1 Einleitung. 1.1 Rezeptortyrosinkinasen



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Einleitung 1 1 Einleitung In lebenden Zellen findet eine Vielzahl biochemischer Prozesse statt, die einer ständigen Kontrolle und Regulation bedürfen. Um intrazelluläre Prozesse aufeinander abstimmen zu können, müssen Zellen ständig in der Lage sein, mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Die Veränderungen in der Umgebung werden durch Zelloberflächenrezeptoren registriert und über intrazelluläre Signalketten verarbeitet. Dadurch kommt es zum Ein- bzw. Abschalten bestimmter Stoffwechselprozesse und/oder bestimmter Gene. Als Folge können so Differenzierungs-, Zellteilungs- oder apoptotische Prozesse ausgelöst werden. Eine Störung dieses feinen Regelwerks kann daher negative Auswirkung auf die Zelle und den Organismus haben und zum Beispiel zur Entstehung von Krankheiten wie Tumoren führen. Nahezu 25 % aller Todesfälle in Deutschland sind auf Tumorerkrankungen zurückzuführen. Damit stellt Krebs die zweithäufigste Todesursache nach den Herz-Kreislauferkrankungen in unserem Land dar. Trotz intensiver Behandlung überlebt die Hälfte der Patienten einen Folgezeitraum von fünf Jahren nicht (Statistisches Bundesamt 2005), da die Wirksamkeit verfügbarer zytostatischer Therapieformen nach wie vor begrenzt und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden ist. Neue Behandlungsmethoden eröffnen sich durch hochselektive Therapiestrategien, die gezielt pathologisch bedeutsame Biomoleküle neutralisieren und dabei gesundes Gewebe unbeeinträchtigt lassen. Grundlage dieser gerichteten Tumortherapien ist die Untersuchung der molekularen Ursachen für Krebs. Bei der Suche nach Tumor-assoziierten Genen wurden in der Arbeitsgruppe zwei Mitglieder der Rezeptortyrosinkinasen und deren Isoformen aus Tumoren identifiziert (Alves et al., 1995). Im Folgenden soll daher auf die Klasse der Rezeptortyrosinkinasen näher eingegangen werden. 1.1 Rezeptortyrosinkinasen Obwohl Rezeptortyrosinkinasen unterschiedliche Zellantworten vermitteln, haben sie alle ein gemeinsames Strukturprinzip: eine glykosylierte, extrazelluläre, ligandenbindende Domäne, eine hydrophobe Transmembranregion und eine stark konservierte intrazelluläre Domäne, die Adenosintriphosphat (ATP) bindet und die Phosphorylierungsreaktion ausführt (Yarden und Ullrich, 1988). Bis auf wenige Ausnahmen, wie den Rezeptoren der Insulin-Familie, handelt es sich bei den 1

Einleitung 2 transmembranen Rezeptortyrosinkinasen um Monomere (Greenfield et al., 1989; Seifert et al., 1989.; Heldin et al., 1989; Hammacher et al., 1989). Durch Bindung eines spezifischen Liganden wird eine Dimerisierung benachbarter Rezeptoren herbeigeführt, die eine Aktivierung der intrinsischen Kinaseaktivität bewirkt und zur gegenseitigen intermolekularen Transphosphorylierung mehrerer Tyrosinreste der zytoplasmatischen Domäne führt (Ullrich und Schlessinger, 1990; Schlessinger 1995). Adapterproteine, die an die Phosphotyrosinreste von Rezeptortyrosinkinasen binden, sind für die Weiterleitung der Signale an zytoplasmatische oder kernlokalisierte Zielproteine verantwortlich (Cantley et al., 1991). Das Ausmaß dieser Tyrosinphosphorylierung von Zielproteinen wird sowohl von der Aktivität der Rezeptortyrosinkinasen als auch von Proteintyrosinphosphatasen bestimmt, die für die Dephosphorylierung von Tyrosinresten verantwortlich sind. Die Umkehr der Aktivierung ermöglicht der Zelle eine flexible Reaktion auf äussere Reize (Neel und Tonks, 1997). Die Tatsache, dass viele Rezeptoren mit Tyrosinkinaseaktivität eine Rolle bei der Entstehung von Krebserkrankungen spielen, unterstreicht die Bedeutung der Rezeptortyrosinkinasen für die Wachstumskontrolle und Differenzierung. Fehlregulationen von Rezeptortyrosinkinasen wie beispielsweise die dauerhafte Aktivierung der Tyrosinkinaseaktivität ohne Ligandenbindung (Ullrich und Schlessinger, 1990) oder ihre mitunter ektope Überexpression sind dabei von pathophysiologischer und prognostischer Bedeutung. So wurde eine Überexpression des epidermal growth factor-rezeptors in Plattenepithelkarzinomen sowie Glioblastomen und später auch bei anderen Tumorentitäten beschrieben (Salomon et al., 1995). 30 % der Mamma- und Ovarialkarzinome zeigen eine Überexpression des epidermal growth factor-rezeptor-ähnlichen Rezeptors HER2/neu. Bei Patientinnen mit HER2/neu positiven Tumoren besteht eine direkte Korrelation zwischen der Expression des HER2/neu Rezeptors und der Prognose (Salomon et al., 1989). Der Nachweis von HER2/neu positiven disseminierten Tumorzellen im Knochenmark dieser Patientinnen ist assoziiert mit dem Vorliegen einer klinisch manifesten Metastasierung (Pantel et al., 1993). Aufgrund ihrer strukturellen Unterschiede, die sich hauptsächlich aus den Variationen der extrazellulären Domänen ergeben, wurden die bislang 50 bekannten Rezeptortyrosinkinasen in 19 verschiedene Familien eingeteilt (van der Geer et al., 1994). 2

