/06, PM Nr. 93/07 Hat der Arbeitgeber dem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer eine Abfindung gemäß 1a KSchG in Aussicht gestellt, so kann der Arbeitnehmer diese Abfindung nur beanspruchen, wenn er die Dreiwochenfrist für die Anrufung des Arbeitsgerichts verstrei-

chen lässt. Hat der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben oder einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gestellt, schließt das den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach 1a KSchG endgültig aus. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Klage oder den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung wieder zurück nimmt. Mit der Entscheidung hat das BAG die im Schrifttum nahezu einheitlich vertretene Auffassung (Bauer/Krieger, NZA 2004, 77, 79) bestätigt, wonach das Erheben einer Kündigungsschutzklage den Abfindungsanspruch nach 1a KSchG endgültig und somit auch für den Fall einer späteren Klagerücknahme ausschließt. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. 3. Nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung kann der Arbeitgeber vorsorglich Urlaub gewähren BAG vom 14.08.2007, 9 AZR 934/06 Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall zu gewähren, dass die von ihm erklärte außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Mit der vorsorglichen Urlaubsgewährung kann der Arbeitgeber verhindern, dass neben den Annahmeverzugsansprüchen auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung entstehen. Wird ein Arbeitnehmer außerordentlich fristlos gekündigt, denken Arbeitgeber nur selten an die Erteilung von Urlaub, da sie von der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen. Wird später jedoch festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist oder nur eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hat, können dem Arbeitnehmer Urlaubsabgeltungsansprüche zustehen. Eine vorsorgliche Urlaubsgewährung kann das vermeiden. Um den Bestimmtheitserfordernissen einer Urlaubserteilung zu genügen, muss der Arbeitgeber erkennen lassen, dass er Urlaub erteilt und für welchen Zeitraum. 4. Gründe für den Widerspruch nach 613a BGB sind bei der Sozialauswahl nicht zu berücksichtigen BAG vom 31.05.2007, 2 AZR 218/06 Der Arbeitnehmer kann gemäß 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Betriebs widersprechen. Sein Arbeitsverhältnis geht dann nicht über, sondern verbleibt bei dem Veräußerer des Betriebs. Führt der Widerspruch des Arbeitnehmers dazu, dass beim Veräußerer ein Personalüberhang entsteht, ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchzuführen, in die alle Arbeitnehmer, auch die dem Betriebsübergang widersprechenden, einzubeziehen sind. Die Gründe für den erklärten Widerspruch sind bei der Sozialauswahl nicht zu berücksichtigen. 2

Das BAG ist von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Widerspruchsgründe bei der Sozialauswahl abgerückt. Bislang konnten die Gründe für den Widerspruch gemäß 613a Abs. 6 BGB im Rahmen der Sozialauswahl berücksichtigt werden. Relevanz hatte das insbesondere dann, wenn der widersprechende Arbeitnehmer einen vom Betriebsübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer von seinem Arbeitsplatz verdrängt hätte, der unter sozialen Gesichtspunkten nur geringfügig weniger schutzwürdig war (dazu BAG vom 18.03.1999, 8 AZR 190/98). Da der Gesetzgeber die sozialen Auswahlkriterien in 1 Abs. 1 KSchG mit Wirkung ab 01.01.2004 abschließend geregelt hat, hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung geändert. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er die Sozialauswahl im Betrieb zwischen allen vergleichbaren Arbeitnehmern durchführen muss, einschließlich derer, die einem Betriebsübergang widersprechen. Ein widersprechender Arbeitnehmer kann daher, unabhängig von den Motiven seines Widerspruchs, einen anderen Arbeitnehmer verdrängen, der nicht vom Betriebsübergang betroffen ist. 5. Zum Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung seiner Arbeitszeit BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 239/07 Will ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduzieren, muss er sein Teilzeitverlangen so präzisieren, dass der Arbeitgeber diesem mit einem einfachen ja zustimmen kann. Dabei muss der Arbeitnehmer insbesondere den zeitlichen Umfang der von ihm gewünschten Arbeitszeitreduzierung konkret benennen. Hat der Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit verlangt und hat der Arbeitgeber dieser Verringerung zugestimmt oder sie aus berechtigten Gründen abgelehnt, so kann der Arbeitnehmer eine erneute Verringerung seiner Arbeitszeit gemäß 8 Abs. 6 TzBfG frühestens nach Ablauf von zwei Jahren verlangen. Um aber überhaupt Teilzeit im Sinne des Gesetzes zu verlangen, muss die Forderung des Arbeitnehmers diesen Anforderungen genügen. Anderenfalls liegt ein Verringerungsverlangen im Sinne von 8 Abs. 1 TzBfG nicht vor, so dass die Veränderungssperre des 8 Abs. 6 TzBfG nicht greift. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er sich mit einem Teilzeitverlangen seines Arbeitnehmers nur dann auseinandersetzen muss, wenn dieser den zeitlichen Umfang der gewünschten Arbeitszeitreduzierung konkret benennt. Anderenfalls liegt überhaupt kein Verlangen nach Verringerung der Arbeitszeit im Sinne von 8 Abs. 1 TzBfG vor. Zu beachten ist aber, dass die strengen Anforderungen des BAG nur hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der gewünschten Arbeitszeitreduzierung gelten. Bei der Verteilung der Arbeitszeit sieht 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur vor, dass der Arbeitnehmer seine Wünsche angeben soll. Das Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers ist damit auch dann hinreichend bestimmt, wenn es sich lediglich konkret zu dem zeitlichen Umfang der gewünschten Arbeitszeitreduzierung äußert, zu der Verteilung der reduzierten Arbeitszeit jedoch kaum oder sogar keine Angaben macht. 3