Einleitung 3 1.2 Discoidin-Domain-Rezeptoren - eine Subklasse der Rezeptortyrosinkinasen Discoidin-Domain Rezeptoren (DDR), Mitglieder einer eigenen Familie der Rezeptortyrosinkinasen, und seine Isoformen wurden aus epithelialen Tumoren identifiziert und zunächst als mammary carcinoma kinase (DDR1) und als colon carcinoma kinase (DDR2) bezeichnet (Alves et al., 1995). Ihr Aufbau entspricht dem allgemeinen Strukturprinzip der Rezeptortyrosinkinasen (Abb.1.2.1). Charakteristisch für DDR1 und DDR2 ist eine lange Juxtamembranregion, die sich in Ausdehnung und Aminosäuresequenz erheblich bei beiden Rezeptoren unterscheidet (Di Marco et al., 1993; Johnson et al., 1993; Perez et al., 1994; Alves et al., 1995). Aufgrund eines einzigartigen Motivs in der extrazellulären Domäne bilden DDR1 und DDR2 eine eigene Subklasse von Rezeptortyrosinkinasen. Dieses Motiv zeigt eine Homologie zu dem Discoidin I-Protein, einem Lektin des Schleimpilzes Dictyostelium discoideum. Das Discoidin-Motiv in der extrazellulären Domäne der DDR-Rezeptoren kommt ebenfalls in verschiedenen Zelladhäsionsproteinen vor. So wurde es zweifach wiederholt am C-Terminus von den milk fat globule Membranproteinen MFG-E8 und BA46 sowie in Del-1, einem in Endothelzellen vorkommenden Protein, und in den C2-Domänen der Blutgerinnungsfaktoren V und VIII nachgewiesen (Kane und Davie, 1988; Stubbs et al., 1990; Taylor et al., 1997; Hidai et al., 1998). Letztere binden Phospholipide auf der Oberfläche von Thrombozyten und haben damit Zelladhäsionseigenschaften (Kane und Davie, 1988). Verschiedene Kollagene wurden als Liganden der DDR-Rezeptoren identifiziert. DDR1 wird von bisher allen untersuchten Kollagenen (Typ I bis VI) stimuliert, während DDR2 nur nach Stimulation mit den fibrillären Kollagenen Typ I, II, III und V aktiviert wird (Vogel et al., 1997; Shrivastava et al., 1997). 3

Einleitung 4 Ligand: Kollagen Signalpeptid Discoidin-Domäne Transmembranregion Juxtamembranregion Kinasedomäne I - V I III, V 78 % 65 % 62 % 84 % C-Terminus DDR1 DDR2 Abb. 1.2.1: Discoidin-Domain-Rezeptoren. Schematische Darstellung von DDR1 (hier als Isoform DDR1a dargestellt) und DDR2 mit allen charakteristischen Merkmalen und Regionen der Rezeptortyrosinkinasen sowie Vergleich der Sequenzhomologien der Rezeptoren in Prozent (rechts). Ebenfalls dargestellt sind die als Liganden nachgewiesenen Kollagentypen für DDR1 und DDR2. Die Aktivierung der Tyrosinkinasen der DDR-Rezeptoren dauert ungewöhnlich lange und hält bis zu vier Tage an. Die Discoidin-Domäne ist dabei für die Bindung des Kollagens notwendig (Curat et al., 2001). Die extrazellulären Domänen der DDR-Rezeptoren binden direkt und mit hoher Affinität Kollagen (Leitinger, 2003). Die Aktivierung von DDR1 bzw. DDR2 durch Kollagen führt in der humanen Fibrosarkom-Zelllinie HT1080 zur Expression von Matrixmetalloproteinase 2 (MMP2) bzw. zur Expression von fibrillärem Kollagen abbauender MMP1 (Vogel et al., 1997). Die besondere Bedeutung der Juxtamembranregion für DDR-Rezeptoren wird dadurch unterstrichen, dass zwei Isoformen von DDR1 identifiziert wurden, die sich durch eine 37 Aminosäuren lange Insertation in dieser Region unterscheiden (Playford et al., 1996). Sie enthält auffällige Sequenzmotive, die potentielle Bindungsstellen für intrazelluläre Signalproteine darstellen. Die längere Isoform DDR1b wird im Gegensatz zur kürzeren Isoform DDR1a im embryonalen Gewebe der Maus und im adulten Gehirn exprimiert (Laval et al., 1994). Bis heute wurden noch drei weitere Isoformen von DDR1 beschrieben, die durch alternatives Spleißen entstehen. Das längste Transkript kodiert für die c- 4

Einleitung 5 Isoform und wird zu einem Protein mit 919 Aminosäuren translatiert. DDR1d stellt einen membranverankerten, verkürzten Rezeptor dar, dem Teile der Juxtamembranregion und die Kinasedomäne fehlen. In DDR1e kommt es durch eine Leserasterverschiebung im Bereich der Juxtamembranregion zum Verlust der ATP- Bindungsstelle (Abb. 1.2.2). Damit unterscheiden sich DDR1d und DDR1e von den anderen bekannten Isoformen durch das Fehlen der Tyrosinkinaseaktivität (Alves et al., 2001) und nehmen vermutlich andere, bisher unbekannte biologische Funktionen war. Signalpeptid Discoidin- Domäne Transmembranregion Juxtamembranregion Kinasedomäne 37 AS 37 AS 6 AS C-Terminus DDR1a DDR1b DDR1c DDR1d DDR1e 876 AS 913 AS 919 AS 508 AS 768 AS Abb. 1.2.2: Schematische Darstellung der DDR1-Isoformen. Im Gegensatz zu DDR2 kann DDR1 in eine Zellmembran-verankerte beta- und in eine lösliche, die extrazelluläre Domäne enthaltende alpha-untereinheit gespalten werden. Dieser als Shedding bezeichnete Prozess wird unter anderem durch Kollagen induziert (Vogel, 2002). Nach Abspaltung der extrazellulären Domäne ist die verbleibende intrazelluläre beta-untereinheit tyrosinphosphoryliert und verbleibt möglicherweise als Teil einer alternativen Signalkaskade katalytisch aktiv. 5