6. Verzicht auf Kündigungsrecht durch Abmahnung BAG vom 13.12.2007, 6 AZR 145/04, PM Nr. 92/07 Durch Ausspruch einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber (konkludent) auf das Recht zur Kündigung wegen des abgemahnten Pflichtverstoßes. Das gilt auch bei einer Abmahnung während der Wartezeit des 1 Abs. 1 KSchG. Wenn der Arbeitgeber in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Abmahnung kündigt, spricht eine Vermutung dafür, dass er die Kündigung wegen des abgemahnten Verhaltens ausgesprochen hat. Auch während der sechsmonatigen Wartezeit des 1 Abs. 1 KSchG gilt, dass ein abgemahntes Verhalten eine Kündigung nicht mehr rechtfertigen kann, obwohl an sich kein Kündigungsgrund erforderlich ist. In der Praxis muss sich der Arbeitgeber vor allen Dingen darauf einstellen, dass aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung geschlossen wird, es liege ein Zusammenhang vor. Sicherste Lösung während des Laufs der Wartefrist ist damit, nicht abzumahnen, sondern gleich zu kündigen. Wurde bereits abgemahnt, darf nur noch aus einem anderen Grund gekündigt werden. 7. Dreiwöchige Klagefrist bei der Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer BAG vom 13.02.2008, 2 AZR 864/06 Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist nur wirksam, wenn zuvor das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat. Kündigt der Arbeitgeber ohne diese Zustimmung, beginnt die dreiwöchige Klagefrist nach 4 KSchG nicht zu laufen. Der Arbeitnehmer kann die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen. Grundsätzlich muss ein gekündigter Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben. Ansonsten gilt die Kündigung als wirksam. Diese Fiktion gilt neben der Sozialwidrigkeit ( 1 KSchG) z.b. auch für die fehlerhafte oder unterbliebene Betriebsratsanhörung ( 102 BetrVG) oder die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ( 613a Abs. 4 Satz 1 BGB). Gleiches gilt grundsätzlich für die fehlende Zustimmung der zuständigen Behörden ( 9 MuSchG, 18 BEEG sowie 85 SGB IX). Allerdings beginnt bei einer Kündigung, die der Zustimmung einer Behörde bedarf, die Klagefrist erst zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer die Entscheidung der Behörde bekannt gegeben wurde ( 4 Satz 4 KSchG). Gemeint ist damit der Fall, dass dem Arbeitnehmer eine Kündigung zugeht, bevor er die entsprechende Behördenentscheidung erhalten hat. In diesem Fall läuft die Klagefrist erst ab Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung. Hat der Arbeitgeber die behördliche Zustimmung aber gar nicht eingeholt, beginnt mangels Bekanntgabe der Behördenentscheidung die dreiwöchige Klagefrist nicht zu laufen. Geht die Kündigung erst nach Erhalt der be- 4

hördlichen Zustimmung zu, beginnt die Dreiwochenfrist gemäß 4 Satz 1 KSchG dagegen ab Zugang der Kündigung zu laufen. 8. Zur Verwirkung des Widerspruchsrechts beim Betriebsübergang BAG vom 20.03.2008, 8. Senat Das BAG hat am 20.03.2008 in mehreren Fällen zu den Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben beim Betriebsübergang ( 613 a Abs. 5 BGB) sowie zur Frage der Verwirkung des Widerspruchsrechts ( 613 a Abs. 6 BGB) entschieden. In zwei Fällen hat das BAG ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bejaht. Die Vorinstanz (LAG Köln vom 14.06.2007, 14 Sa 1225/06, 14 Sa 88/07) hat bemängelt, dass im Informationsschreiben die wirtschaftliche Lage des Betriebsübernehmers wesentlich besser dargestellt wurde, als sie tatsächlich war. Eine wahrheitsgemäße Information bilde aber eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Arbeitnehmer bei der möglichen Ausübung des Widerspruchsrechts. Ohne ordnungsgemäße Unterrichtung beginne die Widerspruchsfrist nach Ansicht des LAG nicht zu laufen. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts komme zumindest solange nicht in Betracht, wie die Falschangaben im Informationsschreiben nicht korrigiert worden seien. Das BAG hat die Entscheidung zumindest im Ergebnis gebilligt. Zu den Entscheidungen des BAG liegen die Gründe noch nicht vor. Auch Pressemitteilungen sind nicht veröffentlicht. Es bleibt daher abzuwarten, mit welcher Begründung das BAG eine Verwirkung des Widerspruchsrechts verneint hat. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Widersprüche erst nach der Insolvenz der Erwerbers erklärt wurden. 9. Die dem Post-Mindestlohn zu Grunde liegende Rechtsverordnung des Arbeitsministeriums ist rechtswidrig Verwaltungsgericht Berlin vom 07.03.2008, 4 A 439/07 Die Erstreckung des Mindestlohns auf die gesamte Branche der Briefdienstleistungen ist rechtswidrig. Geklagt hatten u.a. Konkurrenten der Deutsche Post AG gegen die am 01.01.2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen. Mit dieser Verordnung wurden die Tarifverträge der Deutsche Post AG auch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt, die nicht an diese Tarifverträge gebunden sind. Damit müssen die Konkurrenzunternehmen die weitaus höheren Mindestlöhne der Deutsche Post AG an ihre Arbeitnehmer zahlen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Verordnung rechtswidrig ist. Das zugrunde liegende Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) ermöglicht nur eine Mindestlohn-Regelung, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Tarifvereinbarung betreffen. Auf Konkurrenzfirmen mit eigener Tarifbindung wie es hier der Fall ist darf das Entsendegesetz dagegen nicht angewendet werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat bereits Berufung eingelegt. Die Mindestlohn-Verordnung bleibt weiterhin in Kraft. 5

II. Gesetzesänderungen Verlängerte Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I Der Gesetzgeber hat rückwirkend zum 01.01.2008 eine Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmer beschlossen (Sechstes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Mit dem Gesetz werden Teile der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 zurückgenommen. So erhalten Erwerbslose ab 50 Jahren mit mindesten 30 Versichertenmonaten künftig für 15 Monate ALG I, 55-Jährige mit mindestens 36 Versicherungsmonaten für 18 Monate. Für über 58-Jährige mit mindestens 48 Beitragsmonaten steigt die Bezugsdauer auf bis zu 24 Monate. Zugleich wurde der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung zum 01.01.2008 von 4,2 % auf 3,3 % verringert. Sollten Sie den Newsletter Arbeitsrecht bestellen, abbestellen oder weiterempfehlen wollen, können Sie sich gerne per E-Mail an arbeitsrecht@gleisslutz.com wenden. Für weitere Fragen und Informationen stehen Ihnen Ihre Ansprechpartner in den Gleiss Lutz Büros jederzeit zur Verfügung: 6

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