Einleitung 6 1.3 Das funktionelle Spektrum von Discoidin-Domain- Rezeptoren Das Discoidin-Protein des Schleimpilzes Dictyostelium, von dem die Homologien zur Discoidin-Domäne der DDR-Rezeptoren abgeleitet wurden, wird während der Aggregation der Amöbe zu einem Multiorganismus gebildet. Zunächst wurde dem Discoidin-Protein hier eine Rolle bei Vorgängen der Zellaggregation, beim Zell-Zell- Kontakt und der Migration zugeschrieben (Springer et al., 1984). Spätere Arbeiten zeigen, dass es zur Aufrechterhaltung der Morphologie, des Zytoskeletts und der Bildung eines Multiorganismus im Schleimpilz wichtig ist (Alexander et al., 1992). Discoidin ist ein Lektin, das Galaktose und N-Acetyl-Galaktosamin bindet; ob die Discoidin-Domäne auch als Lektin in den DDR-Rezeptoren wirkt, ist nicht bekannt. Da allen Proteinen mit einem Discoidin-Motiv gemeinsam ist, dass sie bei Zell-Zell- Interaktionen und bei Vorgängen der Zelladhäsion eine Rolle spielen (Baumgartner et al., 1998), ist zu vermuten, dass DDR-Rezeptoren ähnliche Funktionen vermitteln. DDR1- und DDR2- Rezeptoren werden nahezu komplementär exprimiert: DDR1 wurde vorwiegend in Epithelzellen in Niere, Lunge und Gastrointestinaltrakt, aber auch in Fibroblasten der Haut und der Cornea nachgewiesen (Alves et al., 1995; Chin et al., 2000; 2001; Mohan et al., 2001; Sakamoto et al., 2001), DDR2 wurde neben Bindegewebszellen auch in der Cornea (Mohan et al., 2001) und vermehrt in Sternzellen der Leber gefunden. Nach Leberschädigung wird DDR2 in diesen Zellen durch Kollagen Typ I stimuliert (Olaso et al., 2001a). DDR1 ist bei Vorgängen der Zell-Zell-Interaktion und der Migration wesentlich beteiligt. DDR1a vermittelt die Migration von Leukozyten in Gewebe und ist bei Mechanismen der Abwehr beteiligt (Kamohara et al., 2001). DDR1 knock-out Mäuse sind kleiner als Wildtyp-Nachkommen und haben einen Defekt in der Fortpflanzung, da bei den meisten Weibchen die Implantation der Blastozysten in den Uterus nicht stattfindet. Zudem zeigen sie eine abweichende Brustdrüsenentwicklung. Während der Pubertät wächst das Brustgewebe mit reduzierter Geschwindigkeit aus und verzweigt sich abnormal. Auf Grund einer erhöhten Proliferationsrate der duktalen Zellen entstehen Gänge mit verbreiterten Lumina. Außerdem kommt es im Brustgewebe zu einer vermehrten Bildung von Komponenten der extrazellulären Matrix (Vogel et al., 2001). DDR1 wird überdies eine Rolle in der Gefässentwicklung zugeschrieben. Zellen aus der glatten Muskulatur der DDR1 defizienten Mäuse wachsen langsamer und zeigen eine verminderte Adhäsion und Migration auf einer 6

Einleitung 7 mit Kollagen beschichteten Oberfläche. In einem Modell der Atherosklerose zeigen die DDR1 knock-out Mäuse eine reduzierte Neusynthese von kollagenhaltiger Matrix (Hou et al., 2001). Wnt5a, ein Protein, dass bei Zelladhäsion und Zellmigration eine Rolle spielt, wurde als Kofaktor bei der kollageninduzierten Aktivierung von DDR1 in Brustepithelzellen identifiziert (Jönsson und Andersson, 2001). Durch Überexpression einer dominant-negativen Mutante von DDR1 in Kleinhirnzellen konnte der Signalweg von DDR1 gehemmt und damit das Auswachsen dieser Zellen verhindert werden (Bhatt et al., 2000). Da neuronale Zellen ähnlich wie Tumorzellen durch extrazelluläre Matrix wandern müssen, spielen bei dem Auswachsen neuronaler Zellen ähnliche Mechanismen eine Rolle, wie sie bei der Tumorinvasion beschrieben werden. Auch der DDR2-Rezeptor spielt bei der Zellmigration eine Rolle. So wurde die Notwendigkeit des aktivierten DDR2- Rezeptors bei der Migration von Fibroblasten durch die extrazelluläre Matrix nachgewiesen (Olaso et al., 2001b). DDR2 defiziente Mäuse sind ebenfalls kleiner als Wildtyp-Nachkommen. In einem Modell der Wundheilung proliferieren Fibroblasten der Haut aus diesen Mäusen weniger im Vergleich zu denen aus Wildtyp-Mäusen (Labrador et al., 2001). Die Aktivierung von DDR1 durch Kollagen führt zu einer gesteigerten Expression von MMP2 und MMP9 (Hou et al., 2002), DDR2 aktiviert die Produktion von MMP1 und MMP2 (Vogel et al., 1997, Olaso et al., 2001b). Diese MMPs spielen eine entscheidende Rolle in der Degradierung von extrazellulärer Matrix. Obwohl die genaue Funktion der DDR-Rezeptoren noch nicht geklärt ist, zeigen diese Ergebnisse, dass DDR1 und DDR2 bei Vorgängen der Migration und Adhäsion eine funktionelle Bedeutung haben sowie Interaktionen zwischen Stromaund Epithelzellen vermitteln. 7